Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 113 II 535



113 II 535

92. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 30. November 1987 i.S.
Toggenburger AG gegen Staat Zürich (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) Regeste

    Einspruch gegen den Verkauf landwirtschaftlicher Liegenschaften
(Art. 19 Abs. 1 EGG).

    Kauft ein Kiesausbeutungsunternehmen ein ausserhalb des richtplanerisch
festgelegten Abbaugebiets gelegenes Grundstück in der Hoffnung, dieses
werde mittel- oder längerfristig in das Kiesabbaugebiet einbezogen werden,
und ein weiteres Grundstück in der Absicht, es zu einem noch unbestimmten
Zeitpunkt gegen kieshaltiges Land zu tauschen, so liegt in beiden Fällen
ein Erwerb zum Zwecke der Spekulation im Sinne von Art. 19 Abs. 1 lit. a
EGG vor (Erw. 3 und 4); die betriebswirtschaftliche Bedeutung eines
solchen Grundstückkaufs für das Unternehmen ist unerheblich (Erw. 2).

Sachverhalt

    A.- Das Kies- und Transportunternehmen Toggenburger AG in Winterthur
hat mit öffentlich beurkundetem Vertrag vom 23. Oktober 1986 von den Erben
des Theodor und der Luise Wilhelmine Frei-Steng die beiden in der Gemeinde
Glattfelden gelegenen Grundstücke Kat. Nr. 5780 (95,92 Aren Acker und
Wiese im Neuwingert) und Kat. Nr. 5943 (54,99 Aren Acker und Wiese im
Gstüd) zum Preis von Fr. 143'880.-- bzw. Fr. 231'120.-- gekauft. Beide
Parzellen befinden sich in der kantonalen Landwirtschaftszone und werden
landwirtschaftlich genutzt.

    Am 31. Oktober 1986 erhob das Landwirtschaftsamt des Kantons
Zürich gestützt auf Art. 19 Abs. 1 lit. a EGG Einspruch gegen dieses
Rechtsgeschäft. Die Vertragsparteien widersetzten sich diesem Einspruch.

    In Gutheissung der Klage des Landwirtschaftsamtes bestätigte das
Landwirtschaftsgericht des Kantons Zürich am 16. April 1987 den Einspruch
gegen den Verkauf der beiden Grundstücke.

    Gegen diesen Entscheid hat die Toggenburger AG
Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht erhoben mit dem Antrag,
jener sei aufzuheben und der Einspruch des Staates Zürich sei abzuweisen.

    Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- Gemäss dem vom Staat Zürich angerufenen Art. 19 Abs. 1 lit. a
EGG kann gegen Kaufverträge über landwirtschaftliche Heimwesen
und landwirtschaftliche Liegenschaften Einspruch erhoben werden,
wenn der Käufer diese offensichtlich zum Zweck der Spekulation oder
des Güteraufkaufs erwirbt. Was unter offensichtlicher Spekulation zu
verstehen ist, beurteilt sich nach Sinn und Zweck des landwirtschaftlichen
Bodenrechts (vgl. BGE 90 I 271), wobei die gesamten Umstände des einzelnen
Falles zu berücksichtigen sind. Das EGG will unter anderem den bäuerlichen
Grundbesitz als Träger eines gesunden und leistungsfähigen Bauernstandes
schützen und die Bodennutzung fördern (vgl. Art. 1). Ein Mittel, dieses
Ziel zu erreichen, ist, zu verhindern, dass landwirtschaftlich genutzter
Boden (in der Regel unter Bezahlung eines entsprechend höheren Preises) zu
anderen als landwirtschaftlichen Zwecken erworben wird. In der Gesetzgebung
hat dieses Bestreben nicht nur in der Möglichkeit des Einspruchs gegen
Kaufverträge betreffend landwirtschaftliche Liegenschaften im Sinne von
Art. 19 EGG, sondern etwa auch in der Beschränkung der Vertragsfreiheit
gemäss Art. 218 Abs. 1 OR (Sperrfrist) seinen Niederschlag gefunden.

    Im Gegensatz zu den beiden andern Einspruchstatbeständen
von Art. 19 Abs. 1 EGG (lit. b und c) gilt der Einspruchsgrund der
Spekulation beziehungsweise des Güteraufkaufs gemäss lit. a in dem Sinne
uneingeschränkt, als keine Rechtfertigungsgründe vorbehalten sind.
Die Interessen der Beschwerdeführerin (und erst recht diejenigen
ihrer Gewerbebranche im allgemeinen) sind demnach von vornherein
unerheblich. Dass der in Frage stehende Grundstückkauf für die
Weiterführung des Betriebs der Beschwerdeführerin von existenzieller
Bedeutung sei, spielt bei der Beurteilung des Einspruchs mit anderen
Worten keine Rolle. Aufgrund der gesetzlichen Regelung hatte das
Landwirtschaftsgericht nicht etwa eine Abwägung vorzunehmen zwischen
dem (öffentlichen) Interesse an der Verhinderung von Spekulation mit
Landwirtschaftsland und dem an sich durchaus legitimen (und - soweit etwa
die Arbeitsplatzerhaltung in Frage steht - ebenfalls die Öffentlichkeit
berührenden) Interesse am Erwerb von möglichem Kiesausbeutungsland.

Erwägung 3

    3.- Spekulation im Sinne der Landwirtschaftsgesetzgebung liegt nach
der Rechtsprechung des Bundesgerichts vor, wenn mit dem Erwerb eines
Grundstücks ein Gewinn durch Weiterveräusserung innert kurzer Zeit oder
durch andere Verwendung des bisher landwirtschaftlich genutzten Bodens,
insbesondere durch Erstellen von Miethäusern und Vermietung von Wohnungen,
angestrebt wird (vgl. BGE 110 II 217 E. 5a mit Hinweisen). Dieser
Tatbestand ist hier erfüllt:

    a) Das Grundstück Kat. Nr. 5943 will die Beschwerdeführerin zum Zweck
der Kiesgewinnung erwerben. Sie stellt selbst nicht in Abrede, dass es
sich ausserhalb des richtplanerisch festgelegten Abbaugebiets befindet
und an dieses lediglich angrenzt. Indessen hofft sie, früher oder später
eine Bewilligung zum Kiesabbau zu erhalten, und sie ist denn auch bereit,
einen Preis zu zahlen, der für Agrarland stark übersetzt ist. In BGE 87
I 239 war das Vorliegen einer Spekulation im Sinne von Art. 19 Abs. 1
lit. a EGG bejaht worden in einem Fall, da eine Käuferin den bedeutenden
Teil eines landwirtschaftlichen Heimwesens der bisherigen Zweckbestimmung
zu entfremden und zu überbauen gedachte. Im Vergleich zu jenem Sachverhalt
ist eine Spekulation hier um so eher zu bejahen, als dort einer sofortigen
Überbauung an sich nichts entgegenstand, wogegen die Beschwerdeführerin
einstweilen erst die Hoffnung hat, das fragliche Grundstück werde mittel-
oder längerfristig in das Kiesabbaugebiet einbezogen werden.

    b) Was das Grundstück Kat. Nr. 5780 betrifft, so geht es der
Beschwerdeführerin darum, die Parzelle zu einem noch unbestimmten Zeitpunkt
gegen kieshaltigen Boden tauschen zu können. Gewiss ist die Schaffung
von Landreserven im Hinblick auf künftige Tauschgeschäfte nicht ohne
weiteres als spekulativer Erwerb im Sinne von Art. 19 Abs. 1 lit. a EGG zu
qualifizieren (vgl. BGE 90 I 269), und es ist in der Tat zu untersuchen,
was mit dem erworbenen Land letztlich erreicht werden soll. Bereits in
BGE 88 I 334 E. 2 hielt das Bundesgericht indessen den Tatbestand
der Spekulation für erfüllt in einem Fall, da ein Bauunternehmen
landwirtschaftlichen Boden erwarb in der Absicht, ihn in der Folge
gegen Bauland zu tauschen. Dem Sinne nach liegen die Verhältnisse
hier gleich: Die Beschwerdeführerin rechnet damit, das Grundstück
Kat. Nr. 5780 als Realersatz anbieten zu können und damit ihre Stellung
in künftigen Verhandlungen über den Erwerb von - für sie wertvollerem -
kieshaltigem Boden zu verstärken. Das strittige Rechtsgeschäft erscheint
auch hinsichtlich dieses Grundstücks als spekulativ.

Erwägung 4

    4.- Was die Beschwerdeführerin einwendet, stösst ins Leere.  Aus dem
oben Gesagten ergibt sich, dass hier nicht eine blosse Kapitalanlage
in Frage steht (hiezu BGE 83 I 313 ff.). Unbehelflich sind sodann auch
der Hinweis auf BGE 90 I 264 ff. und das damit verbundene Vorbringen,
Spekulation sei im allgemeinen nicht gegeben, wenn der Erwerber
die Liegenschaft unmittelbar zu einem bestimmten Zweck benötige. Der
Beschwerdeführerin ist entgegenzuhalten, dass sich aus der Sicht des Zwecks
der Handänderung der vorliegende Fall mit jenem Sachverhalt (Kauf von Land
durch eine Gemeinde im Hinblick auf die Erfüllung öffentlicher Aufgaben)
in keiner Weise vergleichen lässt, abgesehen davon, dass ungewiss ist, ob
sie das Grundstück Kat. Nr. 5943 auf die von ihr beabsichtigte Weise wird
nutzen können. Was den in BGE 92 I 317 ff. beurteilten Kauf betrifft, so
war die landwirtschaftliche Liegenschaft wohl von einem Chemie-Unternehmen
erworben worden, jedoch mit dem Ziel, sie - verbunden mit Versuchen -
weiterhin landwirtschaftlich zu nutzen. Die zu beurteilenden Verhältnisse
lassen sich auch nicht mit dem Sachverhalt vergleichen, der BGE 92 I
415 ff. zugrunde gelegen hatte; anders als hier stand in jenem Fall der
beabsichtigten Nutzungsänderung (Bau einer Lager- und Montagehalle zum
eigenen Gebrauch) von Anfang an nichts entgegen.

    Unbehelflich sind die Vorbringen der Beschwerdeführerin schliesslich
auch insofern, als damit eine Verletzung der Eigentumsgarantie (Art. 22ter
BV) geltend gemacht wird. Der Entscheid des Landwirtschaftsgerichts
beruht auf der Anwendung der Bestimmung eines Bundesgesetzes, und wie
die Beschwerdeführerin selbst festhält, kann gemäss Art. 113 Abs. 3 BV
ein solches vom Bundesgericht nicht auf seine Verfassungsmässigkeit hin
überprüft werden.

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