Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 113 II 190



113 II 190

36. Urteil der I. Zivilabteilung vom 5. Mai 1987 i.S. Firma X. gegen
Firma Z. (Berufung) Regeste

    Urheberrechte an Werken der angewandten Kunst. Unlauterer Wettbewerb.

    1. Internationale Streitigkeit aus Urheberrecht: Anwendbares Recht.
Aktivlegitimation des Lizenznehmers nach Art. 9 Abs. 2 URG oder nach
Vertrag? (E. I/1).

    2. Art. 1 Abs. 2 und Art. 5 URG. Möbel können als Werke der angewandten
Kunst geschützt sein, wenn über eine rein handwerkmässige oder industrielle
Arbeit hinaus eine Leistung erbracht wird, die auf einer selbständigen,
schöpferischen Tätigkeit beruht und sich als originell erweist (E. I/2a).

    3. Umstände, unter denen dies nach dem Gesamteindruck der Möbel
in mehreren Fällen zu bejahen (E. I/2b und c), in einem dagegen wegen
Zweifeln zu verneinen ist (E. II/1a).

    4. Art. 1 Abs. 1 UWG. Unlauterer Wettbewerb durch sklavische Nachahmung
von Möbelstücken, die mit einer Ausnahme sogar urheberrechtlich geschützt
sind (E. II/1b).

    5. Art. 42 Abs. 2 OR. Schätzung des Schadens aus widerrechtlichen
Möbelverkäufen (E. II/2).

Sachverhalt

    A.- Die Firma Z. ist eine Aktiengesellschaft nach italienischem
Recht mit Sitz in Meda/Milano. Sie handelt mit Möbeln, die sie in eigenen
Betrieben herstellt. In einigen Ländern hat sie Tochtergesellschaften,
in anderen lässt sie die Möbel durch Lizenznehmer herstellen und
vertreiben. In der Schweiz ist der Vertrieb ihrer Möbel Sache von
Einzelhändlern.

    Die Firma Z. will aufgrund eines Lizenzvertrages ausschliesslich zur
Herstellung und zum Vertrieb bestimmter Le Corbusier-Möbel berechtigt sein.
Diese Möbel gehen auf Modelle zurück, die aus einer neuartigen Entwicklung
in der Architektur und der Möbelkunst der 20er Jahre entstanden sind
und dem unter dem Pseudonym Le Corbusier berühmt gewordenen Architekten
Charles Edouard Jeanneret, dessen Vetter Pierre Jeanneret und Frau
Charlotte Perriand zugeschrieben werden.

    Die seit Ende 1977 bestehende Firma X. in Bern handelt als Grossistin
ebenfalls mit Möbeln. Sie beliefert insbesondere eine Einzelfirma, die
ihrer Verwaltungsratspräsidentin und Alleinaktionärin Frau W. gehört,
ferner einige Grossfirmen wie z.B. Möbel Pfister und Globus.

    B.- Im Juli 1982 klagte die Firma Z. gegen die Firma X. wegen
Verletzung von Urheberrechten, eventuell wegen unlauteren Wettbewerbs. Sie
warf der Beklagten vor, Nachahmungen von sieben Le Corbusier-Möbeln,
nämlich von einem Stuhl (LC 1), zwei Polstersesseln (LC 2 und 3), drei
Sofa-Versionen (LC 2 und 3) und von einem Liegestuhl (LC 4) anzubieten
und zu vertreiben. Die Klägerin beantragte dem Appellationshof des
Kantons Bern, der Beklagten den Handel mit solchen Möbeln bei Strafe zu
verbieten und sie zu Schadenersatz zu verurteilen, den sie im Verfahren
auf Fr. 250'000.-- bezifferte.

    Der Appellationshof holte von Prof. P. ein Gutachten ein und liess
den behaupteten Schaden durch einen Experten abklären. In seinem Urteil
vom 14. August 1986 hielt er zusammen mit dem Gutachter die streitigen
Le Corbusier-Möbel mit Ausnahme des Stuhls LC 1 für urheberrechtlich
geschützte Werke der angewandten Kunst, verbot der Beklagten unter
Androhung von Strafe, Nachahmungen dieser Möbel feilzuhalten, zu verkaufen
oder sonstwie in Verkehr zu bringen und verurteilte sie zu Fr. 70'000.--
Schadenersatz.

    C.- Gegen dieses Urteil haben beide Parteien Berufung eingelegt. Die
Klägerin beantragt, ihr Rechtsbegehren auch in bezug auf den Stuhl LC
1 zu schützen und den vom Appellationshof zugesprochenen Schadenersatz
auf Fr. 75'200.-- zu erhöhen oder die Sache insoweit an die Vorinstanz
zurückzuweisen. Die Beklagte will die Klage dagegen vollumfänglich
abgewiesen wissen.

    Jede Partei widersetzt sich ausdrücklich den Anträgen der anderen.

Auszug aus den Erwägungen:

             Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
I.

Erwägung 1

    I.1.- Die Beklagte bestreitet die Aktivlegitimation der Klägerin. Sie
macht insbesondere geltend, nach dem angefochtenen Urteil seien der
Klägerin von der "Fondation Le Corbusier" nur die ausschliessliche Lizenz
zum Herstellen und zum Vertrieb der streitigen LC-Möbelstücke erteilt,
aber keine Rechte übertragen worden; sie sei daher nicht Rechtsnachfolgerin
der Urheber. Aus dem Lizenzvertrag ergebe sich entgegen der Annahme der
Vorinstanz keine Ermächtigung zugunsten der Klägerin, einen Prozess wegen
Urheberrechtverletzungen wie ein Inhaber solcher Rechte im eigenen Namen
und im eigenen Interesse zu führen; daran ändere selbst die Erklärung
nichts, die Frau Charlotte Perriand der Klägerin für einen Prozess in
Deutschland ausgestellt habe. Die Trennung der Sachlegitimation und der
Prozessführungsbefugnis sei als Prozessstandschaft auch nach der Lehre nur
unter besonderen Voraussetzungen zulässig (TROLLER, Immaterialgüterrecht
II, 3. Aufl. S. 1017); der Lizenznehmer sei bloss im Zweifel befugt,
das geschützte Recht im Namen des Lizenzgebers gegen Verletzungen durch
Dritte zu verteidigen (BLUM/PEDRAZZINI, Das schweizerische Patentrecht
II, 2. Aufl. S. 506). Die Klägerin habe sich nicht auf eine Abtretung der
Befugnisse berufen und dafür auch keine Beweise vorgelegt, den vorliegenden
Prozess aber vollumfänglich im eigenen Namen geführt.

    a) Parteien und Vorinstanz sind im kantonalen Verfahren übereinstimmend
davon ausgegangen, dass die Streitigkeit nach schweizerischem Recht
in Verbindung mit der Berner Übereinkunft zum Schutze von Werken
der Literatur und Kunst (RBÜ) gemäss der am 26. Juni 1948 in Brüssel
revidierten Fassung (SR 0.231.13) zu beurteilen ist. Der Appellationshof
hält dazu insbesondere fest, dass nicht nur die drei Urheber der streitigen
Modelle LC 1 bis LC 4, sondern auch die Stiftung Le Corbusier als ihre
Rechtsnachfolgerin sich auf diese Rechtsgrundlagen berufen können,
weil zwei der Urheber die schweizerische Staatsbürgerschaft besassen
(Art. 4 Abs. 1 RBÜ) und Frankreich, wo die streitigen Möbel erstmals an
der Pariser Herbstausstellung 1929 gezeigt wurden, als Ursprungsland im
Sinn der Übereinkunft anzusehen ist (Art. 4 Abs. 3 RBÜ). Die Parteien
kommen darauf im Berufungsverfahren zu Recht nicht mehr zurück.

    Dass im Lizenzvertrag der Klägerin mit der Stiftung Le Corbusier, die
ihren Sitz in Paris hat, seit 1971 stets französisches Recht vorbehalten
worden ist, steht der Anwendung schweizerischen Rechts nicht entgegen; denn
es geht nicht um eine Streitigkeit unter den Vertragsparteien, sondern
um eine Auseinandersetzung einer Vertragspartei mit einer Drittfirma,
die in der Schweiz gehandelt und die Klägerin angeblich hier geschädigt
hat. Die Vorinstanz hatte nur eine materielle Voraussetzung für den
Zuspruch des Klagebegehrens, nämlich die Aktivlegitimation der Klägerin
(BGE 107 II 85 E. 2a mit Hinweisen), nach dem Lizenzvertrag zu prüfen.

    b) Gemäss Art. 9 URG ist das Recht des Urhebers übertragbar (Abs. 1);
die Übertragung eines im Urheberrecht enthaltenen Rechtes schliesst die
Übertragung anderer Teilrechte indes nicht ein, wenn nichts Gegenteiliges
vereinbart ist (Abs. 2). Als übertragen haben nach der gesetzlichen
Vermutung also nur die in der Vereinbarung genannten Befugnisse zu
gelten. Ob der Lizenznehmer im Falle einer Übertragung von blossen
Nutzungsrechten insoweit von Gesetzes wegen auch ein selbständiges
Klagerecht erlange, ist umstritten. R. MUTTENZER (Der urheberrechtliche
Lizenzvertrag, S. 16 und 31) verneint die Frage, weil das ausschliessliche
Nutzungsrecht des Lizenznehmers nur auf der vertraglichen Pflicht des
Lizenzgebers beruhe, Dritten dieselbe Benutzung nicht zu gestatten
und sich ihrer selbst zu enthalten. M. RITSCHER (Der Schutz des Design,
Diss. Zürich 1985 S. 113) geht davon aus, dass Teilrechte des umfassenden
Herrschaftsrechtes insbesondere durch Rechtsgeschäft auf Dritte übertragen
werden können, die damit praktisch eine Stellung erhielten, welche jener
des Urhebers sehr ähnlich sei; aus Art. 9 URG ergebe sich, dass es sich
dabei um eine eigentliche Übertragung und nicht nur um die Einräumung
von Nutzungsrechten handle. Er verweist in diesem Zusammenhang auch auf
Art. 381 OR.

    Im übrigen Immaterialgüterrecht ist die Frage ebenfalls umstritten.
BLUM/PEDRAZZINI (aaO S. 505/6) sind der Auffassung, dass der Lizenznehmer
von Gesetzes wegen kein eigenes Recht hat, Dritte auf Patentverletzung
zu belangen, dass er vom Lizenzgeber aber dazu beauftragt werden kann,
sich diesfalls jedoch nicht auf eigenes, sondern auf das Recht des
Auftraggebers stützt. Solche Vorbehalte machte das Bundesgericht
unter Hinweis auf die Lehre auch im Markenrecht (BGE 92 II 280 mit
Zitaten). Aus ähnlichen Überlegungen ist heute ferner nach TROLLER
(aaO S. 1016) die Aktivlegitimation des Lizenznehmers bei Verletzung von
Immaterialgüterrechten, die Gegenstand der Lizenz sind, zu verneinen. In
seinen Ausführungen zu Art. 9 URG räumt dieser Autor (S. 775/76) indes ein,
dass es sich wegen der vielfältigen Interessen und weil die Bestimmung
Teilrechte abspalten und übertragen lässt, auch anders verhalten
kann. W. OTT hält in seinen Beispielen zum Problem der unbestrittenen
Sachlegitimation ebenfalls fest (in SJZ 78/1982, S. 23/24), dass der
Lizenznehmer nach der herrschenden, aber bestrittenen Auffassung allein
von Gesetzes wegen nicht befugt ist, wegen Verletzung eines Patentes,
Musters, Modelles oder einer Marke zu klagen.

    c) Fragen kann sich im vorliegenden Fall daher bloss, ob die Klägerin
durch den Vertrag mit der Stiftung Le Corbusier ausdrücklich zu Prozessen
im eigenen Namen ermächtigt worden sei oder ob sich dies wenigstens aus dem
Sinn und Zweck einer Bestimmung ergebe (BGE 108 II 477 E. 1 und 101 II 106
E. 3). Allgemeine Grundlage ist die Vereinbarung mit der Stiftung, dass der
Klägerin das ausschliessliche Recht übertragen ist, die von Le Corbusier
und seinen beiden Mitarbeitern entworfenen Möbel weltweit herzustellen und
zu vertreiben (Ziff. I des Vertrages). Hiezu gehören u.a. die Modelle LC 1
(kleiner Stuhl mit Stahlgestell), LC 2 und LC 3 (Polstersessel und Sofas
mit Stahlgestell) und LC 4 (Liegestuhl mit Stahlrahmen). Nach Ziff. VI des
Vertrages durfte die Klägerin in der Werbung auf die Garantie der Stiftung
und ihre Ausschliesslichkeitsrechte Bezug nehmen. Es wurde ferner bestimmt,
dass die Klägerin jede Nachahmung zu verfolgen habe und die Stiftung ihr
dabei so gut wie möglich behilflich sein sollte.

    Diese Bestimmungen waren schon im Vertrag vom 1. Juni 1978 enthalten
und stehen auch im geltenden vom 21. November 1982. Sie können nur dahin
verstanden werden, dass die Klägerin nicht bloss verpflichtet wurde,
jede Rechtsverletzung zu verfolgen, wie die Beklagte glauben machen will,
sondern dass ihr damit auch alle notwendigen Befugnisse übertragen wurden,
um sich Nachahmungen durch Dritte erwehren zu können. Die Stiftung behielt
sich selber kein Klagerecht gegen Dritte vor; sie versprach vielmehr jede
mögliche Unterstützung (toute assistance en son pouvoir), was ebenfalls
nur heissen kann, dass die Klägerin ihre Rechte gegenüber Dritten in
erster Linie selber zu verteidigen habe. Als Lizenznehmerin konnte die
Klägerin somit bezüglich der ihr übertragenen Rechte in die Stellung
der Urheber treten, sich folglich insoweit auf ein eigenes Klagerecht
berufen. Dass der Lizenzvertrag sich nicht in einfachen Nutzungsrechten
ohne urheberrechtliche Abwehrbefugnisse erschöpft, erhellt ferner aus
den ausdrücklichen Bestätigungen von Frau Perriand und Frau Jeanneret,
auf deren Erklärungen die Vorinstanz ergänzend verweist.

Erwägung 2

    I.2.- Die Beklagte wirft dem Appellationshof in einer ausführlichen
"Analyse der umstrittenen Möbelstücke" ferner vor, mit dem Gutachter
zu Unrecht auf deren urheberrechtliche Schutzwürdigkeit geschlossen
zu haben. Auch sie gehe davon aus, dass der Nützlichkeitszweck
eines Gegenstandes die Schutzfähigkeit nicht ausschliesse; bei
Gebrauchsgegenständen wie Möbeln bliebe wegen der Gebundenheit an die
Nützlichkeitsfunktion jedoch wenig oder kein Platz für künstlerische
Formgebung, wenn die gestalterische Individualität, wie hier, nur in
der Kombination von Formen und Linien zur Geltung kommen könne. Der
ästhetische Eindruck genüge nicht; es sei vielmehr zu untersuchen,
welchen Einfluss die Funktion, das verwendete Material und der Stil der
modernen Sachlichkeit auf die Gestaltung ausübten und welcher freie Raum
dem Entwerfer noch verblieben sei. Die Schutzwürdigkeit der streitigen
Modelle sei zudem unabhängig davon zu beurteilen, wer ihr Urheber sei;
der Gutachter und ihm folgend die Vorinstanz hätten die urheberrechtliche
Individualität aber schon gestützt auf das Ansehen von Le Corbusier bejaht,
ohne die Elemente der Modelle zu analysieren; mit dem Bekanntheitsgrad
von Le Corbusier sei es nicht getan.

    Die Beklagte befasst sich sodann eingehend mit Einzelheiten der
streitigen Modelle, insbesondere mit deren Elementen (Traggestell
und Polster oder Kissen aus Leder), Proportionen und Flächen,
wobei sie wiederholt auf "wichtige Dokumente" verweist, "die weder
vom Gerichtsexperten noch vom Gericht gewürdigt worden" seien, im
Berufungsverfahren aber noch berücksichtigt werden könnten, weil die
Vorinstanz sie zu den Akten genommen habe. Die Übereinstimmung der
Formelelemente bei den Sofas und den Polstersesseln beruhe auf der
technischen Gestaltung des Gestells. Aus dem Bestreben Le Corbusiers,
den Möbelbau auf die absolut notwendigen Elemente zurückzuführen,
folge rechtlich, dass für die individuelle Formgebung überhaupt keine
Möglichkeit bestehe; denn der ästhetische Effekt, den die Modelle LC
2 und LC 3 hervorriefen, sei zwingend mit deren technischen Elementen
verbunden. Auch beim Liegestuhl LC 4 handle es sich um eine Lösung, bei
der alle Elemente technisch unabdingbar gegeben seien; die Liegefläche
entspreche der Körperform und die ästhetische Linie sei durch die Funktion
dringend vorgegeben.

    a) Unter den Begriff des geschützten Werkes im Sinne von Art. 1 URG
fallen konkrete Darstellungen, die nicht bloss Gemeingut enthalten,
sondern insgesamt als Ergebnis geistigen Schaffens von individuellem
Gepräge oder als Ausdruck einer neuen originellen Idee zu werten sind;
Individualität oder Originalität gelten denn auch als Wesensmerkmale
des urheberrechtlich geschützten Werkes. Am eindrücklichsten sind
diese Schutzvoraussetzungen erfüllt, wenn das Werk den Stempel der
Persönlichkeit seines Urhebers trägt, unverkennbar charakteristische Züge
aufweist und sich von Darstellungen der gleichen Werksgattung deutlich
unterscheidet. Das heisst nicht, an das Mass der geistigen Leistung,
an den Grad der Individualität oder Originalität seien stets gleich
hohe Anforderungen zu stellen. Das verlangte individuelle Gepräge hängt
vielmehr vom Spielraum des Schöpfers ab; wo ihm von vornherein der Sache
nach wenig Raum bleibt, wird der urheberrechtliche Schutz schon gewährt,
wenn bloss ein geringer Grad selbständiger Tätigkeit vorliegt (BGE 110
IV 105, 106 II 73/74, 100 II 172, 88 IV 126 und 85 II 123 E. 3, je mit
weiteren Hinweisen).

    Das eine wie das andere ist auch bei Werken der angewandten Kunst zu
beachten, die vom gesetzlichen Begriff miterfasst werden (Art. 1 Abs. 2
URG am Ende). Der Gebrauchszweck steht dem Schutz eines Gegenstandes,
der individuellen Charakter aufweist, nicht entgegen. Dies gilt gemäss
Art. 5 URG und entgegen der Kritik von KUMMER (in Festschrift Troller
S. 113 ff. und in ZBJV 117/1981 S. 156 ff.) an der Rechtsprechung des
Bundesgerichts selbst für Gebrauchsgegenstände, die als Muster oder
Modelle hinterlegt worden sind, aber die besonderen Schutzvoraussetzungen
des URG ebenfalls erfüllen. Anders verhält es sich nur, wenn die
Form des Gegenstandes durch seinen Gebrauchszweck derart bedingt oder
seine Gestaltung durch vorbekannte Formen so eingeschränkt ist, dass
für individuelle oder originelle Merkmale praktisch kein Raum bleibt.
Trifft dies zu, so liegt ein rein handwerkliches Erzeugnis, selbst wenn
es industriell hergestellt ist, und damit Gemeingut vor, das vom Schutz
des Urheberrechts auszunehmen ist. Da sich eine gewisse Zurückhaltung
rechtfertigt, ist darauf auch im Zweifel zu erkennen (BGE 105 II 299
E. 3a mit Hinweisen).

    Für Sitz- und Liegemöbel besteht, wie aus den verschiedenen
Stilrichtungen erhellt, eine Vielzahl möglicher Formen, weshalb sich nicht
sagen lässt, ihre Gestaltung sei weitgehend oder sogar ausschliesslich
durch den Zweck des Möbelstückes vorgegeben; das lässt sich im Ernst
selbst von modernen Möbeln nicht behaupten. Eine Einschränkung ergibt
sich dagegen aus den vorbestehenden Stilrichtungen, die für sich allein
ebensowenig ausreichen, wie der ästhetische Wert oder die Bedeutung
eines Werkes (BGE 106 II 73 und 75 II 360 mit Hinweisen). Dass Möbel den
Schutz des URG gleichwohl geniessen können, unterliegt keinem Zweifel,
zumal sie ständig weiterentwickelt werden; das ist grundsätzlich bereits
in BGE 68 II 55 E. 2 anerkannt worden. Auch diesfalls genügt, dass über
eine rein handwerkmässige oder industrielle Arbeit hinaus eine Leistung
erbracht wird, die auf einer selbständigen, schöpferischen Tätigkeit
beruht, sich als originell erweist und daher als künstlerisch zu werten
ist. Das leuchtet namentlich dann ein, wenn ein Möbelstück sich von
bisherigen Stilrichtungen klar abhebt und eine neue Richtung einleitet
oder wesentlich mitbestimmt.

    b) Diese Voraussetzungen sind hier nach dem, was über die neuartige
Entwicklung in der Architektur und in der Möbelkunst der 20er Jahre in
tatsächlicher Hinsicht feststeht, erfüllt. Wie die Vorinstanz zusammen
mit dem Gutachter gestützt auf massgebende Quellen festhält, gilt Le
Corbusier als einer der namhaftesten Vertreter einer neuen Stilrichtung,
die als Funktionalismus bezeichnet wird, weil sie mit der Möblierung von
Räumen höchste Funktionalität anstrebt, moderne Konstruktionstechnik in
der Anwendung neuer Bauelemente, insbesondere des gebogenen Stahlrohrs,
mit ästhetisch und sachlich befriedigenden Formen verbindet. Sachgerechte
Verbindungen von Bauteilen sind zwar auch immer zweckmässig, aber nicht
leichthin mit technisch- oder zweckbedingten Lösungen gleichzusetzen,
weshalb sich entgegen der Auffassung der Beklagten nicht sagen lässt,
die Gestaltung der streitigen Möbelstücke sei vom Gebrauchszweck der
Gegenstände beherrscht; gleiche Sitzmöglichkeiten können nicht nur
künstlerisch, sondern auch technisch auf sehr verschiedene Art gestaltet
werden. Der künstlerische Eindruck der streitigen Modelle ist zudem
nicht die notwendige oder gar die ausschliessliche Folge eines einzelnen
Bauelementes; er wird vielmehr durch die Gestaltung, Linienführung und
das Zusammenwirken aller Elemente bestimmt. Richtig ist bloss, dass die
erstmalige, aber höchst einfache Verwendung des gebogenen Stahlrohrs
dabei eine besondere Rolle spielt.

    Das ist auch zahlreichen weiteren Einwänden der Beklagten
entgegenzuhalten, die in ihrer Berufung durchwegs darauf ausgeht,
Einzelheiten der streitigen Modelle gesondert zu betrachten; das erhellt
z.B. aus ihrem Vorwurf, "die Analyse der Formen und Linien der umstrittenen
Möbel im Zusammenhang mit Funktion, Material und dem funktionalen Stil
(Streben nach absoluter Sachlichkeit)" könne nicht, wie die Vorinstanz
annehme, mit den Hinweisen ersetzt werden, dass Le Corbusier schöpferische
Leistungen erbracht habe und seine Modelle in die Fachliteratur
aufgenommen worden seien. Entscheidend ist der Eindruck, der durch die
streitigen Modelle als Ganzes erweckt wird und ihre äussere Gestaltung
charakterisiert, aber weder durch den Gebrauch noch durch die Herstellung
der Möbel zwingend vorgegeben ist. Die Beklagte hatte keinen Anlass, die
Konstruktion der Modelle, namentlich die Gestaltung der Traggestelle, aus
technischen oder funktionellen Überlegungen bis ins einzelne nachzubilden
(vgl. BGE 108 II 75/76 und 83 II 479 E. 2b). Davon kann umso weniger die
Rede sein, als gerade den von der Beklagten eingereichten Katalogen zu
entnehmen ist, dass auch sogenannte Stahlmöbel, wie die vom Gutachter
angestellten Vergleiche zeigen, eine Vielfalt von Formen aufweisen können.

    c) Daran scheitern auch die Vorbringen, mit denen die Beklagte
die urheberrechtlich relevante Individualität der einzelnen Modelle
zu bestreiten oder anzuzweifeln sucht, weil die Vorinstanz die
Schutzwürdigkeit "ohne Analyse der Elemente" bejaht habe. Soweit sie
sich dabei in tatsächlicher Hinsicht auf Dokumente beruft, die weder
vom Gutachter noch vom Appellationshof bei Vergleichen der streitigen
Möbelstücke mit anderen Modellen, Vorbildern oder Vorläufern berücksichtigt
worden sind, erweisen sich ihre Ausführungen als blosse Kritik an der
Beweiswürdigung der Vorinstanz und sind daher nicht zu hören. Das gilt
insbesondere von ihren Einwänden, die den Polstersesseln LC 2 und LC
3 zugrunde liegende Idee einer kubischen Sitzform sei längst bekannt
gewesen und die Idee des Traggestells in allen Varianten schon 1928 von
den Vertretern des funktionalen Stils allgemein verwendet worden; für das
Modell LC 3 und die Sofas fehle zudem der Beweis, dass Le Corbusier oder
seine Mitarbeiter sie geschaffen hätten. Dies war im kantonalen Verfahren
übrigens unbestritten; Gutachter und Vorinstanz liessen bloss offen,
ob Le Corbusier und seine beiden Mitarbeiter "mit letzter Sicherheit"
auch als Urheber der Sofas bezeichnet werden könnten.

    Gutachter und Vorinstanz hielten diese Frage aber zu Recht nicht
für entscheidend, weil die beiden Sofas jedenfalls als Wiedergabe oder
blosse Bearbeitung der Polstersessel im Sinne von Art. 13 Abs. 1 URG
anzusehen sind, von denen sie sich nur durch die Zahl der Sitzplätze
unterscheiden; das Grundmodell mit seinen charakteristischen Zügen ist
auch in den Sofas deutlich wiederzuerkennen und ergibt hier wie dort
den gleichen individuellen Gesamteindruck. Dass die Übereinstimmung der
Formelemente bei den Sofas und bei den Sesseln auf die (gleiche) technische
Gestaltung des Gestells zurückzuführen ist, anerkennt übrigens auch die
Beklagte. Als Bezug von Kissen und Polster werden nach der Feststellung
des Gutachters bei den nachgemachten Modellen teils auch Leder und Stoffe
anderer Farben verwendet, die den massgebenden Gesamteindruck jedoch kaum
beeinflussen. Für den Gutachter sind selbst kleine Unterschiede, z.B. in
der Art des Stahlrohrs oder bei der oberen Aufhängung des Liegeteils
am Gestell des Liegestuhls, nur bei genauerem Zusehen erkennbar. Der
individuelle Charakter, der sich aus dem Gesamteindruck ergibt, fällt
übrigens, wie der Gutachter mit Recht bemerkt, beim Liegestuhl LC 4
besonders auf. Für die Behauptung der Beklagten, dass er eine "klare
technisch funktionale Weiterentwicklung des Modells Thonet 1904" sei, ist
weder dem Gutachten noch dem angefochtenen Urteil etwas zu entnehmen, und
was den Versuch angeht, alle Elemente des Modells LC 4 als anatomisch oder
technisch unabdingbar auszugeben, ist auf bereits Gesagtes zu verweisen.

    Die Schutzwürdigkeit der streitigen Möbelstücke unbekümmert um die
persönlichen Feststellungen des Gutachters, dem die Vorinstanz nicht nur in
rechtlicher, sondern auch in tatsächlicher Hinsicht gefolgt ist, weiterhin
bestreiten zu wollen, steht der Beklagten umso weniger an, als sie ihre
Erzeugnisse ausdrücklich als Kopien der Le Corbusier-Werke bezeichnet
und dafür in ihrer Werbung während einiger Zeit sogar Abbildungen aus
den Prospekten der Klägerin verwendet hat. Das eine wie das andere kann
genau besehen nur dahin verstanden werden, dass die streitigen Modelle
von Le Corbusier selbst nach Auffassung der Beklagten den individuellen
Charakter während Jahrzehnten bewahrt haben, noch immer in moderne Räume
passen und als "modern" angesehen werden. An der zeitlosen Gültigkeit
eines Kunstwerkes kann man aber nicht nur seine Qualität, sondern seine
Individualität und damit auch seine Schutzwürdigkeit am besten ermessen.
II.

Erwägung 1

    II.1.- Die Klägerin beharrt in ihrer Berufung darauf, dass auch der
Stuhl LC 1 urheberrechtlich schützbar, in seiner Nachahmung durch die
Beklagte jedenfalls unlauterer Wettbewerb im Sinn von Art. 1 Abs. 2 lit. d
UWG zu erblicken und daher in das von ihr verlangte Verbot aufzunehmen sei.

    a) Der gerichtliche Gutachter, dessen Fachkenntnis von der Klägerin
ausdrücklich anerkannt wird, hat am 5. Dezember 1984 alle streitigen
Modelle der Klägerin und die entsprechenden Möbelstücke der Beklagten
besichtigt und dabei festgestellt, dass diese mit den zum Gegenstand des
Prozesses gemachten übereinstimmen. Gestützt auf die von ihm zitierten
Quellen hat der Gutachter sodann nach allfälligen "Vorläufern" gesucht,
welche die urheberrechtlich relevante Individualität der streitigen Modelle
in Frage stellen könnten. Bezüglich des Modells LC 1 gelangte er zum
Schluss, dass dazu Vorbilder mit einer gewissen Ähnlichkeit bestanden,
nämlich der sogenannte Wassily-Stuhl von Breuer und der Colonial Chair,
welche die von Le Corbusier geschaffene Form als nicht mehr ausreichend
originell im Sinn der Praxis erscheinen liessen.

    Der Vorinstanz ist nicht entgangen, dass der Gutachter bei diesem
Schluss gezögert hat; sie hielt seine Bedenken vielmehr aus eigener
Überzeugung für begründet, weil sie ebenfalls fand, dass es sich beim
Modell LC 1 zwar nicht um eine gewöhnliche Möbelkonstruktion handle,
ihm die unerlässiche Individualität nach ähnlichen Vorgängern aber
doch abzusprechen sei. Gewiss durfte die Vorinstanz das Gutachten in
tatsächlicher Hinsicht frei würdigen und war es nicht Sache des Gutachters,
Rechtsfragen abschliessend zu beurteilen (BGE 111 II 75 unten). Sie
hatte aber offenbar keinen Anlass, sich über die Bedenken des Gutachters
hinwegzusetzen, weshalb sie ohne Verletzung von Bundesrecht nach der in BGE
105 II 300 aufgestellten Regel im Zweifel auf ein industrielles Erzeugnis
schliessen durfte. Dass die Vorinstanz, die wie der Gutachter von der
hievor unter E. I/2a angeführten Praxis ausgegangen ist, Rechtsbegriffe
oder Schutzvoraussetzungen verkannt habe, macht die Klägerin nicht geltend;
sie will vielmehr Einzelheiten des Modells LC 1 in den Vergleichen mit
Vorgängern anders gewürdigt wissen als das gerichtliche Gutachten, verfällt
dabei aber teils in blosse Kritik an der Beweiswürdigung, teils in die
gleiche verfehlte Betrachtungsweise wie die Beklagte, weil sie ebenfalls
kleinere Unterschiede, die "schon das zweite Hinsehen" erkennen lasse,
statt den Gesamteindruck für massgebend hält. Das angefochtene Urteil
ist daher insoweit nicht zu beanstanden.

    b) Nicht beizupflichten ist der Vorinstanz dagegen in der Annahme,
dass die Nachmachung des Modells LC 1 durch die Beklagte auch vom
Wettbewerbsrecht nicht erfasst werde. Die Klägerin hat sich dazu im
kantonalen Verfahren zwar nur dürftig geäussert, und vor Bundesgericht
beruft sie sich einzig auf Art. 1 Abs. 2 lit. d UWG, weil die Beklagte
einen Stuhl vertreibe, der die Form und Ausgestaltung des Modells
LC 1 aufweise, und damit eine gegen Treu und Glauben verstossende
Verwechslungsgefahr herbeiführe. Dass nicht nur die Kopie des Modells LC
1, sondern sämtliche streitigen Modelle, die von der Beklagten vertrieben
werden, als Nachmachungen oder Nachahmungen anzusehen sind, erhellt indes
schon aus dem Gutachten und ist übrigens unbestritten, da die Beklagte
ihre Erzeugnisse ausdrücklich als Kopien der Le Corbusier-Werke bezeichnet
und während einiger Zeit sogar unter dieser Bezeichnung dafür geworben hat.

    Wie in BGE 104 II 334 gestützt auf die in Art. 1 Abs. 1 UWG enthaltene
Generalklausel ausgeführt wurde, ist die systematische Häufung raffinierter
Nachahmungen "bis an die Grenze des Unzulässigen" mit Treu und Glauben
ebensowenig zu vereinbaren, wie eine einmalige genaue Nachahmung, wenn sie
wie diese darauf angelegt ist, den guten Ruf des Konkurrenzerzeugnisses in
schmarotzerischer Weise auszubeuten. Das wurde seither für systematisches
Heranschleichen an fremde Ausstattungen wiederholt bestätigt (BGE 108
II 74/75 und 332, 105 II 302 Nr. 49). Im Grundsatzentscheid, in dem
es um BATA-Stiefel ging, wurden die gegebenen Ähnlichkeiten mit nicht
geschützten Modellen dafür zwar als ungenügend erachtet. Vorliegend
handelt es sich aber unstreitig um sklavische Nachbildungen ganzer
Serien, wobei für die Modelle LC 2 bis LC 4 sogar Widerrechtlichkeit
nach URG gegeben ist. Es ist offensichtlich, dass Nachahmer durch die
anhaltende Nachfrage nach Le Corbusier-Modellen bewogen werden, die äussere
Gestaltung der Modelle in allen Einzelheiten zu übernehmen, um von ihrem
Ruf ebenfalls profitieren zu können. Das deckt sich mit dem Vorhalt der
Beklagten, dass es der Stiftung Le Corbusier bisher nicht gelungen sei,
Plagiate zu verhindern. Unter diesen Umständen rechtfertigt es sich,
das Vorgehen der Beklagten als Verstoss gegen Art. 1 Abs. 1 und Abs. 2
lit. d UWG zu bezeichnen, und zwar auch mit Bezug auf das Modell LC 1,
für das urheberrechtlich kein Schutz besteht. Das der Beklagten auferlegte
Verbot ist daher mit der Nummer dieses Modells zu ergänzen.

Erwägung 2

    II.2.- Die Ergänzung hat auch eine Erhöhung des Schadenersatzes
zur Folge. Der Appellationshof schätzte den Gewinn, welcher der
Klägerin durch die widerrechtlichen Möbelverkäufe der Beklagten
entgangen ist, auf Fr. 38'425.--. Um das Verfahren nicht zu belasten,
hat die Klägerin sich mit dieser Schätzung abgefunden; sie ergibt im
Verhältnis des Umsatzes, der auf das Modell LC 1 entfällt, eine Erhöhung
um Fr. 5'200.--. Die Beklagte wendet dagegen an sich nichts ein; sie
hält die Schadensberechnungen vielmehr für gegenstandslos, weil die
Klägerin weder mit der urheberrechtlichen noch wettbewerbsrechtlichen
Begründung Erfolg haben könne. Ist aber davon auszugehen, dass Schätzung
und Umrechnung unbestritten sind, so ist dem Antrag der Klägerin auf
Erhöhung des Schadenersatzes um Fr. 5'200.-- zu entsprechen.

Entscheid:

              Demnach erkennt das Bundesgericht:

    1. Die Berufung der Klägerin wird gutgeheissen, soweit darauf
einzutreten ist, und das Urteil des Appellationshofes (II. Zivilkammer)
des Kantons Bern vom 14. August 1986 wird aufgehoben.

    2. Es wird der Beklagten verboten, die in ihrem Prospekt vom Januar
1982 angeführten Stühle, Polstersessel und Sofas feilzuhalten, zu verkaufen
oder sonstwie in Verkehr zu bringen...

    3. Die Beklagte wird verpflichtet, der Klägerin Fr. 75'200.--
zu bezahlen.

    4. Die Berufung der Beklagten wird abgewiesen, soweit darauf
einzutreten ist.