Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 114 IA 254



114 Ia 254

39. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 15.
September 1988 i.S. X. gegen Einwohnergemeinde Deitingen und Regierungsrat
des Kantons Solothurn (staatsrechtliche Beschwerde) Regeste

    1. Bei der grundsätzlich im öffentlichen Interesse liegenden
Verkleinerung überdimensionierter Bauzonen ist zusätzlich darauf zu
achten, dass die einzelnen Teilbauzonen derart dimensioniert sind,
dass sie für die Bedürfnisse der nächsten 15 Jahre ausreichen (E. 3e;
Bestätigung der Rechtsprechung).

    2. Bedeutung der Rechtsgleichheit im Bezug auf nicht ausgezontes Land.
Verletzung des Gleichheitsprinzips im konkreten Fall verneint (E. 4).

    3. Bestand wegen mangelnder Planungsunterlagen berechtigter Anlass
zur Beschwerdeführung, so rechtfertigt es sich, die unterliegende Partei
nicht mit Kosten zu belasten und ihr eine Parteientschädigung zuzusprechen
(E. 5).

Sachverhalt

    A.- X. ist Eigentümerin des Grundstückes GB Nr. 299 im Halte von
ungefähr 20 000 m2 in der Gemeinde Deitingen im Kanton Solothurn. Gemäss
dem Zonenplan vom 20. Februar 1970/20. Juli 1971 lag das ganze
Grundstück in der Gewerbezone. Vom 28. Februar bis 29. März 1985 legte die
Einwohnergemeinde Deitingen einen neuen Zonenplan auf. In diesem wurde der
östliche Teil der Parzelle Nr. 299 in die Industriezone, 2. Etappe, und der
westliche Parzellenteil von ungefähr 5400 m2 in die Reservezone eingeteilt.

    Gegen die Zuteilung des westlichen Parzellenteils erhob X. Einsprache
beim Gemeinderat Deitingen, die dieser am 1. April 1986 abwies.

    Eine hiegegen beim Regierungsrat des Kantons Solothurn eingereichte
Beschwerde wies dieser mit Entscheid vom 27. Oktober 1987 ab. Das
Bundesgericht weist die von X. gegen diesen Entscheid erhobene
staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung von Art. 4 und 22ter BV ab.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 3

    3.- e) Nach der bundesgerichtlichen Praxis besteht ein erhebliches
Interesse an Massnahmen, die das Entstehen überdimensionaler Bauzonen
verhindern oder solche verkleinern (BGE 107 Ia 242 E. 3a, 107 Ib 335
E. 2b). Zu gross bemessene Bauzonen sind nicht nur unzweckmässig,
sondern gesetzwidrig (BGE vom 2. Februar 1982 in ZBl 83/1982 S. 353
E. 3c; vgl. auch BGE 111 Ia 22). Das bedeutet allerdings nicht, dass
bei der Beurteilung einer Planungsmassnahme ausschliesslich auf das
Fassungsvermögen des Baugebietes insgesamt abgestellt werden darf;
zusätzlich ist darauf zu achten, dass die einzelnen Teilbauzonen mit
bestimmter Nutzungsdichte und besonderem Zonencharakter (einzelne
Wohnzonen, Gewerbezonen, Industriezonen, gemischte Zonen usw.) derart
dimensioniert sind, dass sie für die Bedürfnisse der nächsten 15 Jahre
genügen (Bundesgericht am 15. Oktober 1986 i.S. M. E. 4c; vgl. auch BGE
111 Ia 22, 103 Ia 253 E. 2b). Hierüber enthielten bei Einrichtung der
Beschwerde weder der angefochtene Entscheid noch die Akten irgendwelche
Anhaltspunkte. Der Gemeinderat Deitingen und der Regierungsrat haben es
insbesondere unterlassen, Abklärungen darüber zu treffen, welches Ausmass
das eingezonte Industrie- bzw. Gewerbeland, aufgeteilt nach Bauetappen,
in der Gemeinde Deitingen tatsächlich hat, wieviel davon noch unüberbaut
ist und welches Bedürfnis für die nächsten 15 Jahre an derartigem Land
mutmasslich vorhanden ist. Dies holte das Bundesgericht vor und nach dem
von ihm durchgeführten Augenschein nach. Die Abklärungen ergaben, dass die
Gemeinde Deitingen nach dem alten Zonenplan vom 20. Juli 1971 über eine
Industriezone, 1. Etappe, von 7,86 ha und eine Industriezone, 2. Etappe,
von 1,1 ha (insgesamt 8,96 ha) verfügte; die Gewerbezone, 1. Etappe,
umfasste im alten Zonenplan 3,6 ha, die Gewerbezone, 2. Etappe, 3,16 ha
(insgesamt 6,76 ha); dabei besteht der Unterschied zwischen Industrie-
bzw. Gewerbezonenland, 1., und solchem 2. Etappe, lediglich darin, dass die
Erschliessungskosten beim Land, 2. Etappe, von den Grundeigentümern selbst
zu tragen sind. Insgesamt umfassten nach altem Zonenplan die Industrie-
und die Gewerbezone, je 1. und 2. Etappe, insgesamt 15,72 ha (8,96 ha +
6,76 ha). Davon waren 4,5 ha beim Erlass des alten Zonenplans bereits
überbaut, so dass sich eine unüberbaute Fläche von 11,22 ha (15,72 ha -
4,5 ha) in den beiden Zonen ergab. Von dieser Fläche wurden in den letzten
10-15 Jahren 2,5 ha überbaut. Bei der Ausarbeitung des neuen Zonenplans war
daher von einer unüberbauten Fläche in der Industrie- und der Gewerbezone
von 8,72 ha (11,22 ha - 2,5 ha) auszugehen. Von diesen 8,72 ha unüberbauter
Fläche in der Industrie- und der Gewerbezone, 1. und 2. Etappe, wurden mit
dem neuen Zonenplan 0,44 ha in die Wohnzone, 2,32 ha ins Reservegebiet
und 1,45 ha in die Landwirtschaftszone umgezont. Die Industrie- und
Gewerbezone wurde somit total um 4,21 ha (0,44 ha + 2,32 ha + 1,45 ha)
vermindert. Nach neuem Zonenplan sind demnach noch 4,51 ha (8,72 ha -
4,21 ha) unüberbauter Fläche in der Industrie- und der Gewerbezone (neue
Bezeichnung: Industriezone 11 und 12), 1. und 2. Etappe, vorhanden.

    In diesen Zahlen ist die Industriezone "Wilihof", wo seit
langem die Firma Vigier angesiedelt ist und wo für die Bedürfnisse
dieser Firma 3,35 ha Industriezonenland neu eingezont wird, nicht
berücksichtigt. Die Ausklammerung dieses Landes - sowohl bei der Prüfung
der Verletzung der Eigentumsgarantie als auch der Rechtsgleichheit -
erscheint als gerechtfertigt. Teilweise geht es dabei lediglich um
eine Anpassung an einen faktischen Zustand, lagen doch eine Reihe von
bestehenden Betriebsgebäuden gemäss dem alten Zonenplan im übrigen
Baugebiet. Überdies ist zu beachten, dass sich das Gebiet "Wilihof"
einige Kilometer vom eigentlichen Baugebiet der Gemeinde Deitingen
entfernt im Schnittpunkt der Gemeinden Deitingen, Luterbach und Riedholz
befindet und in unmittelbarer Nähe zu den Industriezonen dieser Gemeinden
liegt. Sodann geht es bei dieser Einzonung um eine Befriedigung der
aktuellen Bedürfnisse eines bestehenden Betriebes. Obschon dort nur eine
Erhöhung um ca. 35 Arbeitsplätze stattfinden soll, ist die merkliche
Ausdehnung des faktisch bestehenden Industriegebietes im "Wilihof"
vor allem deshalb gerechtfertigt, weil die Firma Vigier dort ausser
für ein Forschungslabor hauptsächlich Lagermöglichkeiten für die von ihr
hergestellten Baumaterialien benötigt. Für die vorgesehenen Gebäulichkeiten
besteht ausserdem eine Gestaltungsplanpflicht. Dazu kommt schliesslich,
dass über die Zuteilung des "Wilihofes" zur Industriezone noch gar nicht
rechtskräftig entschieden ist.

    Unüberbautes Industrie- und Gewerbezonenland im Ausmass von 4,51 ha
dürfte den Bedarf an solchem Land für die nächsten 15 Jahre decken. Aus den
vom Bundesgericht beigezogenen Unterlagen ergibt sich nämlich wie erwähnt,
dass in den 10-15 Jahren vor Erlass des neuen Zonenplanes lediglich 2,5
ha derartigen Landes überbaut worden sind. Sodann ergab eine von der
Gemeinde Deitingen auf Veranlassung des Bundesgerichtes durchgeführte
Umfrage, dass die heute bestehenden Firmen in der Gemeinde (mit Ausnahme
der Firma Vigier AG) nur kleinere Erhöhungen von Arbeitsplätzen vorzunehmen
planen. Damit ist aber die Verminderung der Industrie- und Gewerbezone um
4,21 ha im Rahmen der neuen Zonenplanung, insbesondere auch die Rückzonung
einer Fläche von total 2,32 ha ins Reservegebiet, grundsätzlich durchaus
berechtigt und vom öffentlichen Interesse gedeckt.

Erwägung 4

    4.- a) Die Beschwerdeführerin erhebt sodann die Rüge, durch die
Auszonung werde auch das Rechtsgleichheitsgebot gemäss Art. 4 BV verletzt.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtes kommt dem Gleichheitsprinzip
bei Planungsmassnahmen nur eine abgeschwächte Bedeutung zu. Ein
Grundeigentümer hat keinen aus Art. 4 BV folgenden Anspruch darauf, im
Zusammenhang mit dem Erlass einer Zonenordnung gleich behandelt zu werden
wie alle übrigen Grundeigentümer, die von einer Raumplanungsmassnahme
berührt werden. Es liegt im Wesen der Ortsplanung, dass Zonen gebildet und
irgendwo abgegrenzt werden müssen und dass Grundstücke ähnlicher Lage und
ähnlicher Art bau- und zonenrechtlich völlig verschieden behandelt werden
können. Verfassungsrechtlich genügt, dass die Planung sachlich vertretbar,
d.h. nicht willkürlich ist. Das Gebot der Rechtsgleichheit fällt insoweit
mit dem Willkürverbot zusammen (BGE 107 Ib 339 E. 4a mit Hinweis).

    b) Schon aufgrund der Darlegungen im Zusammenhang mit der behaupteten
Verletzung der Eigentumsgarantie ergibt sich, dass die angefochtene Planung
durchaus vertretbar ist. Allerdings wäre dies auch der Fall gewesen,
wenn der westliche Grundstückteil der Parzelle GB Nr. 299 ebenfalls
der Industriezone, 2. Etappe, zugeteilt worden wäre. Die Rückzonung
in die Reservezone erscheint jedoch als durchaus vertretbar. Dass das
Gebiet "Wilihof" für die Beurteilung ausser Betracht fällt, wurde schon
vorstehend (E. 3e) dargelegt. Ein Vergleich mit dem Vorgehen bei der
Industriezone östlich des Öschbaches lässt die Planung mit Bezug auf das
Land der Beschwerdeführerin ebenfalls nicht als sachlich unvertretbar
erscheinen. Auch dort wurde die Industriezone durch den neuen Zonenplan
um ungefähr 2 ha verkleinert und ein Teil der Parzellen der Reservezone
zugewiesen. Es ging der Gemeinde dort überdies darum, das ihr gehörende
Industriezonenland einer baldigen Überbauung zuzuführen; wie am Augenschein
festgestellt wurde, ist diese teilweise bereits im Gang. Während das Land
am Öschbach käuflich erworben werden kann, trifft dies für das Land der
Beschwerdeführerin, die überhaupt noch keine nur irgendwie konkreten
Vorstellungen über dessen Verwendung äussern konnte, nicht zu. Zum
Vergleich können auch nicht die Aus- bzw. Rückzonungen von Wohnzonenland
östlich des Rusbaches herangezogen werden. Die Beschwerdeführerin
bzw. deren Vertreter gestanden nämlich am bundesgerichtlichen Augenschein
ausdrücklich zu, die Wohnzonen in der Gemeinde Deitingen seien im alten
Zonenplan überdimensioniert gewesen. Da sich schliesslich in letzter Zeit
südlich der Parzelle der Beschwerdeführerin die Wohnüberbauung immer
mehr in Richtung deren Landes ausweitete, war es durchaus vertretbar,
den westlichen Teil der Parzelle GB Nr. 299 mit der Zuteilung zum
Reservegebiet je nach der künftigen Entwicklung evtl. auch für eine
spätere Verwendung als Wohnzone offenzuhalten. Damit erweist sich auch
die Rüge, das Rechtsgleichheitsgebot sei verletzt worden, als unbegründet.

Erwägung 5

    5.- Zusammenfassend ist festzustellen, dass die staatsrechtliche
Beschwerde abzuweisen ist.

    Im Regelfall sind gemäss Art. 156 Abs. 1 OG die Gerichtskosten der
unterliegenden Partei aufzuerlegen. Hievon ist indessen im vorliegenden
Fall aufgrund der besondern Umstände abzusehen. Angesichts der mangelnden
Planungsunterlagen von Gemeinde und Kanton war die Beschwerdeerhebung
durchaus nicht unberechtigt. Erst aufgrund der vom Bundesgericht vor und
nach dem Augenschein beigezogenen Unterlagen ergab sich die Abweisung
der Beschwerde. Dies würde an sich eine Kostenüberbindung an Kanton
und Gemeinde rechtfertigen, was jedoch aufgrund von Art. 156 Abs. 2 OG
ausgeschlossen ist. Es ist deshalb für das bundesgerichtliche Verfahren
auf die Erhebung von Kosten zu verzichten; hingegen sind Kanton und
Gemeinde angesichts der geschilderten Sachlage zu verpflichten, die
Beschwerdeführerin für das bundesgerichtliche Verfahren mit je Fr. 1'000.--
zu entschädigen.