Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 113 II 359



113 II 359

63. Urteil der I. Zivilabteilung vom 29. Juni 1987 i.S. U. J. und
Mitbeteiligte gegen X. SA (Berufung) Regeste

    Haftung des Luftfrachtführers. Art. 25 des Warschauer Abkommens vom
12. Oktober 1929 (Haager Fassung).

    Die unbeschränkte Haftung des Luftfrachtführers setzt auch bei
Personenschäden den Nachweis voraus, dass er oder seine Leute sich der
Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts tatsächlich bewusst waren;
blosses Erkennenmüssen genügt nicht.

Sachverhalt

    A.- Am 26. November 1983 startete der von der X. SA gehaltene und
betriebene Jumbo Jet Boeing B-747-283-B zu einem Linienflug Paris-Bogotà
mit vorgesehener erster Landung in Madrid. Ungefähr 12 km vom angeflogenen
Flughafen Madrid-Barajas entfernt prallte das Flugzeug auf drei sich
folgenden Hügeln auf. Der dritte Aufprall und das ausbrechende Feuer
führten zur Zerstörung der Maschine. 181 der insgesamt 192 Personen an
Bord fanden den Tod, darunter R.J.

    Der Unfall ist im wesentlichen auf folgende Ursachen zurückzuführen:
Der durchgeführte Instrumentenflug mit Landeanweisungen bedingte die
Eingabe einer Checkliste. Dabei gab der Copilot die Höhe des angeflogenen
Flugplatzes richtig mit 1998 Fuss an, doch unterlief ihm bei der Angabe der
Überflugshöhe über das äussere Schwellenfunkfeuer in der Anflugschneise
ein folgenschwerer Ablesefehler, indem er statt 3282 Fuss 2382 Fuss
angab. In der Folge sank das Flugzeug im Anflug unter die vorgeschriebene
Überflugshöhe. Daraufhin setzte das Ground Proximity Warning System
(GPWS) mit der Warnung ein "Terrain, terrain, whoop, whoop, pull up". Bei
diesem System handelt es sich um einen automatisch funktionierenden
Radiohöhenmeter, der mit akustischen und optischen Signalen auf
potentiell gefährliche Flugbahnen hinweist, insbesondere auf Risiken
einer Bodenberührung. Nebst der zitierten akustischen Warnung leuchtet
zusätzlich ein rotes Signal mit der Aufschrift "GPWS" oder "Pull up" auf.
Kommandant und Copilot nahmen die Warnung wohl zur Kenntnis, beachteten
sie indessen nicht, ergriffen insbesondere keine Sofortmassnahmen.

    B.- Am 17. März 1986 klagten die Mutter und die beiden Brüder
der getöteten R.J. beim Handelsgericht des Kantons Zürich gegen die
Fluggesellschaft auf Zahlung von rund Fr. 270'000.-- Schadenersatz und
Genugtuung. Am 19. Juni 1986 schlossen die Parteien einen Vergleich über
die Beschränkung des Verfahrens auf die Frage, ob die Beklagte gemäss
Art. 25 des Warschauer Abkommens über die in dessen Art. 22 festgesetzten
Limiten hinaus hafte; für den Fall der Verneinung dieser Frage durch
das Handelsgericht sollte die Beklagte den Klägern vergleichsweise nebst
den bereits bezahlten Beträgen noch Fr. 43'400.-- bezahlen. Mit Urteil
vom 28. Oktober 1986 wies das Handelsgericht die Klage, soweit sie den
vergleichsweise anerkannten Betrag überstieg, ab, weil das von Art. 25
für eine Ausdehnung der Haftung vorausgesetzte subjektive Bewusstsein
der objektiv unbestrittenermassen fehlerhaft handelnden Piloten, ihr
Verhalten werde wahrscheinlich den eingetretenen Schaden zur Folge haben,
von den Klägern nicht bewiesen sei.

    C.- Die Kläger haben gegen das Urteil des Handelsgerichts Berufung
eingereicht und beantragen, das angefochtene Urteil aufzuheben und die
Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Die Beklagte
schliesst auf Abweisung der Berufung. Das Bundesgericht weist sie ab.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- Zutreffend gehen die Vorinstanz und die Parteien davon aus, dass
der Rechtsstreit nach den Vorschriften des Abkommens zur Vereinheitlichung
von Regeln über die Beförderung im internationalen Luftverkehr vom
12. Oktober 1929 (Warschauer Abkommen, SR 0.748.410, BS 13 653) in der
Fassung des Haager Protokolls vom 28. September 1955 (SR 0.748.410.1,
AS 1963 663, abgekürzt WA) zu entscheiden ist, dem im Zeitpunkt des
Flugzeugabsturzes sowohl Frankreich als Abflugstaat (AS 1963 676) wie
Kolumbien als Bestimmungsstaat (AS 1971 1825) beigetreten sind (Art. 1
Abs. 2 WA) und welches auch die Schweiz als möglicher Gerichtsstandsstaat
ratifiziert hat (Art. 28 WA; AS 1963 663).

    Art. 22 WA beschränkt die Haftung des Luftfrachtführers auf bestimmte
Beträge. Die Beschränkung entfällt, wenn die in Art. 25 WA umschriebenen
Voraussetzungen erfüllt sind. Diese Bestimmung lautet in der für die
Auslegung massgebenden (BGE 108 II 235 E. 4a mit Hinweis) französischen
Originalfassung (RO 1963 664):

    "Les limites de responsabilité prévues à l'article 22 ne s'appliquent
   pas s'il est prouvé que le dommage résulte d'un acte ou d'une omission
   du transporteur ou de ses préposés fait, soit avec l'intention de
   provoquer un dommage, soit témérairement et avec conscience qu'un
   dommage en résultera probablement, pour autant que, dans le cas d'un
   acte ou d'une omission de préposés, la preuve soit également apportée
   que ceux-ci ont agi dans l'exercice de leurs fonctions."

    Die Kläger machen geltend, das Handelsgericht habe das nach
Art. 25 WA haftungsbegründende Bewusstsein, dass ein Schaden mit
Wahrscheinlichkeit eintreten werde, zu Unrecht subjektiv verstanden,
anstatt es aus den Umständen zu objektivieren. Absicht werfen auch die
Kläger dem Bedienungspersonal nicht vor. Demnach ist zunächst zu prüfen,
ob die Vorinstanz die Anwendbarkeit von Art. 25 WA allein aufgrund des
von ihr für das Bundesgericht als Tatfrage verbindlich festgestellten
fehlenden Bewusstseins (BGE 95 II 40 E. 3) der Wahrscheinlichkeit
des Schadenseintritts verneinen durfte. Sollte sich diese Auslegung
als zutreffend erweisen, kann mit der Vorinstanz offenbleiben, ob die
kumulative Voraussetzung, nach der das Verhalten der Besatzung "téméraire"
sein muss, erfüllt wäre.

Erwägung 3

    3.- In seinem Anwendungsbereich ist das WA an die Stelle des
Landesrechts getreten (vgl. BGE 108 II 235 E. 4a); es enthält unmittelbar
anwendbare Sachnormen. Die Auslegung von Art. 25 WA richtet sich daher
ausschliesslich nach Staatsvertragsrecht (vgl. BGE 110 II 57 f. E. 3a). Sie
folgt im allgemeinen dem Grundsatz des Vorrangs des Vertragstextes. Der
von den beteiligten Staaten anerkannte und der Auslegung durch das
Handelsgericht jedenfalls nicht entgegenstehende Wortlaut von Art. 25
WA bildet den nächstliegenden und zugleich wichtigsten Anhaltspunkt
für den gemeinsamen wahren Verpflichtungswillen (BGE 97 I 363 E. 3 mit
Hinweisen), welcher die Vertragsinterpretation beherrscht (BGE 101 Ia
538 E. 5b). Bei der Ermittlung des Rechtssinns der Norm sind sodann
Gegenstand und Zweck des Vertrages zu berücksichtigen, die sich vorab
aus dessen Entstehungsgeschichte ergeben können; liegt der Vertragszweck
u.a. darin, eine internationale Rechtsvereinheitlichung zu bewirken, wie
dies auf Art. 25 WA ausgesprochen zutrifft (GIEMULLA/LAU/MÖLLS/SCHMID,
Kommentar zum WA, N 12 zu Art. 25), erlangen auch ausländische Urteile
und internationale Bemühungen, diese Einheit herbeizuführen, besondere
Bedeutung (vgl. dazu etwa BGE 107 II 63 E. 3).

    a) Die Entstehungsgeschichte des Art. 25 WA zeigt, dass diese
Bestimmung in ihrer ursprünglichen Fassung die erweiterte Haftung
u.a. für den Fall vorsah, dass der Luftfrachtführer oder sein Personal
den Schaden durch Fahrlässigkeit herbeigeführt hatte, die nach der lex
fori dem Vorsatz gleichstand (BS 13 S. 664). Grund für die fehlende
Rechtsvereinheitlichung war das angelsächsische Recht, das - im Gegensatz
zum kontinentaleuropäischen Recht - den Begriff der groben Fahrlässigkeit
nicht kannte, sondern ihn mit dem Vorsatz unter dem Begriff des "wilful
misconduct" zusammenfasste (vgl. BGE 93 II 347 und dortige Hinweise). Die
schweizerische Rechtsprechung ihrerseits legte den ursprünglichen Art. 25
dahingehend aus, dass die unbeschränkte Haftung des Luftfrachtführers
durch Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit begründet werde (BGE 93 II ibidem).

    Die Neuumschreibung und Vereinheitlichung der Voraussetzungen einer
unbegrenzten Haftung des Luftfrachtführers war das umstrittenste Problem
der Haager Konferenz zur Revision des Warschauer Abkommens (OTTO RIESE,
Die internationale Luftprivatrechtskonferenz im Haag zur Revision des
Warschauer Abkommens, Zeitschrift für Luftrecht 5 (1956) S. 30). Die
Meinungen, wo die Vereinheitlichung zu finden sei, gingen weit auseinander
(vgl. zur Entstehungsgeschichte RIESE, aaO; RUDOLF GERBER, Die Revision
des Warschauer Abkommens, Diss. Zürich 1957, S. 85 f. und insbesondere
RENÉ H. MANKIEWICZ, L'origine et l'interprétation de l'article 25 de la
Convention de Varsovie amendée à La Haye en 1955, Zeitschrift für Luft-
und Weltraumrecht (ZLW) 26 (1977) S. 175 ff.). Grundlage der Beratungen
bildeten die Vorschläge des "Legal Committee" von Rio de Janeiro
aus dem Jahr 1953, dessen Unterausschuss eine unbegrenzte Haftung in
Übereinstimmung mit der bisherigen kontinentaleuropäischen Praxis zu
Art. 25 auch bei grober Fahrlässigkeit vorschlug, was indessen nicht
die Zustimmung der vorberatenden Kommission fand, die darauf ihrerseits
zuhanden der Haager Konferenz einen Vorschlag verabschiedete, der die
unbegrenzte Haftung auf Fälle vorsätzlicher Handlungen in der Absicht
der Schadensstiftung und unter Ausschluss der groben Fahrlässigkeit
beschränkte (MANKIEWICZ, aaO, S. 177; GERBER, aaO, S. 57 FN 70, S. 59
FN 78 und S. 85 f.). Dieser Vorschlag fand an der Haager Konferenz die
Zustimmung namentlich der Vereinigten Staaten, Australiens, Japans und
Neuseelands, wurde aber abgelehnt durch die Delegierten der Bundesrepublik
Deutschland, Spaniens und Frankreichs, welche die unbegrenzte Haftung
nicht auf ausgesprochene Ausnahme- und rein theoretische Fälle beschränkt
wissen wollten (MANKIEWICZ, aaO, S. 178 f.). In der Folge brachte der
norwegische Delegierte den Vorschlag ein (MANKIEWICZ, aaO, S. 179), die
Schädigung müsse auf ein Verhalten zurückzuführen sein, "... accompli
soit avec intention ..., soit avec témérité et sans se soucier, qu'un
dommage va probablement en résulter ...". Die Diskussionen um den
Begriff des "sans se soucier" führten schliesslich zu demjenigen der
"conscience", zum Bewusstsein an Stelle der Sorglosigkeit, und fanden
im geltenden Vertragstext ihren Niederschlag. Erwähnenswert ist dabei
namentlich, dass der Delegierte der Niederlande gegenüber dem Vorschlag
Norwegens ausdrücklich den Vorbehalt anbrachte, dieser ermögliche es
dem Richter wiederum, auf objektive Kriterien abzustellen (MANKIEWICZ,
aaO, S. 181). Weiter wurde eine Formulierung "qu'il savait ou aurait
dû savoir" abgelehnt (MANKIEWICZ, aaO, S. 184). Ebenfalls abgelehnt
wurde zwar ein Antrag Australiens, den in der englischen Fassung
verwendeten Begriff "knowledge" auf "actual knowledge" einzuschränken,
um eine objektivierte Zurechnung des Bewusstseins in der gerichtlichen
Beurteilung auszuschliessen; begründet wurde die Ablehnung aber damit,
der Zusatz sei nicht notwendig und überdies nicht ins Französische und
Spanische übersetzbar (MANKIEWICZ, aaO, S. 184 f.).

    Die Entstehungsgeschichte des Haager Protokolls macht deutlich,
dass die Tendenz der Rechtsvereinheitlichung wesentlich auf
den anglo-amerikanischen Rechtskreis ausgerichtet war, indem die
kontinentaleuropäische Praxis, die für eine unbegrenzte Haftung des
Luftfrachtführers auch grobe Fahrlässigkeit genügen liess, bewusst
aufgegeben und als zusätzliches Erfordernis das als innere Tatsache
verstandene Bewusstsein der Schadenswahrscheinlichkeit in das Übereinkommen
aufgenommen wurde. An diesem Ergebnis vermag nichts zu ändern, dass
die bundesdeutsche Delegation im Zeitpunkt ihrer Zustimmung zum Haager
Protokoll offenbar der Auffassung war, grobe Fahrlässigkeit genüge
weiterhin, um die unbegrenzte Haftung des Luftfrachtführers zu begründen
(RIESE, aaO, S. 33), und auch der Schweizerische Bundesrat in seiner
Botschaft diese Interpretation für möglich hielt (BBl 1962 I 1409; FF 1962
I 1457). Die diesbezüglichen Äusserungen, auf die sich die Kläger berufen,
stehen in offensichtlichem Widerspruch zu den in dieser Hinsicht entgegen
der klägerischen Behauptung eindeutigen Materialien, die auch nichts für
den Standpunkt hergeben, dem in Art. 25 WA übrigens klar als kumulative
Voraussetzung formulierten Bewusstsein könne gegenüber der "témérité"
wegen der Beweisschwierigkeiten nur subsidiäre Bedeutung zukommen. Diese
Schwierigkeiten waren den Konferenzteilnehmern durchaus bewusst,
weshalb denn auch die Forderung, das Bewusstsein der Wahrscheinlichkeit
des Schadenseintritts müsse einem Indizienbeweis zugänglich sein,
unwidersprochen blieb (Nachweise bei GULDIMANN, Internationales
Lufttransportrecht, N 11 zu Art. 25 WA; GIEMULLA/LAU/MÖLLS/SCHMID, N 19
zu Art. 25 WA; MANKIEWICZ, The Liability Regime of The International
Air Carrier, S. 116 f.; vgl. zur Grundsatzfrage auch KUMMER, Berner
Kommentar, N 92 zu Art. 8 ZGB). Im übrigen bestätigt die Diskussion über
die Beweisschwierigkeiten das Ergebnis der historischen Auslegung, ist doch
das Bewusstsein der Schadenswahrscheinlichkeit als Wissenselement nur zu
beweisen, wenn es subjektiv, d.h. als innere Tatsache verstanden wird,
wogegen die objektive, d.h. abstrakte Zurechnung eines hypothetischen
Wissens als rechtliche Schlussfolgerung aus den konkreten Umständen nicht
Gegenstand der - beweismässigen - Sachverhaltsermittlung bildet, sondern
Rechtsanwendung darstellt (BGE 99 II 329; KUMMER, aaO, N 96 zu Art. 8 ZGB).

    b) Zu keinem anderen Auslegungsergebnis führt die teleologische
Methode. Das Ziel der Neufassung von Art. 25 WA lag darin, die
Voraussetzungen einer unbegrenzten Haftung des Luftfrachtführers zu
verschärfen, jedenfalls bezogen auf die kontinentaleuropäische Praxis,
welche derjenigen des anglo-amerikanischen Rechtskreises angepasst
werden sollte. Gerechtfertigt wurde die Verschärfung damit, dass das
Haager Protokoll gleichzeitig die Haftungsgrenzen des Art. 22 Abs. 1
verdoppelte (vgl. zum Grundsatz der Erschwerung der unbegrenzten Haftung
die Urteile BGE 98 II 241 mit Hinweis auf SCHLEICHER/REYMANN/ABRAHAM,
Das Recht der Luftfahrt, 3. A. 1966, Bd. II, S. 1004, sowie des deutschen
Bundesgerichtshofes vom 16. Februar 1979 in BGHZ 74 (1979) S. 168, und vom
12. Januar 1982 in NJW 1982 I S. 1218; sodann GIEMULLA/LAU/MÖLLS/SCHMID,
N 3 und 14 zu Art. 25 WA; GERBER, aaO, S. 86; GULDIMANN, aaO, N 11 Ziff. 2
zu Art. 25 WA; SESSELI, La notion de faute dans la Convention de Varsovie,
Diss. Lausanne 1961, S. 155).

    Allfällige Beweisschwierigkeiten (KUMMER, ZBJV 110 (1974) S. 87)
vermögen am teleologischen Auslegungsergebnis nichts zu ändern (GULDIMANN,
aaO, N 11 zu Art. 25 WA; GIEMULLA/LAU/MÖLLS/SCHMID, N 19 a.E. zu Art. 25
WA), zumal es nicht angeht, den Ausnahmecharakter von Art. 25 WA durch
eine extensive Auslegung zu unterlaufen.

    Dass das Bewusstsein ein tatsächliches sein muss und blosses
Erkennenmüssen nicht genügt, wird im übrigen bestätigt durch die im Haager
Protokoll neu formulierten Anforderungen an den Begriff einer willentlichen
Schädigung. Im Gegensatz zur ursprünglichen Fassung verlangt Art. 25
WA nicht lediglich Vorsatz, sondern Absicht. Damit sollte klargestellt
werden, dass sich das Bewusstsein des Schädigers nicht bloss auf sein
Verhalten, sondern auch auf den Erfolg, d.h. den Schaden richten muss
(GIEMULLA/LAU/MÖLLS/SCHMID, N 15 zu Art. 25 WA).

    c) In der Literatur herrscht die Auffassung vor, das
Bewusstseinserfordernis in Art. 25 WA sei subjektiv, als innere Tatsache
zu verstehen (vgl. aus dem jüngeren Schrifttum GULDIMANN, aaO, N 6 zu
Art. 25 WA; GIEMULLA/LAU/MÖLLS/SCHMID, N 17 zu Art. 25 WA; MANKIEWICZ,
in ZLW 26 (1977) S. 186; MANKIEWICZ, The Liability ..., S. 117).

    Soweit GIESEN (Frühstück in London ..., Zeitschrift für Vergleichende
Rechtswissenschaft 82 (1983) S. 59) der Auffassung ist, an der streng
subjektiven Auffassung könne heute nicht mehr festgehalten werden, ist ihm
de lege lata nicht zu folgen. Weder die Berufung auf Beweisschwierigkeiten
noch der Hinweis darauf, die 1955 beschlossenen Haftungsgrenzen seien
nach heutigen Massstäben nicht mehr als hoch einzuschätzen, rechtfertigen
eine von Wortlaut, Entstehungsgeschichte und Zweck abweichende Auslegung,
ebensowenig der Hinweis auf die zunehmende wirtschaftliche Tragbarkeit
unbegrenzter Ersatzleistungen. Diese Postulate lassen sich allenfalls
auf dem Wege einer Vertragsänderung, nicht aber im Verfahren der
Rechtsanwendung verwirklichen.

    d) Die Rechtsprechung hat sich ebenfalls vornehmlich zur subjektiven
Auffassung bekannt, so insbesondere in Belgien, Grossbritannien und Italien
(wo allerdings jüngstens die Haftungsgrenzen nach Art. 22 Abs. 1 WA als
verfassungswidrig erklärt wurden; vgl. KUHN, Keine Haftungslimitierung
... vor italienischen Gerichten, ZLW 35 (1986) S. 99 ff.), wogegen die
französische Praxis vorerst der objektivierten Betrachtungsweise folgte,
aber in neuester Zeit eher auch der subjektiven Auffassung zuneigt
(Nachweise bei GIEMULLA/LAU/MÖLLS/SCHMID, N 17 zu Art. 25 WA, SCHONER,
Die internationale Rechtsprechung zum WA, ZLW 29 (1980) S. 353 ff.,
MANKIEWICZ, The Liability ..., S. 115 ff. Ziff. 158).

    Die Rechtsprechung der Vereinigten Staaten ist insofern nicht
aussagekräftig, als die USA dem Warschauer Abkommen bis heute nur in
der ursprünglichen Fassung von 1929, nicht aber in derjenigen des Haager
Protokolls von 1955 beigetreten sind.

    Die Rechtsprechung in der Bundesrepublik Deutschland kann noch
nicht als gefestigt bezeichnet werden (GIEMULLA/LAU/MÖLLS/SCHMID,
SCHONER sowie MANKIEWICZ, je aaO). Abzulehnen ist jedenfalls die
vom deutschen Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom 16. Februar 1979
angetönte Auffassung, unter Umständen gestatte Art. 25 WA herabgesetzte
Anforderungen an eine Haftungsausdehnung, wenn Personen- und nicht
Sachschäden zu beurteilen seien (BGHZ 74 (1979) S. 168). Eine solche
Differenzierung findet im Staatsvertrag keine Stütze (gleicher Meinung
GIEMULLA/LAU/MÖLLS/SCHMID, N 17 zu Art. 25 WA; GIESEN, aaO). Die These
ist in der deutschen Rechtsprechung auch mit der Begründung verworfen
worden, es lasse sich durchaus die umgekehrte Prämisse vertreten, dass
der natürliche Selbsterhaltungstrieb der Besatzung bei Gefahr für Leib
und Leben die Erkenntnis der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts
eher hinausschiebe, wenn nicht verdränge (Urteil des Oberlandesgerichts
Frankfurt a.M. vom 22. Oktober 1980, ZLW 30 (1981) S. 89). Die Richtigkeit
dieses dahin verstandenen Gegenarguments, dass der Selbsterhaltungstrieb
einem bewussten Bestehenlassen einer Gefahr für Leib und Leben
entgegenstehe, führt indessen nicht zwingend zum von den Klägern daraus
gezogenen Schluss, bei Personenschäden sei die objektive Betrachtungsweise
anzuwenden, da die Annahme des Oberlandesgerichts Frankfurt auf einem
Erfahrungssatz beruht, der nicht in jedem Fall zutreffen muss.

    Schliesslich hat sich auch das Schweizerische Bundesgericht bei
Sachschäden zur subjektiven Auffassung bekannt, indem es für die
unbegrenzte Haftung des Luftfrachtführers voraussetzt, der Handelnde
müsse sich der Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts bewusst sein
(BGE 98 II 240 ff. E. 4, insb. S. 242).

Erwägung 4

    4.- An der letztgenannten Rechtsprechung ist auch bei
Personenschäden festzuhalten. Sie entspricht - wie dargelegt - Wortlaut,
Entstehungsgeschichte, Zweck und Bedeutung der Ausnahmenorm von Art. 25
WA und steht überdies in Einklang mit der herrschenden internationalen
Lehre und Rechtsprechung, entspricht mithin auch dem Bestreben nach
Rechtsvereinheitlichung unter den Vertragsstaaten.

    Da beweismässig insbesondere feststeht, dass die Piloten auch
nach Einsetzen akustischer und optischer Warnsignale des GPWS bis
wenige Sekunden vor dem Aufprall in ruhigem Ton weitergesprochen und
keine Sofortmassnahmen ergriffen haben, fehlt es am von Art. 25 WA
vorausgesetzten Bewusstsein. Die Klageabweisung durch die Vorinstanz
ist somit zu bestätigen. Den Klägern muss freilich zugestanden werden,
dass die vom Bundesgericht anzuwendende lex lata Fluggesellschaften mit
unqualifiziertem Personal begünstigen kann.