Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 113 II 442



113 II 442

78. Urteil der II. Zivilabteilung vom 24. August 1987 i.S. X. und Y.
(Verwaltungsgerichtsbeschwerde) Regeste

    Einspruch gegen den Verkauf einer landwirtschaftlichen Liegenschaft
(Art. 19 Abs. 1 lit. c EGG).

    1. Dass das in Frage stehende Grundstück nicht mehr landwirtschaftlich,
sondern forstwirtschaftlich genutzt wurde, schliesst die Anwendbarkeit
des EGG ebensowenig aus wie der Umstand, dass das Heimwesen, zu dem das
Grundstück gehört, seit einiger Zeit nicht mehr als Einheit bewirtschaftet
wurde und für eine rationelle Bewirtschaftung nicht unbedeutende
Investitionen erforderlich wären (Erw. 2 und 3).

    2. Ein wichtiger Grund, der im Sinne von Art. 19 Abs. 1 lit. c EGG die
Aufhebung des landwirtschaftlichen Heimwesens zu rechtfertigen vermöchte,
ist zu verneinen, wenn das öffentliche Interesse an der Erhaltung des
Heimwesens in seiner bisherigen Form zwar nur gering ist, vom Interesse
der am strittigen Verkauf Beteiligten jedoch nicht überwogen wird (Erw. 4).

Sachverhalt

    A.- Am 18. September 1975 kaufte die als Sekretärin tätige B.
Y. von ihrem Vater ein in N. gelegenes landwirtschaftliches Heimwesen
im Halte von 782,10 Aren. Das Heimwesen setzt sich aus drei Parzellen
zusammen, die nicht mehr als Einheit bewirtschaftet werden und
verpachtet sind. Seit Jahren ist A. X., der eine Forst-Baumschule
betreibt, Pächter einer der Parzellen (im Halte von 273,12 Aren). Als
B. Y. ihm dieses Grundstück verkaufen wollte, erhob das kantonale
Landwirtschafts-Departement durch Verfügung vom 25. März 1986 Einspruch
im Sinne von Art. 19 Abs. 1 lit. c EGG. B. Y. wandte sich hierauf an die
kantonale Bodenrechtskommission, die am 4. Juni 1986 erkannte, dass der
Einspruch des Landwirtschafts-Departements abgewiesen werde.

    Diesen Entscheid zog das Landwirtschafts-Departement an das kantonale
Verwaltungsgericht weiter, das mit Urteil vom 12. Dezember 1986 den
Einspruch gegen den Kaufvertrag als gerechtfertigt bezeichnete.

    Gegen den verwaltungsgerichtlichen Entscheid haben A. X. und B. Y.
Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht erhoben mit dem Antrag,
jener sei aufzuheben.

    Das Landwirtschafts-Departement und das Verwaltungsgericht schliessen
auf Abweisung der Beschwerde. Die kantonale Bodenrechtskommission und
das Eidg. Justiz- und Polizeidepartement beantragen deren Gutheissung.

Auszug aus den Erwägungen:

             Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Nach Auffassung des Verwaltungsgerichts würde das
landwirtschaftliche Gewerbe der Beschwerdeführerin Nr. 2 durch den
beabsichtigten Verkauf der Parzelle ... seine Existenzfähigkeit
verlieren. Zwar sei davon auszugehen, dass die Gesamtfläche von 7,82
Hektaren einer Bauernfamilie nicht das volle Auskommen zu garantieren
vermöge; indessen lasse sich durch Nebenerwerb oder durch Zupacht
landwirtschaftlichen Bodens die erforderliche Einkommensergänzung leicht
verwirklichen. Die kantonale Beschwerdeinstanz führt im übrigen aus,
dass die Ökonomiegebäude für eine rationelle Bewirtschaftung zwar nicht
sonderlich geeignet seien, doch seien sie gut unterhalten worden und mit
zumutbarem Aufwand zu verbessern. Sie gelangt in Würdigung der gesamten
Umstände und unter Hinweis auf die bundesgerichtliche Rechtsprechung
zum Schluss, dass das in Frage stehende landwirtschaftliche Heimwesen im
Sinne von Art. 19 EGG schutzwürdig sei.

    Das Vorliegen eines wichtigen Grundes, der im Sinne von Art. 19
Abs. 1 lit. c EGG die Aufhebung des landwirtschaftlichen Gewerbes in
der bisherigen Form rechtfertigen würde, hat das Verwaltungsgericht
verneint. Einerseits hielt es fest, dass der Baumschul-Betrieb des
Beschwerdeführers Nr. 1, der bestenfalls als forstwirtschaftlich
bezeichnet werden könne, nicht der Landwirtschaft gleichzusetzen sei. Was
andererseits die persönlichen Interessen der Beschwerdeführer als Käufer
bzw. Verkäuferin betreffe, die dem öffentlichen Interesse an der Erhaltung
des bäuerlichen Grundbesitzes gegenüberzustellen seien, so sei auf seiten
der Verkäuferin (Beschwerdeführerin Nr. 2) kein zwingender Grund zu
einem blossen Teilverkauf auszumachen. Ebensowenig sind nach Ansicht des
Verwaltungsgerichts schliesslich auf seiten des Käufers (Beschwerdeführer
Nr. 1) Umstände gegeben, die das öffentliche Interesse an der Erhaltung
des strittigen Kleingewerbes, das melioriert worden sei und heute über
zusammenhängenden und fruchtbaren Boden verfüge, überwiegen würden.

Erwägung 2

    2.- Die Beschwerdeführer sind vorab der Ansicht, die Bestimmungen
des EGG seien auf den in Frage stehenden Verkauf gar nicht anwendbar, da
die Parzelle ... seit zehn Jahren nicht mehr landwirtschaftlich, sondern
forstwirtschaftlich genutzt werde. Damit übersehen sie indessen, dass es
- wie auch das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement zutreffend
hervorhebt - nicht allein auf die tatsächliche Nutzung, sondern in
erster Linie auf die landwirtschaftliche Eignung des Grundstücks ankommt,
das verkauft und aus einem landwirtschaftlichen Heimwesen herausgelöst
werden soll. Der vom EGG verfolgte Schutzzweck, wonach auch im Falle
eines kleinen Heimwesens der bäuerliche Grundbesitz einem gesunden und
leistungsfähigen Bauernstand erhalten bleiben soll, könnte sonst leicht
vereitelt werden. Der Eigentümer eines landwirtschaftlichen Gewerbes im
Sinne von Art. 19 Abs. 1 lit. c EGG soll nach der unzweifelhaften Absicht
des Gesetzgebers nicht durch beliebige Vorkehren den Anwendungsbereich
der landwirtschaftlichen Schutzgesetzgebung selber bestimmen können. In
konstanter Rechtsprechung hat das Bundesgericht das landwirtschaftliche
Heimwesen im Sinne des EGG als aus Land und Gebäulichkeiten bestehende
Einheit umschrieben, die geeignet ist, einem Bauern (Eigentümer oder
Pächter) und seiner Familie als Lebenszentrum und Grundlage für den Betrieb
eines landwirtschaftlichen Gewerbes zu dienen (vgl. BGE 97 I 556 E. 2a
mit Hinweisen). Die tatsächliche Art der Nutzung des zu verkaufenden
Grundstücks kann freilich im Zusammenhang mit der Interessenabwägung
bezüglich wichtiger Gründe im Sinne von Art. 19 Abs. 1 lit. c EGG von
Bedeutung sein (vgl. BGE 97 I 559 E. 3c).

Erwägung 3

    3.- a) Nach Auffassung der Beschwerdeführer stehen die Bestimmungen
des EGG der beabsichtigten Handänderung sodann auch deshalb nicht entgegen,
weil das in Frage stehende Heimwesen seine Existenzfähigkeit bereits früher
endgültig verloren habe. Es wird zwar eingeräumt, dass nach der in BGE
110 II 307 bestätigten Rechtsprechung von einer hinreichenden Existenz
im Sinne von Art. 19 Abs. 1 lit. c EGG auch dort gesprochen werden könne,
wo das fragliche Heimwesen für sich allein einer Bauernfamilie schon vor
dem Verkauf einer Parzelle kein volles Auskommen zu sichern vermöge,
vorausgesetzt, dass eine ausserbetriebliche Aufstockungsmöglichkeit
vorhanden sei. Die Beschwerdeführer halten indessen dafür, dass eine
solche Möglichkeit hier zu verneinen sei; einerseits würden die drei
zum Heimwesen gehörenden Parzellen seit 1974 einzeln, und nicht als
Einheit, bewirtschaftet und sei eine neuerliche Zusammenführung zu einer
Betriebseinheit durch einen Pächter oder Käufer unmöglich; zudem müssten
im Ökonomiebereich grosse Investitionen getätigt werden, die ungeachtet
staatlicher Hilfe zu einer Überschuldung führen müssten; eine Zupacht
zur Abrundung der Existenzgrundlage sei schliesslich ausgeschlossen.

    b) Weder der Umstand, dass das landwirtschaftliche Heimwesen seit
einiger Zeit nicht mehr als Einheit genutzt wird, noch die für eine
rationellere Bewirtschaftung erforderlichen Investitionen schliessen
die Anwendbarkeit des EGG auf das landwirtschaftliche Heimwesen der
Beschwerdeführerin Nr. 2 aus. Der Aufwand für die vom Verwaltungsgericht
erwähnten baulichen Erweiterungen und anderen Massnahmen (Errichtung einer
zusätzlichen Scheune und allenfalls eines weiteren Stalles; Anschaffung
eines Förderbandes oder Gebläses als Hilfsmittel für die Einlagerung des
Futters) wäre zwar nicht unbedeutend, und es müssten für die entsprechende
Verzinsung und Amortisation zusätzliche Mittel beschafft werden. Sollten
die Einkünfte aus der Bewirtschaftung des Heimwesens hiefür nicht mehr
ausreichen und durch eine Nebenbeschäftigung ergänzt werden müssen,
würde dies indessen nicht bedeuten, dass dem Heimwesen der Schutz nach
EGG zu versagen wäre. Art. 19 EGG bezweckt vielmehr auch die Erhaltung
landwirtschaftlicher Kleinbetriebe, die im Nebenberuf bewirtschaftet
werden können (vgl. BGE 110 II 306 f.; 88 I 328 E. 2). Daraus kann
jedoch umgekehrt nicht abgeleitet werden, der von den Beschwerdeführern
beabsichtigten Handänderung stehe nichts entgegen. Das Vorbringen der
Beschwerdeführer, das Heimwesen der Beschwerdeführerin Nr. 2 sei auch
nach einem Verkauf der Parzelle ... noch existenzfähig (was übrigens
in Widerspruch steht zu ihrem Einwand, Art. 19 EGG sei wegen fehlender
Existenzfähigkeit des Heimwesens gar nicht anwendbar), ist unbehelflich. Es
würde dem Sinne des Gesetzes zuwiderlaufen, einen aufstockungsbedürftigen
Kleinbetrieb zu einem Zwergbetrieb werden zu lassen. Die Abtretung eines
Teils des zu einem landwirtschaftlichen Heimwesen gehörenden Landes kann
nur in Betracht fallen, wenn es sich um einen sehr grossen Betrieb handelt
und dieser auch nach der fraglichen Handänderung noch eine ausreichende
Existenzgrundlage für eine Bauernfamilie zu bieten vermag. Davon kann
hier nicht die Rede sein.

Erwägung 4

    4.- Zu prüfen bleibt nach dem Gesagten, ob wichtige Gründe im Sinne
von Art. 19 Abs. 1 lit. c EGG die Aufhebung des landwirtschaftlichen
Gewerbes der Beschwerdeführerin Nr. 2 zu rechtfertigen vermögen. Dabei
sind das öffentliche Interesse an der Erhaltung des Heimwesens in seiner
heutigen Form einerseits und die Interessen der Beschwerdeführer an der
beabsichtigten Handänderung andererseits gegeneinander abzuwägen.

    Es ist einzuräumen, dass das öffentliche Interesse am Weiterbestehen
des in Frage stehenden Gewerbes gering ist. Dem Bestreben, möglichst
viele Bauernbetriebe zu erhalten (vorausgesetzt freilich, dass sie einer
Familie eine auskömmliche Existenz bieten; vgl. BGE 88 I 328 E. 2), steht
hier das (ebenfalls öffentliche) Interesse an möglichst leistungsfähigen
Betrieben entgegen (vgl. BGE 94 I 180; 93 I 687). Ein öffentliches
Interesse an der Aufhebung eines landwirtschaftlichen Gewerbes besteht
dagegen nie. Die Aussichten, dass das hier in Frage stehende Gewerbe,
dessen Land gegenwärtig durch verschiedene Pächter bewirtschaftet wird,
wieder als Einheit genutzt werden könnte, sind gering: Nicht nur wären
beträchtliche Investitionen für Bauten und Einrichtungen notwendig, sondern
es müssten auch die verschiedenen Pachtverhältnisse aufgelöst werden.

    Die vorliegenden Verhältnisse weisen nach dem Gesagten in der Tat eine
gewisse Ähnlichkeit zum Sachverhalt auf, der BGE 97 I 555 ff. zugrunde
gelegen hatte. Im Gegensatz zu jenem Fall sind hier auf seiten von
Verkäufer und Käufer jedoch keine Interessen ausgewiesen, die das - wenn
auch nur geringe - öffentliche Interesse an der Erhaltung des Gewerbes
zu überwiegen und dessen Aufhebung zu rechtfertigen vermöchten. Dem
angefochtenen Entscheid ist in keiner Weise zu entnehmen, inwiefern
die Beschwerdeführerin Nr. 2 auf den Verkauf der strittigen Parzelle
angewiesen sein könnte. Was den Beschwerdeführer Nr. 1 betrifft,
so ist freilich einzuräumen, dass er durch einen Kauf des von ihm
bisher als Pächter forstwirtschaftlich genutzten Grundstücks seine
rechtliche Stellung verbessern könnte. Indessen geht es hier nicht um
die Arrondierung eines benachbarten landwirtschaftlichen Gewerbes, so
dass sich der Beschwerdeführer Nr. 1 nicht auf den Gedanken der Sicherung
einer ausreichenden Landesversorgung berufen kann. Anhaltspunkte für die
Gefährdung des seit zehn Jahren bestehenden Pachtverhältnisses sind im
übrigen nicht vorhanden. Da nähere Angaben über die Art und Grösse des
Baumschul-Betriebs des Beschwerdeführers Nr. 1 fehlen, ist schliesslich
auch nicht ersichtlich, welche konkreten Auswirkungen ein allfälliger
Verlust der gepachteten Parzelle auf den erwähnten Betrieb haben könnte.