Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 113 II 59



113 II 59

11. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 24. Februar 1987
i.S. R. gegen A. AG (Berufung) Regeste

    Art. 218 ff. OR. Sperrfrist für landwirtschaftliche Grundstücke.

    1. Ungültigkeit eines Kaufrechtsvertrags, wenn der Abschluss des
Vertrags und die Erklärung der Ausübung des Kaufsrechts innerhalb
der Sperrfrist des Art. 218 Abs. 1 OR erfolgen, ohne dass eine
Ausnahmebewilligung gemäss Art. 218bis OR tatsächlich vorliegt (Bestätigung
der Rechtsprechung) (E. 4b).

    2. Die blosse Möglichkeit der Erteilung einer Ausnahmebewilligung
vermag das Bewilligungserfordernis ebensowenig zu ersetzen wie das Verbot
des Rechtsmissbrauchs (E. 4c und d).

    3. Anwendbarkeit der Ausnahmevorschriften auf die Abtretung von
Kaufsrechten (E. 4b und c).

Sachverhalt

    A.- R. ist Eigentümer verschiedener Grundstücke in Erlen und
Umgebung. Aufgrund eines wegen finanzieller Schwierigkeiten am
10. Februar 1984 abgeschlossenen Darlehensvertrags erhielt er von der
durch P. kontrollierten Firma G. AG in Liquidation ein Darlehen über
Fr. 2'800'000.--. Zur Sicherstellung des Darlehens räumte R. dem P. mit
Kaufrechtsvertrag vom 13. Februar 1984 ein bis 15. Juni 1985 befristetes
und übertragbares Kaufsrecht an verschiedenen ihm gehörenden Parzellen ein,
das der Berechtigte ab 15. März 1985 für den Fall der nicht vollständigen
Rückzahlung des Darlehens sollte ausüben können. Für die Ausübungserklärung
sah der Vertrag einen eingeschriebenen Brief an den Verkäufer vor. Den
Kaufpreis setzten die Parteien auf Fr. 5'600'000.-- fest, der durch die
Übernahme von Grundpfandschulden von höchstens Fr. 2'600'000.--, durch
Verrechnung mit dem gewährten Darlehen und im übrigen in bar bezahlt
werden sollte.

    Mit Schreiben vom 22. April 1985 trat P. das Kaufsrecht an die in
Appenzell domizilierte Firma A. AG ab, die R. am 29. April 1985 davon
Kenntnis gab und gleichzeitig die Ausübung des Kaufsrechts erklärte. Die
Abtretung wurde am 2. Mai 1985 öffentlich beurkundet. R. verweigerte
die Anmeldung beim Grundbuchamt.

    B.- Die Mitte Mai und anfangs Juli 1985 durch die A. AG gegen
R. eingeleitete Klage auf Ausübung des Kaufsrechts hiessen das
Bezirksgericht Bischofszell und am 10. April 1986 das Obergericht des
Kantons Thurgau gut. Das Bundesgericht heisst die vom Beklagten gegen das
Urteil des Obergerichts eingereichte Berufung gut, hebt das angefochtene
Urteil auf und weist die Klage ab.

Auszug aus den Erwägungen:

                     Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- Das Obergericht nimmt an, das zwischen P. und dem Beklagten
vereinbarte Kaufsrecht sei ebenso gültig wie dessen Abtretung an die
Klägerin und die durch diese abgegebene Ausübungserklärung.

    Unbegründet sei der Einwand des Beklagten, der Kaufrechtsvertrag
vom 13. Februar 1984 und die Übertragung des Kaufsrechts an die Klägerin
verstiessen mangels Ausnahmebewilligung gemäss Art. 218bis OR gegen das
zehnjährige Veräusserungsverbot für landwirtschaftliche Grundstücke des
Art. 218 Abs. 1 OR. Nach Erhalt der Ausübungserklärung hätte der Beklagte
gemäss Ziffer XVIII des Kaufrechtsvertrags unverzüglich beim kantonalen
Volkswirtschaftsdepartement um eine Ausnahmebewilligung ersuchen müssen,
die auch ohne weiteres erteilt worden wäre, sei doch dank des Darlehens
die Zwangsverwertung verhindert worden und damit ein Ausnahmetatbestand
des Art. 218bis OR erfüllt gewesen. Vor der Ausübungserklärung hätte
die Bewilligung entgegen den Ausführungen des Beklagten gar nicht
eingeholt werden können, weil die Ausübung des Kaufsrechts bis zu diesem
Zeitpunkt nicht festgestanden habe. Die Weigerung des Beklagten,
seinen Vertragspflichten nach der Ausübungserklärung nachzukommen,
sei rechtsmissbräuchlich. Dasselbe gelte für den Einwand des Beklagten,
die Klägerin habe das Kaufsrecht nicht gültig ausgeübt, da der Erklärung
vom 29. April 1985 keine öffentliche Beurkundung des Abtretungsvertrags
vorausgegangen und der Beurkundung vom 2. Mai 1985 keine Erklärung in
der vertraglich vorgesehenen Form eines eingeschriebenen Briefs gefolgt
sei. Nach dem 2. Mai 1985 sei dem Beklagten vielmehr durch das Grundbuchamt
Sulgen mit Brief vom 10. Mai 1985 sowie durch den Vermittlungsvorstand
vom 31. Mai 1985 der Wille zur Ausübung des Kaufsrechts klar kundgetan
worden. Die in den Formen des Prozesses abgegebene Erklärung habe der
vereinbarten Schriftform zweifellos genügt. Als unbegründet erweise
sich schliesslich der Einwand des Beklagten, in der Ausübung des
Kaufsrechts liege eine unerlaubte Umgehung des LEG und eine Verletzung
des Verfallverbots gemäss Art. 816 Abs. 2 ZGB.

Erwägung 3

    3.- (Gültigkeit einer nach der öffentlichen Beurkundung des
Abtretungsvertrags abgegebenen Ausübungserklärung bejaht.)

Erwägung 4

    4.- Der Beklagte wirft dem Obergericht vor, es hätte die Veräusserung
landwirtschaftlicher Grundstücke vor Ablauf der Sperrfrist von 10
Jahren nicht mit der Begründung zulassen dürfen, die Einholung der
Ausnahmebewilligung sei Sache des Beklagten gewesen, der diese auch ohne
weiteres erhalten hätte. Eine Ausnahmebewilligung hätte vielmehr bereits
im Zeitpunkt des Kaufrechtsvertrags vom 13. Februar 1984 tatsächlich
vorliegen müssen. Das Fehlen dieser Bewilligung ziehe die Nichtigkeit des
Vertrags nach sich. Mit diesem Problem habe sich die Vorinstanz ebensowenig
befasst wie mit dem Einwand, die Nichtigkeit treffe auch die Abtretung
des Kaufsrechts von P. an die Klägerin. Angesichts der Nichtigkeit beider
Grundgeschäfte seien die Mutmassungen der Vorinstanz über die Möglichkeit,
dass eine Ausnahmebewilligung erteilt werde, völlig unerheblich. Bei
der Abtretung des Kaufsrechts an die Klägerin komme hinzu, dass von der
Verhinderung einer Zwangsverwertung offensichtlich keine Rede habe sein
können, weshalb dieses Geschäft keinesfalls bewilligt werden könnte.

    a) Gemäss Art. 218 Abs. 1 OR dürfen landwirtschaftliche Grundstücke
während einer Frist von 10 Jahren, vom Eigentumserwerb an gerechnet, weder
als Ganzes noch in Stücken veräussert werden. Nach Art. 218bis OR kann die
vom Kanton der gelegenen Sache als zuständig erklärte Behörde aus wichtigen
Gründen wie der Verhinderung einer Zwangsverwertung eine Veräusserung vor
Ablauf der Sperrfrist gestatten. Art. 218ter OR bestimmt, dass Geschäfte,
die diesen Vorschriften zuwiderlaufen oder deren Umgehung bezwecken,
nichtig sind und kein Recht auf Eintragung in das Grundbuch geben.

    Es wird auch von der Klägerin nicht bestritten, dass die Gegenstand
des Kaufsrechts bildenden Grundstücke von Art. 218 ff. OR erfasst
werden. Unbestritten ist sodann, dass die Klägerin die Ausübung des
Kaufsrechts vor Ablauf der Sperrfrist erklärt hat. Schliesslich ist dem
angefochtenen Urteil zu entnehmen, dass es bis heute an der erforderlichen
Ausnahmebewilligung fehlt. Ob diese Annahmen für sämtliche Parzellen
zutreffen, kann offenbleiben, lässt doch Ziffer VI des Kaufrechtsvertrags
nur eine alle darin aufgezählten Grundstücke erfassende Ausübung des
Kaufsrechts zu.

    b) Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung unterliegen alle Arten
der Veräusserung von landwirtschaftlichen Grundstücken der Sperrfrist (BGE
109 Ib 92 E. 1). Neben dem Verkauf fällt darunter auch das Kaufsrecht,
wenn es innerhalb der Sperrfrist eingeräumt und ausgeübt wird (BGE 95 II
432 f. E. 3c, 94 II 110 E. 2b, 93 I 606 E. 8, 92 I 337 E. 3; vgl. dazu auch
CAVIN, Schweizerisches Privatrecht, Band VII/1, S. 142 Fussnote 4). In BGE
93 I 606 E. 8 wird das damit begründet, dass mit dem Kaufrechtsvertrag
die Befugnis zur Verfügung über das Grundstück auf den Vertragspartner
übertragen worden sei. Ein während der Sperrfrist eingeräumtes Kaufsrecht
wird deshalb nur insoweit als zulässig erachtet, als die Frist zur Ausübung
über das Ende der Sperrfrist hinausreicht (BGE 94 II 112 f.). Fallen
Kaufrechtsverträge in die gesetzliche Sperrfrist, so sind sie nichtig
und geben solange kein Recht auf Eintragung in das Grundbuch, bis neben
dem öffentlich beurkundeten Vertrag als Zulässigkeitsvoraussetzung für
die Anmeldung beim Grundbuchamt eine amtliche Bescheinigung über die
behördliche Bewilligung beigelegt werden kann (BGE 84 II 195).

    Da vorliegend sowohl der Abschluss des Kaufrechtsvertrags als auch
die Ausübungserklärung innerhalb der Sperrfrist erfolgt sind, ohne dass
eine Ausnahmebewilligung vorgelegen hat, ist am 13. Februar 1984 kein
gültiges Kaufsrecht begründet worden. Damit steht unabhängig von den
Formerfordernissen einer Abtretung fest, dass P. kein Kaufsrecht auf die
Klägerin übertragen konnte. Ob in dieser Abtretung ein weiteres, Art. 218
ff. OR unterliegendes und damit wegen der fehlenden Ausnahmebewilligung
ebenfalls nichtiges Veräusserungsgeschäft zu erblicken ist, braucht nicht
geprüft zu werden, wäre im übrigen jedoch anzunehmen, weil sonst dem mit
der Sperrfrist verfolgten öffentlichen Interesse an der Vermeidung von
die Bodenpreise in die Höhe treibenden Spekulationsgeschäften (BGE 110 II
211 E. 3 mit Hinweisen auch auf die Literatur, 94 II 110 E. 2b) auf dem
Umweg über den gewinnbringenden Verkauf von Kaufsrechten zuwidergehandelt
werden könnte.

    c) Die Auffassung des Obergerichts, die Ausnahmebewilligung hätte
vor der Ausübungserklärung gar nicht eingeholt werden können, weil bis
dahin die Ausübung des Kaufsrechts nicht festgestanden habe, überzeugt
nicht. Diese Auffassung würde dazu führen, dass entgegen der klaren
Vorschrift von Art. 218ter OR Kaufsrechte im Grundbuch vorzumerken
wären, bei denen die Erteilung der Ausnahmebewilligung noch nicht
feststünde. Das Kaufsrecht könnte dann während längerer Zeit im Grundbuch
vorgemerkt sein, obgleich die Ausnahmebewilligung anlässlich der Ausübung
des Kaufsrechts möglicherweise verweigert wird. Dieser Unsicherheit
lässt sich nur dadurch begegnen, dass die Gültigkeit des Geschäfts
und dessen Eintragung oder Vormerkung im Grundbuch vom tatsächlichen
Vorliegen einer Ausnahmebewilligung und nicht der blossen Möglichkeit
der Erteilung einer solchen abhängig gemacht wird. Nur so lässt sich
auch die von der Rechtsprechung zur Verhinderung von Umgehungsgeschäften
vorgenommene Gleichstellung der Einräumung eines Kaufsrechts mit dem
eigentlichen Verkauf verwirklichen. Auf den Umstand, dass der Beklagte
die Ausnahmebewilligung wahrscheinlich erhalten hätte, kann es deshalb
nicht ankommen. Dasselbe gilt für die Wahrscheinlichkeit, mit der für die
Abtretung des Kaufsrechts an die Klägerin eine Ausnahmebewilligung erteilt
worden wäre. Abgesehen davon ist für dieses zweite Geschäft ein wichtiger
Grund, insbesondere jener der Verhinderung einer Zwangsverwertung, nicht
ersichtlich. Überdies hätte die zuständige Behörde dann innert kurzer
Zeit eine zweite Ausnahmebewilligung zu erteilen, was ohne zwingende
Gründe mit dem Zweck der Sperrfrist kaum zu vereinbaren wäre.

    d) Auch das Verbot des Rechtsmissbrauchs gestattet es nicht,
die Berufung des Beklagten auf die fehlende Ausnahmebewilligung zu
übergehen. Ziffer XVIII des Kaufrechtsvertrags, die den Beklagten zur
Einholung der Bewilligung verpflichtet, hätte P. nicht daran gehindert,
selbst das Bewilligungsverfahren einzuleiten oder auf Erfüllung der
Vertragspflichten durch den Beklagten zu klagen. Überdies wäre es Sache
der Klägerin gewesen, sich anlässlich des Vertragsschlusses mit P. über
die Gültigkeit des Kaufsrechts zu vergewissern. Schliesslich hätte es
der Behörde selbst dann freistehen müssen, die Ausnahmebewilligung im
öffentlichen Interesse zu verweigern, wenn das Verhalten des Beklagten
als rechtsmissbräuchlich erschienen wäre.