Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 113 IV 87



113 IV 87

24. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 19. Oktober 1987 i.S. L.
gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Zug (Nichtigkeitsbeschwerde) Regeste

    Art. 91 Abs. 3 SVG. Vereitelung einer Blutprobe.

    Wurde auf die amtliche Anordnung der Blutprobe verzichtet, fehlt es
an einer objektiven Voraussetzung der Strafbarkeit.

Sachverhalt

    A.- Am Aschermittwoch, 12. Februar 1986, ca. 02.20 Uhr, fuhr L. Mit
seinem Pw in Cham auf der Sinserstrasse in Richtung Bärenplatz. Dabei fiel
er zwei Beamten einer Polizeipatrouille durch seine unsichere Fahrweise
auf. Sie setzten daher zur Verfolgung an, konnten aber den Pw nicht mehr
einholen. Dieser bog ausgangs Cham ab und hielt vor einer Liegenschaft an
der Dersbachstrasse (Wohnort des Fahrzeuglenkers). Die Polizeibeamten,
die dem Pw gefolgt waren, verlangten vom Fahrzeuglenker die Ausweise
und bemerkten dabei auch Alkoholgeruch. In der Folge forderten sie
L. zweimal auf, sich einem Atemlufttest zu unterziehen, den dieser
beide Male verweigerte. Die Polizeibeamten begaben sich hierauf zu
ihrem Patrouillenwagen, um mit der vorgesetzten Dienststelle Verbindung
aufzunehmen und das weitere Vorgehen abzuklären. Vom Brandtourchef wurden
sie aufgefordert, nichts weiteres zu unternehmen. In der Zwischenzeit
ging L. in sein Haus, schloss die Türe und löschte das Licht.

    B.- Der Polizeirichter des Kantons Zug sprach L. am 29. April 1987
von der Anklage der Verletzung von Verkehrsregeln (Art. 27 Abs. 1 SVG)
frei, büsste ihn aber wegen Vereitelung einer Blutprobe gemäss Art. 91
Abs. 3 SVG mit Fr. 800.--. Das Strafgericht des Kantons Zug bestätigte
am 24. Juli 1987 im Berufungsverfahren das Urteil des Polizeirichters im
Schuld- und Strafpunkt.

    C.- Mit eidgenössischer Nichtigkeitsbeschwerde beantragt der Gebüsste,
er sei von Schuld, Strafe und Kosten freizusprechen; allenfalls sei die
Sache zu seiner Freisprechung an die Vorinstanz zurückzuweisen.

Auszug aus den Erwägungen:

                     Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- Gemäss Art. 91 Abs. 3 SVG ist strafbar, wer sich vorsätzlich
einer amtlich angeordneten Blutprobe widersetzt oder entzieht oder den
Zweck der Massnahme vereitelt. Objektive Voraussetzung für die Anwendung
dieser Bestimmung ist, dass eine Blutprobe amtlich angeordnet wurde oder
nach den konkreten Umständen des Falles mit hoher Wahrscheinlichkeit
angeordnet worden wäre. Die Voraussetzung für eine Bestrafung gemäss
Art. 91 Abs. 3 SVG ist indessen nicht erfüllt, wenn auf die amtliche
Anordnung einer Blutprobe verzichtet wurde, z.B. weil der Polizeibeamte
dieses Beweismittel nicht für erforderlich hielt (BGE 110 IV 94). Gleiches
gilt auch im vorliegenden Fall, wo die vorgesetzte Dienststelle die beiden
Beamten auf deren Anfrage hin ausdrücklich anwies, sie "sollen keine
weiteren Massnahmen treffen, lediglich die Personalien aufnehmen, den
Führerausweis zurücklegen und L. zur Verzeigung bringen". Diese Anweisung
wurde von den Beamten befolgt. Gemäss den unwiderlegten Ausführungen in
der Beschwerdeschrift begaben sie sich nach den erwähnten Abklärungen
zur Haustüre des Beschwerdeführers zurück, warfen den von diesem
zurückgelassenen Ausweis in den Briefkasten und fuhren anschliessend weg,
ohne auch nur versucht zu haben, zu klingeln oder sich sonstwie bemerkbar
zu machen. Damit brachten sie ihren Verzicht auf eine Blutprobe klar zum
Ausdruck. Durch diesen Verzicht kam das Verfahren formell nie in jenes
Stadium, in welchem die Sondernorm von Art. 91 Abs. 3 SVG eingreifen konnte
(BGE 110 IV 94).

    Fehlt es an einer objektiven Voraussetzung für eine Bestrafung im Sinne
von Art. 91 Abs. 3 SVG, kommt nichts darauf an, ob der Beschwerdeführer
im Moment, als er sich in sein Haus begab, mit der Anordnung einer
Blutprobe gerechnet habe oder nicht. Auf die entsprechenden Ausführungen
der Vorinstanz muss deshalb nicht eingetreten werden.

    Der Umstand, dass der Beschwerdeführer es trotz polizeilicher
Aufforderung zweimal ablehnte, sich einem Atemlufttest zu unterziehen,
ändert am Ergebnis nichts. Der Atemlufttest dient gemäss Art. 138
Abs. 3 VZV der Vorprobe; er ist eine (fakultative) Vorstufe bei der
Feststellung der Angetrunkenheit, welche aber durch Blutprobe zu erfolgen
hat (Art. 138 Abs. 1 VZV). Nur die amtlich angeordnete (oder anzuordnende)
Blutprobe ist durch Art. 91 Abs. 3 SVG geschützt (BGE 110 IV 94). Da auf
eine solche verzichtet wurde, darf der Beschwerdeführer nicht im Sinne
von Art. 91 Abs. 3 SVG schuldig gesprochen werden, was zur Gutheissung
der Beschwerde führt.