Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 113 II 136



113 II 136

25. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 22. Januar 1987
i.S. M. X. gegen N. X. und Mitbeteiligte (Berufung) Regeste

    Bäuerliches Erbrecht (Art. 620 Abs. 1 ZGB).

    Der Entwurf zu einem neuen Zonenplan ist durchaus geeignet, den
Entscheid über die ungeteilte Zuweisung eines landwirtschaftlichen
Gewerbes zum Ertragswert zu beeinflussen; indessen geht es nicht an,
gewisse Grundstückflächen unter dem Vorbehalt von der Integralzuweisung
auszunehmen, dass der Zonenplan tatsächlich im Sinne des Entwurfs
rechtskräftig abgeändert werde.

Sachverhalt

    A.- In dem zwischen den Parteien hängigen Erbteilungsprozess hat das
kantonale Obergericht das teils auf dem Gebiet der Gemeinde A., teils
auf demjenigen der Gemeinde B. gelegene landwirtschaftliche Heimwesen
C. dem Beklagten M. X. ungeteilt zum Ertragswert zugewiesen; es nahm
jedoch gewisse Grundstückflächen von der Zuweisung aus, verbunden mit
dem Vorbehalt, dass sie nach Inkrafttreten des neuen Zonenplanes für die
Gemeinde A. nicht in die Landwirtschaftszone umgezont sein würden.

    Das Bundesgericht heisst die Berufung und die Anschlussberufung,
die von den Parteien hiergegen erhoben wurden, teilweise gut und weist
die Sache zu neuer Beurteilung an die kantonale Instanz zurück.

Auszug aus den Erwägungen:

                     Aus den Erwägungen:

Erwägung 5

    5.- a) Die Zuweisung, die ein landwirtschaftlich genutztes Grundstück
in der Zonenordnung erfährt, stellt ein wesentliches Kriterium
zur Beurteilung seiner künftigen Verwendung dar. Der Änderung bzw.
Neufestlegung der Nutzung durch Planungsmassnahmen kommt deshalb grosses
Gewicht zu, besonders dann, wenn sie auf dem am 1. Januar 1980 in Kraft
getretenen Bundesgesetz über die Raumplanung (RPG; SR 700) beruht (vgl. BGE
111 II 327). Die Zoneneinteilungen neurechtlicher Nutzungspläne bleiben
regelmässig über viele Jahre hinweg gültig. Zwar sollen die kantonalen
Richtpläne, welche die Raumplanung in den Grundzügen festlegen und
wegweisend für die kommunale Nutzungsplanung sind, in der Regel alle
zehn Jahre gesamthaft überprüft und nötigenfalls überarbeitet werden
(Art. 9 Abs. 3 RPG). Eine Überprüfung dieser Pläne setzt indessen voraus,
dass sich die Verhältnisse erheblich geändert haben (Art. 21 Abs. 2 RPG);
ausserdem müssen gewichtige Gründe tatsächlicher oder rechtlicher Art
für eine Anpassung gegeben sein (BGE 111 II 327 mit Hinweis).

    Die planerischen Massnahmen beruhen auf prognostischen Annahmen
über die Nutzung des fraglichen Landes und tragen Gegebenheiten wie
der geographischen Lage, der Eignung für eine bestimmte Nutzung, der
bestehenden Erschliessung und den vorhandenen Infrastrukturen, aber auch
den legitimen Bedürfnissen vorab der Landwirtschaft im allgemeinen und
der einzelnen Betriebe im einzelnen sowie des Gewerbes, der Industrie
und des Wohnungswesens Rechnung. Die Nutzungsplanung orientiert sich
nicht an den Markterwartungen, sondern beeinflusst den Markt, indem sie
- den verbindlichen Richtlinien des Raumplanungsrechts folgend - Zonen
festlegt, in denen gebaut werden darf oder für die ein Bauverbot bestehen
soll. Der Nutzungsplan bestimmt, welche landwirtschaftlich genutzten
Flächen durch Eindämmung des Siedlungsgebietes im öffentlichen Interesse
geschont und welche für die Überbauung freigegeben werden sollen. Am
rechtskräftigen neuen Zonenplan orientiert sich alsdann der Markt mit der
Folge, dass für die in den Landwirtschafts- oder Schutzzonen gelegenen
Flächen der Nachfragedruck nachlässt, während er sich um so stärker
auf die eingezonte Baulandreserve auswirkt. Ausserhalb des Marktes
für reines Landwirtschaftsland bleibt die Nachfrage für ausgezonte
bzw. nicht eingezonte Flächen auf eher spekulative Bauerwartungen im
Sinne langfristiger Baulandreserven beschränkt. Was die eingezonten,
jedoch noch landwirtschaftlich genutzten Grundstücke anbelangt, darf
im allgemeinen angenommen werden, dass sie unter dem Einfluss des
erhöhten Nachfragedrucks, aber auch der sich ebenfalls am Nutzungsplan
orientierenden Erschliessung bzw. Infrastrukturanpassung innerhalb
einer 15jährigen Zeitspanne (vgl. Art. 15 RPG) für die Landwirtschaft
verlorengehen. Landwirtschaft wird auf solchen Flächen gewissermassen
nur noch auf Zusehen hin betrieben.

    Vom Raumplanungsrecht geprägte Nutzungspläne lassen sich mit den
früheren Zonenplänen mit ihren sehr oft überdimensionierten Bauzonen
hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf den Markt und die künftige Überbauung
der eingezonten Gebiete nicht vergleichen. Die frühere Einzonung einer
Liegenschaft oder eines Grundstücks in eine grosszügig bemessene Bauzone
änderte an der Nutzungsart oft nichts und spielte daher als Kriterium
für die Zukunftsprognose bei einem Zuweisungsentscheid der vorliegenden
Art nur eine untergeordnete Rolle. Anders verhält es sich, wenn bei der
neuen Zoneneinteilung die Bauzonen redimensioniert und den Bedürfnissen
der Bevölkerung sowie der Bevölkerungsentwicklung angepasst worden sind
(vgl. hierzu BGE 107 Ib 335 f. E. 2b mit Hinweisen), was zwangsläufig
zu einer Verknappung des zur Verfügung stehenden Baulandes und damit zu
einer Beschleunigung der Entwicklung mit Bezug auf die Überbauung der
eingezonten Baulandreserve der betreffenden Gemeinde führen muss. Bei
der Beurteilung der Frage, ob einem Grundstück im Sinne von Art. 620 ZGB
landwirtschaftlicher Charakter beizumessen sei, d.h. ob gesagt werden
könne, es bestehe für die absehbare Zukunft keine bestimmte Erwartung
für eine Überbauung (vgl. BGE 83 II 113 f.), bilden solche Zonenpläne
deshalb ein gewichtiges Indiz.

    b) Dass das Obergericht den Vorarbeiten zu einem neuen Zonenplan für
die Gemeinde A. Rechnung trug, statt einfach auf den noch gültigen Plan aus
dem Jahre 1973 abzustellen, ist nach dem Gesagten grundsätzlich nicht zu
beanstanden. Die Ausscheidung eines Grundstücks im Zonenplan ist indessen
für den Zuweisungsrichter nicht absolut verbindlich. Dieser hat anhand der
konkreten Gegebenheiten vielmehr für jedes einzelne Grundstück zu prüfen,
ob sich nicht allenfalls eine vom Plan abweichende Prognose aufdränge. Im
vorliegenden Fall ist zudem zu beachten, dass im Zeitpunkt der Fällung
des angefochtenen Urteils ein neurechtlicher Zonenplan noch nicht in
Kraft stand. Auch bei einem rechtskräftigen Plan kann im übrigen nicht
die Gewissheit bestehen, dass eine der Bauzone zugeschlagene Parzelle
innerhalb der nächsten 15 Jahre tatsächlich auch überbaut werden wird.

    c) Kann der Zonenplan für den Richter nicht die Bedeutung einer
verbindlichen Weisung haben, erscheint die von der Vorinstanz ins Urteil
aufgenommene Resolutivbedingung schon aus dieser Sicht als unzulässig. Mit
dieser hat das Obergericht den endgültigen Entscheid über die Zuweisung
der fraglichen Grundstückflächen den Verwaltungsinstanzen überlassen.
Vor allem aber läuft der angebrachte Vorbehalt Art. 604 Abs. 1 ZGB
zuwider, wonach jeder Miterbe das Recht hat, zu beliebiger Zeit die
Teilung der Erbschaft zu verlangen. In gewissen Fällen kann oder muss die
Teilung zwar aufgeschoben werden: Die Erben können durch die letztwillige
Verfügung des Erblassers verpflichtet werden, die Gemeinschaft für eine
bestimmte Zeit fortzuführen, oder sie haben auch die Möglichkeit, eine
entsprechende Vereinbarung zu treffen. Sodann sieht das Gesetz selbst
für gewisse Fälle den Aufschub der Teilung vor, so wenn beim Erbgang auf
ein noch nicht geborenes Kind Rücksicht zu nehmen ist (Art. 605 Abs. 1
ZGB) oder wenn der Erblasser noch unmündige Nachkommen hinterlässt
(Art. 621ter ZGB). Schliesslich kann gemäss Art. 604 Abs. 2 ZGB auf
Ansuchen eines Erben hin auch der Richter die Verschiebung der Teilung
anordnen (vgl. TUOR/PICENONI, N. 5 ff. zu Art. 604 ZGB; NEUKOMM/CZETTLER,
Das bäuerliche Erbrecht, 5. Aufl., S. 251 f.). Möglich ist allenfalls auch
die vorläufige Einstellung des eingeleiteten Teilungsverfahrens. Keine der
genannten Voraussetzungen ist indessen hier erfüllt. Das obergerichtliche
Urteil verstösst mithin insofern gegen Bundesrecht, als bezüglich der dem
Beklagten mit Vorbehalt zugewiesenen Teilflächen der Parzellen Nrn. ... die
Parteien in Missachtung ihres Teilungsanspruchs verpflichtet werden, die
Erbengemeinschaft bis zum Eintritt der Rechtskraft des neuen Zonenplans
fortzuführen.

    Die vorinstanzlichen Ausführungen im angefochtenen Entscheid erlauben
es dem Bundesgericht nicht, selbst über die Zuweisung der fraglichen
Grundstückflächen zu befinden. Das Urteil ist deshalb aufzuheben und die
Sache an das Obergericht zurückzuweisen, damit dieses unter Einbezug der
ausserhalb des Zonenplanprojektes liegenden Gesichtspunkte (zu denken
ist insbesondere an die voraussichtliche Nachfrage für die konkreten
Landflächen) seine tatsächlichen Feststellungen ergänze und alsdann neu
entscheide. Dabei wird die Vorinstanz - im Lichte der prozessrechtlichen
Vorschriften und in Ausübung des ihr zustehenden Ermessens - zu prüfen
haben, inwiefern den (zum Teil vor Bundesgericht erstmals und deshalb in
unzulässiger Weise gestellten) Beweisanträgen der Parteien stattzugeben
sei.