Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 113 III 20



113 III 20

7. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 15. Januar 1987 i.S.
Gautschi und Gautschi gegen Noldin, Einzelrichter im beschleunigten
Verfahren am Bezirksgericht Zürich und Obergericht des Kantons Zürich
(staatsrechtliche Beschwerde) Regeste

    Abtretung von Rechtsansprüchen der Masse (Art. 260 SchKG).

    Die Abtretung eines Rechtsanspruchs der Masse an einen Konkursgläubiger
fällt mit dessen vollständiger Befriedigung nicht von selbst dahin. Solange
die Abtretungsverfügung nicht widerrufen worden ist, bleibt der
Abtretungsgläubiger zur Verfolgung des abgetretenen Anspruchs legitimiert.

Sachverhalt

    A.- Im Konkurs über die Paul Gautschi AG wurde die Konkursmasse
Autopark AG mit einer Forderung von Fr. 3'537'417.50 in der 5. Klasse
kolloziert. Mit Kollokationsklage vom 4. September 1984 verlangten Max
und Yvon Gautschi beim Einzelrichter im beschleunigten Verfahren am
Bezirksgericht Zürich die Wegweisung dieser Forderung. Am 26. April
1985 teilte die Konkursverwaltung der Autopark AG dem Einzelrichter
mit, dass die Gläubiger in deren Konkurs am 25. September 1984 auf die
Geltendmachung des streitigen Anspruchs verzichtet hätten und dass dieser
im Sinne von Art. 260 SchKG an Else Noldin abgetreten worden sei. In
der Folge wurde der Prozess auf seiten der Konkursmasse Autopark AG
durch Else Noldin weitergeführt. Mit Urteil vom 26. August 1986 wies
der Einzelrichter die Klage ab. Gegen dieses Urteil erhoben die Kläger
unabhängig voneinander Nichtigkeitsbeschwerde an das Obergericht des
Kantons Zürich. Mit Entscheiden vom 3. Oktober 1986 trat das Obergericht
auf die von Yvon Gautschi erhobene Beschwerde nicht ein und wies die von
Max Gautschi erhobene ab, soweit es darauf eintrat. Mit staatsrechtlicher
Beschwerde wegen Verletzung von Art. 4 BV verlangen Max und Yvon Gautschi
die Aufhebung der Entscheide des Obergerichts und des Einzelrichters.

    Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab, soweit es darauf eintritt.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 3

    3.- In seiner Nichtigkeitsbeschwerde hatte auch Max Gautschi
die Passivlegitimation der Beschwerdegegnerin bestritten, mit der
Begründung, diese könne unmöglich Abtretungsgläubigerin sein, da sie
gemäss der provisorischen Verteilungsliste im Konkurs der Autopark AG
vom 10. Januar 1986 vollständig befriedigt worden sei. Das Obergericht
hat dazu ausgeführt, dass eine Gutheissung der Klage im Prozess
gegen die Beschwerdegegnerin nicht möglich gewesen wäre, wenn deren
Passivlegitimation zu verneinen gewesen wäre. Mit der Abweisung der
Klage sei der Beschwerdeführer demzufolge nicht schlechter gestellt, als
wenn die Passivlegitimation der Beschwerdegegnerin verneint worden wäre,
weshalb es an einem Nachteil im Sinne von § 281 ZPO ZH fehle. Es erübrige
sich deshalb, näher darzulegen, dass die Bejahung der Passivlegitimation
der Beschwerdegegnerin nicht an einem Nichtigkeitsgrund gelitten habe,
solange die Verteilungsliste - ungeachtet ihres Inhaltes - jedenfalls
eine erst provisorische gewesen sei.

    Die Hauptbegründung des Obergerichts ist fragwürdig. Die
Beschwerdeführer weisen zu Recht darauf hin, dass die Klage im Falle
der Verneinung der Passivlegitimation der Beschwerdegegnerin gegen
die ursprüngliche Beklagte, die Konkursmasse Autopark AG, hätte
gutgeheissen werden müssen, nachdem diese auf die Geltendmachung des
streitigen Anspruchs verzichtet und damit die Kollokationsklage -
unter Vorbehalt der Abtretung an die Gläubiger - sinngemäss anerkannt
hatte. Seinen Eventualstandpunkt hat das Obergericht anderseits nicht
näher begründet. Wie es sich mit der Tragweite der provisorischen
Verteilungsliste verhält, kann indessen dahingestellt bleiben, da die
Bejahung der Passivlegitimation der Beschwerdegegnerin jedenfalls
im Ergebnis nicht willkürlich ist. Entgegen der Auffassung der
Beschwerdeführer trifft es nämlich nicht zu, dass die Abtretung
eines Rechtsanspruchs der Masse an einen Konkursgläubiger mit dessen
vollständiger Befriedigung von selbst dahinfiele. Zwar setzt die
Abtretung gemäss Art. 260 SchKG eine Konkursforderung voraus. Nach der
bundesgerichtlichen Rechtsprechung entfällt daher die Befugnis zur
weiteren Verfolgung des abgetretenen Rechtsanspruchs der Masse, wenn
im Kollokationsprozess festgestellt wird, dass eine Konkursforderung
gar nie bestanden hat, oder wenn der Gläubiger nachträglich auf seine
Forderung verzichtet (BGE 109 III 27 ff.). Im vorliegenden Fall ist
aber nie behauptet worden, die Beschwerdegegnerin sei im Konkurs der
Autopark AG nicht mehr kolloziert. Sie hat daher ihre Eigenschaft als
Gläubigerin in diesem Konkurs nicht verloren, selbst wenn sie durch
die provisorische Verteilung voll befriedigt worden sein sollte. Dazu
kommt, dass es sich bei der Abtretung von Rechtsansprüchen der Masse
um eine besondere Art der Aktivenverwertung handelt, die für den Fall
vorgesehen ist, dass die Gesamtheit der Gläubiger auf die Realisierung
verzichtet, und die der Verbesserung des Konkurserlöses dient (BGE 111
II 85, 103 III 50). Die Besonderheit dieser Verwertungsart besteht
darin, dass das Verwertungsergebnis in erster Linie den das Risiko
der Prozessführung übernehmenden Konkursgläubigern zukommt und die
Masse nur den Überschuss erhält. Ist ein Abtretungsgläubiger bereits
anderweitig befriedigt worden, so hat dies daher nur zur Folge, dass
er der Masse den gesamten Prozessgewinn abliefern muss. Die allfällige
Befriedigung des Abtretungsgläubigers hat somit nur einen Einfluss auf die
Verteilung. Dabei handelt es sich jedoch um eine interne Angelegenheit
des Konkursverfahrens, die den Prozessgegner des Abtretungsgläubigers
nichts angeht. Mit der Vorlegung der Bestätigung der Konkursverwaltung,
wonach ihr der streitige Anspruch abgetreten worden sei, hat sich die
Beschwerdegegnerin im vorliegenden Prozess hinreichend legitimiert.
Der Richter ist nicht befugt, die Abtretungsverfügung auf ihre Gültigkeit
hin zu überprüfen (BGE 111 II 85); er hat sich vielmehr daran zu halten,
solange sie nicht von der Konkursverwaltung oder auf Beschwerde hin von der
Aufsichtsbehörde widerrufen worden ist. Dass ein Widerruf der Abtretung
an die Beschwerdegegnerin erfolgt sei, behaupten die Beschwerdeführer
nicht. Im übrigen hat die Beschwerdegegnerin zumindest insoweit auch
ein eigenes Interesse am Ausgang des Prozesses, als sie das Ergebnis zur
Deckung der Prozesskosten verwenden kann (Art. 260 Abs. 2 SchKG). Diese
Kosten sind nicht Bestandteil der Konkursforderung der Beschwerdegegnerin
und wurden durch die provisorische Verteilung nicht gedeckt.