Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 114 IA 153



114 Ia 153

24. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom
15. Juli 1988 i.S. Y. gegen Ehegatten X., Präsident des Bezirksgerichts
Z. und Obergericht des Kantons Thurgau (staatsrechtliche Beschwerde)
Regeste

    Art. 58 Abs. 1 BV, Ablehnung eines Richters.

    - Tragweite des Anspruchs auf einen unparteiischen Richter gemäss
Art. 58 Abs. 1 BV (E. 3).

    - Ein Richter, der beim Entscheid über das gegen ihn gerichtete
Ablehnungsbegehren mitwirkt, ist kein unparteiischer Richter im Sinne
von Art. 58 Abs. 1 BV (E. 3a/aa).

    - Nichtigkeit eines Gerichtsbeschlusses, an dem ein iudex
inhabilis mitgewirkt hat, oder Heilung des Mangels durch das kantonale
Beschwerdeverfahren? (E. 3a/bb)

    - Ein Richter erscheint aufgrund seines subjektiven Verhaltens dann als
voreingenommen, wenn Umstände vorliegen, die den Anschein der Befangenheit
und die Gefahr der Voreingenommenheit objektiv zu rechtfertigen vermögen;
Anwendung dieses Grundsatzes (E. 3b).

Sachverhalt

    A.- Zwischen den Eheleuten X. als Kläger und Y. als Beklagtem ist
vor dem Bezirksgericht Z. ein Rechtsstreit betreffend Unterlassung eines
Bauvorhabens hängig. Es geht dabei unter anderem um die Frage, inwieweit
die auf dem Grundstück des Y. in Sch. betriebene "Hobby-Werkstatt" eine
unzulässige Mehrbelastung für ein Fuss- und Fahrwegrecht resp. eine
unzulässige Immission auf die Liegenschaft der Ehegatten X. zur Folge hat.

    Am 4. Mai 1987 nahm der Präsident des Bezirksgerichts Z., Dr. A.,
in Sch. an einer Feuerwehrübung teil. Bei dieser Gelegenheit stellte er
fest, dass in der Werkstatt des Y. abends um 20.00 Uhr noch gearbeitet
wurde. Er besichtigte die Örtlichkeiten und unterhielt sich kurz mit
dem Sohn des Beklagten Y. Er erstellte tags darauf eine Aktennotiz,
von welcher er den Parteien je eine Kopie zusandte.

    Mit Eingabe vom 13. Mai 1987 verlangte der Beklagte vom Bezirksgericht
Z., die Aktennotiz sei aus dem Recht zu weisen. Gleichzeitig stellte
er gegen den Gerichtspräsidenten Dr. A. ein Ablehnungsbegehren. Mit
Beschluss vom 26. Mai 1987 wies das Bezirksgericht Z. unter dem Vorsitz
des abgelehnten Gerichtspräsidenten diese Anträge ab.

    Das Obergericht des Kantons Thurgau hat am 8. September 1987 eine
von Y. gegen den Entscheid des Bezirksgerichts Z. eingereichte Beschwerde
abgewiesen, soweit es auf sie eintreten konnte.

    Y. führt staatsrechtliche Beschwerde und beantragt, es sei der
Beschluss des Obergerichts vom 8. September 1987 aufzuheben. Er rügt eine
Verletzung von Art. 4 und Art. 58 BV.

Auszug aus den Erwägungen:

                          Erwägungen:

Erwägung 3

    3.- Sowohl gestützt auf Art. 58 Abs. 1 BV wie auch auf Art. 6 Ziffer
1 EMRK hat jedermann unter anderem einen Anspruch darauf, dass seine
Streitsache von einem unparteiischen Richter beurteilt wird. Damit
soll garantiert werden, dass keine Umstände, welche ausserhalb des
Prozesses liegen, in sachwidriger Weise zugunsten oder zuungunsten einer
Partei auf das Urteil einwirken; es soll mit andern Worten mit diesem
verfassungsmässigen Recht verhindert werden, dass jemand als Richter
tätig wird, der unter solchen Einflüssen steht und deshalb kein "rechter
Mittler" mehr sein kann. Voreingenommenheit in diesem Sinne ist nach der
bundesgerichtlichen Rechtsprechung anzunehmen, wenn Umstände vorliegen,
die geeignet sind, Misstrauen in die Unparteilichkeit eines Richters zu
erwecken. Solche Umstände können entweder in einem bestimmten subjektiven
Verhalten des betreffenden Richters oder in gewissen funktionellen und
organisatorischen, d.h. objektiven Gegebenheiten begründet sein. In
beiden Fällen wird aber nicht verlangt, dass der Richter deswegen
tatsächlich voreingenommen ist; es genügt vielmehr bereits der objektiv
gerechtfertigte Anschein, die für ein gerechtes Urteil notwendige Offenheit
des Verfahrens sei nicht mehr gewährleistet. Angesichts der Bedeutung
des Anspruchs auf einen unparteiischen und unabhängigen Richter für die
Akzeptanz des Urteils beim Rechtsuchenden sowie für die Legitimation
der Rechtsprechung in einem demokratischen Rechtsstaat lässt sich eine
restriktive Auslegung und Anwendung von Art. 58 BV und Art. 6 Ziffer 1
EMRK nicht vertreten. Anderseits steht die Ablehnung eines Richters in
einem gewissen Spannungsverhältnis zum Anspruch auf den gesetzlichen
Richter. Der Ausstand muss deshalb die Ausnahme bleiben, damit die
regelhafte Verfahrensordnung nicht ausgehöhlt wird (vgl. BGE 114 Ia 53
E. 3b und c mit zahlreichen Hinweisen).

    a) aa) Der Gerichtspräsident des Bezirks Z., Dr. A., hat als
Vorsitzender beim Entscheid des Bezirksgerichts Z. vom 26. Mai 1987
über das gegen ihn gerichtete Ablehnungsbegehren mitgewirkt. Das
Obergericht des Kantons Thurgau hat dies zu Recht als unzulässig
beurteilt. Niemand kann unparteiischer Richter sein, wenn seine eigene
Sache zum Entscheid steht. Diese Unfähigkeit gilt auch für den Fall
eines Ablehnungsbegehrens (vgl. Art. 70 Abs. 1 ZPO sowie MAX GULDENER,
Schweizerisches Zivilprozessrecht, 3. Auflage, Zürich 1979, S. 14).

    bb) Das Obergericht hat aber befunden, dieser prozessuale Mangel des
Beschlusses des Bezirksgerichts werde durch das Beschwerdeverfahren
geheilt. Der Beschwerdeführer rügt dies als völlig falsch; das
Bundesgericht habe zu dieser Frage in seinem Entscheid vom 2. April
1987 i.S. H. gegen den Kanton Schaffhausen klar festgehalten, dass
das Verfahren, an welchem ein unfähiger oder rechtsgültig abgelehnter
Richter teilgenommen habe, zur absoluten (zwingenden) Nichtigkeit dieses
Verfahrens und damit auch des Urteils führe. Dieser Nichtigkeitsgrund
wirke ohne Rücksicht darauf, ob das Erkenntnis richtig gewesen sei; er
könne mit anderen Worten nicht geheilt werden. Mit diesen Ausführungen
rügt der Beschwerdeführer sinngemäss eine formelle Rechtsverweigerung. Er
macht indessen nicht geltend, die Verfassung verbiete ganz allgemein die
Heilung eines formellen Mangels im Rechtsmittelverfahren. Es ist deshalb
nur zu prüfen, ob die Auffassung des Obergerichts aufgrund des kantonalen
Rechts oder allgemeiner Rechtsgrundsätze als völlig unhaltbar erscheint
(vgl. BGE 113 Ia 19 E. 3a; 112 Ia 122 E. 4; 111 Ia 163 E. 1a; je mit
Hinweisen). Dies würde dann zutreffen, wenn sich erweisen sollte, dass
ein Entscheid über ein Ablehnungsbegehren, an welchem die abgelehnte
Gerichtsperson teilnimmt, nichtig ist und dass die Nichtigkeit im
Rechtsmittelverfahren nicht heilbar wäre.

    Der Beschwerdeführer legt nicht dar, dass aufgrund des kantonalen
Rechts ein Entscheid, an welchem ein iudex inhabilis mitwirkt, nichtig
ist. Es wäre somit nur zu untersuchen, ob sich die absolute Unwirksamkeit
aus allgemeinen Rechtsprinzipien ergäbe. Da indessen die nachfolgenden
Erwägungen zeigen, dass auf jeden Fall die Auffassung des Obergerichts,
der Mangel lasse sich im Beschwerdeverfahren heilen, haltbar ist, kann
das Problem der Nichtigkeit offenbleiben.

    Die Nichtigkeit kann nicht nachträglich bloss durch Zeitablauf
heilen. Es bedarf dazu vielmehr eines neuen, rechtlich einwandfreien
Hoheitsaktes, welcher den mit einem Nichtigkeitsgrund behafteten insoweit
ersetzt (vgl. dazu MAX IMBODEN, Der nichtige Staatsakt, Zürich 1944,
S. 58 f.; FRITZ GYGI, Verwaltungsrecht, Bern 1986, S. 306). Ob dies
durch die gleiche Behörde oder eine andere, z.B. die Rechtsmittelinstanz,
geschehen kann, ergibt sich aber nicht aus dem Begriff der Nichtigkeit,
sondern entscheidet sich allein nach dem massgebenden Recht (MAX IMBODEN,
aaO, S. 59). Der Beschwerdeführer rügt zwar sinngemäss, das Obergericht
lege dem Beschwerdeverfahren nach § 73 ZPO eine völlig falsche Bedeutung
zu; aber auch er vertritt nicht die Auffassung, die Beschwerdeinstanz
verfüge über eine beschränktere Kognition als das Bezirksgericht oder die
Beschwerde nach § 292 ff. in Verbindung mit § 73 ZPO habe nur kassatorische
Wirkung und es sei deshalb dem Obergericht verwehrt, in der Sache selbst
zu entscheiden, wenn es einen angefochtenen Beschluss aufhebt (vgl. BGE
98 Ia 470 E. 3). Dementsprechend hatte der Beschwerdeführer auch vor
Obergericht nicht bloss beantragt, es sei die Nichtigkeit des angefochtenen
Bezirksgerichtsbeschlusses festzustellen, sondern verlangt, es sei sein
Ablehnungsbegehren gegen Gerichtspräsident Dr. A. gutzuheissen. Zu Unrecht
beruft sich der Beschwerdeführer zudem auf das Urteil des Bundesgerichts
vom 2. April 1987 i.S. H. gegen den Kanton Schaffhausen. Aus diesem
Entscheid lässt sich für den vorliegenden Fall nichts ableiten, denn es
betraf ein Strafverfahren, welches nach dem Prozessrecht des Kantons
Schaffhausen durchgeführt wurde. In der Beschwerde wird nicht geltend
gemacht, das im Ablehnungsverfahren anwendbare Recht des Kantons Thurgau
weise in den entscheidenden Punkten einen mit dem Strafprozessrecht des
Kantons Schaffhausen vergleichbaren Inhalt auf. Schliesslich wendet der
Beschwerdeführer auch nicht substantiiert ein, die von ihm gerügte Meinung
des Obergerichts sei mit Art. 58 BV unvereinbar.

    Die Auffassung des Obergerichts, der Mangel im bezirksgerichtlichen
Verfahren werde durch das Beschwerdeverfahren geheilt, ist deshalb, soweit
sie zu überprüfen ist, verfassungsrechtlich gesehen, nicht zu beanstanden.

    b) Ein Richter kann aufgrund seines subjektiven Verhaltens als
voreingenommen erscheinen. Bei der Befangenheit handelt es sich allerdings
um einen innern Zustand, der nur schwer belegt werden kann. Es muss
deshalb für die Ablehnung nicht nachgewiesen werden, dass der Richter
tatsächlich befangen ist. Es genügt vielmehr, wenn Umstände vorliegen,
die den Anschein der Befangenheit und die Gefahr der Voreingenommenheit
zu begründen vermögen. Dabei kann allerdings nicht auf das subjektive
Empfinden einer Partei abgestellt werden. Das Misstrauen in den Richter
muss vielmehr wegen gewisser Umstände oder eines bestimmten, den Verdacht
der Parteilichkeit erweckenden Verhaltens in objektiver Weise begründet
erscheinen (Urteil des Bundesgerichts vom 4. Juni 1986, E. 3a mit
Hinweisen, in EuGRZ 1986, S. 670 ff. 671).

    aa) Der Beschwerdeführer macht folgende Gründe geltend, welche die
Ablehnung des Gerichtspräsidenten rechtfertigen würden: Dr. A. habe
im Zivilprozess zwischen ihm und den Ehegatten X. einen "informellen"
Augenschein durchgeführt und eigenmächtig Tatsachen erhoben, obwohl
es nach der thurgauischen Zivilprozessordnung keinen informellen
Augenschein gebe und die Sammlung des Prozessstoffes allein den Parteien
vorbehalten sei. Die Befangenheit des Gerichtspräsidenten komme vor allem
in der Aktennotiz vom 5. Mai 1987 zum Ausdruck, in welcher dieser statt
objektivsachlicher Feststellungen in erster Linie persönliche Wertungen
und Emotionen festgehalten habe. Mit einem Rechtfertigungsschreiben
an die Parteivertreter vom 18. Mai 1987 habe der Gerichtspräsident
sodann auf das gegen ihn laufende Verfahren Einfluss zu nehmen versucht
und den gegen den Sohn des Beschwerdeführers erhobenen Vorwurf der
Rücksichtslosigkeit und damit die negative Einstellung ihm gegenüber sogar
noch bestätigt. Dr. A. habe zudem den Tatbestand des Berichtens gemäss
§ 68 Ziffer 5 ZPO erfüllt, und schliesslich gehe auch aus der Tatsache,
dass Dr. A. am Entscheid über das gegen ihn gerichtete Ablehnungsbegehren
mitgewirkt habe, hervor, dass er die richterliche Unabhängigkeit verloren
habe.

    bb) Gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung vermögen
Verfahrensmassnahmen, seien sie richtig oder falsch, als solche keinen
objektiven Verdacht der Voreingenommenheit des Richters zu begründen,
der sie verfügt hat (BGE 111 Ia 264 3b/aa mit Hinweisen). Allgemeine
Verfahrensverstösse sind im dazu vorgesehenen Rechtsmittelverfahren zu
rügen und können grundsätzlich nicht als Begründung für eine Verletzung
von Art. 58 BV herangezogen werden (BGE 113 Ia 410 E. 2b). Diese
Differenzierung rechtfertigt sich auch deshalb, weil eine staatsrechtliche
Beschwerde, mit welcher die Garantie des verfassungsmässigen Richters
angerufen wird, nicht die Erschöpfung des kantonalen Instanzenzuges
voraussetzt (Art. 86 Abs. 2 OG). Soweit der Beschwerdeführer geltend
macht, der Gerichtspräsident von Z. erscheine deshalb als befangen,
weil er Bestimmungen der kantonalen Zivilprozessordnung verletzt habe,
ist seine Beschwerdebegründung von vornherein nicht geeignet, den Anschein
der Befangenheit objektiv als gerechtfertigt zu beurteilen.

    cc) Es ist somit einzig zu prüfen, ob das Verhalten von Dr. A. am
Abend des 4. Mai 1987 auf der Liegenschaft des Beschwerdeführers sowie der
Inhalt der von ihm darüber erstellten Aktennotiz und seines Schreibens vom
18. Mai 1987 an die Parteien objektiv den Anschein zu begründen vermögen,
der Bezirksgerichtspräsident sei voreingenommen und vermöge deshalb nicht
mehr unparteiisch zu urteilen. Im Rahmen einer Gesamtbeurteilung können
zudem weitere Tatsachen berücksichtigt werden, welche die Bewertung dieser
Vorkommnisse bekräftigen. Schliesslich ist auch nicht ohne Bedeutung,
welche Maximen das Verfahren beherrschen.

    Die Aktennotiz vom 5. Mai 1987 hat folgenden Wortlaut:

    "Anlässlich der Feuerwehrübung vom 4.5.1987 ... in ... werde ich ...
   durch das Aufheulenlassen eines Motors darauf aufmerksam gemacht,
   dass bei der Scheune/Werkstatt Y. immer noch an Autos gearbeitet wird.

    Um 20.10 Uhr spreche ich dort Herrn Y. jun. an, stelle mich vor, sage,
   gemeint gelesen zu haben, abends würde da nicht gearbeitet, und jetzt
   sehe ich mir die Sache einmal an. ...

    In Arbeit sind ein alter Alfa nebst einem grösseren Fz. Typ à la

    Landrover. Der Vorplatz ist überstellt, recht eigentlich vollgepfercht
mit
   insgesamt 4 Fahrzeugen (drei davon à la Landrover) nebst einem

    Anhänger. ...

    Ab 20.55-21.10 Uhr findet die Einsatzbesprechung vor den Liegenschaften

    Y. und X. auf der Dorfstrasse statt. In dieser Zeit wird auf dem
Vorplatz
   bei laut laufendem Radio geschweisst. Ich empfinde trotz der Distanz das

    Radio als lästig, die ständigen Lichtblitze des Schweissens als sehr
   ausgeprägt störend, ebenso das zischend-knarrende Schweissgeräusch.

    Der Werkplatz ist beleuchtet.

    Um 21.20 gehe ich nochmals auf den Platz Y. und orientiere Herrn Y.
   jun. nebst dem zweiten Herrn, ihr Verhalten als absolut rücksichtslos
   auf die Nachbarschaft zu betrachten. Er sagt, er müsste den Auspuff
   schweissen, und machte das eben dann, wenn er Zeit dafür habe. Ich frage
   ihn, wem die Autos auf dem Platz gehörten. Herrn Y. jun. führt aus, alle
   abgestellten Fahrzeuge gehörten ihm. Ich frage ihn, ob dies auch für den
   weiteren PW in der Garage (grasgrüner unterer Mittelklasse PW) zutreffe.

    Herr Y. jun. bejaht.

    Mindestens ein Fz. à la Landrover hat keine Kennzeichen. Ich betrachte
   das Schweissen in diesem zusammengepferchten Fahrzeugpark als
   problematisch. Den Zeitpunkt der Arbeitseinstellung habe ich nicht
   festgestellt."

    Das Obergericht hat dazu erwogen, weder aus der Tatsache, dass Dr. A.
aufgrund bestimmter Verumständungen persönliche Eindrücke habe gewinnen
können, noch daraus, dass er hierüber eine Aktennotiz angelegt habe,
könne objektiv auf eine Befangenheit geschlossen werden. Entgegen der
Auffassung des Beschwerdeführers lasse sich auch aus der Aktennotiz selber
keine voreingenommene Haltung herauslesen. Dass der Gerichtspräsident die
Aktennotiz verfasst und gleichzeitig den Parteien Gelegenheit gegeben habe,
sich zu seinen persönlichen Wahrnehmungen zu äussern, zeuge vielmehr davon,
dass er jegliche Art von Befangenheit bewusst habe vermeiden wollen.

    Es liegt auf der Hand, dass gerade der Präsident eines Bezirksgerichts
vielfach ausserprozessual Kenntnis erhält über Vorgänge, die sich
in seinem Bezirk abspielen. Aus der Tatsache allein, dass der
Bezirksgerichtspräsident anlässlich einer Feuerwehrübung auf das
Aufheulenlassen eines Motors auf der Liegenschaft des Beklagten aufmerksam
wurde und der Ursache dafür nachging, lässt sich keine Befangenheit
ableiten. Indessen hätte sich Dr. A., gerade weil er wusste, dass der von
ihm wahrgenommene Lärm Streitgegenstand eines vor ihm hängigen Prozesses
war, grösste Zurückhaltung und Neutralität auferlegen müssen. Aufgrund
der Akten kann man sich aber des Eindrucks nicht erwehren, dass er es
gerade daran fehlen liess: Nach seinen eigenen Angaben berief er sich
gegenüber dem Sohn des Beschwerdeführers ausdrücklich auf das Verfahren
wegen übermässiger Immissionen und konnte damit, zusammen mit seiner
subjektiv bewerteten Äusserung, er betrachte das Verhalten als absolut
rücksichtslos auf die Nachbarschaft, den Anschein erregen, er könne
die Sache des Beschwerdeführers nicht mehr aus der notwendigen Distanz
beurteilen. Zudem hielt Dr. A. in seinem Schreiben vom 18. Mai 1987 daran
fest, er betrachte das Verhalten des Sohnes des Beschwerdeführers "als
bar jeder Rücksicht", und sehe keinen Grund, von diesem spontanen Vorwurf
abzurücken. Dass er das Handeln des Sohnes negativ bewertete und nicht
dasjenige des Beschwerdeführers, ändert an dieser Beurteilung nichts, denn
Streitgegenstand des vor ihm hängigen Prozesses sind Emissionen aus dem
Grundstück des Beschwerdeführers, unabhängig davon, wer sie verursacht hat.

    Der Beschwerdeführer ist der Meinung, die Befangenheit des
Gerichtspräsidenten komme vor allem in der Aktennotiz vom 5. Mai
1987 selber zum Ausdruck. Statt einer Sachverhaltsaufnahme enthalte
dieses Aktenstück vielmehr in erster Linie eine zumindest moralische
(Vor-)Verurteilung des Beschwerdeführers bzw. dessen Sohnes.

    Dass der Gerichtspräsident sein privates Wissen, also seine Eindrücke
und den Inhalt seines Gesprächs mit dem Sohn des Beschwerdeführers,
in Form einer Aktennotiz aktenkundig gemacht und die Parteien zugleich
informiert hat, kann keine Befangenheit begründen. Im Gegenteil, es
entsprach dem Gebot der Fairness, die Parteien über sein privat gewonnenes
Wissen zu orientieren. Ob und inwieweit er dieses bei der Urteilsfindung
verwerten darf (vgl. dazu MAX GULDENER, Beweiswürdigung und Beweislast
nach schweizerischem Zivilprozessrecht, Zürich 1955, S. 4, Anm. 21; GEORG
LEUCH, Zivilprozessordnung für den Kanton Bern, 3. Auflage, Bern 1956,
N 3 zu Art. 213; WALTER J. HABSCHEID, Schweizerisches Zivilprozess-
und Gerichtsorganisationsrecht, Basel/ Frankfurt a.M. 1984, S. 454,
N 1233 - für die Schiedsgerichtsbarkeit; PETER HARTMANN, in Baumbach,
Zivilprozessordnung, 46. Auflage, München 1988, N 2 f. zu § 286;
STEIN/JONAS/LEIPOLD, Kommentar zur Zivilprozessordnung, 20. Auflage,
Tübingen 1987, N 18 zu § 286), kann offenbleiben, da diese Frage hier
nicht zum Entscheid steht.

    Im vorliegenden Fall hat der Gerichtspräsident aber nicht bloss das
festgehalten, was er wahrgenommen hat, sondern er hat dies auch bewertet,
und zwar so, dass beim Beschwerdeführer durchaus der Eindruck entstehen
konnte, der Ausgang seines Prozesses sei nicht mehr offen. Insbesondere
brachte Dr. A. zum Ausdruck, dass er den Lärm trotz der Distanz als
"lästig", die ständigen Lichtblitze des Schweissens als "sehr ausgeprägt
störend" empfinde. Auch wenn er sich damit nicht bereits den Standpunkt
der Kläger zu eigen gemacht hatte, so waren diese Einschätzungen
doch geeignet, beim Beklagten und Beschwerdeführer ein entsprechendes
Misstrauen zu erregen, welches durch sein Verhalten gegenüber dem Sohn des
Beschwerdeführers sowie durch die Bestätigung des Vorwurfes im Schreiben
vom 18. Mai 1987 noch verstärkt werden konnte.

    Es ist zwar richtig, dass der Richter im Laufe eines Zivilprozesses
verschiedentlich in die Situation kommt, wo er im Interesse der Parteien
gehalten ist, seine vorläufige Auffassung über den Streitgegenstand
zum Ausdruck zu bringen, etwa bei der Entscheidung darüber, ob und
gegebenenfalls welche Beweise abzunehmen oder welche Zeugen- oder
Expertenfragen zu stellen sind. Ebenso kann es im Interesse der Parteien
liegen, im Hinblick auf einen möglichen Vergleich seine einstweilige
Auffassung zum Streit kundzutun. Aber auch eine solche richterliche
Verfahrensleitung hat immer die dafür gesetzlich vorgesehenen Formen
einzuhalten und die prozessleitenden Maximen zu beachten. Im vorliegenden
Fall hätte es durchaus genügt, das Gesehene festzuhalten und die Parteien
darüber zu informieren. Das subjektiv Empfundene hätte im Zusammenhang
mit der Frage, welche Beweise beizubringen seien, einfliessen können und
hätte in der entsprechenden Verfügung mit der notwendigen Zurückhaltung
zum Ausdruck gebracht werden müssen.

    Selbst wenn man bezüglich der obgenannten Vorkommnisse noch Zweifel
haben könnte, ob sie geeignet seien, objektiv den Anschein von Befangenheit
zu rechtfertigen, so kann eine solche Beurteilung dann nicht mehr von
der Hand gewiesen werden, wenn auch das weitere Verhalten von Dr. A. in
Betracht gezogen wird:

    Gerichtspräsident Dr. A. sandte am 18. Mai 1987 das gegen ihn
gerichtete Ablehnungsbegehren nicht kommentarlos an die Gegenpartei zur
Vernehmlassung, sondern er erläuterte zusätzlich seine Haltung in bezug
auf den von ihm vorgenommenen "Augenschein" und die darüber erstellte
Aktennotiz. Zudem bestätigte er nochmals seinen "spontanen Vorwurf"
gegenüber dem Sohn des Beschwerdeführers, er betrachte sein Verhalten
am Abend des 4. Mai 1987 "als bar jeder Rücksicht". Schliesslich
wirkte Dr. A. auch noch als Präsident mit, als das Bezirksgericht
Z. über das gegen ihn gestellte Ablehnungsbegehren entschied. Dass
dies offensichtlich unzulässig war, hat bereits das Obergericht zu
Recht festgestellt (vgl. E. 3a/aa). Auch wenn dieses letzte Element ein
reiner Verfahrensfehler war und dieser als solcher nicht geeignet ist,
Voreingenommenheit zu begründen, so ist es doch verständlich, wenn der
Beschwerdeführer auch darin einen weiteren Ausdruck von Befangenheit
erblickt.

    Zwar darf ein objektiv gerechtfertigter Anschein von Befangenheit
nicht leichthin angenommen werden, weil sonst die gesetzliche
Zuständigkeitsordnung für die Gerichte bis zu einem gewissen
Grad illusorisch würde. Indessen ist im vorliegenden Fall auch zu
berücksichtigen, dass das Ablehnungsbegehren in einem Zivilprozess gestellt
worden ist. In einem solchen Verfahren, das von der Verhandlungs- und der
Dispositionsmaxime beherrscht wird und in welchem der Richter aufgrund des
Gesetzes ausdrücklich auf strengste Unparteilichkeit verpflichtet ist (§
75 Abs. 1 ZPO), rechtfertigt es sich, dem Gesichtspunkt der Legitimation
des Urteilsspruchs grössere Bedeutung zuzumessen als dem Anspruch auf den
(primär) gesetzlichen Richter.

    Zusammenfassend ist festzustellen, dass das Obergericht Art. 58 BV
verletzt hat, wenn es annahm, dass der Präsident des Bezirksgerichts
Z. keinen Tatbestand erfüllt habe, der nach objektiven und vernünftigen
Erwägungen Misstrauen in seine Unparteilichkeit rechtfertige. Werden das
Verhalten von Gerichtspräsident Dr. A. am Abend des 4. Mai 1987 auf dem
Grundstück des Beschwerdeführers sowie der Inhalt der von ihm darüber
angelegten Aktennotiz vom 5. Mai 1987 und des Schreibens vom 18. Mai
1987 im Blick auf Art. 58 BV als Gesamtes gewürdigt und wird zudem
berücksichtigt, dass er sich einen schweren Verfahrensmangel zuschulden
kommen liess, indem er beim Entscheid über das gegen ihn gestellte
Ablehnungsbegehren mitwirkte, so kommt das Bundesgericht zum Schluss,
dass Dr. A. in einem Ausmass Anlass zu Zweifeln an seiner Unbefangenheit
erweckte, dass der Anschein der Befangenheit objektiv gerechtfertigt ist.

Erwägung 4

    4.- Die staatsrechtliche Beschwerde ist gutzuheissen, und der Beschluss
des Obergerichts des Kantons Thurgau vom 8. September 1987 ist aufzuheben,
soweit das Gericht damit das Rechtsmittel des Beschwerdeführers abgewiesen
hat.