Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 113 IV 113



113 IV 113

31. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 30. Oktober 1987
i.S. Züri Woche-Verlags AG gegen Obergericht des Kantons Zürich
(Nichtigkeitsbeschwerde) Regeste

    Art. 61 StGB.

    Art. 61 StGB bildet eine hinreichende Grundlage

    - für die Urteilsveröffentlichung in der Zeitung, in der die
verletzende Äusserung erschienen ist, und gegebenenfalls auch in einem
dritten Presseerzeugnis (E. 1b),

    - dafür, die Publikation an einer bestimmten Stelle im redaktionellen
Teil anzuordnen (E. 1d).

Sachverhalt

    A.- Am 17. Mai 1984 erschien in der Züri Woche in der Rubrik "Notizen
zu Namen", für welche Hildegard Ramspeck-Schwaninger verantwortlich
zeichnete, über Monika Kaelin eine Kolumne, die mit dem Satz endet:
"Und: Was ist am Namen Kaelin eigentlich noch zu ruinieren?"

    B.- Auf Klage von Monika Künzli-Kaelin wurde Hildegard
Ramspeck-Schwaninger vom Obergericht des Kantons Zürich zweitinstanzlich
mit Urteil vom 16. Juni 1986 der Beschimpfung im Sinne von Art. 177 Abs. 1
StGB schuldig gesprochen und mit einer Busse von Fr. 4'000.-- bestraft,
als Zusatzstrafe zu einem Strafbefehl der Bezirksanwaltschaft Dielsdorf
vom 17. Juni 1985. Weiter wurde sie verpflichtet, Monika Künzli-Kaelin
eine Genugtuung von Fr. 5'000.-- zu bezahlen.

    Ferner wurde in Ziffer 5 dieses Urteils erkannt:

    "Dieses Urteil wird nach Eintritt der Rechtskraft im Sinne der
Erwägungen
   auf Kosten der Angeklagten einmal in der Züri Woche auf jener Seite
   veröffentlicht, auf welcher in der betreffenden Ausgabe die Rubrik
   Notizen zu Namen erscheint."

    Der zu veröffentlichende Text hat aus dem Urteilsdispositiv sowie
der folgenden Kurzbegründung zu bestehen:

    "In der Züri Woche vom 17. Mai 1984 hatte die Angeklagte unter
der Rubrik

    Notizen zu Namen eine Kolumne veröffentlicht, welche sie mit der Frage
   abgeschlossen hat: Und: Was ist am Namen Kaelin eigentlich noch zu
   ruinieren? Damit hat die Angeklagte den Tatbestand der Beschimpfung
   gemäss

    Art. 177 StGB erfüllt und ist vom Gericht demgemäss schuldig gesprochen
   worden. Mit ihren weiteren damaligen Ausführungen hat sie keinen
   weiteren

    Ehrverletzungstatbestand erfüllt; sie war deshalb im übrigen
   freizusprechen."

    Das Urteil, das in Rechtskraft erwachsen ist, wurde Monika
Künzli-Kaelin und Hildegard Ramspeck-Schwaninger zugestellt, nicht aber
der Züri Woche.

    C.- Mit Schreiben vom 19. November 1986 ersuchte das Obergericht des
Kantons Zürich die Züri Woche um entsprechende Urteilspublikation. Am
21. Januar 1987 erkundigte sich das Obergericht telefonisch bei der
Redaktion der Züri Woche, warum die Urteilspublikation noch nicht erfolgt
sei. Diese antwortete, sie habe mit der Angelegenheit nichts zu tun,
da sie nicht Prozesspartei gewesen sei. Die gerichtliche Anordnung,
insbesondere die Plazierungsvorschrift, stelle einen schwerwiegenden
Eingriff in die Pressefreiheit dar. Mit Schreiben vom 6. Februar 1987
bestätigte der Anwalt der Züri Woche diesen Standpunkt.

    D.- Am 16. Februar 1987 erliess das Obergericht des Kantons Zürich in
Sachen Ramspeck-Schwaninger/Künzli-Kaelin einen Beschluss, in welchem die
Züri Woche unter Strafandrohung (Art. 292 StGB) verpflichtet wurde, das
Urteilsdispositiv samt der zitierten Kurzbegründung innert eines Monats
auf Kosten von Hildegard Ramspeck-Schwaninger einmal in der Züri Woche
auf jener Seite zu veröffentlichen, auf welcher in der betreffenden Nummer
auch die Rubrik "Notizen zu Namen" erscheint, unter voller Namensnennung,
insbesondere auch der Ledignamen.

    E.- Eine gegen diesen Beschluss von der Züri Woche eingereichte
kantonale Nichtigkeitsbeschwerde wurde vom Kassationsgericht des Kantons
Zürich am 21. Juli 1987 abgewiesen.

    Mit einer staatsrechtlichen Beschwerde hat die Züri Woche gerügt,
der obergerichtliche Beschluss verletze Art. 55 BV. Diese Beschwerde ist
von der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung mit heutigem Datum abgewiesen
worden, soweit darauf eingetreten werden konnte.

    Schliesslich hat die Züri Woche gegen den Beschluss des Obergerichtes
eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde eingereicht mit dem Antrag,
den Beschluss und damit die Verpflichtung der Beschwerdeführerin zur
Urteilspublikation aufzuheben, eventuell die Sache zur Neuentscheidung
an die Vorinstanz zurückzuweisen.

    Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab, soweit es auf sie eintritt.

Auszug aus den Erwägungen:

                     Aus den Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- Die Frage, ob die Nichtigkeitsbeschwerde gemäss Art. 268 BStP
zulässig ist, kann offenbleiben, da sie sich ohnehin als unbegründet
erweist.

    a) Die Beschwerdeführerin macht geltend, entgegen der Auffassung des
Obergerichtes bilde Art. 61 StGB keine hinreichende Grundlage für die
angeordnete Urteilspublikation. Art. 61 StGB richte sich nur gegen eine
Partei im Strafverfahren. Andere Rechtsgrundlagen, gestützt auf welche
die Beschwerdeführerin zur Publikation verhalten werden könnte, seien
nicht ersichtlich. Eventualiter wird geltend gemacht, dass, sogar wenn
eine Publikationspflicht der Beschwerdeführerin bestünde, aufgrund der
konkreten Umstände des vorliegenden Falles ein öffentliches Interesse an
der Publikation zu verneinen sei; subeventualiter, dass die Art und Weise,
wie die Urteilspublikation angeordnet worden sei, mit Art. 61 StGB nicht
vereinbart werden könne.

    b) Gemäss Art. 61 StGB kann der Richter die Veröffentlichung
eines Strafurteils auf Kosten des Verurteilten anordnen, wenn diese
im öffentlichen Interesse oder im Interesse des Verletzten oder
Antragsberechtigten geboten ist. Der Richter bestimmt Art und Umfang der
Veröffentlichung. Das Gesetz spricht sich nicht ausdrücklich zur Frage aus,
ob die Urteilspublikation in einer am Prozess nicht beteiligten Zeitung
angeordnet werden kann. Dass diese Möglichkeit besteht, ist offenbar
bisher als selbstverständlich angenommen worden, jedenfalls soweit es die
Zeitung betrifft, in welcher die ehrverletzende Äusserung erschienen ist
(vgl. DUBS, ZStR 87/1971, S. 404; vgl. ferner Obergericht Luzern, SJZ
41/1945, S. 240, Nr. 108, und Beschluss des Bundesrates, VPB 16/1952,
Nr. 15, wo auch weitergehend die Publikationsanordnung in Zeitungen als
zulässig angesehen wird, in denen die ehrverletzende Äusserung nicht
erschienen ist). Erst neuerdings wird die Frage aufgeworfen, ob wirklich
eine ausreichende Rechtsgrundlage bestehe, um die Presse - abgesehen von
amtlichen Publikationsorganen - zur Veröffentlichung von Strafurteilen zu
verpflichten (JÖRG REHBERG, Strafrecht II, 4. Aufl., S. 79; DENIS BARRELET,
Droit suisse des mass media, 2. Aufl., N. 117, vgl. aber auch N. 386).

    Art. 61 StGB schränkt nach seinem Wortlaut die Befugnis des Richters,
bei Vorliegen der Voraussetzungen gemäss Abs. 1 die Veröffentlichung
des Urteils anzuordnen sowie Art und Umfang der Veröffentlichung zu
bestimmen, in keiner Weise erkennbar ein. Die richterliche Befugnis
muss demnach umfassend sein und die Möglichkeit in sich schliessen,
die Urteilspublikation in irgendeinem Presseerzeugnis anzuordnen. Die
Entstehungsgeschichte bestätigt, dass der so verstandene Wortlaut den
Sinn der Bestimmung zutreffend wiedergibt. Der Richter soll je nach dem
mit der Veröffentlichung des Urteils zu verfolgenden Ziel, d.h. der Natur
der dadurch zu schützenden Interessen, die Publikation in einem amtlichen
oder privaten Presseerzeugnis oder in beiden zugleich anordnen können
(vgl. LOGOZ, N. 5 zu Art. 61; HAFTER, Lehrbuch des Schweizerischen
Strafrechts, Allg. Teil, 2. Aufl., S. 426; sowie für das Ergebnis
THORMANN/OVERBECK, N. 8 zu Art. 61; SCHWANDER, Das Schweizerische
Strafgesetzbuch, 2. Aufl., S. 282). Nur eine solche Auslegung wird auch
dem Schutzgedanken der Norm gerecht. Der Täter einer Presseehrverletzung
ist in der Regel nicht Eigentümer des Publikationsorgans, in welchem die
Äusserung erschienen ist. Wäre in Art. 61 StGB eine gesetzliche Grundlage
zur Anordnung der Urteilsveröffentlichung nur gegenüber dem Verurteilten
selbst zu erblicken, so würde das Institut der Urteilspublikation, dem
gerade in Ehrverletzungsprozessen nicht unerhebliche Bedeutung zukommt
(vgl. SCHULTZ, Bericht und Vorentwurf zur Revision des Allgemeinen Teils
..., Bern 1987, S. 197), praktisch leerlaufen. Dass die Zeitung, in der die
verletzende Äusserung erschienen ist, zur Urteilspublikation verpflichtet
werden kann, ist für das Zivilrecht bejaht worden (BGE 106 II 92 ff.).
Doch kann es unter Umständen geboten sein, das Urteil in einem dritten
Presseerzeugnis erscheinen zu lassen, um den mit der gesetzlichen Regelung
angestrebten Zweck der Urteilsveröffentlichung zu erreichen.

    Der Haupteinwand der Beschwerdeführerin erweist sich somit als
unbegründet.

    c) Gemäss dem klaren Wortlaut von Art. 61 StGB ist die Veröffentlichung
des Strafurteils zulässig, wenn sie im Interesse des Verletzten liegt. Ob
dieses Interesse besteht, ist im Verfahren zwischen dem Verletzten und
dem Verletzer zu entscheiden. Auf den Einwand der Beschwerdeführerin,
die angeordnete Publikation verletze mangels eines öffentlichen Interesses
Art. 61 StGB, ist demnach nicht einzutreten.

    d) Die Beschwerdeführerin macht geltend, Art. 61 StGB sei jedenfalls
deshalb verletzt, weil eine Anordnung, wie sie das Obergericht im
vorliegenden Fall getroffen habe, eine unzumutbare Beeinträchtigung der
Redaktionsfreiheit bedeute.

    Gemäss Art. 61 Abs. 4 StGB bestimmt der Richter Art und Umfang der
Veröffentlichung. Diese Bestimmung bildet eine hinreichende gesetzliche
Grundlage auch dafür, die Publikation an einer bestimmten Stelle, etwa in
einer bestimmten Rubrik, und im genauen Wortlaut anzuordnen. Eine solche
Anordnung kann sinnvoll sein, um zu erreichen, dass die Publikation den
gleichen Personenkreis erreicht wie die verletzende Äusserung, wie dies
für das zivilrechtliche Gegendarstellungsrecht ausdrücklich vorgesehen ist
(Art. 28k Abs. 1 ZGB).

    Dass das Obergericht vorliegendenfalls in seiner Anordnung zu
weit gegangen sei, wird mit der Beschwerde nicht substantiiert geltend
gemacht. Sie erweist sich deshalb auch in diesem Punkte als unbegründet.

    e) Schliesslich macht die Beschwerdeführerin auch eine Verletzung
von Art. 55 BV geltend. Zur Rüge von Verfassungsverletzungen steht das
Rechtsmittel der eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde indessen nicht
zur Verfügung.