Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 113 IV 128



113 IV 128

35. Urteil des Kassationshofes vom 17. November 1987 i.S. W. gegen
Polizeirichteramt der Stadt Zürich (Nichtigkeitsbeschwerde) Regeste

    Art. 4 und Anhang 2 der Verordnung über Ordnungsbussen im
Strassenverkehr.

    Die Abgabe bloss eines Einzahlungsscheines anstelle des
Bedenkfrist-Formulars oder des kombinierten Bedenkfrist-Formulars je mit
Einzahlungsschein genügt den Mindestanforderungen für Formulare gemäss
Anhang 2 zur OBV nur, wenn der Einzahlungsschein ähnlich wie das erwähnte
kombinierte Formular ausgestaltet ist und alle erforderlichen Angaben
über Zeit, Ort und Art der Widerhandlung, Bussenhöhe und Bedenkfrist mit
Hinweis auf die Folgen der Fristversäumnis enthält.

Sachverhalt

    A.- W. wurde am 5. Februar 1986 von einem Polizeibeamten wegen
Missachtung eines Fahrverbotes angehalten. Dieser auferlegte ihm mündlich
eine Ordnungsbusse im Sinne des Bundesgesetzes über Ordnungsbussen im
Strassenverkehr in Höhe von Fr. 50.--. Da W. die Busse nicht sofort
bezahlen konnte, übergab er ihm einen Einzahlungsschein, nicht aber
ein Bedenkfrist-Formular im Sinne der Mindestanforderungen für Formulare
gemäss Anhang 2 lit. C der OBV. W. überwies den Bussenbetrag von Fr. 50.--
nach Ablauf der 10tägigen Bedenkfrist am 28. Februar 1986.

    Das Polizeirichteramt der Stadt Zürich bestrafte W. mit Verfügung
vom 8. April 1986 wegen Nichtbeachtens des Vorschriftssignals
"allgemeines Fahrverbot in beiden Richtungen" mit einer Busse von
Fr. 70.--. Das Bezirksgericht Zürich bestätigte diesen Entscheid mit
Urteil vom 17. November 1986. Das Obergericht des Kantons Zürich wies mit
Beschluss vom 19. Juni 1987 eine vom Gebüssten eingereichte Beschwerde ab,
soweit auf sie einzutreten war.

    W. erhebt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag,
den angefochtenen Entscheid aufzuheben und die Vorinstanz anzuweisen,
den Beschwerdeführer zu einer Ordnungsbusse von Fr. 50.-- zu verurteilen
und auf die Auferlegung von Verfahrenskosten zu verzichten.

Auszug aus den Erwägungen:

             Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Grundsätzlich ist dem Täter nach jeder Übertretung schriftlich
zu bestätigen, wann er wo welche Übertretung begangen und welche
Busse er zu bezahlen hat. Diese schriftliche Bestätigung ersetzt im
Ordnungsbussenverfahren den Strafbefehl, die Strafverfügung oder das
Strafurteil. In der Ausgestaltung dieser schriftlichen Bestätigung hat
der Bund den Kantonen weitgehende Freiheiten gelassen. Die kantonalen
Regelungen müssen sich aber immerhin an folgende Grundsätze halten:

    a) Zahlt der Täter die Busse sofort, so ist ihm eine Quittung
auszuhändigen, in der nach dem Anhang 2 lit. A und B der OBV

    - ausser in ausgesprochenen Bagatellfällen - die erwähnten Angaben
(Zeit, Ort und Art der Übertretung) enthalten sein müssen.
   b) Zahlt er die Busse nicht sofort, so wird ihm

    - entweder das Bedenkfrist-Formular mit denselben Angaben wie in der
Quittung (C/1 des Anhanges 2) und ein Einzahlungsschein (C/3)

    - oder ein mit dem Formular für Bussen über Fr. 50.-- kombiniertes
Bedenkfrist-Formular zusammen mit einem Einzahlungsschein übergeben (C/4).

    In beiden Fällen muss das Formular den Hinweis enthalten, dass bei
Nichtbezahlung innert 10 Tagen das ordentliche Verfahren durchgeführt wird
(C/2).

    Die Übergabe eines Einzahlungsscheines allein kann demnach nur genügen,
wenn dieser ähnlich wie das erwähnte kombinierte Formular ausgestaltet ist
und alle erforderlichen Angaben über Zeit, Ort und Art der Widerhandlung,
Bussenhöhe und Bedenkfrist mit Hinweis auf die Folgen der Fristversäumnis
enthält.

    Dies alles gilt unabhängig davon, ob der Täter bei der Widerhandlung
persönlich betroffen wird oder nicht.

Erwägung 2

    2.- Aus den Akten ist lediglich ersichtlich, dass dem Beschwerdeführer
weder das Bedenkfrist-Formular noch das Formular "Ordnungsbussenzettel
mit Bedenkfrist" (= kombiniertes Formular) übergeben worden ist. Wie
der Einzahlungsschein gestaltet war, d.h. ob er auch Zeit, Ort
und Art der Übertretung und die Bussenhöhe erwähnte, ist weder dem
obergerichtlichen Urteil noch den Akten zu entnehmen. Die Vorinstanz wird
dies abklären und entsprechend dem Ergebnis neu entscheiden müssen. Die
Nichtigkeitsbeschwerde ist demzufolge gutzuheissen und die Sache im Sinne
von Art. 277 BStP zur Neubeurteilung an das Obergericht zurückzuweisen.