Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 114 IA 191



114 Ia 191

30. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 28. Juni 1988 i.S.
Schweiz. Eidgenossenschaft gegen Kanton St. Gallen und Kassationsgericht
des Kantons St. Gallen (staatsrechtliche Beschwerde) Regeste

    Rückgriff aus Haftung nach Zivilschutzgesetz und
Militärversicherungsgesetz. Zuständigkeit.

    Für Schäden von Drittpersonen im Rahmen dienstlicher Verrichtungen
des Zivilschutzes haften die durchführenden Gemeinwesen kausal. Regelung
der Rückgriffsrechte und der Zuständigkeiten (E. 2a und b).

    Art. 49 MVG kommt nur zum Zuge, wenn der den Schaden verursachende
Schutzdienstpflichtige direkt haftet (E. 2d); als reine Regressnorm vermag
diese Bestimmung eine solche direkte Haftung nicht zu begründen.

    Die Auslegung des Zivilschutzgesetzes, insbesondere der Art. 77
ff. ergibt, dass die direkte Belangbarkeit des Zivilschutzpflichtigen
im gleichen Masse wie diejenige des Wehrmannes nach Art. 22 Abs. 3 MO
ausgeschlossen ist (E. 3).

Sachverhalt

    A.- R. nahm vom 26. bis 30. März 1984 an einem kantonal organisierten
Zivilschutzkurs teil. Im Rahmen dieses Kurses wurde eine sogenannte
"Brandangewöhnungsübung" durchgeführt. Instruiert von einem Klassenlehrer
bewegten sich die Teilnehmer zunächst im ersten Obergeschoss des
Brandhauses an einem Holzstoss vorbei, welcher zuvor von S., dem
vollamtlichen Materialwart des Ausbildungszentrums, entfacht worden
war. Nach weiteren Instruktionen stieg R. hinter dem Klassenlehrer
die Treppe hinab, wo den beiden unerwartet eine Stichflamme des von
S. zusätzlich geschürten Feuers entgegenschlug. Während der Klassenlehrer
auszuweichen vermochte, erlitt R. schwere Verbrennungen, die dessen
Hospitalisierung erforderten.

    Als Zivilschutzangehöriger unterstand R. der Militärversicherung,
welche ihm den erlittenen Schaden deckte.

    B.- Am 10. April 1985 erhob die Schweizerische Eidgenossenschaft Klage
gegen den Kanton St. Gallen auf Feststellung der Haftung für die Folgen
einer Gesundheitsschädigung des R. aus dem genannten Zivilschutzkurs
und auf Rückerstattung der bisher erbrachten Leistungen. Sie berief
sich auf ihre Subrogation nach Art. 49 des Bundesgesetzes über die
Militärversicherung vom 20. September 1949 (MVG; SR 833.1) sowie die
Haftung des Kantons für das schädigende Verhalten seines Beamten S. nach
kantonalem Verantwortlichkeitsgesetz. Mit Entscheid vom 4. September
1986 trat das Bezirksgericht St. Gallen auf die Klage mangels sachlicher
Zuständigkeit nicht ein.

    Eine Berufung der Schweizerischen Eidgenossenschaft gegen dieses
Erkenntnis wies das Kantonsgericht St. Gallen ab. Auch es verneinte die
sachliche Zuständigkeit, war jedoch im Gegensatz zum Bezirksgericht der
Auffassung, der von der Eidgenossenschaft behauptete Rückgriffsanspruch
sei nicht durch die Direktion der Eidgenössischen Militärversicherung
in Form einer Verfügung, sondern gemäss Art. 79 des Bundesgesetzes über
den Zivilschutz vom 23. März 1962 (ZSG; SR 520.1) beim Bundesgericht als
einziger Instanz geltend zu machen.

    Das Urteil des Kantonsgerichtes focht die Schweizerische
Eidgenossenschaft mit kantonaler Nichtigkeitsbeschwerde an. Das damit
befasste Kassationsgericht erwog, gegen den Entscheid des Kantonsgerichtes
ständen mangels einer Zivilrechtsstreitigkeit weder die eidgenössische
Berufung noch die eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde offen, weshalb es
auf die Beschwerde auch insoweit eintrat, als darin eine Verletzung von
Bundesrecht gerügt wurde. In der Sache selbst schloss es sich im Ergebnis
der Auffassung des Kantonsgerichtes an.

    C.- Die Schweizerische Eidgenossenschaft hat gegen den Entscheid
des Kassationsgerichtes staatsrechtliche Beschwerde beim Bundesgericht
eingelegt. Sie beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben.

    Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab, soweit es auf sie eintritt.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- a) Auf die im Zivilschutz Dienst leistenden Personen ist das
Bundesgesetz vom 20. September 1949 über die Militärversicherung anwendbar
(Art. 48 ZSG). Derselben Versicherung sind Zivilpersonen unterstellt,
welche zu Leistungen des Zivilschutzes herangezogen werden, darunter
auch das bei Übungen eingesetzte Hilfspersonal (Art. 1, insb. Ziff. 4
des Bundesratsbeschlusses betreffend die Unterstellung von Zivilpersonen
unter die Militärversicherung vom 8. Mai 1968; SR 833.12).

    Gegenüber einem Dritten, der für die Gesundheitsschädigung eines
Versicherten schadenersatzpflichtig ist, tritt die Militärversicherung
bis auf die Höhe der von ihr geschuldeten Leistungen in den Ersatzanspruch
des Versicherten ein (Art. 49 MVG).

    b) Für Schäden von Drittpersonen im Rahmen dienstlicher Verrichtungen
des Zivilschutzes haften die durchführenden Gemeinwesen oder Betriebe
kausal (Art. 77 ZSG; Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung
zu einem Bundesgesetz über den Zivilschutz vom 6. Oktober 1961; BBl 1961
II 693 ff., insb. 725 zu Art. 75 ZSGE; OFTINGER, Schweiz. Haftpflichtrecht
II/1, S. 852 Fn. 25). Für ihre Leistungen steht ihnen der Rückgriff auf
die Person zu, die den Schaden vorsätzlich oder grobfahrlässig verursacht
hat (Art. 78 ZSG). Die Kantone bezeichnen die für die Behandlung der
Schadenersatzansprüche zuständige Behörde, welche in allen Fällen
zu vermitteln und über Ansprüche aus Sachschäden erstinstanzlich zu
entscheiden hat. Ihre Entscheide sind an die Eidgenössische Kommission
für Zivilschutzangelegenheiten weiterziehbar. Über Personen- und mit
solchen verbundene Sachschäden urteilt das Bundesgericht als einzige
Instanz, ebenso über den Rückgriff auf die Urheber von Personenschäden
(Art. 79 ZSG).

    c) Noch nicht geklärt ist das Verhältnis der Rückgriffsordnung nach
Art. 49 MVG zu derjenigen nach Art. 78 f. ZSG.

    Das Bezirksgericht ging in seinem Entscheid davon aus, der
Schutzdienstpflichtige könne - wie der Wehrmann - für die von ihm
verursachten Schäden nicht direkt belangt werden, so dass eine Subrogation
der Militärversicherung im Sinne von Art. 49 MVG mangels verfügbaren
Anspruchs ausgeschlossen sei. Es gelte sinngemäss die Regelung von Art. 22
und 25 des Bundesgesetzes über die Militärorganisation (MO; SR 510.10),
wonach nur das im Aussenverhältnis ausschliesslich haftende Gemeinwesen
den Fehlbaren in Anspruch nehmen könne. Anwendbar sei das Verfahren
nach Art. 136a Abs. 1 lit. a der Verordnung über die Verwaltung der
Schweizerischen Armee vom 26. November 1965 (VMilV) mit erstinstanzlicher
Zuständigkeit der Direktion der eidgenössischen Militärverwaltung (AS
1971 1683 und 1979 1605; zwischenzeitlich aufgehoben durch Art. 174
der Verordnung über die Verwaltung der Armee vom 12. August 1986, VVA,
SR 510.301).

    Das Kantonsgericht schloss sich in materieller Hinsicht dieser
Auffassung an, erachtete verfahrensrechtlich dagegen die Ordnung von
Art. 79 Abs. 3 ZSG mit ausschliesslicher Zuständigkeit des Bundesgerichtes
zur Beurteilung von Regressansprüchen aus Personenschäden als massgebend.

    Nach Auffassung des Kassationsgerichtes schliesslich kommt es weder
darauf an, ob der dienstleistende Schädiger direkt belangt werden kann,
noch darauf, ob im vorliegenden Fall S. als Angehöriger des Zivilschutzes
zu betrachten ist, sondern allein darauf, ob die Schädigung in einem
Sachzusammenhang mit einem Zivilschutzkurs steht und der Geschädigte
als "Dritter" im Sinne von Art. 77 Abs. 1 ZSG erscheint, was es für
R. bejaht. Unter diesen Voraussetzungen aber hält es ausschliesslich
das Haftungs-, Regress- und Zuständigkeitsregime der Art. 77 ff. ZSG
für anwendbar.

    d) Entgegen der Auffassung des Kassationsgerichtes ist die
Frage nach der direkten Haftung des Schutzdienstpflichtigen für den
Ausgang des vorliegenden Verfahrens nicht bedeutungslos. Einmal ist
davon auszugehen, dass die Kausalhaftung des Art. 77 ZSG nur Schäden
aus "dienstlichen Verrichtungen" deckt (Art. 77 Abs. 1 ZSG). Mithin
kommt es nicht allein auf den Sachzusammenhang des Schadens mit einer
Veranstaltung des Zivilschutzes, sondern zusätzlich auf die schädigende
Handlung und die Stellung des Verursachers an. Für Schäden, die zwar
im Zusammenhang mit einer solchen Veranstaltung, nicht aber mit einer
dienstlichen Verrichtung stehen, haftet der Veranstalter nicht kausal,
jedenfalls nicht nach Art. 77 Abs. 1 ZSG. Der Begriff der dienstlichen
Verrichtung sodann setzt voraus, dass ein bestimmtes Verhalten in
funktionellem Zusammenhang mit einer zivilschutzmässigen Dienstleistung
steht, was subjektiv wiederum die Einordnung in den Dienstbetrieb bedingt
(vgl. OFTINGER, aaO, S. 890). Schädigungen in dienstlicher Verrichtung
können daher nur von Personen ausgehen, die im Schutzdienst stehen,
wobei allenfalls näherer Abklärung bedarf, was unter dieser Indienstnahme
zu verstehen ist. Darüber hinaus ist die Frage der direkten Haftung des
Schutzdienstpflichtigen von Bedeutung für den Bestand einer allfälligen
Restforderung des Geschädigten auf Ersatz des von der Militärversicherung
nicht gedeckten Schadens, sowie auf die Möglichkeit einer Subrogation
des Bundes nach Art. 49 MVG. Namentlich kann diese Subrogation von
vornherein nur zum Zuge kommen, wenn der den Schaden verursachende
Schutzdienstpflichtige direkt haftet, andernfalls es an der Voraussetzung
eines übergangsfähigen Anspruchs gebricht (BGE 108 Ib 222; SCHAER,
Grundzüge des Zusammenwirkens von Schadenausgleichssystemen, S. 260
Rz. 762; vgl. auch BGE 111 Ib 195 E. 2). Mithin kann der behauptete,
auf Subrogation gegründete Regressanspruch der Beschwerdeführerin auch
nur bestehen, wenn das schädigende Ereignis eine direkte Haftung des
S. begründete.

Erwägung 3

    3.- a) Es ist festzuhalten, dass Art. 49 MVG keine direkte Haftung des
Schutzdienstpflichtigen zu begründen vermag. Es handelt sich hier nicht
um eine Haftungs-, sondern um eine reine Regressnorm, deren Bedeutung im
wesentlichen darin liegt, dass sie die Regressrangfolge von Art. 51 f. OR
zugunsten einer integralen Regressmöglichkeit der Militärversicherung, auch
auf einen bloss kausal Haftenden, eliminiert (SCHAER, aaO, S. 259 Rz. 759).

    Im Verhältnis zu den Haftungsvorschriften in Art. 77 ff. ZSG
ist zudem zu beachten, dass der heutige Art. 48 ZSG, welcher die
Schutzdienstpflichtigen der Militärversicherung unterstellt, erst
mit Novelle vom 7. Oktober 1977 (AS 1978 50) in das Gesetz eingefügt
worden ist, wogegen die ursprüngliche Fassung (AS 1962 1089) lediglich
zu einer Versicherung gegen Unfall und Krankheit in Anlehnung an die
Militärversicherung verpflichtet hatte. Bei Erlass des Zivilschutzgesetzes
bestand demnach eine "Konkurrenz" von Art. 49 MVG und Art. 78 f. ZSG
noch nicht.

    Richtig besehen besteht auch nach dem geltenden Recht in dieser
Richtung keine Normenkonkurrenz, da Art. 49 MVG nach dem Gesagten nicht die
Haftpflicht, sondern bloss die Subrogation haftpflichtrechtlicher Ansprüche
und damit den Rückgriff regelt. Kann aber diese Subrogation nur in einen
übergangsfähigen Anspruch erfolgen, beurteilt sich allein nach Massgabe
des materiellen Haftpflichtrechts, wann und gegen wen ein solcher Anspruch
entsteht. Somit entscheidet sich im vorliegenden Fall ausschliesslich
nach Art. 77 ff. ZSG, ob der allgemeine deliktische Anspruch aus Art. 41
OR für Schäden der hier zu beurteilenden Art entfällt oder nicht.

    b) Damit bleibt durch Auslegung des Zivilschutzgesetzes zu ermitteln,
ob die direkte Haftung des Schutzdienstpflichtigen für Schäden aus
dienstlicher Verrichtung ausgeschlossen ist oder nicht. Es gilt, anhand
der von Lehre und Rechtsprechung entwickelten Kriterien, den Rechtssinn
der massgebenden Normen zu bestimmen:

    aa) Der Gesetzeswortlaut als Ausgangspunkt jeder Auslegung beantwortet
die Frage nicht. Die Belangbarkeit des Verursachers wird nur in der
Regressordnung (Art. 78 ZSG), nicht aber in der externen Haftpflichtordnung
(Art. 77 ZSG) erwähnt.

    bb) Das Gesetz muss in erster Linie aus sich selbst heraus,
d.h. nach Wortlaut, Sinn und Zweck und den ihm zugrunde liegenden
Wertungen ausgelegt werden. Eine historisch orientierte Auslegung ist
daher für sich allein nicht entscheidend. Die Materialien fallen nach
der Rechtsprechung nur dann ins Gewicht, wenn sie angesichts einer
unklaren gesetzlichen Bestimmung eine klare Antwort geben; sie sind
umso weniger zu beachten, je weiter sie zeitlich zurückliegen (BGE 111
II 152). Zudem kann ihnen grundsätzlich nur dort entscheidendes Gewicht
zukommen, wo sie im Gesetzeswortlaut einen Niederschlag gefunden haben
(BGE 109 Ia 303 mit Hinweisen). Indessen ist nicht zu verkennen, dass
allein die an den Materialien orientierte Auslegung die Regelungsabsicht
des Gesetzgebers aufzuzeigen vermag. Diese Regelungsabsicht aber und
die vom Gesetzgeber in Verfolgung dieser Absicht erkennbar getroffenen
Wertentscheidungen bleiben für den Richter verbindliche Richtschnur, auch
wenn er das Gesetz mittels teleologischer Auslegung oder Rechtsfortbildung
neuen, vom Gesetzgeber nicht vorausgesehenen Umständen anpasst oder
es ergänzt (LARENZ, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 5. Auflage,
S. 313). Besondere Bedeutung erlangen die Materialien zudem im Bereiche
der negativen Norm, wenn die Auslegung ergibt, dass der Gesetzgeber durch
bewusstes Schweigen eine bestimmte Frage in negativem Sinne entschieden
haben wollte (MEIER-HAYOZ, N 255 zu Art. 1 ZGB). Diese Auslegung kann
notwendigerweise nur historisch erfolgen. Ein solches qualifiziertes
Schweigen wäre im vorliegenden Fall anzunehmen, wenn der Gesetzgeber die
Frage der direkten Haftung des Schutzdienstpflichtigen bewusst nicht
erwähnt hätte mit dem Willen, sie der allgemeinen Haftpflichtordnung
(Art. 41 ff. OR) zu unterstellen.

    Weder die bundesrätlichen Botschaften vom 6. Oktober 1961 (BBl 1961 II
693) und vom 25. August 1976 (BBl 1976 III 350) noch die parlamentarischen
Beratungen zur Haftpflichtordnung des Zivilschutzgesetzes (Sten.Bull. NR
1961 S. 612 ff., StR 1962 S. 47 ff.) befassten sich ausdrücklich mit der
hier zu entscheidenden Frage. Immerhin machen sie deutlich, dass der
Gesetzgeber grundsätzlich bestrebt war, die Ordnung des Zivilschutzes
derjenigen des Militärrechts anzupassen (BBl 1961 II 698; BBl 1976 III
369 zu Art. 80 ZSG; Sten.Bull. NR 1961 S. 613 Votum Bundesrat von Moos;
Sten.Bull. StR 1962 S. 47 Votum SR Darms mit dem Hinweis auf Art. 164 aOG
(BS 3 S. 576)).

    cc) Bei der Auslegung einer Norm ist zudem deren Bedeutungszusammenhang
zu berücksichtigen (LARENZ, aaO S. 310 ff.). Sie hat auch unter
systematischen Gesichtspunkten zu erfolgen, das Gesetz ist als Einheit
und aus dem Zusammenhang zu verstehen, wobei nicht nur der Zusammenhang
einer Vorschrift mit dem übrigen Gesetz, sondern die ganze Rechtsordnung
zu berücksichtigen ist (BGE 105 Ib 228; MEIER-HAYOZ, N 188 ff. zu Art. 1
ZGB). Dies hat zur Folge, dass aus der grundsätzlichen Gleichartigkeit
der Tatbestände und aus der vom Gesetzgeber angestrebten Angleichung
für die Auslegung der Haftungsordnung des Zivilschutzgesetzes auch die
militärgesetzliche Regelung zu berücksichtigen ist.

    Bereits unter der Herrschaft von Art. 27 aMO (BS 5 9) hat das
Bundesgericht in konstanter Rechtsprechung angenommen, die dort
statuierte Haftung des Bundes für Schäden von Zivilpersonen zufolge
militärischer Übungen schliesse eine Haftung der einzelnen Militärperson
dem Geschädigten gegenüber aus, welcher Haftungsausschluss zwar im Gesetz
nicht ausdrücklich vorgesehen sei, jedoch dessen Willen entspreche (BGE
47 II 179 f.; vgl. auch 78 II 423 E. b; 92 II 196 E. 4). Mit Novelle vom
19. Dezember 1946 wurde aufgrund dieser Rechtsprechung eine entsprechende
Ordnung in den Bundesbeschluss betreffend die definitive Einführung des
Verwaltungsreglementes für die schweizerische Armee vom 27. März 1885
(Art. 237; AS 1946 S. 1074) eingeführt und in Art. 103 des Beschlusses der
Bundesversammlung vom 30. März 1949 über die Verwaltung der schweizerischen
Armee (AS 1949 II S. 1118) übernommen.

    In folgerichtiger Weiterführung dieser Praxis erkannte das
Bundesgericht sodann, dass der Haftungsausschluss aus dienstlicher
Verrichtung nicht nur gegenüber Zivilpersonen, sondern auch gegenüber
anderen Wehrmännern gelte, sofern nicht eine absichtliche oder
grobfahrlässige Schädigung vorliege (BGE 78 II 419 ff.; 79 II 147 ff.;
92 II 196 ff.). Das geltende Bundesgesetz über die Militärorganisation
hat schliesslich auch diese Einschränkung fallen gelassen und bestimmt
nunmehr in Art. 22 Abs. 3 vorbehaltlos, dass dem Geschädigten gegenüber
dem Fehlbaren kein Anspruch zusteht.

    Diese Rechtsprechung und die gestützt darauf erlassenen Normen
schränken zwangsläufig auch den Anwendungsbereich von Art. 49 MVG ein. Die
dortige Rückgriffsordnung ist im Militärbereich nunmehr beschränkt auf
die Fälle, in welchen eine Zivilperson Schädiger ist (BGE 108 Ib 222),
oder in denen die schädigende Militärperson ausserhalb dienstlicher
Verrichtung handelt (dazu SCHAER, aaO, S. 261 Rz. 768 ff.).

    Ihre innere Rechtfertigung findet diese Ordnung in der dem Wehrmann
auferzwungenen erhöhten Risikosituation (BGE 92 II 197; SCHAER, aaO,
S. 260 Rz. 764) und damit letztlich in einer Interessenwertung. Diese
Wertung aber gestaltet sich im Zivilschutz nicht grundsätzlich anders. Auch
hier kommt der Dienstpflichtige oftmals in Situationen, die von seinen
gewohnten Lebensverhältnissen abliegen, und denen er sich aufgrund seiner
zivilen Tätigkeit und seiner Vorbildung nicht oder nicht voll gewachsen
erweist. Im Interesse der Dienstleistung hat er mitunter erhöhte Risiken in
Kauf zu nehmen, was rechtfertigt, ihn für die Folgen deren Verwirklichung
nicht unbesehen einstehen zu lassen (für das Versicherungsrecht im selben
Sinne VIKTOR LENDI, Der Anspruch des Versicherten aus dem Bundesgesetz
über die Militärversicherung vom 20. September 1949, Diss. Zürich
1970, S. 104). Systematische Überlegungen sprechen daher dafür, den
Schutzdienstpflichtigen haftpflichtrechtlich grundsätzlich gleichzustellen
wie den Wehrmann.

    dd) Zu keinem anderen Ergebnis führt schliesslich die teleologische
Auslegung des Gesetzes, das sachgerechte Verständnis von dessen Sinn und
Zweck. Auch hier steht im Vordergrund, die Tragweite des Erlasses aus
objektiv-zweckgerichteter Betrachtungsweise zu erfassen, wobei wiederum
dem Prinzip der Gleichbehandlung von Gleichartigem vordringliche Bedeutung
zukommt (LARENZ, aaO, S. 319 ff.).

    Art. 77 ZSG ist als kanalisierte Haftung des Veranstalters zu verstehen
(zum Begriff SCHAER, aaO, S. 260 Rz. 763). Dies ergibt sich indirekt
aus Art. 78 des Gesetzes, wonach der Rückgriff auf den Fehlbaren nur bei
vorsätzlicher oder grobfahrlässiger Verursachung möglich ist. Zweck der
Norm ist offensichtlich, den Schutzdienstpflichtigen von einer Haftung
für leichte Fahrlässigkeit oder aus besonderem Gefährdungstatbestand zu
entlasten. Diese Entlastung aber würde obsolet, wäre nur der Rückgriff des
Veranstalters in diese Schranken verwiesen, nicht aber ein konkurrierender
Direktanspruch des Geschädigten. Es wäre nicht einzusehen, weshalb der
Schutzdienstpflichtige schlechter gestellt werden sollte, wenn er direkt
belangt wird, als in der Regressordnung. Die Ausgestaltung des Rückgriffs
nach Art. 78 ZSG als Sanktionsregress (dazu SCHAER, aaO, S. 260 Rz. 764)
schliesst nach Sinn und Zweck eine direkte Haftung des Fehlbaren im selben
Umfange wie Art. 22 Abs. 3 MO aus.

    Weiter ist zu beachten, dass bei kombinierten Übungen von Zivilschutz
und Armee die Haftung sich im gemeinsamen Einsatz nach den Bestimmungen
des Zivilschutzgesetzes richtet (Art. 77 Abs. 3 ZSG). Wäre nun aber in
diesem die direkte Haftung des Fehlbaren abweichend vom Militärrecht
geregelt, hätte dies zur Folge, dass der schädigende Wehrmann im Rahmen
kombinierter Übungen haftpflichtrechtlich schlechter gestellt würde
als beim rein militärischen Einsatz. Auch diese Schlussfolgerung aber
verbietet sich aus teleologischen Erwägungen.

    ee) Aus all diesen Gründen sind die Art. 77 ff. ZSG so auszulegen,
dass die direkte Belangbarkeit des Schutzdienstpflichtigen im selben
Masse ausgeschlossen ist wie diejenige des Wehrmannes nach Art. 22
Abs. 3 MO. Dabei ergibt sich nach dem Gesagten, dass unter den Begriff
der "Drittpersonen" im Sinne von Art. 77 Abs. 1 ZSG auch geschädigte
Schutzdienstpflichtige fallen.