Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 113 IV 58



113 IV 58

18. Urteil des Kassationshofes vom 15. Mai 1987 i.S. A. gegen
Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich (Nichtigkeitsbeschwerde) Regeste

    Art. 117 StGB; fahrlässige Tötung (Kausalität).

    Haben mehrere Personen eine einzige (sorgfaltswidrige) Handlung
beschlossen und in arbeitsteiliger Weise durchgeführt, so hat die Bejahung
der Kausalität zwischen der gemeinsam vorgenommenen Gesamthandlung und
dem eingetretenen Erfolg die Strafbarkeit aller Beteiligten zur Folge.

Sachverhalt

    A.- Am 21. April 1983, gegen 18.55 Uhr, bemerkten A. und B.
auf der Rückfahrt von ihrer Waldhütte in X. neben der Strasse am rechten
Tössufer zwei grosse Steinbrocken, welche sie auf Anregung von A. den
dortigen Abhang bzw. über einen überhängenden Felsen hinunterzurollen
beabsichtigten. Da ihnen einerseits die örtlichen Verhältnisse bestens
bekannt waren, sie insbesondere wussten, dass sich in jenem Bereich
am Tössufer öfters Leute - vorwiegend Fischer - aufhielten, und ihnen
andererseits bewusst war, dass mit den grossen Steinen von ca. 52 kg
bzw. über 100 kg Gewicht eine Person, die sich zufällig im Gefahrenbereich
aufhält, getroffen werden könnte, ging B. auf Vorschlag von A. ein paar
Schritte nach vorn gegen den Abgrund, um abzuklären, ob sich jemand unten
am Abhang bzw. im Bereich des Tössufers aufhalte. Dabei rief er einmal
laut hinunter, ob jemand unten sei, wobei er aber von seinem Standort aus
das rechte Tössufer nicht einsehen konnte. Nachdem auf das Rufen niemand
geantwortet hatte, kehrte B. zu A. zurück, behändigte den grossen, über 100
kg schweren Stein und liess ihn den Abhang hinunterrollen. Unmittelbar
nachher rollte A. den kleineren, ca. 52 kg schweren Stein ebenfalls
hinunter. Es steht fest, dass der unter dem Abhang befindliche Fischer
C. von einem der beiden Steine tödlich getroffen wurde; jedoch konnte
nicht geklärt werden, von welchem der beiden.

    Das Obergericht des Kantons Zürich sprach A. am 3. Juli 1986 im
Berufungsverfahren der fahrlässigen Tötung schuldig und verurteilte ihn
zu einer bedingt vollziehbaren Strafe von drei Monaten Gefängnis. Die
gegen diesen Entscheid gerichtete eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde
weist der Kassationshof ab.

Auszug aus den Erwägungen:

             Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Beide kantonalen Instanzen haben offengelassen, von welchem der
beiden Steine C. tödlich getroffen wurde. Das Obergericht geht von einer
gemeinsamen Entschlussfassung der Angeklagten aus, die beiden Steine den
Abhang hinunterrollen zu lassen. Gemeinsames Handlungsziel sei gewesen,
beide Steine vom Wegrand zu entfernen. Insofern habe die arbeitsteilige
Vornahme einer einzigen Gesamthandlung vorgelegen. Der Geschehensablauf sei
von der Entschlussfassung bis zu deren Verwirklichung als einheitliches
Tun aufzufassen. Entscheidend sei, dass das Hinunterrollen beider Steine
ursächlich für den Tod des Geschädigten gewesen sei.

    Mit der Nichtigkeitsbeschwerde wird geltend gemacht, das Obergericht
habe zu Unrecht angenommen, das Vorgehen des Beschwerdeführers A. sei
für den Tod von C. kausal geworden.

Erwägung 2

    2.- Gemäss Art. 117 StGB macht sich strafbar, wer fahrlässig den Tod
eines Menschen verursacht.

    Der tatbestandsmässige Erfolg und die Fahrlässigkeit sind
vorliegendenfalls unstrittig gegeben. Zu prüfen bleibt einzig, ob der
Tod des C. dem Verhalten des A. zugerechnet werden kann, obwohl nicht
festgestellt ist, dass der von A. den Hang hinuntergerollte Stein den
C. getötet hat.

    Täter einer fahrlässigen Straftat ist jeder, der durch
sorgfaltswidriges Verhalten zur Tatbestandserfüllung beiträgt
(STRATENWERTH, Schweizerisches Strafrecht AT I, Bern 1982, S. 416),
obschon er bei Beachtung der ihm persönlich obliegenden Sorgfaltspflicht
die derart herbeigeführte Verwirklichung des Straftatbestandes hätte
voraussehen und vermeiden können (SCHULTZ, Schweizerisches Strafrecht AT I,
4. Aufl., Bern 1982, S. 202). Dies gilt auch dann, wenn andere neben ihm in
ähnlicher Weise mitgewirkt haben (STRATENWERTH, aaO, S. 416), m.a.W. sind
mehrere Personen, die fahrlässig denselben Erfolg herbeigeführt haben,
alle als Fahrlässigkeitstäter strafbar (NOLL/TRECHSEL, Schweizerisches
Strafrecht AT I, 2. Aufl., Zürich 1986, S. 170; ebenso SCHUBARTH, Kommentar
zum schweizerischen Strafrecht, Bern 1982, N 87 zu Art. 117 StGB).
Vorliegendenfalls steht fest, dass beide Angeklagten gemeinsam die beiden
Steine den Abhang hinunterrollen lassen wollten. Bei einer derartigen
Konstellation ist nicht danach zu fragen, ob der jeweilige Einzelbeitrag
für den tatbestandsmässigen Erfolg kausal geworden ist, sondern ob die
Kausalität zwischen der gemeinsam vorgenommenen Gesamthandlung und dem
eingetretenen Erfolg zu bejahen ist. Jedenfalls muss dies gelten, wenn, wie
vorliegendenfalls, die sorgfaltswidrige Handlung gemeinsam beschlossen und
in der Folge in einem nahen örtlichen und zeitlichen Zusammenhang gemeinsam
durchgeführt wird, wobei es der zufälligen Arbeitsteilung überlassen
bleibt, wer welchen Stein ins Rollen bringt. Ist aber davon auszugehen,
dass jedenfalls einer der beiden Steine den Tod des Opfers bewirkt hat,
genügt dies zur Feststellung, dass das Verhalten des Beschwerdeführers
für den eingetretenen Tod kausal geworden ist. Anders zu entscheiden wäre
dann, wenn die beiden Angeklagten unabhängig voneinander gehandelt hätten.

    Die Vorinstanz hat somit die Kausalität zu Recht bejaht. Damit erübrigt
es sich, auf die zusätzliche Erwägung des Obergerichtes einzugehen,
die Verurteilung könne auch in Anwendung der Risikoerhöhungstheorie
erfolgen, da durch den Steinwurf des Beschwerdeführers eine wesentliche
Risikoerhöhung im Sinne jener Lehre zweifellos zu bejahen sei.