Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 113 IV 25



113 IV 25

8. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 14. April
1987 i.S. A. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich
(Nichtigkeitsbeschwerde) Regeste

    Art. 201 StGB; Zuhälterei.

    Wer beide Erscheinungsformen der Zuhälterei i. S. von Abs. 1 und
Abs. 2 verwirklicht, begeht nur ein Delikt nach Art. 201 StGB. Zwischen
den Absätzen 1 und 2 des Art. 201 StGB besteht weder Ideal- noch
Realkonkurrenz.

Sachverhalt

    A.- A. finanzierte während einer gewissen Zeit mit dem Erwerb seiner
der Gewerbsunzucht nachgehenden Ehefrau den gemeinsamen Lebensunterhalt;
zudem hielt er sich jeweils im Wohnzimmer auf, während seine Frau ihre
Freier bediente. Im Berufungsverfahren sprach das Obergericht des Kantons
Zürich A. am 18. Februar 1986 der Zuhälterei im Sinne von Art. 201
Abs. 1 und Abs. 2 StGB schuldig und bestrafte ihn mit acht Monaten
Gefängnis. Es ging davon aus, zwischen den beiden Tatbestandsvarianten
bestehe echte Idealkonkurrenz. Die dagegen gerichtete eidgenössische
Nichtigkeitsbeschwerde heisst der Kassationshof gut.

Auszug aus den Erwägungen:

                     Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- c) Schliesslich stellt sich die Frage, ob zwischen den Formen
der aktiven und passiven Zuhälterei Idealkonkurrenz bestehen kann. Die
Vorinstanz hat dies bejaht mit der Begründung, bestraft werde nicht
die Zuhälterei "als Zustand, sondern die ausbeuterische Handlungsweise
einerseits und die kupplerische anderseits". Diese Auffassung wird
vom Beschwerdeführer unter Hinweis auf verschiedene Lehrmeinungen als
bundesrechtswidrig gerügt.

    ca) In der Lehre hat HAFTER zwar die beiden Absätze von Art. 201 StGB
gesondert abgehandelt (Schweizerisches Strafrecht, BT, 1937, S. 146 ff.),
dann aber die Annahme von Realkonkurrenz abgelehnt, da die "Zuhälterei
... ein in einem mannigfaltigen Verhalten sich auswirkender Zustand" sei
(S. 149 unter Hinweis auf V. CLERIC UND FRANK). THORMANN/VON OVERBECK
stellen fest, "diese (beiden) Tatbestände können ... zusammenfallen und
bilden dann nur ein Delikt (d.h. zwischen den beiden Formen besteht weder
Idealkonkurrenz noch Realkonkurrenz)" (Schweizerisches Strafgesetzbuch, BT,
1941, N 4 zu Art. 201 StGB). Dieselbe Ansicht vertritt FOEX mit dem Hinweis
darauf, dass das Gesetz "die gesellschaftlich gefährliche Lebensweise des
Delinquenten" bestrafen wolle (SJK Nr. 1145, S. 3 Ziff. IV). Auch LOGOZ
geht davon aus, zwischen den Absätzen 1 und 2 gebe es weder Ideal- noch
Realkonkurrenz, "car le délit du souteneur est essentiellement un mode
d'existence socialement dangereux ... Et c'est tellement ce mode de vivre
qu'il s'agit de punir dans le cas ici envisagé, plutôt que tel ou tel acte
particulier par lequel il a pu se manifester" (Commentaire du Code Pénal
Suisse, BT I, 1955, N 4 zu Art. 201 StGB, S. 343). Schliesslich vertritt
auch STRATENWERTH die Ansicht, angesichts des inneren Zusammenhanges der
beiden Tatbestände begehe auch derjenige nur ein Delikt nach Art. 201 StGB,
der beide Formen der Zuhälterei verwirkliche (Schweizerisches Strafrecht,
BT II, 3. Aufl., S. 62 N 60). Beizufügen ist, dass SCHWANDER, der sich zur
vorliegenden Frage nicht explizit äussert, jedenfalls keine abweichende
Meinung zu haben scheint (vgl. Das Schweizerische Strafgesetzbuch,
Neudruck, 1965, Nrn. 649 und 649a).

    cb) Aus den Materialien zum schweizerischen StGB ergibt sich
folgendes: Nachdem zunächst in den Vorarbeiten der Ausdruck "Zuhälter"
ein gesetzliches Tatbestandsmerkmal darstellte, schlug HAFTER in der
zweiten Expertenkommission erstmals eine Fassung vor, die der heutigen
Strafbestimmung in wesentlichen Teilen entspricht (Prot. 2. ExpK. Bd. 3
S. 231). Wie der Diskussion zu entnehmen ist, ging es dabei um eine
Umschreibung dessen, was ein Zuhälter eigentlich ist, und da der Begriff
- wie die Voten deutlich zeigen - allein unklar war, setzte sich der
Vorschlag Hafters durch (vgl. aaO S. 231-236). Festzuhalten ist, dass es
bei der Fassung der Strafbestimmung damals um die Definition des Zuhälters
ging, und nicht etwa um die Abgrenzung zweier verschiedener Zuhältertypen.

    An dieser Stelle ist noch auf ein weiteres hinzuweisen. HAFTER führte
in der Expertenkommission aus, als Zuhälter solle einmal gelten, wer sich
von einer Frau, die gewerbsmässige Unzucht treibt, unterhalten lässt; aber
dieser Tatbestand genüge nicht; es müsse überdies der Fall hervorgehoben
werden, in dem der Mann aus Eigennutz der Frau Schutz gewährt; dies
könne gegebenenfalls leicht bewiesen werden, während der Beweis, dass der
Mann von der Dirne seinen Unterhalt bezieht, oft schwer zu erbringen ist
(aaO S. 234). Auf dieser Linie argumentierte auch LACHENAL, wonach der
Zuhälter "ne tire pas seulement profit de la prostitution, ce qui n'est pas
toujours aisé à établir, il protège aussi la prostituée dans l'exercice
de son honteux métier ... La preuve, là, est plus facile à rapporter"
(aaO S. 235). Bei der Formulierung einer Definition spielten also auch
Beweisfragen eine Rolle.

    HAFTER hatte seinen Antrag (wie beim heutigen Gesetzesartikel) in zwei
Absätze gegliedert. In der Botschaft des Bundesrates vom 23. Juli 1918
wurde die Bestimmung demgegenüber in einen einzigen Absatz zusammengefasst,
dessen Varianten durch das Wort "oder" voneinander getrennt waren
(Botschaft S. 160, Art. 176 des Entwurfes). In den Erläuterungen
charakterisierte der Bundesrat den Zuhälter wie folgt: "... er zieht aus
ihrem [der Dirne] unsittlichen Erwerb ganz oder teilweise seinen Unterhalt,
hält sie, indem er ihr Schutz verspricht, in drückendster Abhängigkeit
..."; der Zuhälter müsse wegen seiner "auf Ausbeutung gegründeten
Lebensführung bestraft" werden (Botschaft S. 44). Auch hier ist nur von
dem Zuhälter die Rede und nicht von verschiedenen Erscheinungsformen.

    Bei den Beratungen im Parlament wurde der Artikel in der vom Bundesrat
vorgeschlagenen Form diskussionslos gutgeheissen, mit Ausnahme eines
Punktes, der für den vorliegenden Fall unerheblich ist (vgl. B. MEYER, Die
Behandlung der Zuhälterei im Schweizerischen Strafrecht, Diss. ZH, 1957,
S. 51 mit Hinweisen). Bei der Bearbeitung durch die Redaktionskommission
kam es dann wieder zu einer Aufteilung in zwei Absätze, wobei das Bindewort
"oder" wegfiel.

    Gesamthaft gesehen ergibt sich aus den Materialien nichts für die
Annahme, dass zwischen den beiden Tatbestandsvarianten des Art. 201 StGB
Real- bzw. Idealkonkurrenz anzunehmen sei. Es ging bei der Formulierung
nur um eine Definition der Zuhälterei als solcher, wobei die zweite
Variante nicht zuletzt auch aus Gründen der erleichterten Beweisführung
ins Gesetz aufgenommen wurde.

    cc) Das deutsche Recht, in welchem eine ausbeutende und eine
"disziplinierende" Zuhälterei unterschieden wird, steht grundsätzlich
ebenfalls auf dem Boden der skizzierten Anschauung, da die Dauerbeziehung
zwischen Täter und Dirne der Idealkonkurrenz entgegenstehe; anders
wäre nur zu entscheiden, wenn dem Gesetz unterschiedliche Schutzzwecke
zugrunde lägen (vgl. SCHÖNKE/SCHRÖDER, StGB, 22. Aufl., S. 1173 N 28
zu § 181b dStGB; LEIPZIGER KOMMENTAR, 1985, N 19 zu § 181b dStGB), was
für das schweizerische StGB jedoch nicht zutrifft. Gemäss THORMANN/VON
OVERBECK dient der Straftatbestand der Zuhälterei (ähnlich demjenigen der
Kuppelei) dem öffentlichen Interesse an der Bekämpfung der Unzucht und
deren Ausbeutung (aaO N 2 zu Art. 201 StGB). Noch deutlicher stellen die
genannten Autoren bei der Behandlung der Kuppelei fest, als Schutzobjekt
erscheine nicht eine bestimmte Person, die vor unsittlichen Angriffen
oder Ansinnen geschützt werden soll, sondern das öffentliche Interesse an
der Bekämpfung der Unzucht im allgemeinen und der sozialen Erscheinungen,
welche mit der Begünstigung der Unzucht zusammenhängen; es geht also um
ein allgemeines Kulturgut der Gesellschaft (aaO N 2 zu Art. 198 StGB).

    cd) Es ist nicht zu verkennen, dass das Ergebnis der gesetzgeberischen
Arbeit nicht ganz befriedigt. Die Mängel werden jedoch durch die Einführung
von Idealkonkurrenz zwischen der aktiven und der passiven Zuhälterei
nicht beseitigt. Der Gesetzgeber hatte hauptsächlich den ausbeuterischen
Zuhälter im Auge (ebenso MEYER, aaO S. 86 unten), dennoch unterstellte
er aus Gründen der Begriffsbestimmung (und aus beweistechnischen Gründen)
auch denjenigen der gleichen Strafdrohung, der einer Prostituierten "nur"
Schutz bei der Ausübung ihrer Tätigkeit gewährt, wobei dieser allerdings
immerhin aus Eigennutz handeln muss.

    ce) Bisher wurde nur in zwei Dissertationen die Ansicht vertreten,
die beiden Varianten des Art. 201 StGB seien gegebenenfalls kumulativ zur
Anwendung zu bringen. Es werden jedoch keine stichhaltigen Gründe für
diese Lösung vorgeschlagen. MEYER (vgl. aaO S. 85-87) weist im übrigen
selber auf die hohe Strafdrohung des Art. 201 StGB hin (aaO S. 86
unten), die nicht noch weiter verschärft werden sollte. Schliesslich
befürchtet USTERI (Strafwürdigkeit der Kuppelei, Diss. ZH, 1972), bei
der von der herrschenden Lehre vertretenen Ansicht bestrafe man nicht
die Tätigkeit des Zuhälters, sondern seine allgemeine Lebensführung,
was deshalb als bedenklich und gefährlich erscheine, da nicht mehr
eine vom Täter mit Wissen und Wollen begangene Tat bestraft würde,
sondern ganz allgemein seine als strafwürdig empfundene Lebensführung;
dies könne zu einer unhaltbaren Ausdehnung des Straftatbestandes führen
(aaO S. 112). Dieses Argument geht fehl, da das Gesetz keineswegs nur
allgemein eine missbilligte Lebensweise pönalisiert, sondern ganz konkret
das Verhalten umschreibt, das zur Bestrafung wegen Zuhälterei führen soll.