Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 113 V 140



113 V 140

22. Auszug aus dem Urteil vom 7. Mai 1987 i.S. B. gegen Bundesamt für
Militärversicherung und Bundesamt für Militärversicherung gegen B. und
Obergericht des Kantons Schaffhausen Regeste

    Art. 25 MVG: Integritätsschaden. Die Bemessung des Integritätsschadens
in Prozenten oder Graden hat sich weder direkt noch analogieweise nach
den Ansätzen gemäss Anhang 3 zur UVV zu richten (Erw. 2c und 3).

    Art. 49 Abs. 1 MVG: Rückgriff. Art. 49 Abs. 1 MVG ist zwingendes
Recht. Die Militärversicherung darf daher die von ihr zu erbringende
Integritätsentschädigung nicht um den Betrag einer Genugtuungsleistung
eines Haftpflichtversicherers kürzen (Erw. 6).

    Art. 22 MVG: Gewinnverbot: Kürzung von Zulagen?

    - Ein Gewinnverbot im Verhältnis aller oder bestimmter Zweige der
Sozialversicherung und bezüglich aller gleichartigen Leistungen bedarf
einer gesetzlichen Grundlage (Erw. 7b, c).

    - Mangels gesetzlicher Grundlage darf die Militärversicherung Zulagen
gemäss Art. 22 MVG nicht um den Betrag einer Hilflosenentschädigung der
Invalidenversicherung kürzen, um einen Versicherungsgewinn zu verhindern
(Erw. 7c).

    - Bedürftigkeit ist im Rahmen von Art. 22 MVG nicht
Anspruchsvoraussetzung (Erw. 7d).

Sachverhalt

    A.- Der 1948 geborene Walter B. erlitt am 31. Mai 1980 im Militärdienst
einen schweren Jeep-Unfall, bei dem er sich eine Paraplegie zuzog. Die
Militärversicherung erbrachte die gesetzlichen Leistungen. Von der
Versicherungsgesellschaft, welche die Haftpflicht des Unfallverursachers
deckte, erhielt Walter B. eine Entschädigung von Fr. 135'000.--, wovon Fr.
85'000.-- auf den Titel Genugtuung entfielen. Ferner bezieht er von
der Invalidenversicherung eine Rente und eine Entschädigung wegen
leichter Hilflosigkeit. Am 7. Februar 1986 traf das Bundesamt für
Militärversicherung (BAMV) verfügungsweise u.a. folgende Regelung:

    Integritätsrente: Walter B. erhält mit Wirkung ab 1. Februar 1985 eine
Integritätsrente auf der Basis eines Integritätsschadensgrades von 65%
und einer Rentenberechnungsgrundlage von Fr. 15'000.--; die Rente wird
per 1. Februar 1985 mit Fr. 174'037.50 ausgekauft und an diese Summe
die vom Privathaftpflichtversicherer erbrachte Genugtuung in der Höhe
von Fr. 85'000.-- angerechnet, was eine Nettoauszahlung von Fr. 89'037.50
ergibt.

    Zulage nach Art. 22 MVG: Walter B. hat für die Dauer vom 1. Mai 1985
bis 31. August 1986 Anspruch auf eine Zulage von Fr. 427.80 monatlich;
hievon ist die Entschädigung der Invalidenversicherung für leichte
Hilflosigkeit im Betrage von Fr. 138.-- abzuziehen, so dass monatlich
netto Fr. 289.80 auszurichten sind.

    B.- Hiegegen führte Walter B. Beschwerde, wobei er u.a. folgende
Anträge stellte:

    Integritätsrente: Die massgebende Rentenberechnungsgrundlage sei nicht
mit Fr. 15'000.-- festzusetzen, sondern mit dem Durchschnittsverdienst
von Fr. 41'972.--, wie das bisheriger Praxis entspreche (EVGE 1966
S. 148 und 1968 S. 88). Der Grad des Integritätsschadens sei mit 90%
zu bemessen, welcher Ansatz sich aus der Skala im Anhang 3 zur UVV
ergebe. Ferner sei die verfügte Anrechnung der Genugtuungszahlung
der Privathaftpflichtversicherung von Fr. 85'000.-- als unzulässig
zu erklären. Ebenso sei mit Bezug auf den Rentenauskauf zu verfahren;
die Abgeltung des Integritätsschadens habe vielmehr in der Form eines
Zuschlags zur Invalidenrente zu erfolgen.

    Zulage nach Art. 22 MVG: Die Hilflosenentschädigung der
Invalidenversicherung sei an die zugesprochene Zulage nicht anzurechnen.

    Das Obergericht des Kantons Schaffhausen hiess die Beschwerde mit
Entscheid vom 20. November 1986 teilweise gut, indem es den Anträgen von
Walter B. zum Rentenauskauf und zur Anrechnung der Hilflosenentschädigung
stattgab, die übrigen Begehren dagegen abwies.

    C.- Walter B. lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen und im
wesentlichen beantragen, die Integritätsrente sei auf der Grundlage eines
Integritätsschadensgrades von 90% und eines Durchschnittsverdienstes
von Fr. 41'972.-- zu berechnen. Die Anrechnung der Genugtuungszahlung
des Privathaftpflichtversicherers von Fr. 85'000.-- an die von der
Militärversicherung zu erbringenden Integritätsschadenleistungen sei als
unzulässig zu erklären.

    Das BAMV schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde
des Versicherten und erhebt seinerseits Verwaltungsgerichtsbeschwerde
mit dem Antrag, die Verfügung vom 7. Februar 1986 sei auch hinsichtlich
des Rentenauskaufs und der Anrechnung der Hilflosenentschädigung der
Invalidenversicherung zu bestätigen. Walter B. lässt Abweisung der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde des BAMV beantragen.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- c) Ein Integritätsschaden gibt grundsätzlich dann Anspruch auf
eine Rente der Militärversicherung, wenn der Versicherte objektiverweise
im Lebensgenuss erheblich eingeschränkt ist. Rechtserheblich in diesem
Sinne ist die Störung primärer Lebensfunktionen, nicht auch die blosse
Behinderung in der sonstigen Lebensgestaltung wie beispielsweise
beim Sport, bei der Teilnahme an gesellschaftlichen Anlässen und
dergleichen (BGE 110 V 119 mit Hinweisen). Nach der Rechtsprechung
des Eidg. Versicherungsgerichts wird die Beeinträchtigung prozentmässig
ermittelt aufgrund vergleichender Betrachtung des funktionell-anatomischen
Zustandes vor und nach Eintritt des versicherten Gesundheitsschadens
(BGE 112 V 389 f. mit Hinweisen).

Erwägung 3

    3.- a) Walter B. leidet gemäss Arztbericht an einer vollständigen
Paraplegie beider Beine und an Störungen der Blasen- und Darmentleerung
sowie der Sexualfunktion. Der kantonale Richter hat aufgrund dieser
gesundheitlichen Verhältnisse und in Anwendung der hievor dargelegten
Grundsätze erkannt, dass die vom BAMV getroffene Schätzung des
Integritätsschadensgrades mit 65% angemessen sei. Es hat die vom
Versicherten unter Hinweis auf Art. 36 Abs. 2 UVV und Anhang 3 zur
UVV beantragte Erhöhung des Schadensgrades auf 90% abgelehnt, weil die
Berechnungsgrundlagen für die Integritätsrente nach MVG einerseits und
die Integritätsentschädigung gemäss UVG anderseits völlig unterschiedlich
konzipiert seien.

    Hiegegen wendet der Versicherte in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde
ein, das Eidg. Versicherungsgericht postuliere die Einheitlichkeit
des Invaliditätsbegriffes in der obligatorischen Unfall-, der Militär-
und der Invalidenversicherung (BGE 109 V 23 Erw. 2a). In "konsequenter
Weiterentwicklung dieses Gedankens" müsse auch die Einheitlichkeit in der
Integritätsschadenbemessung in der obligatorischen Unfallversicherung
und der Militärversicherung postuliert werden. Es leuchte nicht ein,
dass die Prozentsätze gemäss Anhang 3 zur UVV nicht auch für den Bereich
der Militärversicherung herangezogen werden könnten.

    b) Aus der Einheitlichkeit des Invaliditätsbegriffes gemäss der vom
Versicherten erwähnten Rechtsprechung folgt indes keineswegs, dass der
Integritätsschaden in der Militärversicherung und der Unfallversicherung
nach den gleichen Regeln zu bemessen ist. Es trifft wohl zu, dass die
Schätzung der Invalidität bei Erwerbstätigen in der Invalidenversicherung,
der obligatorischen Unfallversicherung und der Militärversicherung mit
Bezug auf den gleichen Gesundheitsschaden praxisgemäss grundsätzlich
den gleichen Invaliditätsgrad zu ergeben hat (BGE 109 V 23 f., 106 V 88
Erw. 2b). Das resultiert indes daraus, dass der Invaliditätsgrad in diesen
Versicherungszweigen nach der gleichen Methode (Einkommensvergleich)
und auf der Grundlage des gleichen massgebenden Sachverhalts zu
bestimmen ist. Demgegenüber bestehen jedoch in der obligatorischen
Unfallversicherung und der Militärversicherung für die Bemessung eines
Integritätsschadens unterschiedliche Methoden, die mit Bezug auf die
gleiche Integritätseinbusse nicht zwingend zur gleichen Festsetzung des
Schadens in Prozenten oder Graden führen. Für die Unfallversicherung hat
der Bundesrat im Anhang 3 zur UVV das Mass der Integritätseinbusse bei
wichtigen und typischen Schäden prozentual festgelegt und aufgelistet;
der Grad des Integritätsverlusts bei speziellen oder nicht aufgeführten
Schäden ist nach der Schwere aus einer verwandten oder vergleichbaren
Position der Skala der Integritätsschäden abzuleiten (siehe Ziff. 1
Abs. 2 Anhang 3 UVV; MAURER, Schweizerisches Unfallversicherungsrecht,
S. 421 lit. 2c). Die gradmässige Bewertung eines Integritätsschadens ist
mithin in der Unfallversicherung für den konkreten Fall positivrechtlich
im wesentlichen vorgezeichnet. Zudem wird die Integritätseinbusse
abstrakt und egalitär bemessen, indem bei gleichem medizinischem Befund
der Integritätsschaden für alle Versicherten gleich festgesetzt wird
(GILG/ZOLLINGER, Die Integritätsentschädigung nach dem Bundesgesetz
über die Unfallversicherung, S. 38 und 46; MAURER, aaO, S. 417). In
der Militärversicherung ist ein Integritätsschaden gemäss Art. 25
Abs. 1 MVG dagegen "in Würdigung aller Umstände nach billigem Ermessen"
festzusetzen. Damit verfügt die Militärversicherung bei der Schätzung
eines Integritätsschadens über einen weit grösseren Spielraum als die
Unfallversicherung und kann die Einbusse individueller bemessen, indem
sie beispielsweise das Alter oder besondere persönliche Umstände des
Versicherten berücksichtigen kann. Hiebei sind die Richtwerte gemäss
Anhang 3 zur UVV grundsätzlich auch nicht analogieweise anwendbar,
weil diese über die Unfallversicherung hinaus keine allgemeingültige
gradmässige Bewertung der erfassten Schäden darstellen. Die betreffenden
Prozentzahlen sind nicht als voraussetzungsloser Ausdruck ausschliesslich
medizinisch begründeter Abstufungen zu betrachten, sondern können nur im
Zusammenhang mit der Beschränkung der Leistungen auf den Höchstbetrag des
versicherten Jahresverdienstes und die Ausrichtung der Entschädigung in
Form einer Kapitalabfindung (Art. 25 Abs. 1 UVG) richtig verstanden und
gewichtet werden. Sind die Prozentsätze gemäss Anhang 3 zur UVV durch
Leistungsansatz und Entschädigungsform mitbestimmt, so kann ihnen für
die Militärversicherung keine präjudizielle Wirkung zuerkannt werden.

    Beizufügen bleibt, dass Verwaltung und Vorinstanz die
Integritätseinbusse des Versicherten nach den für die Militärversicherung
gültigen Regeln mit 65% in einer Weise bemessen haben, die nicht zu
beanstanden ist.

Erwägung 4

    4.- (Ausführungen darüber, dass sich die von Verwaltung und Vorinstanz
angewendete Berechnungsgrundlage für die Integritätsrente [Fr. 15'000.--]
aufgrund von BGE 112 V 376 als unzulässig erweist. Das BAMV hat den
Zuschlag für die Abgeltung des Integritätsschadens nach den im erwähnten
Urteil festgelegten Grundsätzen neu zu berechnen und über die in diesem
Zusammenhang zu erbringenden Leistungen neu zu verfügen.)

Erwägung 5

    5.- (Zulässigkeit des Auskaufs einer Rente nach Art. 25 Abs.  3 MVG;
Hinweis auf BGE 112 V 386 Erw. 7a.)

Erwägung 6

    6.- a) Gegenüber einem Dritten, der mit Bezug auf die
Gesundheitsschädigung oder den Tod des Versicherten schadenersatzpflichtig
ist, tritt die Militärversicherung bis auf die Höhe der von ihr
geschuldeten Leistungen in den Ersatzanspruch des Versicherten oder seiner
Hinterlassenen ein (Art. 49 Abs. 1 MVG).

    b) Der Versicherte hat vom Haftpflichtversicherer eine
Genugtuungsentschädigung von Fr. 85'000.-- erhalten. Das BAMV hat
diesen Betrag von der kapitalisierten Integritätsentschädigung in Abzug
gebracht und damit davon abgesehen, das in Art. 49 Abs. 1 MVG eingeräumte
Rückgriffsrecht geltend zu machen. Die Vorinstanz hat dieses Vorgehen
geschützt. Die Begründung lautete im wesentlichen dahin, das BAMV habe
dem Versicherten vor dem Bekanntwerden des Urteils Andres (BGE 110 V 117)
auf Anfrage hin zuhanden des Haftpflichtversicherers mitgeteilt, dass
sie keine Leistungen mit Genugtuungscharakter ausrichten werde. Dies
sei in Übereinstimmung mit der damaligen Rechtspraxis erfolgt, wonach
im Rahmen von Art. 25 Abs. 3 MVG lediglich der überwiegende Schaden
abzugelten gewesen sei, der im vorliegenden Fall in der Erwerbsunfähigkeit
bestanden habe. Die mit dem Urteil Andres begründete Praxisänderung habe
ein Koordinationsproblem geschaffen, für dessen Lösung eine gesetzliche
Bestimmung fehle. Diese Tatsache habe das BAMV im Rahmen von Art. 25
Abs. 1 MVG, der die Bemessung der Integritätsrente in "Würdigung aller
Umstände" vorschreibe, im Sinne des streitigen Abzuges berücksichtigen
dürfen. Andernfalls würde Walter B. gegenüber andern Versicherten
ungerechtfertigterweise bessergestellt, sofern nicht der allenfalls von
der Militärversicherung regressweise belangte Haftpflichtversicherer
die bereits geleistete Genugtuungssumme zurückfordern könnte, welche
Möglichkeit als fraglich erscheine und überdies zu einem nicht zu
rechtfertigenden Verwaltungsleerlauf führen würde.

    c) Die Koordinationsnorm des Art. 49 Abs. 1 MVG ist (wie auch der
sachlich mit ihr übereinstimmende Art. 41 UVG) Ausdruck des Grundsatzes
der Haftungsersetzung durch Versicherungsschutz (SCHÄR, Grundzüge des
Zusammenwirkens von Schadenausgleichssystemen, S. 236 N. 683). Art. 49
Abs. 1 MVG bestimmt die grundsätzliche Vorleistungspflicht der
Militärversicherung als Sozialversicherer gegenüber ihrem Versicherten
im Verhältnis zum haftpflichtigen Dritten (SCHÄR, aaO, S. 259 N. 759
zu Art. 49 MVG). Es ist mithin der Regress des Sozialversicherers,
welchen der Gesetzgeber als Mittel zur Verhinderung ungerechtfertigter
Leistungskumulation positivrechtlich vorgesehen hat (SCHÄR, aaO, S. 231
ff.; MAURER, Schweizerisches Sozialversicherungsrecht, Bd. I, S. 383
f.). Wenn die Militärversicherung von diesem gesetzlichen Rückgriffsrecht -
aus welchen Gründen auch immer - nicht Gebrauch macht, kann sie nicht auf
eine Hilfskonstruktion zur Vermeidung von Überentschädigungen ausweichen,
die gesetzlich nicht vorgesehen ist; sie kann sich nicht vom gesetzlich
verankerten Subrogationsprinzip dispensieren.

    Hinzu kommt, dass die verfügte und vorinstanzlich geschützte Anrechnung
der zivilrechtlichen Genugtuung auf die Integritätsentschädigung der
Militärversicherung ein aus der Not der vorliegenden Umstände geborener
Behelf ist, welcher keinem der anerkannten Koordinationsprinzipien und
Rechtsinstitute entspricht (MAURER, Kumulation und Subrogation in der
Sozial- und Privatversicherung, S. 8 ff.). Es geht hier insbesondere
nicht um das in einen andern Zusammenhang gehörende Anrechnungsprinzip,
welches dadurch gekennzeichnet ist, dass die Haftpflichtforderung erlischt,
soweit der Sozialversicherer leistet (MAURER, Kumulation und Subrogation,
S. 22 unten). Im vorliegenden Fall verhält es sich anders, indem die
Militärversicherung den sozialversicherungsrechtlichen Leistungsanspruch
um das Genugtuungsbetreffnis kürzen will. Das ist, wie dargelegt, nach der
zwingenden Regressordnung des Art. 49 Abs. 1 MVG nicht zulässig. Dass
sich im Zusammenhang mit einer höchstrichterlichen Praxisänderung
Koordinationsprobleme ergeben, für deren Lösung gesetzliche Grundlagen
fehlen, vermag im vorliegenden Fall ein Abweichen von zwingendem Recht
nicht zu rechtfertigen und ist deshalb hinzunehmen.

    Beizufügen bleibt, dass damit die Frage nicht entschieden ist, ob
es sich bei der Genugtuungszahlung des Haftpflichtversicherers und der
von der Militärversicherung zu erbringenden Integritätsentschädigung im
Lichte des Art. 49 Abs. 1 MVG um sachlich gleichartige Leistungen handelt.

Erwägung 7

    7.- a) Ist dem Versicherten Hauspflege oder ein privater Kuraufenthalt
bewilligt und erwachsen ihm dabei aussergewöhnliche durch die Behandlung
bedingte Kosten für Ernährung, Pflege, Unterkunft und Wartung, so gewährt
ihm die Militärversicherung zu ihren sonstigen Leistungen tägliche Zulagen
in angemessener Höhe (Art. 22 MVG). Im vorliegenden Fall ist einzig
streitig, ob es zulässig ist, auf diese Leistungen die Entschädigung der
Invalidenversicherung wegen leichter Hilflosigkeit anzurechnen (Art. 36
Abs. 3 IVV).

    b) Die gesetzlichen Koordinationsvorschriften für das Zusammenfallen
von Leistungen der Militärversicherung und der Invalidenversicherung
betreffen die Eingliederungsleistungen (Art. 44 Abs. 1 IVG), das Taggeld
bzw. Krankengeld (Art. 44 Abs. 2 IVG in Verbindung mit Art. 39bis Abs. 3
IVV) und die Renten (Art. 52 Abs. 1 MVG, Art. 9a MVV). Anders als im
Verhältnis der obligatorischen Unfallversicherung zur Invalidenversicherung
(Art. 42 IVG und Art. 39bis Abs. 1 und 2 IVV) gibt es jedoch für das
Zusammentreffen von Zulagen gemäss Art. 22 MVG und Hilflosenentschädigungen
nach Art. 42 IVG keine Koordinationsnorm. Die Vorinstanz hat erkannt,
dass die Militärversicherung deswegen Hilflosenentschädigungen
der Invalidenversicherung nicht auf die Zulagen gemäss Art. 22 MVG
anrechnen dürfe. Das BAMV vertritt demgegenüber die Auffassung, dass
dem Versicherten nach einem allgemeinen Grundsatz der Sozialversicherung
aus der Versicherung kein Gewinn erwachsen dürfe, weshalb die streitige
Anrechnung zulässig sei; einer besondern gesetzlichen Grundlage bedürfe es
daher nicht. Es beruft sich hiefür unter anderem auf SCHÄR (aaO, S. 154 N.
449 und 156 N. 452), der im versicherungsrechtlichen Bereicherungsverbot
für die schadenausgleichenden Versicherungen, unter welche er auch die
Sozialversicherungsleistungen einordnet, einen gesetzesvertretenden
allgemeinen Rechtsgrundsatz sieht.

    c) Das Eidg. Versicherungsgericht hat indes in BGE 107 V 212
Erw. 2b festgestellt, dass das Sozialversicherungsrecht des Bundes
kein allgemeines Überversicherungsverbot in dem Sinne kenne, dass
die Versicherungsleistungen insgesamt den eingetretenen Schaden nicht
übersteigen dürfen. SCHÄR führt hiezu aaO, S. 156 N. 452bis zwar aus, mit
dieser Aussage könne nur gemeint sein, dass im Sozialversicherungsrecht
kein kodifiziertes allgemeines Überentschädigungsverbot bestehe. Denn aus
den nachfolgenden Erwägungen des Entscheides müsse geschlossen werden,
dass es nicht nur - allerdings bezogen auf bestimmte Kollisionsnormen -
ein Überentschädigungsverbot im Sinne eines Verbots von "eigentlichen
Versicherungsgewinnen" (BGE 107 V 213 Erw. 2b) bejahe, sondern
darüber hinausgehend "auch andere, als ungerechtfertigt erachtete
Leistungskumulationen" (BGE 107 V 213 Erw. 2b) beseitigt wissen will.
Doch kann dieser Interpretation nicht beigepflichtet werden. Die Erwägungen
des Eidg. Versicherungsgerichts in diesem Entscheid zum Begriff der
Überentschädigung bzw. anderer als ungerechtfertigt erscheinender
Leistungskumulationen sind eben gerade in Auslegung einer konkreten
Koordinationsnorm - nämlich des Art. 43 Abs. 3 IVG - ergangen. Daher
lässt sich aus diesem Urteil für die von SCHÄR vertretene Auffassung zum
Überversicherungsverbot als allgemeinem Rechtsgrundsatz nichts ableiten. Es
bedarf mithin einer gesetzlichen Grundlage, um das Gewinnverbot im
Verhältnis aller oder bestimmter Zweige der Sozialversicherung und
bezüglich aller gleichartigen Leistungen zu verwirklichen (MAURER,
Kumulation und Subrogation, S. 92 ff.). Da im vorliegenden Fall bezüglich
der IV-rechtlichen Hilflosenentschädigung und der Zulagen gemäss Art. 22
MVG keine einschlägige gesetzliche Norm besteht, die eine volle Kumulation
verböte, erweist sich die vom BAMV verfügte Kürzung der Zulagen als
gesetzwidrig.

    d) Das BAMV wendet schliesslich ein, dass schon eine richtige
Interpretation von Art. 22 MVG die Anrechnung der IV-rechtlichen
Hilflosenentschädigung erlaube, indem die Zulagen "angemessen" zu sein
hätten. Auch dem kann nicht beigepflichtet werden. Der Leistungsanspruch
nach Massgabe von Art. 22 MVG hängt nicht von der Bedürftigkeit des
Ansprechers ab, so dass die Zulagen nicht nach Massgabe dieses Kriteriums
bemessen werden dürfen. Es ist mithin auch nicht zulässig, die Zulagen
unter kürzungsweiser Berücksichtigung der Hilflosenentschädigung der
Invalidenversicherung festzusetzen.

    Erweist sich die verfügte Kürzung als unzulässig, so kann dahingestellt
bleiben, ob die Zulagen gemäss Art. 22 MVG und die Hilflosenentschädigung
nach Art. 42 IVG als sachlich gleichartige Leistungen im Sinne der
Rechtspraxis (BGE 112 V 129 Erw. 2d) zu qualifizieren sind.