Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 113 III 77



113 III 77

15. Auszug aus dem Urteil der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer vom 17.
Juli 1987 i.S. A. (Rekurs) Regeste

    Berufswerkzeuge im Sinne von Art. 92 Ziff. 3 SchKG.

    Videokassetten, die in einem Videothekgeschäft vermietet werden,
bilden für die Inhaberin des Geschäfts keine unpfändbaren Berufswerkzeuge
oder ähnliche Hilfsmittel im Sinne von Art. 92 Ziff. 3 SchKG.

Sachverhalt

    A.- Auf Verlangen des Betreibungsamtes Wangen an der Aare nahm das
Betreibungsamt Balsthal am 30. Januar 1987 in den Geschäftsräumen A.
eine Requisitionspfändung vor.

    B.- Am 4. März 1987 reichte A. beim Richteramt Balsthal eine an die
Aufsichtsbehörde über das Betreibungsamt Balsthal gerichtete Beschwerde
ein. Sie beantragte u.a., die unverhältnismässig hohen Pfändungskosten
seien angemessen zu reduzieren. Zur Begründung wurde geltend gemacht,
das Ausmass der Pfändung stehe in einem krassen Missverhältnis zu den
Gläubigerforderungen und die Pfändung beschlage unpfändbare Vermögenswerte.

    Mit Entscheid vom 11. Mai 1987 hiess die Aufsichtsbehörde für
Schuldbetreibung und Konkurs des Kantons Solothurn die Beschwerde
teilweise gut, indem sie die Kosten des Betreibungsamtes Balsthal für die
Requisitionspfändung herabsetzte und dieses anwies, den zuviel erhobenen
Betrag dem Betreibungsamt Wangen an der Aare zurückzuerstatten. Im übrigen
wurde die Beschwerde abgewiesen, soweit darauf einzutreten war.

    C.- Gegen diesen Entscheid wendet sich A. mit Rekurs gemäss Art. 19
SchKG an die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichts. Sie
beantragt u.a., die Pfändung der Kompetenzgüter und der amtliche Beschlag
der überpfändeten Sachen seien zu annullieren.

    Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichts weist
den Rekurs ab.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- Fraglich ist, ob das neue Vorbringen, die Videofilme würden nicht
verkauft, sondern vermietet, unzulässig ist. Denn nach der Rechtsprechung
haben das Betreibungsamt und die kantonalen Aufsichtsbehörden grundsätzlich
von Amtes wegen die tatsächlichen Verhältnisse zu ermitteln, die für
die Beschränkung der Pfändbarkeit massgeblich sind (BGE 112 III 80 mit
Hinweisen). Da im heutigen Videothekgeschäft die Vermietung eine übliche
Erscheinung darstellt, hätten ungeachtet der mangelnden Mitwirkung der
Rekurrentin objektive Gründe für diese Abklärung bestanden, sofern die Art
der Verwendung der Kassetten im Handelsverkehr - Verkauf oder Vermietung -
einen Einfluss auf deren Pfändbarkeit besitzt.

    a) Gemäss Art. 92 Ziff. 3 SchKG sind unpfändbar die Werkzeuge,
Gerätschaften, Instrumente und Bücher, soweit sie dem Schuldner und
seiner Familie zur Ausübung des Berufes notwendig sind oder soweit der
daraus erzielte Reinerlös so gering wäre, dass sich eine Wegnahme nicht
rechtfertigen würde. Das Vorliegen der letzteren Voraussetzung wird zu
Recht nicht behauptet. Zu prüfen bleibt daher, ob es sich um für die
Ausübung des Berufes notwendige Werkzeuge, Gerätschaften, Instrumente
oder Bücher handelt.

    b) Ob das Videogeschäft der Rekurrentin als Unternehmen oder als
Berufsausübung zu bezeichnen ist, kann dahingestellt bleiben. Denn
jedenfalls handelt es sich bei den Videokassetten nicht um Werkzeuge,
Gerätschaften, Instrumente oder Bücher im Sinne von Art. 92 Ziff. 3
SchKG. Um solche Gegenstände handelt es sich nur, wenn sie für die
rationelle und konkurrenzfähige Ausübung eines Berufes notwendig sind,
d.h. wenn ohne sie der Beruf nicht mehr ausgeübt werden kann. Unpfändbar
sind daher nur die Werkzeuge und ähnlichen Hilfsmittel, die Warenvorräte
hingegen grundsätzlich nicht. Für diese gilt nur insoweit in gewissem
Umfange eine Ausnahme, als es sich um Werkstoffe handelt und die
Ablieferung ihres Gegenwertes gesichert ist (AMONN, Grundriss des
Schuldbetreibungs- und Konkursrechts, N 23 und 25 zu § 23; RUEDIN,
L'insaisissabilité des instruments professionnels, in: BlSchK 45/1981,
S. 102).

    Dies trifft hier nicht zu. Bei den Videokassetten handelt es
sich um eine reine Handelsware. Sofern sie verkauft werden, steht
deren Pfändbarkeit zum vornherein fest (BlSchK 46/1982, S. 60; 20/1956,
S. 15; 14/1950, S. 13 f.). Aber auch im Falle der Vermietung dienen die
Videokassetten nicht in erster Linie der Ausübung eines Berufes. Die
Tätigkeit der Rekurrentin beschränkt sich hier auf die Abwicklung des
Mietgeschäfts. Die Kassetten werden nicht dazu gebraucht, einen Mehrwert
zu schaffen oder ein Arbeitsentgelt zu erzielen, sondern vornehmlich dazu,
um durch deren blosse Überlassung an Dritte ein Entgelt zu erhalten. Beim
Erlös handelt es sich demnach vorwiegend um ein Nutzungsentgelt, das
hauptsächlich durch die Ausbeutung kapitalistischer Erwerbsfaktoren
erwirtschaftet wird (vgl. BGE 65 III 15; 71 III 67 f.). Es kann daher
auch im Falle der Vermietung nicht gesagt werden, die Videokassetten seien
Werkzeuge oder ähnliche Hilfsmittel zur Berufsausübung im Sinne von Art.
92 Ziff. 3 SchKG. Folglich hat auch kein Anlass bestanden, die Frage der
Vermietung von Amtes wegen abzuklären. Die Rüge, die Videokassetten seien
unpfändbar, erweist sich damit als unbegründet, soweit überhaupt darauf
einzutreten ist.