Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 113 IV 54



113 IV 54

16. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 29. April 1987 i.S. F.
gegen Generalprokurator des Kantons Bern (Nichtigkeitsbeschwerde) Regeste

    Art. 41 Ziff. 1 Abs. 2 StGB.

    Wurde eine Gesamtstrafe gemäss Art. 68 Ziff. 1 Abs. 1 StGB ausgefällt,
so ist der bedingte Aufschub des Strafvollzuges unabhängig davon
ausgeschlossen, ob die innerhalb der Fünf-Jahres-Frist nach verbüsster
Vorstrafe begangenen Taten Übertretungen oder Vergehen und Verbrechen
darstellen.

Sachverhalt

    A.- F., der nach Verbüssung von knapp fünf Monaten Gefängnis am
17. November 1979 bedingt aus dem Strafvollzug entlassen worden war,
begann im Herbst 1983 erneut, Betäubungsmittel zu konsumieren, und ab
Februar 1985 solche zu verkaufen und zu vermitteln. Das Strafamtsgericht
von Bern verurteilte ihn deswegen am 18. Dezember 1985 zu einer bedingt
vollziehbaren Gefängnisstrafe von 15 Monaten. Auf Appellation der
Staatsanwaltschaft verweigerte das Obergericht des Kantons Bern am
21. November 1986 den bedingten Aufschub des Strafvollzugs.

    Eine von F. dagegen gerichtete Nichtigkeitsbeschwerde weist das
Bundesgericht ab.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- Der Aufschub des Vollzugs einer Freiheitsstrafe von nicht mehr
als 18 Monaten ist gemäss Art. 41 Ziff. 1 Abs. 2 StGB nicht zulässig,
wenn der Verurteilte innerhalb der letzten fünf Jahre vor der Tat wegen
eines vorsätzlich begangenen Verbrechens oder Vergehens eine Zuchthaus-
oder Gefängnisstrafe von mehr als drei Monaten verbüsst hat.

    Wie sich aus dem Dispositiv des angefochtenen Urteils ergibt,
ist der Beschwerdeführer vom Strafamtsgericht rechtskräftig zu 15
Monaten Gefängnis verurteilt worden, die eine in Anwendung von Art. 68
Ziff. 1 Abs. 1 StGB für sämtliche von ihm verübten Taten ausgefällte
Gesamtstrafe darstellen. Ob der allein in die Fünf-Jahres-Frist des
Art. 41 Ziff. 1 Abs. 2 StGB fallende Eigenkonsum von Betäubungsmitteln
lediglich mit Haft oder Busse bedroht ist (Art. 19a Ziff. 1 BetmG),
also eine blosse Übertretung darstellt (Art. 101 StGB), bleibt ohne
Bedeutung. Nach dem klaren Wortlaut von Art. 41 Ziff. 1 Abs. 2 StGB,
von dem der Beschwerdeführer mit Recht nicht behauptet, er gebe den
wahren Sinn der Norm nicht richtig wieder, kommt es allein darauf
an, ob eine Freiheitsstrafe ausgesprochen worden ist, worunter jede
freiheitsentziehende Strafe, also Zuchthaus, Gefängnis wie auch Haft zu
verstehen ist (SJK 1196 II S. 1); es erweist sich mithin als belanglos, ob
die zugrunde liegenden Straftaten Verbrechen, Vergehen oder Übertretungen
darstellen (LOGOZ, Commentaire du Code pénal suisse, partie générale,
S. 230). Liegt bezüglich ausgefällter Freiheitsstrafen eine umfassende
und damit auch abschliessende Regelung vor, kann von der behaupteten
Gesetzeslücke, die durch Heranziehung von Art. 108 StGB zu füllen wäre,
keine Rede sein. Die Möglichkeit, dass bei wahlweise angedrohter Haft
und Busse an sich statt Haft, d.h. Freiheitsstrafe, Busse ausgesprochen
werden kann, offenbart sich vorliegend ebenso als bedeutungslos. Das
Strafamtsgericht ist, wenn es aufgrund von Art. 68 Ziff. 1 StGB auf
Gefängnis erkannte, zum Schluss gelangt, der Beschwerdeführer habe auch
bezüglich des Eigenkonsums von Betäubungsmitteln eine Freiheitsstrafe
verwirkt, was wegen der Rechtskraftwirkung seines Urteils nicht mehr
in Frage gestellt werden kann. Dem Beschwerdeführer stand es offen,
bezüglich der Strafzumessung selber die Appellation zu erklären und
geltend zu machen, es hätte insoweit eine Busse ausgefällt werden müssen,
womit er den Wirkungen der nachträglichen Beschränkung der durch die
Staatsanwaltschaft erklärten Appellation auf die Frage des bedingten
Strafvollzugs entgangen wäre. Bundesrecht gebietet entgegen seiner
Darstellung nicht, dass der kantonale Richter ein bei ihm nur teilweise
angefochtenes Urteil dessen ungeachtet stets vollumfänglich auf seine
Rechtsbeständigkeit zu überprüfen hätte.