Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 113 III 34



113 III 34

10. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 26. Februar 1987 i.S.
Commerzbank AG gegen Roba AG (Berufung) Regeste

    Beschränkungen des Verfügungsrechts des Schuldners beim Arrest
(Art. 96 Abs. 1 und Art. 275 SchKG).

    Nicht bewilligte Verfügungen des Schuldners über die arrestierten
Gegenstände sind nur gegenüber dem Arrestgläubiger ungültig. Ein Gläubiger,
der bereits arrestierte Gegenstände erst nach einer nicht bewilligten
Verfügung des Schuldners selber mit Arrest belegen lässt, vermag daher
aus dem Arrest, der vor der Verfügung des Schuldners begründet worden ist,
nichts zu seinen Gunsten herzuleiten (E. 1a).

    An dieser Rechtslage ändert Art. 281 Abs. 1 SchKG nichts. Diese
Gesetzesbestimmung über die provisorische Pfändungsteilnahme des
Arrestgläubigers ist nur anwendbar, wenn nach Ausstellung des Arrestbefehls
ein anderer Gläubiger als erster ein Pfändungsbegehren stellt (E. 1b).

Sachverhalt

    A.- Am 27. August 1982 liess der Schweizerische Bankverein das
Warenlager von Günter Mayer, Beilngries, Bundesrepublik Deutschland,
welches dieser bei Werner Arnold in Bürglen unterhielt, für eine Forderung
von Fr. 99'000.-- mit Arrest belegen. Am 11. Oktober 1982 wurde das
Warenlager in der anschliessenden Betreibung gepfändet.

    Am 8. Oktober 1982 bestellte Günter Mayer in einem als
"Faustpfand-Verschreibung" bezeichneten Vertrag zugunsten der Commerzbank
AG, Filiale Erlangen, Bundesrepublik Deutschland, ein Faustpfandrecht,
welches auch das Warenlager in Bürglen betreffen sollte. Am 19. Oktober
1982 schloss die Commerzbank AG als Treugeberin mit Werner Arnold einen
Treuhandvertrag über das Warenlager ab.

    Der Schweizerische Bankverein wurde am 3. Dezember 1982 für seine
Forderung befriedigt, soweit er diese prosequiert hatte.

    B.- Am 27. Oktober 1982 liess auch die Roba AG das Warenlager von
Günter Mayer für eine Forderung von Fr. 31'000.-- mit Arrest belegen. In
der Arresturkunde wurde die "Faustpfand-Verschreibung" zugunsten der
Commerzbank AG vorgemerkt.

    Die Roba AG bestritt den Anspruch der Commerzbank AG auf die
arrestierten Gegenstände. Die Commerzbank AG reichte hierauf am
18. November 1982 beim Landgericht Uri gegen die Roba AG Widerspruchsklage
ein.

    Um die Verwertung der arrestierten Gegenstände zu ermöglichen,
schlossen die Parteien am 21./24. September 1984 eine Vereinbarung
ab. Danach sind die arrestierten Gegenstände durch einen Betrag von
Fr. 11'550.-- abgelöst worden.

    C.- Mit Urteil vom 26. März 1985 hiess das Landgericht Uri die
Widerspruchsklage der Commerzbank AG gut und entliess den Betrag von Fr.
11'550.-- aus dem Arrest.

    Die Roba AG reichte gegen dieses Urteil beim Obergericht Uri Berufung
ein. Dieses hiess die Berufung am 15. Januar 1986 gut und stellte fest,
dass der Betrag von Fr. 11'550.-- weiterhin mit Arrest belegt sei.

    D.- Gegen dieses Urteil wendet sich die Commerzbank AG mit Berufung
an das Bundesgericht. Sie beantragt die Aufhebung des angefochtenen
Urteils. In Gutheissung von Berufung und Widerspruchsklage sei der Betrag
von Fr. 11'550.-- aus dem Arrest zu entlassen.

    Die Roba AG beantragt die Abweisung der Berufung.

    Das Bundesgericht heisst die Berufung teilweise gut.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- Die Klägerin stützt ihre Widerspruchsklage auf die
"Faustpfand-Verschreibung", die der Schuldner Günter Mayer am 8. Oktober
1982 zu ihren Gunsten bestellt hat und die auch das Warenlager in Bürglen
einschliessen sollte. Im Zeitpunkt der Pfandbestellung war das Warenlager
indessen mit einem Arrest des Schweizerischen Bankvereins belegt. Es ist
daher zu prüfen, ob dieser Arrest der Pfandbestellung durch den Schuldner
entgegenstand.

    a) Ein Arrest entfaltet hinsichtlich der Verfügungsbeschränkung des
Schuldners die gleichen Wirkungen wie eine Pfändung (Art. 275 SchKG;
AMONN, Grundriss des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts, 3. Aufl.,
N 49 zu § 51; GILLIÉRON, Poursuite pour dettes, faillite et concordat,
S. 357 f.). Gemäss Art. 96 Abs. 1 SchKG hat sich der Pfändungsschuldner
bei Straffolge jeder vom Betreibungsbeamten nicht bewilligten Verfügung
über die gepfändeten Vermögensstücke zu enthalten. Die Verfügungen
des Schuldners sind nach Abs. 2 dieser Gesetzesbestimmung ungültig,
soweit dadurch die Rechte verletzt werden, die den Gläubigern aus der
Pfändung erwachsen. Mit dieser vom Gesetzgeber erst später eingefügten
Bestimmung ist klargestellt worden, dass der Pfändungsschuldner -
und somit gleicherweise auch der Arrestschuldner - nicht allgemein in
seiner Verfügungsfähigkeit beschränkt ist, sondern nur im Hinblick auf
die Pfändungs- bzw. Arrestgläubiger. Nur diesen gegenüber sind die nicht
bewilligten Verfügungen ungültig (FRITZSCHE/WALDER, Schuldbetreibung und
Konkurs nach schweizerischem Recht, 3. Aufl., Bd. I, N 3 zu § 25). Es liegt
somit keine Nichtigkeit vor, auf die sich alle Gläubiger berufen könnten.

    b) Daraus ergibt sich, dass die "Faustpfand-Verschreibung" vom
8. Oktober 1982 nur gegenüber dem Schweizerischen Bankverein als Gläubiger
des Arrestes vom 27. August 1982 und der anschliessenden Pfändung ungültig
ist. Die Beklagte vermag aus diesem Arrest, der zudem seit der Befriedigung
des Schweizerischen Bankvereins am 3. Dezember 1982 nicht mehr weiter
verfolgt worden ist, nichts zu ihren Gunsten abzuleiten.

    Art. 281 Abs. 1 SchKG ändert an dieser Rechtslage nichts. Gemäss dieser
Gesetzesbestimmung nimmt der Arrestgläubiger von Rechts wegen provisorisch
an der Pfändung teil, wenn die Arrestgegenstände nach Ausstellung des
Arrestbefehls von einem anderen Gläubiger gepfändet werden, bevor der
Arrestgläubiger selber das Pfändungsbegehren stellen kann. Diese Bestimmung
setzt somit voraus, dass nach Ausstellung des Arrestbefehls ein anderer
Gläubiger als erster ein Pfändungsbegehren stellt.

    Dem vorliegenden Fall liegt jedoch gerade der umgekehrte Sachverhalt
zugrunde. Ein anderer Gläubiger, der Schweizerische Bankverein, hat
ein Pfändungsbegehren gestellt, bevor der Arrestbefehl der Beklagten
ausgestellt worden ist. Auf diesen Fall ist Art. 281 Abs. 1 SchKG
nach seinem eindeutigen Wortlaut nicht anwendbar. Art. 281 Abs. 3 SchKG
bestimmt zudem ausdrücklich, dass der Arrest keine weiteren Vorzugsrechte
begründet, als sie in diesem Gesetzesartikel vorgesehen sind. Das
Bundesgericht hat daher in konstanter Rechtsprechung entschieden, die
Arrestnahme als solche verleihe dem Arrestgläubiger keinen Anspruch auf
Teilnahme an einer bereits vor der Arrestnahme erfolgten Pfändung. Ein
Pfändungsanschluss des Arrestgläubigers sei nur möglich, wenn dieser
nach der gewöhnlichen Regelung von Art. 110 Abs. 1 SchKG innert 30 Tagen
seit der vorausgegangenen Pfändung ein eigenes Pfändungsbegehren oder,
soweit er zu einer privilegierten Anschlusspfändung gemäss Art. 111 SchKG
berechtigt sei, innert Frist ein Teilnahmebegehren stelle (BGE 101 III
81 ff. mit zahlreichen Hinweisen; AMONN, N 55 zu § 51; GILLIÉRON, S. 187
unten). Dass diese Voraussetzung hier erfüllt sei, hat die Beklagte
nicht einmal behauptet. Sie hat daher an den Wirkungen des Pfändungs-
und Arrestverfahrens des Schweizerischen Bankvereins keinen Anteil.

    c) Es ergibt sich somit, dass die Beklagte den Arrest des
Schweizerischen Bankvereins der zugunsten der Klägerin bestellten
"Faustpfand-Verschreibung" nicht entgegenhalten kann. Aus diesem Grunde ist
es auch unerheblich, ob die Klägerin bei der Pfandbestellung von diesem
Arrest Kenntnis gehabt hat oder nicht. Eine allfällige Unkenntnis der
Klägerin könnte nur bewirken, dass sie gemäss Art. 96 Abs. 2 SchKG als
gutgläubige Dritte trotz des Arrestes das Pfandrecht auch gegenüber dem
Schweizerischen Bankverein erwerben konnte. Die allfällige Gutgläubigkeit
der Klägerin hätte somit zur Folge, dass die durch den Arrest zugunsten
des Schweizerischen Bankvereins bewirkte Verfügungsbeschränkung des
Schuldners ihr gegenüber nicht zum Tragen käme. Gegenüber der Beklagten
bleibt eine Gut- oder Bösgläubigkeit der Klägerin bezüglich des Arrestes
des Schweizerischen Bankvereins hingegen ohne Bedeutung, nachdem dieser
Arrest zugunsten der Beklagten keine Verfügungsbeschränkung des Schuldners
zur Folge hat.

    d) Auf ihren eigenen Arrest vom 27. Oktober 1982 beruft sich die
Beklagte zu Recht nicht. Die allfällige "Faustpfand-Verschreibung" ist
zeitlich vor diesem Arrest begründet worden und geht ihm daher vor.