Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 113 II 86



113 II 86

16. Urteil der I. Zivilabteilung vom 31. März 1987 i.S. Schweizerische
Unfallversicherungsanstalt gegen Zürich Versicherungsgesellschaft
(Berufung) Regeste

    Motorfahrzeughaftpflicht, Regressrecht der SUVA.

    1. Art. 91 KUVG, Art. 42 ff. OR. Vorbestehendes Leiden, das die
Invalidität des Verunfallten vergrössert und daher bei der Ermittlung
des Schadens zu beachten ist. Tat- und Rechtsfragen; natürlicher und
adäquater Kausalzusammenhang (E. 1).

    2. Art. 100 KUVG, Art. 88 SVG. Umfang des Regressrechts der SUVA
gegen den haftpflichtigen Dritten. Sinn und Zweck des Quotenvorrechts
zugunsten des Geschädigten (E. 2).

    3. Eine konstitutionelle Prädisposition des Verunfallten kann sowohl
die Schadensberechnung wie die Schadenersatzbemessung beeinflussen.
Unterschiedliche Auswirkungen auf das Quotenvorrecht des Geschädigten
und auf die Regressforderung der SUVA (E. 3).

Sachverhalt

    A.- X., geb. 1923, verunfallte am 30. September 1971 als Mitfahrer
auf einem Motorrad, das an einer Strassenverzweigung in Zürich mit
einem Personenwagen zusammenstiess. Er erlitt schwere Verletzungen,
musste jahrelang ärztlich behandelt werden und wurde wegen bleibender
Behinderungen weitgehend arbeitsunfähig.

    X. war als Hilfsarbeiter einer Druckerei obligatorisch gegen Unfall
versichert. Mit Verfügung vom 5. August 1976 sprach die SUVA ihm eine
Invalidenrente von 50% zu. Auf Beschwerde des Versicherten einigte sie
sich mit ihm dahin, dass sie einen Invaliditätsgrad von 75% anerkannte,
die Rente jedoch wegen eines krankhaften Vorzustandes seiner Brust- und
Lendenwirbelsäule (Scheuermann Krankheit) gestützt auf Art. 91 KUVG um 25%
kürzte, was eine Jahresrente von Fr. 11'916.-- ergab.

    Die Halterin des Personenwagens war für ihre Haftpflicht bei der
"Zürich" versichert. Diese anerkannte, dass die Lenkerin des Wagens
das Vortrittsrecht des Motorradfahrers missachtet hatte und für den
Unfall allein verantwortlich war. Sie hielt den Verunfallten zu 75%
für invalid und ermittelte einen kapitalisierten Erwerbsausfall von Fr.
228'843.--. Wegen der vorbestehenden Wirbelsäulenerkrankung kürzte die
"Zürich" ihre Haftung ebenfalls um 25%, wollte also den Schadenersatz
des Verletzten für Erwerbsausfall auf Fr. 171'632.-- beschränkt wissen.

    B.- Die SUVA zahlte dem Geschädigten insgesamt Fr. 247'221.--, wovon
Fr. 115'388.-- auf die kapitalisierte Invalidenrente entfielen. Sie wollte
für ihre Leistungen gemäss Art. 100 KUVG auf die "Zürich" zurückgreifen,
die jedoch nur eine Forderung von Fr. 156'310.-- anerkannte. Im Juli
1983 klagte die SUVA gegen die "Zürich" auf Zahlung des Restbetrages von
Fr. 90'911.-- nebst 5% Zins seit 1. September 1977.

    Am 11. Oktober 1984 schützte das Bezirksgericht Zürich die eingeklagte
Forderung zu Fr. 33'700.-- und wies die Klage im Mehrbetrag ab. Es bejahte
das Quotenvorrecht des Geschädigten und kürzte die Regressforderung der
Klägerin entsprechend dem Abzug, der sich aus dem krankhaften Vorzustand
des Geschädigten ergab, um Fr. 57'211.--.

    Die Klägerin appellierte an das Obergericht des Kantons Zürich,
das am 27. Mai 1986 im gleichen Sinn entschied.

    C.- Gegen diesen Entscheid hat die Klägerin Berufung eingelegt,
mit der sie an der eingeklagten Forderung im vollen Umfang festhält.

    Die Beklagte beantragt, die Berufung abzuweisen.

Auszug aus den Erwägungen:

             Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Nach Art. 91 KUVG, das vorliegend noch anwendbar ist, hat die SUVA
ihre Leistungen für Invalidität zu kürzen, wenn unfallfremde Faktoren
sie vergrössert haben. Unter diese Bestimmung fällt jeder pathologische
Vorzustand, ohne den die seit dem Unfall bestehende Invalidität von
geringerem Ausmass wäre, gleichviel ob er bereits vor dem Unfall Schmerzen
verursacht oder die Erwerbsfähigkeit des Versicherten beeinträchtigt habe
(BGE 105 V 92). Wegen eines solchen Vorzustandes hat die Klägerin die
Rente des Geschädigten um 25% gekürzt. Sie spricht aber der Beklagten
das gleiche Recht ab, weil die Kürzung nach Art. 91 KUVG nicht unbesehen
auf die Leistungen des haftpflichtigen Dritten übertragen werden dürfe,
der den gesamten unfallbedingten Schaden zu ersetzen habe; die Klägerin
müsse die Rente lebenslänglich ausrichten und daher den Risikofaktor des
Vorzustandes weit mehr gewichten als der Haftpflichtige.

    a) Dazu ist vorweg festzuhalten, dass die Beklagte nach dem
angefochtenen Urteil vom gleichen Invaliditätsgrad des Geschädigten
ausgegangen ist wie die Klägerin und einen Erwerbsausfall von
Fr. 228'843.-- ermittelt hat, der im kantonalen Verfahren unbestritten
geblieben ist. Diese Feststellung der Vorinstanz bindet das Bundesgericht,
da eine Ausnahme gemäss Art. 63 Abs. 2 OG weder behauptet noch zu ersehen
ist. Der Einwand der Klägerin, die Beklagte habe den Vorzustand des
Geschädigten bereits bei der Schadensberechnung berücksichtigt, ist neu
und daher nicht zu hören (BGE 110 II 312). In welchem Umfang jemand durch
Erwerbsausfall geschädigt wird, ist übrigens im wesentlichen eine Tatfrage,
die vom kantonalen Richter zu entscheiden ist. Vorbehalten bleibt,
ob er den Begriff des Schadens verkannt, den Ausfall in unzulässiger
Weise ermittelt und sich im Rahmen des Ermessens gehalten habe, das ihm
insbesondere bei Abschätzen des Schadens zusteht (BGE 106 II 133 E. 5c,
105 II 81/82, 82 II 399 E. 4).

    Die Feststellungen des Obergerichts zur vorbestehenden Krankheit des
Geschädigten betreffen ebenfalls tatsächliche Verhältnisse. Sie stützen
sich auf eine ärztliche Untersuchung vom 29. April 1977, wonach der
Geschädigte damals an der Lendenwirbelsäule eine verbreitete Spondylose und
Osteochondrose aufwies, die sich u.a. in einem lumbalen Schmerzsyndrom mit
hochgradiger Versteifung der Brust- und Lendenwirbelsäule offenbarten. Die
Vorinstanz fand zusammen mit dem Arzt und dem Radiologen, dass die
schweren pathologischen Veränderungen im Bereiche der Wirbelsäule
keine Unfallfolgen waren, aber die Arbeitsunfähigkeit des Geschädigten
erheblich vergrösserten, weil die Schmerzen ihn auch bei sitzender
Tätigkeit behinderten. Diese Feststellungen des Obergerichts über die
vorbestehende Scheuermann Krankheit als wesentliche Mitursache der erhöhten
Invalidität beziehen sich auf den natürlichen Kausalzusammenhang und sind
daher entgegen der Annahme der Klägerin für das Bundesgericht verbindlich
(BGE 101 II 73 E. 3 und 98 II 291 mit Hinweisen).

    b) Ob sich ein vorbestehendes Leiden auch als adäquate Ursache einer
erhöhten Erwerbsunfähigkeit ausgeben lässt, ist dagegen eine Frage der
Rechtsanwendung, die vom Bundesgericht im Berufungsverfahren frei überprüft
werden kann (BGE 107 II 243 unten). Nach der Lehre und Rechtsprechung
zum rechtserheblichen Kausalzusammenhang genügt es grundsätzlich, dass
der Haftpflichtige eine Schadensursache gesetzt hat, ohne die es nicht
zum Unfall gekommen wäre; diesfalls vermögen Mitursachen den adäquaten
Kausalzusammenhang in der Regel weder zu unterbrechen noch auszuschliessen
(OFTINGER, Schweiz. Haftpflichtrecht I, 4. Aufl. S. 227/28; BREHM,
N. 125 zu Art. 41 OR). Das leuchtet namentlich nach dem Sinn und Zweck
des Vortrittsrechts ein, das im Strassenverkehr Zusammenstösse verhüten
soll, aber häufig zu schweren Unfällen führt, wenn es missachtet oder
erzwungen wird (BGE 94 IV 27 und 92 IV 24 E. 3 mit Hinweisen). Wer dabei
widerrechtlich einen gesundheitlich geschwächten Menschen verletzt,
hat kein Recht darauf, so gestellt zu werden, als ob er einen gesunden
geschädigt hätte.

    Ein vorbestehendes Leiden des Geschädigten kann dagegen für den
Umfang der Haftpflichtansprüche gemäss Art. 42 bis 44 OR von Bedeutung
sein, was das Bundesgericht auf Berufung hin ebenfalls frei überprüfen
kann. Einfache konstitutionelle Schwächen fallen mangels einer allgemeinen
Eignung, einen Schaden herbeizuführen, als Herabsetzungsgründe zwar
ausser Betracht (BREHM, N. 57 zu Art. 44 OR). Eigentliche Anomalien
sowie akut oder latent vorbestehende Leiden können aber die Ansprüche des
Verletzten schmälern; sie fallen unter den Begriff der konstitutionellen
Prädisposition und gelten als mitwirkender Zufall, der die Berechnung
des Schadens oder die Bemessung des Schadenersatzes beeinflussen kann
und daher auch haftpflichtrechtlich zu beachten ist, gleichviel ob sie
als Mitursache des Unfalles anzusehen sind oder bloss dessen Folgen
verschlimmern (OFTINGER, S. 103; MERZ, Schweiz. Privatrecht Bd. VI/1, S.
233; KELLER/GABI, Haftpflichtrecht, S. 104).

    c) Dem Obergericht ist darin beizupflichten, dass die vorbestehende
Wirbelsäulenerkrankung des Geschädigten als rechtserhebliche Prädisposition
zu betrachten ist, zumal sie sich, was ihre Auswirkungen angeht, durchaus
mit der in BGE 102 II 43 E. 3c beurteilten vergleichen lässt. Ob sie
im Rahmen der Schadensberechnung oder der Schadenersatzbemessung zu
berücksichtigen ist, kann einstweilen offenbleiben, da so oder anders nach
richterlichem Ermessen zu bestimmen ist, in welchem Ausmass ihr bei der
Ermittlung der Haftungsquote Rechnung zu tragen ist (MERZ, S. 234). Das
Obergericht hat dieses Ermessen dadurch, dass es der Beklagten eine
Kürzung von 25% zugestand, nicht überschritten, hat es damit deren
Haftung doch um den gleichen Prozentsatz gekürzt, den die Klägerin für
sich selbst beansprucht hat. Gewiss braucht die Abgrenzung adäquater
Unfallursachen und -folgen von inadäquaten im Sozialversicherungsrecht
nicht gleich auszufallen wie im Haftpflichtrecht (BGE 96 II 398), da nach
Art. 91 KUVG unfallfremde Mitursachen eines Schadens berücksichtigt werden
können, die den Haftpflichtanspruch nicht zu beeinflussen vermögen. Es ist
indes nicht einzusehen, weshalb ein Umstand, der sich in beiden Bereichen
auswirkt, in jenem erheblich, in diesem hingegen unerheblich sein soll. Die
Praxis hält sich diesfalls bei der Berechnung des haftpflichtrechtlich
relevanten Schadens im allgemeinen denn auch an die Ansätze, nach denen
die SUVA ihre Leistungen gemäss Art. 91 KUVG kürzt (R. SCHAER, Grundzüge
des Zusammenwirkens von Schadenausgleichsystemen, Rz. 357). Dass die
Vorinstanz die Beklagte nur zu 75% für den Gesamtschaden des Verletzten
aus Erwerbsunfähigkeit haftbar erklärt hat, ist daher bundesrechtlich
nicht zu beanstanden.

Erwägung 2

    2.- Nach Art. 100 KUVG tritt die SUVA "bis auf die Höhe ihrer
Leistungen" in die Ansprüche ein, die der Versicherte und seine
Hinterlassenen gegen den haftpflichtigen Dritten haben. Seit 1960 hat sie
dabei auch Art. 88 SVG zu beachten. Wenn einem Geschädigten der Schaden
durch Versicherungsleistungen nicht voll gedeckt wird, können nach dieser
Bestimmung Versicherer auf den Dritten oder dessen Haftpflichtversicherung
nur zurückgreifen, soweit der Geschädigte dadurch nicht benachteiligt
wird. Die Bestimmung enthält eine Beschränkung des Regressrechts zugunsten
des sogenannten Quotenvorrechts des Geschädigten; sie gilt nach neuerer
Rechtsprechung sinngemäss für alle von Art. 100 KUVG beherrschten
Fälle. Die SUVA kann deshalb nur dann und insoweit auf den Schädiger
zurückgreifen, als ihre Leistungen und jene des haftpflichtigen Dritten
oder dessen Versicherung zusammen den ganzen Schaden übersteigen. Dem
Geschädigten gereichen folglich ein Selbstverschulden oder andere Umstände,
die mit der Kausalität zusammenhängen, erst dann zum Nachteil, wenn seine
Schadenersatzansprüche geringer sind als der von der SUVA nicht gedeckte
Schaden (BGE 104 II 309 E. d mit Hinweisen).

    Das gleiche ergibt sich aus dem Sinn und Zweck des Quotenvorrechts
zugunsten des Geschädigten. Dieses Privileg will den Geschädigten
nicht bereichern, sondern vor ungedecktem Schaden bewahren. Von einer
Bereicherung kann aber keine Rede sein, solange die Leistungen der
SUVA und des Dritten oder dessen Haftpflichtversicherung den Schaden
nicht voll decken; das lässt sich erst sagen, wenn ihre Leistungen
über den zu ersetzenden Schaden hinausgehen. Dieser Schaden ist in
der Vermögenseinbusse zu erblicken, die der Geschädigte infolge des
Unfalls tatsächlich erlitten hat, weshalb sich sein Quotenvorrecht zum
vornherein nur auf solchen Schaden, nicht aber auf Folgen beziehen kann,
die haftpflichtrechtlich irrelevant sind und daher aus anderen Gründen
Anlass zu Leistungskürzungen durch die SUVA geben. Das eine wie das andere
hängt in Fällen wie hier davon ab, ob die konstitutionelle Prädisposition
schon bei der Feststellung und Berechnung des Schadens gemäss Art. 42
OR oder erst bei der Bemessung des Schadenersatzes nach Art. 43/44 OR zu
berücksichtigen ist.

Erwägung 3

    3.- In der Auseinandersetzung des Geschädigten mit der SUVA oder der
Haftpflichtversicherung ist diese Frage kaum von Belang, da es im Ergebnis
auf das gleiche herauskommt, ob der konstitutionellen Prädisposition durch
Beschränkung des Gesamtschadens auf den Teil, der als adäquate Folge
des haftungsbegründenden Ereignisses erscheint, oder durch Kürzung des
Schadenersatzes Rechnung getragen wird. Schwierigkeiten können sich dagegen
ergeben, wenn die SUVA auf die Haftpflichtversicherung zurückgreifen will
und wegen der Verschiedenheit der Leistungssysteme streitig ist, ob und
allenfalls welcher Teil des Schadens von der Regressforderung auszunehmen
ist; diesfalls fragt sich vorweg, wo die konstitutionelle Prädisposition im
Hinblick auf das Quotenvorrecht des Geschädigten einzuordnen ist (SCHAER,
Rz. 342 ff.).

    a) Das Bundesgericht nahm zunächst an, die konstitutionelle
Prädisposition könne sowohl ein Faktor der Schadensberechnung als auch
ein Grund zur Ermässigung der Schadenersatzpflicht gemäss Art. 44 OR sein
(Urteile vom 2. März 1965 und vom 24. Mai 1966 i.S. Pedrolini, publ. in
Rep. 99/1966 S. 30 ff.). Im Jahre 1982 gab es diese Auffassung auf und
erklärte, dass eine Prädisposition im Haftpflichtrecht nicht unter dem
Gesichtspunkt der Kausalität zu berücksichtigen sei, obschon dies rein
logisch geboten wäre, sondern im Rahmen der Schadenersatzbemessung als
Umstand, für den der Geschädigte einzustehen habe (nicht veröffentlichtes
Urteil vom 7. Oktober 1982 i.S. Wullimann).

    In der Lehre wird die konstitutionelle Prädisposition mehrheitlich als
Herabsetzungsgrund im Sinne von Art. 44 OR aufgefasst und die Frage, ob sie
allenfalls auch im Rahmen der Schadensberechnung zu berücksichtigen wäre,
meistens übergangen (VON TUHR/PETER, OR Allg. Teil I, 3. Aufl. S. 109;
MERZ, S. 233; VON BÜREN, OR Allg. Teil S. 55 Anm. 71; KELLER, Haftpflicht
im Privatrecht, 3. Aufl. S. 56 und 101; KELLER/GABI, S. 104 f.). OFTINGER
versteht sie als Anwendungsfall des konkurrierenden Zufalls und sieht eine
dogmatisch befriedigende Lösung nur auf dem Boden des Kausalitätsgedankens,
hat aber nichts einzuwenden, wenn ihr in der Praxis alternativ bei der
Bemessung des Schadenersatzes Rechnung getragen wird; eine kumulative
Berücksichtigung lehnt er hingegen ab (S. 98, 101 ff. und 280).

    Anderer Meinung ist insbesondere SCHAER, der anknüpfend an die
deutsche Lehre den Standpunkt vertritt, dass bestimmte Teilursachen, wie
die konstitutionelle Prädisposition, zwar zu einem Schaden führen, der dem
Haftpflichtigen aber nicht zurechenbar sei; die Prädisposition erscheine
damit als Anwendungsfall der sogenannten hypothetischen Kausalität,
die als Element der Schadensberechnung zu verstehen sei (Rz. 123 ff. und
1114). BREHM lässt sie gestützt auf die ältere Rechtsprechung sowohl als
Element der Schadensberechnung wie als Herabsetzungsgrund gelten und
schliesst selbst eine kumulative Berücksichtigung nicht aus (N. 58 zu
Art. 55 OR).

    b) Die konstitutionelle Prädisposition kann sehr unterschiedliche
Formen und Folgen haben. Als haftpflichtrechtlich relevant gelten
namentlich Vorzustände, die sich mit Sicherheit oder doch mit hoher
Wahrscheinlichkeit auch ohne das schädigende Ereignis ausgewirkt,
die körperliche Integrität des Betroffenen beeinträchtigt oder seine
Lebensdauer verkürzt hätten, zur Zeit des Ereignisses aber noch keine
Folgen hatten. Dazu kommen vorbestehende Zustände (wie z.B. Bluter-
oder Zuckerkrankheit, erhöhte Knochenbrüchigkeit, Neigung zu Neurosen),
die für sich allein die Arbeitsfähigkeit des Geschädigten voraussichtlich
nicht vermindert hätten, den durch den Unfall ausgelösten Schaden jedoch
vergrössern, weil sie die Heilung erschweren oder verzögern. In beiden
Arten von Fällen kann der krankhafte Vorzustand zur Zeit des Unfalles
entweder bereits bekannt oder bloss latent vorhanden gewesen sein
(OFTINGER, S. 102; SCHAER, Rz. 351 ff.).

    Die beiden Arten sind rechtlich unterschiedlich zu beurteilen. Wenn der
Schaden in vollem oder geringerem Umfang auch ohne den Unfall eingetreten
wäre, ist er insoweit keine Folge davon, dem Haftpflichtigen folglich
nicht zurechenbar und von der Schadensberechnung auszunehmen. Dem auf
den Vorzustand entfallenden Schadensanteil ist z.B. dadurch Rechnung zu
tragen, dass eine verkürzte Lebens- oder Aktivitätsdauer angenommen oder
der Schaden aus dem Erwerbsausfall auf die Folgen der vorzeitigen oder
überschiessenden Invalidität beschränkt wird. Wäre der Schaden dagegen
ohne den Unfall voraussichtlich überhaupt nicht eingetreten, so bleibt der
Haftpflichtige dafür auch dann voll verantwortlich, wenn der krankhafte
Vorzustand den Eintritt des Schadens begünstigt oder dessen Ausmass
vergrössert hat. Diesfalls besteht selbst bei singulären Auswirkungen kein
Grund, sie vom Begriff des adäquaten Kausalzusammenhangs zum vornherein
auszuschliessen, hiesse dies doch, den Geschädigten seine Schwächen
selber entgelten lassen, als ob der Schädiger sich den Gesundheitszustand
des Opfers aussuchen könnte. Unfallbedingte Vermögenseinbussen gehören
so oder anders zum Schaden und sind deshalb in dessen Berechnung gemäss
Art. 42 OR einzubeziehen. Dem Anteil der Prädisposition an der Kausalität
kann dagegen im Rahmen des Art. 44 OR Rechnung getragen werden. Bei der
zweiten Art von Fällen ist somit gleich vorzugehen wie bei konkurrierendem
Selbstverschulden, das nach Art. 43 OR zu berücksichtigen ist. Diese
Rechtsprechung geht weder zulasten des Haftpflichtigen noch zulasten des
Geschädigten, weshalb daran festzuhalten ist (BGE 102 II 41 E. 3 und 96
II 396/97 mit Zitaten; BREHM, N. 124 zu Art. 41 OR).

    Eine Verbindung beider Betrachtungsweisen ist durchaus denkbar,
z.B. bei Prädispositionen, welche nicht bloss den Eintritt des Schadens
begünstigt oder dessen Ausmass vergrössert haben, sondern auch ohne den
Unfall zu Vermögenseinbussen geführt hätten. Diese Möglichkeit ist schon
im Falle Pedrolini angedeutet worden (Rep. 99/1966 S. 35 ff.). Selbst in
solchen Fällen wird die Ersatzleistung aber nicht zweimal aus dem gleichen
Rechtsgrund gekürzt, wenn die Begriffe des Schadens und des Schadenersatzes
klar auseinandergehalten werden (BREHM, N. 58 zu Art. 44 OR).

    c) Nach den tatsächlichen Feststellungen des Obergerichts waren die
krankhaften Veränderungen, die der Geschädigte 1977 im Bereiche der
Wirbelsäule aufwies, mit Sicherheit nicht unfallbedingt, sondern der
vorbestehenden Scheuermann Krankheit zuzuschreiben. Diese Feststellungen,
die das Bundesgericht binden, können nur dahin verstanden werden, dass der
krankhafte Vorzustand des Geschädigten sich unmittelbar und unabhängig
vom Unfall ausgewirkt hat. Die Verminderung der Arbeitsfähigkeit und
die Erschwerung des wirtschaftlichen Fortkommens, die sich daraus
für X. ergaben und zur Leistungskürzung durch die SUVA geführt haben,
können somit der haftpflichtigen Drittperson und ihrer Versicherung
nicht zugerechnet werden. Daraus folgt, dass nicht die Ersatzleistung,
sondern der haftpflichtrechtlich relevante Schaden für Erwerbsausfall
um 25% zu kürzen war, was nach der Berechnung der Klägerin eine
kapitalisierte Invalidenrente von Fr. 115'388.-- und zusammen mit ihren
weiteren Leistungen die Summe von Fr. 247'221.-- ergab. Im Umfang der
Kürzung konnte sich der Geschädigte zudem nicht auf ein Quotenvorrecht
berufen, weshalb sich auch die Klägerin keine Kürzung gefallen lassen
musste, als sie auf die Beklagte zurückgreifen wollte. Die Vorinstanzen
haben dies verkannt, indem sie die Begriffe Schaden und Schadenersatz
verwechselten. Das angefochtene Urteil ist daher wegen Verletzung von
Bundesrecht aufzuheben und die Klage in vollem Umfang gutzuheissen. Die
Beklagte hat somit der Klägerin abgesehen vom Betrag, mit dem sie sich
nach dem Urteil des Bezirksgerichts abgefunden hat, noch Fr. 57'210.--
nebst Zins zu bezahlen.