Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 113 IV 68



113 IV 68

21. Urteil des Kassationshofes vom 29. Juli 1987 i.S. X. gegen
Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich (Nichtigkeitsbeschwerde) Regeste

    1. Art. 254 StGB; Unterdrückung von Urkunden.

    Wer es pflichtwidrig unterlässt, eine Urkunde unverzüglich an die
betriebsintern vorgesehene Stelle weiterzuleiten, begeht noch keine
Urkundenunterdrückung (Erw. I/2b).

    2. Art. 140 und 25 StGB; Gehilfenschaft zu Veruntreuung durch
Unterlassen.

    a) Aus der arbeitsvertraglichen Treuepflicht gemäss Art. 321a Abs. 1
OR allein lässt sich eine Garantenpflicht des Arbeitnehmers noch nicht
herleiten (Erw. II/6a).

    b) Wer in seiner Arbeitgeberfirma eine verantwortliche Position
innehat, besitzt nur in seinem Zuständigkeitsbereich eine Garantenstellung
für das Vermögen seiner Arbeitgeberfirma und muss deshalb nur in diesem
Bereich gegen Machenschaften von ihm Unterstellten, die sich gegen dieses
Vermögen richten, einschreiten (Erw. II/7).

Sachverhalt

    A.- A. trat am 15. Februar 1977 bei der Z. Finanz AG/Zürich als Leiter
der Börsenabteilung und Stellvertreter des Devisenhändlers ein, wo er
per 1. Januar 1978 zum Handlungsbevollmächtigten, per 1. Januar 1981 zum
Prokuristen und per 1. Januar 1983 zum Vizedirektor avancierte. In seiner
Stellung war er mit dem Börsenhandel, der Aufnahme und Plazierung von
Termingeldern, der Abwicklung von Treuhandgeschäften, der Festsetzung
des Zinssatzes, der Auswahl der Vertragsbanken, dem Handel in Devisen
und Edelmetallen sowie der Betreuung gewisser Privatkunden betraut.

    Am 1. April 1978 trat X. bei der gleichen Firma als Devisenhändler ein,
wo er nach entsprechender Beförderung vom 1. Juli 1979 bis 31. Dezember
1980 als Handlungsbevollmächtigter tätig war. In dieser Stellung war
er mit der Aufnahme und Plazierung von Termingeldern, der Abwicklung
von Treuhandgeschäften, der Festsetzung der Zinssätze, der Auswahl
der Vertragsbanken, dem Handel in Devisen und Edelmetallen sowie der
Positionskontrolle betraut. Überdies versah er im Börsenbereich die
Stellvertretung von A.

    Ab Ende 1978 tätigten A. und X. private Spekulationsgeschäfte über
ein Brokerhaus in Genf. Mangels genügender Eigenmittel überwälzten sie
dabei von einem nicht näher bestimmten Zeitpunkt an das Margenrisiko
vollumfänglich auf ihre Arbeitgeberin. Aufgrund dieser Geschäfte, deren
Positionen im Juli 1979 liquidiert werden mussten, erlitten X. und
A. Verluste in Höhe von rund Fr. 35'000.-- bzw. Fr. 117'000.--. In
der Absicht, diese auszugleichen, nahm A. zwecks Finanzierung neuer
Spekulationen namens und auf Rechnung der Z. Finanz AG bei Drittbanken
Festgelder auf, die er auf Konti der von ihm beherrschten B. Stiftung mit
Sitz in Vaduz oder auf speziell für diesen Zweck eröffnete, ihren Inhabern
unbekannte "Kundenkonti" transferierte.

    X. wird vorgeworfen, er habe, ohne seiner Arbeitgeberin pflichtgemäss
Meldung zu erstatten, geduldet, dass A. unter Führung einer gesonderten
Fälligkeitskontrolle im Jahre 1980 vier Festgeldaufnahmen über Beträge von
insgesamt US$ 2,9 Mio. tätigte. Überdies wird ihm zur Last gelegt, eine
Bestätigung der Bank C. SA Luxembourg, die eine dieser Festgeldaufnahmen
betraf, bei sich zuhanden von A. während dessen Ferienabwesenheit
verwahrt zu haben, statt sie pflicht- und ordnungsgemäss an die
Buchhaltungsabteilung der Z. Finanz AG weiterzuleiten.

    B.- Das Obergericht des Kantons Zürich verurteilte mit Urteil vom
22. Oktober 1986 A. wegen wiederholter und fortgesetzter Veruntreuung
und weiterer Delikte zu 2 Jahren und 3 Monaten Gefängnis und X. wegen
fortgesetzter Gehilfenschaft zur Veruntreuung im Deliktsbetrag von
Fr. 4'550'500.-- sowie wegen Unterdrückung von Urkunden zu 1 Jahr
Gefängnis mit bedingtem Strafvollzug bei einer Probezeit von 2 Jahren. Das
Kassationsgericht des Kantons Zürich hat am 18. Mai 1987 eine von X. gegen
dieses Urteil eingereichte Nichtigkeitsbeschwerde abgewiesen.

    C.- X. erhebt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag,
das Urteil der Vorinstanz aufzuheben und die Sache zur Freisprechung an
die Vorinstanz zurückzuweisen.

Auszug aus den Erwägungen:

             Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
I. Unterdrückung von Urkunden

Erwägung 1

    1.- Dem Beschwerdeführer wird vorgeworfen, im November 1980
während der Ferienabwesenheit von A. eine die Festgeldaufnahme über
US$ 500'000.-- betreffende Bestätigung der Bank C. SA Luxembourg nicht
pflicht- und ordnungsgemäss an die Buchhaltungsabteilung weitergeleitet
und sich daher der Urkundenunterdrückung schuldig gemacht zu haben. Das
Obergericht nimmt an, X. habe die Festgeldbestätigung bis zur Rückkehr
des A. aus den Ferien, d.h. ungefähr zwei Wochen lang, aufbewahrt. Als
Ferienstellvertreter habe er die Pflicht gehabt, die Festgeldbestätigung
unverzüglich an die Buchhaltung weiterzuleiten. Dadurch, dass er dies
nicht getan habe, habe er den Tatbestand der Urkundenunterdrückung erfüllt.

    Mit der Nichtigkeitsbeschwerde wird geltend gemacht, indem X. die
Bestätigung in die Pendenzenmappe von A. legte, habe er sie nicht an einem
Ort verwahrt, wo sie dem Zugriff der Berechtigten nicht mehr zugänglich
gewesen sei.

Erwägung 2

    2.- a) Den objektiven Tatbestand von Art. 254 StGB erfüllt, wer eine
Urkunde, über die er nicht allein verfügen darf, beschädigt, vernichtet,
beiseiteschafft oder entwendet. Beiseitegeschafft ist eine Urkunde,
wenn der Berechtigte ausserstande ist, sie als Beweismittel zu benützen,
weil sie ihm unzugänglich gemacht wurde, oder wenn durch Verstecken
oder ähnliche Vorkehren verhindert wird, dass die Schrift in ihrer
Existenz und Beweiskraft zur Geltung kommt (BGE 100 IV 26). Unterdrückt
ist eine Urkunde erst, wenn der Berechtigte ausserstande ist, von ihr
als Beweismittel Gebrauch zu machen, sei es, dass die Schrift ganz oder
teilweise zerstört, sei es, dass sie dem Berechtigten unzugänglich gemacht
wurde (BGE 90 IV 136).

    b) Aus den tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil
ergibt sich nicht, dass der Beschwerdeführer die in Frage stehende
Festgeldbestätigung seiner Arbeitgeberin unzugänglich gemacht hätte. Zwar
behaftete das Gericht ihn bei seiner Zugabe, wonach er "den Beleg
möglicherweise in die Pendenzenmappe von A. gelegt habe", und hielt
überdies fest, dass er die Urkunde "bis zur Rückkehr des A. aus den
Ferien, d.h. also ungefähr zwei Wochen lang aufbewahrte". In der Folge
prüfte es jedoch die Behauptung des Beschwerdeführers nicht, wonach er
die Bestätigung nicht an einen Ort verbracht habe, "wo sie dem Zugriff
des Berechtigten (d.h. der Geschäftsleitung seiner Arbeitgeberin)
nicht mehr zugänglich gewesen sei". Dieses Vorbringen erachtete die
Vorinstanz als unerheblich, da "X. als Ferienstellvertreter handelnd,
die Pflicht ... gehabt hätte, die Festgeldbestätigung unverzüglich an
die Buchhaltung weiterzuleiten". Mit dieser Sachverhaltsdarstellung und
Beweiswürdigung lässt sich der Schuldspruch wegen Urkundenunterdrückung
nicht aufrechterhalten. Dieses Delikt begeht noch nicht, wer es - wenn auch
pflichtwidrig - unterlässt, einen Beleg unverzüglich an die betriebsintern
zuständige Stelle weiterzuleiten. Die Erfüllung des Tatbestands setzt
vielmehr, wie die in Erw. 2a zitierte Rechtsprechung zeigt, voraus,
dass der Täter dem Berechtigten den Zugriff auf die Urkunde verunmöglicht
oder zumindest in einem erheblichen Ausmass erschwert. Dass dies in casu
der Fall gewesen wäre, stellt die Vorinstanz nirgends fest. Am Rande mag
darauf hingewiesen werden, dass der Beschwerdeführer (wie schon vor dem
Obergericht) auch heute geltend macht, die aufliegende Pendenzenmappe habe
sich im Zugriffsbereich der Kontrollbehörden befunden. Die Verurteilung
wegen Urkundenunterdrückung ist deshalb aufzuheben.

    c) Es fragt sich allerdings, ob sich der Beschwerdeführer der
Gehilfenschaft zu Urkundenunterdrückung schuldig gemacht hat. Eine solche
könnte z.B. darin liegen, dass er die Bestätigung dem A. zugehalten
hat im Wissen darum, dass dieser sie später beseitigen werde. Damit
hätte der Beschwerdeführer die Haupttat erst ermöglicht, somit also
gefördert. Wie gesagt, lässt sich dem angefochtenen Entscheid dazu
allerdings nichts genaues entnehmen. Sollte nach kantonalem Prozessrecht
eine entsprechende Ergänzung möglich sein, so hätte die Vorinstanz zu
untersuchen, ob der Beschwerdeführer eine von A. am Bestätigungsschreiben
begangene Urkundenunterdrückung bewusst gefördert hat und deshalb wegen
Gehilfenschaft zu diesem Delikt zu verurteilen ist.

Erwägung 3

    3.- Die Vorinstanz hat weiter angenommen, im Verhalten des
Beschwerdeführers liege eine Förderung der von A. begangenen Veruntreuung.
Diesbezüglich kann zunächst auf das oben in Erw. 2b und c Gesagte verwiesen
werden. Die Vorinstanz hat nur festgestellt, der Beschwerdeführer habe die
Festgeldbestätigung pflichtwidrig nicht unverzüglich an die Buchhaltung
weitergeleitet. Sie erklärt jedoch nicht, wie er dadurch bewirkt haben
soll, "dass die Handlungsweise des A. weiterhin unentdeckt blieb". Bei
der summarischen Begründung der Vorinstanz ist ein Kausalzusammenhang
zwischen der Verhaltensweise des Beschwerdeführers und der Tatsache,
dass die Machenschaften des A. verborgen blieben, nicht erkennbar,
weshalb die Sache auch insoweit zur Neuentscheidung an die Vorinstanz
zurückzuweisen ist. II. Gehilfenschaft zur Veruntreuung durch Unterlassen

Erwägung 4

    4.- Die Vorinstanz hat - das soeben erörterte Zurückhalten der
Bestätigung ausgenommen - festgestellt, dass der Beschwerdeführer die
Veruntreuungen des A. nicht aktiv gefördert hat. Sie nimmt jedoch an,
dass er als Garant verpflichtet gewesen wäre, gegen die Machenschaften des
A. durch Anzeige bei ihrer Arbeitgeberin einzuschreiten. Indem er diese
Pflicht verletzt habe, habe er sich der Gehilfenschaft zur Veruntreuung
durch Unterlassen strafbar gemacht.

    Mit der Nichtigkeitsbeschwerde wird geltend gemacht, die Vorinstanz
habe zu Unrecht aus einer angeblichen zivilrechtlichen Pflicht auf eine
Garantenstellung geschlossen. Eine solche dürfe nur angenommen werden,
wenn dem Verpflichteten eine Autoritäts- oder Vertrauensstellung mit
besonderer Kontrollpflicht zukomme. X. habe die Stellung eines einfachen
Sachbearbeiters gehabt, weshalb eine Garantenpflicht zu verneinen sei.

Erwägung 5

    5.- a) Ein unechtes Unterlassungsdelikt ist gegeben, wenn wenigstens
die Herbeiführung des Erfolges durch Tun ausdrücklich mit Strafe bedroht
wird, der Beschuldigte durch sein Tun den Erfolg tatsächlich hätte abwenden
können und infolge seiner besonderen Rechtsstellung dazu auch so sehr
verpflichtet war, dass die Unterlassung der Erfolgsherbeiführung durch
aktives Handeln gleichwertig erscheint (BGE 106 IV 277 f. mit Hinweisen;
vgl. auch 108 IV 5 E. 1b). Eine derartige Garantenstellung besteht
insbesondere für den Täter, der kraft seiner besonderen Rechtsstellung
das Gut vor der diesem drohenden Gefahr hätte schützen müssen. Mit
der zitierten Rechtsprechung wird deutlich gemacht, dass nicht jede
Rechtspflicht für die Begründung einer Garantenpflicht genügt, sondern
nur eine qualifizierte (dazu auch STRATENWERTH, Recht 1984, S. 93 ff.).

    b) Nach allgemeiner Ansicht lassen sich zwei Grundtypen von
Garantenstellungen unterscheiden, nämlich einmal Obhutspflichten, d.h.
Garantenstellungen zur Verteidigung bestimmter Rechtsgüter gegenüber
unbestimmt vielen Gefahren, und zum anderen Überwachungspflichten,
d.h. Garantenstellungen zur Überwachung bestimmter Gefahrenquellen zum
Schutze unbestimmt vieler Rechtsgüter (STRATENWERTH, Strafrecht AT I,
S. 375 f.; NOLL/TRECHSEL, Schweiz. Strafrecht AT I, S. 206; SCHUBARTH,
Kommentar 1. Band Systematische Einleitung N. 131). Vorliegend geht
es darum, ob und inwieweit den Beschwerdeführer eine Obhutspflicht in
bezug auf das Vermögen seiner Arbeitgeberin traf und welche konkreten
Handlungspflichten sich gegebenenfalls daraus ergaben. Auch die
Vorinstanz leitet aus der Stellung des Beschwerdeführers und seiner
arbeitsvertraglichen Verpflichtungen seine Pflicht her, für das Vermögen
seiner Arbeitgeberin zu sorgen und deshalb gegen die Veruntreuungen des A.
gegebenenfalls durch Anzeige bei der Direktion einzuschreiten. Sie nimmt
also nicht eine Überwachungspflicht im Sinne der genannten Unterscheidung
an, geht also nicht davon aus, der Beschwerdeführer sei verpflichtet
gewesen, seinen Arbeitskollegen A. zu überwachen und aus diesem Grunde
gegen dessen Veruntreuungen einzuschreiten.

Erwägung 6

    6.- a) Genügt nur eine qualifizierte Rechtspflicht für die Begründung
einer strafrechtlichen Garantenpflicht, dann kann eine solche aus der
arbeitsvertraglichen Treuepflicht gemäss Art. 321a Abs. 1 OR allein nicht
hergeleitet werden. Denn die Treuepflicht, die ihre Wurzel im in Art. 2 ZGB
statuierten Grundsatz von Treu und Glauben hat, ist ein Sammelbegriff für
verschiedene dem Arbeitnehmer obliegende Nebenpflichten, die gesetzlich nur
teilweise konkretisiert sind (Art. 321b und c OR) und in der Regel ihrer
Konkretisierung im Einzelfall bedürfen (STAEHELIN, Zürcher Kommentar,
N. 6 ff. zu Art. 321a OR; vgl. auch REHBINDER, Berner Kommentar, N. 2
ff. zu Art. 321a OR und THOMAS GEISER, Die Treuepflicht des Arbeitnehmers
und ihre Schranken, Bern 1983). Zu konkretisieren ist also zunächst der
jeweilige Umfang der Treuepflicht, dann aber auch ihre Bedeutung und damit
auch das Gewicht der einzelnen Pflicht. Nur wenn diese Konkretisierung
eine besondere Rechtsstellung des Arbeitnehmers zum Schutze des Vermögens
des Arbeitgebers ergibt, kommt eine Garantenpflicht in Frage.

    b) In der zivilrechtlichen Literatur wird angenommen, der Arbeitnehmer
habe von einem anderen Mitarbeiter zum Nachteil des Arbeitgebers begangene
Verfehlungen dann anzuzeigen, wenn ihm dessen Beaufsichtigung obliegt oder
wenn die Interessen des Arbeitgebers erheblich gefährdet oder verletzt
werden (STAEHELIN, aaO, N. 13). Nach einer anderen Auffassung sollen
Arbeitnehmer in untergeordneter Stellung Kollegen nur dann anzuzeigen
haben, wenn der eingetretene oder drohende Schaden unverhältnismässig hoch
ist, während leitende Angestellte stets zur Meldung des Betreffenden
verpflichtet seien (REHBINDER, aaO, N. 9). An anderer Stelle wird
betont, dass bei Vorgängen, die nur andere Arbeitnehmer betreffen, eine
Informationspflicht nur bestehe, soweit die Überwachung zum Aufgabenbereich
des Arbeitnehmers gehöre. Ohne spezielle Vereinbarung lasse sich aus der
Treuepflicht über den konkreten Arbeitsbereich des Arbeitnehmers hinaus
keine Pflicht zur Information des Arbeitgebers über betriebliche Vorgänge
herleiten, welche den Arbeitnehmer nicht selbst betreffen (GEISER, aaO,
S. 177 f.). In der Praxis hat das Gewerbegericht Zürich angenommen,
eine fristlose Entlassung rechtfertige sich, wenn der Arbeitnehmer den
Arbeitgeber über Veruntreuungen eines Arbeitskollegen nicht orientiert
und sich überdies aus dem veruntreuten Geld habe freihalten lassen
(ZR 1968 Nr. 33 S. 133). Ob in den erörterten Konstellationen auch eine
strafrechtliche Garantenstellung anzunehmen sei, wird nicht erörtert. Auch
in der strafrechtlichen Literatur finden sich kaum konkrete Aussagen dazu.

    c) Die von der Vorinstanz angenommene Förderung der Veruntreuung
durch Unterlassen führt in die Nähe einer ungetreuen Geschäftsführung
nach Art. 159 StGB (vgl. LUKAS SCHAUB, Die unrechtmässige Verwendung
anvertrauten Gutes, Basel 1979, S. 139 ff.). Man wird sich ohnehin fragen
müssen, ob die Strafbarkeit des Beschwerdeführers nicht eher unter diesem
Gesichtspunkt zu prüfen ist.

    Zum (weitergehenden, dennoch insoweit vergleichbaren) Untreuetatbestand
des deutschen Rechtes (§ 266 StGB) wird angenommen, das Arbeitsverhältnis
als solches begründe keine Treuepflichten im Sinne jenes Tatbestandes
(SCHÖNKE/SCHRÖDER/LENCKNER, StGB-Kommentar, 22. A. § 266 N. 26). Soweit
eine gesteigerte Treuepflicht im Sinne jenes Tatbestandes bejaht wird,
werde sie verletzt, wenn Vermögenswerte nicht vor Schäden geschützt
werden, und zwar auch dann, wenn der Schaden durch das Handeln anderer
droht. Allerdings bestehe die Handlungspflicht nur innerhalb der sachlichen
und zeitlichen Grenzen des jeweiligen Aufgabenbereichs (aaO, N. 35;
vgl. auch HÜBNER, Leipziger Kommentar, 10. A. § 266 N. 81).

    d) Ähnliche Überlegungen finden sich im Rahmen der
Diskussion betreffend Straftaten in Unternehmen. Danach kann
die Organisationsstruktur des Unternehmens zum Anknüpfungspunkt
für eine Zurechnung von Verbandsdelikten genommen werden (BERND
SCHÜNEMANN, Unternehmenskriminalität und Strafrecht, Köln, etc. 1979,
S. 107). Entsprechend gibt es sektorale Garantenstellungen (aaO,
S. 96). Eine derartige Anknüpfung drängt sich auch auf, wenn es wie hier
um Straftaten innerhalb des Unternehmens gegen dieses geht.

    e) Hinzuweisen ist schliesslich darauf, dass gemäss Art. 6 Abs. 2
VStrR im Rahmen des Geltungsbereiches dieser Bestimmung nur die Pflicht
besteht, Gesetzesverletzungen von Untergebenen, Beauftragten oder
Vertretern abzuwenden, nicht aber solche von gleich- oder übergeordneten
Personen. Auch wenn diese Bestimmung vorliegendenfalls nicht anwendbar
ist, kann aus ihr hergeleitet werden, dass der Gesetzgeber prinzipiell
eine Pflicht, gegen gleich- oder höhergestellte Mitarbeiter vorzugehen,
verneint. Davon darf nur abgewichen werden, wenn sich aus anderen Gründen
klar die Voraussetzungen einer Garantenstellung ergeben. Ein Indiz in
gleicher Richtung bildet die Tatsache, dass das Schweizerische Recht
keinen allgemeinen Tatbestand der unterlassenen Verbrechensanzeige kennt
und die Einführung eines solchen Tatbestandes anlässlich der letzten
Revision des StGB abgelehnt wurde (SCHULTZ, ZBJV 1979, 455).

Erwägung 7

    7.- Im Lichte dieser Grundsätze ist zu prüfen, ob und inwieweit der
Beschwerdeführer eine Garantenstellung innehatte. Nach den Feststellungen
der Vorinstanz umfasste sein Aufgabenbereich die Aufnahme und Plazierung
von Termingeldern und das Abwickeln von Treuhandgeschäften, damit verbunden
das Fixieren des Zinssatzes und die Auswahl der Banken, der Handel in
Devisen und Edelmetallen sowie die Kontrolle der Positionen. Ferner
oblag ihm auch die Stellvertretung des Mitangeklagten A., welcher
hauptsächlich für den Börsenbereich und die Vermögensverwaltung zuständig
war. Aufgrund des damals gültigen Organigrammes waren A. und X. einander
in der Hierarchie gleichgestellt und bekleideten beide die Position
eines Handlungsbevollmächtigten, wenn auch A. in Anbetracht seiner
längeren Erfahrung ein gewisses Übergewicht zugekommen sein dürfte. Die
Festgeldaufnahmen fielen grundsätzlich in den Kompetenzbereich des
Beschwerdeführers, wobei aber A. auch kraft seiner eigenen Stellung in
diesen Aufgabenbereich eingreifen konnte.

    Daraus ergibt sich, dass der Beschwerdeführer in seiner
Arbeitgeberfirma eine verantwortungsvolle Position innehatte, zu
welcher jedenfalls der Bereich der Festgeldaufnahmen gehörte. Er hatte
deshalb in diesem Bereich eine Garantenstellung für das Vermögen
seiner Arbeitgeberfirma und hätte deshalb in diesem Bereich gegen
Machenschaften von ihm Untergebenen, die sich gegen dieses Vermögen
richteten, einschreiten müssen.

    Umgekehrt ergibt sich aus dem angefochtenen Urteil, dass A. kraft
seiner eigenen Stellung in den Bereich der Festgeldaufnahme eingreifen
konnte. Das kann nichts anderes heissen, als dass der Kompetenzbereich des
Beschwerdeführers beschränkt war, soweit A. in seinen Aufgabenbereich
eingegriffen hat. Ist aber der Bereich einer Garantenstellung zu
beschränken auf den Sektor der eigenen Zuständigkeit, dann ist sie
vorliegendenfalls in bezug auf die von A. hinter dem Rücken der
Arbeitgeberfirma vorgenommenen Festgeldaufnahmen und damit auch auf
die von A. begangenen Veruntreuungen zu verneinen. Andernfalls würde
die arbeitsrechtlich bestehende allgemeine Treuepflicht strafrechtlich
überdehnt. Soweit also der Beschwerdeführer gegen die Tätigkeit des
A. nicht eingeschritten ist, ohne ihn dabei aktiv zu fördern, ist er
deshalb freizusprechen.

    Wollte man anders entscheiden und wollte man insbesondere aus der
allgemeinen arbeitsrechtlichen Treuepflicht stets auf eine Garantenpflicht
zur Verhinderung von Vermögensschädigungen schliessen, käme man zu einer
uferlosen Strafbarkeit. Wer in einem Grossbetrieb etwa erfährt, dass in
einer anderen Abteilung durch unsachgemässes Vorgehen Gegenstände zerstört
werden, würde sich der Sachbeschädigung durch Unterlassung strafbar
machen. Im übrigen zeigt auch das Zögern der Zivilrechtsliteratur, eine
generelle Anzeigepflicht zu bejahen, dass nur mit grosser Zurückhaltung
und nur in einem sehr engen Bereich eine Garantenpflicht angenommen
werden darf. Abzustellen ist vielmehr auf die Kompetenzzuweisung. Eine
Garantenstellung ist deshalb nur möglich im Bereiche der eigenen Kompetenz.

Erwägung 8

    8.- Zusammenfassend ergibt sich somit, dass die
Nichtigkeitsbeschwerde gutzuheissen ist. Die Vorinstanz wird die
Strafbarkeit des Beschwerdeführers in bezug auf das Zurückhalten des
Bestätigungsschreibens im Sinne der Erwägungen neu zu überprüfen, ihn im
übrigen aber freizusprechen haben.

Entscheid:

              Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Nichtigkeitsbeschwerde wird gutgeheissen, das Urteil des
Obergerichts des Kantons Zürich vom 22. Oktober 1986, soweit es den
X. betrifft, aufgehoben und die Sache zur Neubeurteilung im Sinne der
Erwägungen an die Vorinstanz zurückgewiesen.