Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 113 IV 36



113 IV 36

11. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 26. Januar 1987 i.S.
Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen gegen Z. (Nichtigkeitsbeschwerde)
Regeste

    Art. 20a ff. UWG; Art. 14 der Verordnung über die Bekanntgabe von
Preisen.

    Die Anzeige von Reisen unter Angabe von (Mindest)Preisen in
einem Zeitungsinserat muss die wesentlichen Leistungen, die für die
bekanntgegebenen Preise erbracht werden, sowie die Voraussetzungen,
unter denen die Preise gültig sind, angeben. Ein Verweis auf den Katalog
genügt nicht.

Sachverhalt

    A.- Das Reisebüro X. liess in der "Ostschweiz" vom 7. und vom
14. Februar 1985 sowie im "Blick" vom 7. Februar und vom 26. März 1985
verschiedene Inserate erscheinen, in denen es Reisen anzeigte, etwa
"Tunesien ab Fr. 580.--/430.--"; "Marokko 1 Woche ab Fr. 680.--"; "Viva
Mexico ... Linienflug und 14 faszinierende Tage ab Fr. 3'590.--". In
den Inseraten fehlten Angaben über die Reisedaten, die Art der Unterkunft
und/oder den Umfang der im Preis inbegriffenen Verpflegung.

    B.- Die I. Gerichtskommission des Bezirksgerichts St. Gallen sprach Z.,
den verantwortlichen Direktor des Unternehmens, am 6. Dezember 1985 der
fortgesetzten Widerhandlung gegen die Verordnung über die Bekanntgabe von
Preisen schuldig und verurteilte ihn zu einer Busse von Fr. 1'000.--,
bedingt vorzeitig löschbar bei einer Probezeit von einem Jahr. Das
Kantonsgericht St. Gallen sprach den Gebüssten auf dessen Berufung hin
am 11. Juli 1986 von der Anklage der fortgesetzten Widerhandlung gegen
die Preisbekanntgabeverordnung frei.

    C.- Die Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen führt eidgenössische
Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, der Entscheid des Kantonsgerichts
St. Gallen sei aufzuheben und die Sache sei zur Neubeurteilung an die
Vorinstanz zurückzuweisen.

    Z. beantragt in seiner Vernehmlassung die Abweisung der
Nichtigkeitsbeschwerde.

Auszug aus den Erwägungen:

                  Auszug aus den Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- Die Verordnung über die Bekanntgabe von Preisen (PBV; SR 942.211)
gilt gemäss ihrem Art. 2 Abs. 1 lit. d auch für die an Letztverbraucher
gerichtete Werbung für sämtliche Waren und Dienstleistungen. Werden in
der Werbung Preise aufgeführt oder bezifferte Hinweise auf Preisrahmen
oder Preisgrenzen gemacht, so sind die tatsächlich zu bezahlenden Preise
bekanntzugeben (Art. 13 Abs. 1 PBV). Aus der Preisbekanntgabe muss deutlich
hervorgehen, auf welche Ware und Verkaufseinheit oder auf welche Art,
Einheit und Verrechnungssätze von Dienstleistungen sich der Preis bezieht
(Art. 14 Abs. 1 PBV). Widerhandlungen gegen die Preisbekanntgabeverordnung
werden gemäss Art. 21 Abs. 1 PBV nach Art. 20e UWG bei vorsätzlicher Tat
mit Haft oder Busse bis zu Fr. 20'000.--, bei fahrlässiger Tatverübung
mit Busse bis zu Fr. 20'000.-- bestraft.

    Die Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen wirft dem
Beschwerdegegner in der eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde nicht vor,
dass er in den inkriminierten Zeitungsinseraten unter Verwendung der Formel
"ab ... Franken" lediglich die Mindestpreise bzw. die billigsten Varianten
aufgeführt habe. Sie legt ihm aber zur Last, dass er in den Inseraten die
für die angegebenen Mindestpreise angebotenen Leistungen nicht genügend
spezifiziert und damit gegen Art. 14 Abs. 1 PBV verstossen habe, und
sie vertritt sodann die Auffassung, dass es sich bei den bekanntgegebenen
Preisen nicht um die tatsächlich zu bezahlenden Preise im Sinne von Art. 13
Abs. 1 PBV gehandelt habe, da die Bearbeitungsgebühr und verschiedene
Zuschläge darin nicht enthalten gewesen seien.

Erwägung 2

    2.- Die Vorinstanz stellt nicht in Abrede, dass in den inkriminierten
Zeitungsinseraten die für die bekanntgegebenen Preise angebotenen
Leistungen nicht hinreichend spezifiziert waren, wurden "doch nicht
einmal die Hauptleistungen näher erörtert". Ihres Erachtens ist aber
dem Gebot der Spezifizierung gemäss Art. 14 Abs. 1 PBV Genüge getan,
wenn die Leistungen im Katalog beschrieben werden und im Zeitungsinserat
auf den Katalog verwiesen wird. Inserat und Katalog bilden nach den
Ausführungen im angefochtenen Entscheid in diesem Fall gemeinsam,
als Einheit, die "Werbung" im Sinne des 4. Kapitels (Art. 13 ff.) der
Preisbekanntgabeverordnung. Dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden.

    a) Wohl gehört der Katalog wie das Zeitungsinserat zur "Werbung" im
Sinne von Art. 13 ff. PBV; Inserate und Kataloge sind aber selbständige
Werbemittel, und die Angebote müssen daher in jedem Werbemittel
spezifiziert werden, in dem Preise bekanntgegeben werden. Die im
Zeitungsinserat enthaltene Verweisung auf den Katalog, in dem die Angebote
spezifiziert werden, genügt nicht. Dies ergibt sich aus dem Wortlaut von
Art. 13 f. PBV und insbesondere aus Sinn und Zweck der Preisbekanntgabe
gemäss der Preisbekanntgabeverordnung und dem ihr zugrunde liegenden
UWG. Die angebotene Leistung muss "aus der Preisbekanntgabe" deutlich
hervorgehen (Art. 14 Abs. 1, 11 Abs. 2 PBV). Wohl wird kaum jemand allein
schon aufgrund eines Zeitungsinserats, in dem beispielsweise "1 Woche
Marokko ab Fr. 680.--" angezeigt wird, eine Reise buchen; das ist indessen
rechtlich unerheblich (vgl. BGE 108 IV 125). Das Zeitungsinserat kann und
soll den Leser zur Kontaktaufnahme mit dem Anbieter anregen. Die Preise
müssen daher schon in diesem frühen Stadium miteinander vergleichbar
sein. Das sind sie nicht, wenn die Angebote im Zeitungsinserat nicht
spezifiziert werden. Es besteht in diesem Fall einerseits die Gefahr der
Benachteiligung des Konsumenten, der mit jenem Anbieter Kontakt aufnimmt,
dessen Angebot aufgrund der Preisangaben im Zeitungsinserat auf den
ersten Blick als das günstigste erscheint, und andererseits die Gefahr der
Benachteiligung des Konkurrenten, dessen Angebot aufgrund der Preisangaben
im Inserat auf den ersten Blick als weniger günstig erscheint. Diesen
Gefahren unter anderem will die Preisbekanntgabepflicht gemäss Art. 20a
ff. UWG begegnen, welche sowohl den Schutz des Konsumenten als auch den
Schutz des Konkurrenten zum Zweck hat und überhaupt der Lauterkeit des
Wettbewerbs dient (BGE 108 IV 123 mit Hinweis).

    b) Der Einwand des Beschwerdegegners, es sei nicht nachgewiesen,
dass die inkriminierten Inserate wegen der mangelhaften Spezifizierung
des Angebots eine effektive, konkrete Gefahr der Irreführung begründet
hätten, geht an der Sache vorbei. Art. 14 Abs. 1 PBV setzt nicht eine
konkrete Täuschungsgefahr voraus. Wohl hat die Preisbekanntgabepflicht
gemäss Art. 20a ff. UWG unter anderem den Zweck, den Konsumenten vor
Irreführung zu bewahren; das bedeutet indessen nicht, dass die Täuschung
bzw. die konkrete Gefahr der Irreführung des Konsumenten (ungeschriebenes)
Tatbestandsmerkmal von Art. 14 Abs. 1 PBV in Verbindung mit Art. 20e
UWG sei. Das Gebot der Spezifizierung des Angebots in Zeitungsinseraten
ist aus den genannten Gründen prinzipiell geeignet, den durch Art. 20a
ff. UWG verfolgten Zwecken zu dienen, und es ist damit gesetzmässig
(vgl. BGE 108 IV 125 mit Verweisungen). Der Richter hat daher Art. 14
Abs. 1 PBV anzuwenden, wenn die darin genannten Voraussetzungen erfüllt
sind, und er hat nicht zu prüfen, ob im konkreten Fall effektiv eine
Täuschungsgefahr bestanden habe.

    c) Dem Beschwerdegegner ist allerdings zuzustimmen, dass die
Vorschriften der Preisbekanntgabeverordnung, insbesondere auch Art. 13
und 14 PBV, nicht auf die Zeitungsinserate der Reiseveranstalter
zugeschnitten sind. Die Besonderheit namentlich von Pauschalarrangements
besteht darin, dass sie eine Vielzahl unterschiedlicher Sach- und
Dienstleistungen enthalten, und zwar auch Dienstleistungen, die nicht
unter Art. 10 PBV ("Bekanntgabepflicht") fallen, welche aber dennoch
gemäss Art. 14 Abs. 1 PBV zu spezifizieren sind, wenn in der Werbung,
etwa in Zeitungsinseraten, für das Pauschalarrangement ein Preis angegeben
wird. Die vom Kantonsgericht gewählte Lösung, wonach die Spezifizierung
des Angebots im Katalog ausreicht, wenn im Zeitungsinserat auf den
Katalog verwiesen wird, ist zwar klar und einfach, sie ist aber nach
dem Gesagten mit dem Wortlaut und insbesondere mit Sinn und Zweck von
Art. 14 Abs. 1 PBV nicht zu vereinbaren. Soll die Werbung mit Preisangaben
in Zeitungsinseraten nicht allzu stark eingeschränkt werden, dann kann
die Lösung bei der gegenwärtigen Rechtslage nur darin bestehen, dass an
die Spezifizierung nicht zu strenge Anforderungen gestellt werden. Eine
stichwortartige Darstellung der wesentlichen Leistungen, welche für den
bekanntgegebenen Preis erbracht werden, genügt. Das Zeitungsinserat,
das einen Preis bekanntgibt, muss zumindest Angaben enthalten über
das Reiseziel, das wichtigste Transportmittel, die Art der Unterkunft
(Mittelklasshotel; Doppelzimmer etc.), den Umfang der im angegebenen Preis
inbegriffenen Verpflegung (Frühstück, Halbpension etc.) sowie die Dauer des
Arrangements. Wo der angegebene Preis nur unter bestimmten Voraussetzungen,
etwa betreffend die Reisedaten (Vorsaison; Hin- und/oder Rückreise in
der Wochenmitte), gilt, muss auch dies aus dem Inserat hervorgehen. Diese
Angaben sind bei der Mehrzahl der Arrangements, bei denen der Kunde stets
im gleichen Hotel oder nur in wenigen verschiedenen Hotels übernachtet,
auch im Rahmen eines Zeitungsinserats durchaus möglich und zumutbar. Bei
grossen Rundreisen und den sog. Abenteuerreisen kann allerdings selbst
eine knapp zusammenfassende stichwortartige Darstellung der wesentlichen,
im angegebenen Preis inbegriffenen Leistungen den Rahmen eines kleineren
Zeitungsinserats sprengen. Dem Anbieter ist es indessen unbenommen, auf
die Angabe von Preisen im Zeitungsinserat zu verzichten; in diesem Fall
hat er das Angebot nicht gemäss Art. 14 Abs. 1 PBV zu spezifizieren.

    Der Einwand des Beschwerdegegners, es sei unmöglich, die vielfältigen
und variantenreichen Angebote in den Zeitungsinseraten zu spezifizieren,
geht an der Sache vorbei. Das Spezifizierungsgebot in der Werbung besteht
nur insoweit, als im betreffenden Werbemittel Preise angegeben werden. Im
vorliegenden Fall waren nur jene Reisen durch Angabe der wesentlichen
Leistungen zu spezifizieren, welche zu den bekanntgegebenen Mindestpreisen
angeboten wurden.

    d) Gewiss vermitteln die Angaben über die im bekanntgegebenen Preis
inbegriffenen wesentlichen Leistungen nur eine Teilinformation. Die vom
Beschwerdegegner erwähnte Gefahr, dass ein Kunde allein aufgrund dieser
Teilinformation eine Reise buchen könnte, ohne sich zunächst noch aus
den Katalogen und/oder in den Reisebüros umfassender zu informieren, ist
jedoch unter dem Gesichtspunkt der Spezifizierungspflicht gemäss Art. 14
Abs. 1 PBV ebenso unerheblich wie die vom Beschwerdegegner an anderer
Stelle erwähnte Erfahrungstatsache, dass kaum jemand einzig aufgrund
eines Zeitungsinserats eine Reise bucht. Entscheidend ist insoweit
allein, dass Zeitungsinserate auch in der Reisebranche geeignet sind,
einen gewissen Einfluss auf das Konsumverhalten des Durchschnittslesers
und das Wettbewerbsverhältnis auszuüben.

    e) Indem der Beschwerdegegner die inkriminierten Zeitungsinserate
erscheinen liess, in denen die zu den bekanntgegebenen Preisen angebotenen
Reisen nicht durch Angabe der wesentlichen Leistungen im genannten Sinne
spezifiziert waren, erfüllte er den objektiven Tatbestand von Art. 14
Abs. 1 PBV in Verbindung mit Art. 20e UWG.

    Die Beschwerdeführerin setzt sich nicht mit dem subjektiven
Tatbestand auseinander. Darüber sowie über die Frage eines Irrtums wird
das Kantonsgericht zu befinden haben.