Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 113 III 116



113 III 116

26. Auszug aus dem Urteil der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer vom 17.
September 1987 i.S. Krebser AG (Rekurs) Regeste

    Fortsetzung der Betreibung.

    Ist gegen eine Gesellschaft der Konkurs nicht eröffnet worden,
weil zu wenig Konkursaktiven vorgefunden wurden und der Gläubiger auch
keinen Kostenvorschuss im Sinne von Art. 169 Abs. 2 SchKG geleistet hat,
so kann die Gesellschaft in einem neuen Betreibungsverfahren wiederum nur
auf Konkurs betrieben werden. Eine analoge Anwendung von Art. 230 Abs. 3
SchKG, wonach der Schuldner nach der Einstellung des Konkursverfahrens
während zwei Jahren auch auf Pfändung betrieben werden kann, ist nicht
gerechtfertigt.

Sachverhalt

    A.- Am 29. Mai 1987 stellte das Inkassobüro Hirt-Urfer in
Vertretung der Krebser AG gestützt auf einen Rechtsöffnungsentscheid des
Gerichtspräsidenten IV von Bern gegen die Radio Gard AG das Begehren auf
Fortsetzung der Betreibung. Dabei wurde ausdrücklich die Fortsetzung der
Betreibung auf dem Wege der Pfändung verlangt, da gemäss Publikation
im Amtsblatt des Kantons Bern vom 25. März 1987 mangels Aktiven ein
Konkursverfahren nicht habe eröffnet werden können.

    Das Betreibungsamt Bern leistete dem Begehren, die Betreibung sei
auf dem Wege der Pfändung fortzusetzen, keine Folge und stellte der Radio
Gard AG am 23. Juni 1987 die Konkursandrohung zu.

    B.- Gegen diese Verfügung erhob die Krebser AG Beschwerde bei der
unteren Aufsichtsbehörde in Schuldbetreibungs- und Konkurssachen. Sie
verlangte die Aufhebung der Konkursandrohung und die Fortsetzung der
Betreibung auf dem Wege der Pfändung.

    Die untere Aufsichtsbehörde leitete die Sache zur Behandlung an
die kantonale Aufsichtsbehörde in Schuldbetreibungs- und Konkurssachen
weiter. Diese wies die Beschwerde mit Entscheid vom 10. August 1987 ab.

    C.- Gegen diesen Entscheid wendet sich die Krebser AG mit Rekurs
gemäss Art. 19 SchKG an die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des
Bundesgerichts. Sie erneuert die vor der kantonalen Aufsichtsbehörde
gestellten Anträge.

    Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer weist den Rekurs ab.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- Die schuldnerische Gesellschaft ist nach wie vor im Handelsregister
eingetragen. Die Betreibung ist daher auf dem Wege des Konkurses
fortzusetzen (Art. 39 SchKG). Die Rekurrentin verlangt indessen eine
analoge Anwendung von Art. 230 Abs. 3 SchKG. Diese Bestimmung, welche
im Falle der Einstellung des Konkurses mangels Aktiven die Fortsetzung
auf dem Wege der Pfändung erlaube, müsse auch dann angewendet werden,
wenn der Konkurs mangels Aktiven nicht eröffnet werde.

    Gemäss Art. 230 SchKG zeigt das Konkursamt dem Konkursgericht an,
wenn keinerlei in die Masse gehörendes Vermögen vorgefunden wird,
und dieses beschliesst die Einstellung des Konkursverfahrens. Die
Einstellung wird vom Konkursamt öffentlich bekanntgemacht mit der
Anzeige, dass das Verfahren geschlossen werde, falls nicht binnen zehn
Tagen ein Gläubiger die Durchführung des Konkursverfahrens verlange und
für die Kosten hinreichende Sicherheit leiste. Nach der Einstellung des
Konkursverfahrens kann der Schuldner nach Art. 230 Abs. 3 SchKG während
zwei Jahren auch auf Pfändung betrieben werden.

    Art. 230 Abs. 3 SchKG setzt demnach voraus, dass ein Konkurs eröffnet
und anschliessend wieder eingestellt worden ist. Der Wortlaut und der
systematische Zusammenhang der Bestimmung sind eindeutig. Eine ausdehnende
Auslegung von Art. 230 Abs. 3 SchKG auf den vorliegenden Fall, bei dem
ein Konkurs noch gar nicht eröffnet worden ist, ist ausgeschlossen.

Erwägung 3

    3.- Die analoge Anwendung einer Gesetzesbestimmung auf einen
Sachverhalt, der von dieser nicht ausdrücklich erfasst wird, setzt voraus,
dass deren Grundgedanke auch für den nicht geregelten Fall zutrifft
(BGE 101 III 34).

    a) Art. 230 Abs. 3 SchKG ist durch eine Gesetzesrevision vom
28. September 1949 eingefügt worden. Der Revision lag ein Vorstoss
einer Kreditschutzorganisation zu Grunde, welche die Einfügung
einer neuen Gesetzesbestimmung verlangt hatte, wonach jede Firma
im Handelsregister zu löschen sei, wenn der Konkurs mangels Aktiven
eingestellt werde. Die Löschung sollte dem Gläubiger, der den in Art. 230
Abs. 2 SchKG vorgesehenen Kostenvorschuss nicht geleistet hat, erlauben,
den Schuldner auf dem Wege der Pfändung zu verfolgen und so wenigstens
einen Verlustschein zu erhalten. Das Eidg. Amt für das Handels- und
das Güterrechtsregister machte jedoch darauf aufmerksam, dass der
Vorschlag hinsichtlich der Behandlung im Handelsregister von einer
irrigen Vorstellung ausgehe. Um indessen den Gläubiger gegenüber dem
Schuldner, der sein Geschäft nach der Einstellung des Konkursverfahrens
weiterbetreibt, nicht völlig wehrlos zu lassen, könne eine Bestimmung in
das Gesetz aufgenommen werden, die es erlauben würde, den Schuldner während
einer bestimmten Zeit auch auf Pfändung zu betreiben, obwohl er noch im
Handelsregister eingetragen sei. Dieser Vorschlag ist Gesetz geworden
(FAVRE, Droit des poursuites, 3. Aufl., S. 355 f.).

    b) Im vorliegenden Fall wurden in einem vorangehenden Verfahren für
eine Konkurseröffnung zuwenig Aktiven vorgefunden. Der damalige Gläubiger
hätte es in der Hand gehabt, die Konkurseröffnung gleichwohl zu erwirken,
indem er für die bis zur ersten Gläubigerversammlung entstehenden Kosten
gemäss Art. 169 SchKG einen Vorschuss geleistet hätte, was er jedoch
unterlassen hat. Folglich blieb es bei der Nichteröffnung des Konkurses.

    Der hier zu beurteilende Fall gleicht somit insofern jenem, der in
Art. 230 SchKG geregelt ist, als in beiden Fällen das Betreibungsverfahren
nicht weitergeführt wird, wenn der Gläubiger bei einem Mangel an
Konkursaktiven keinen Kostenvorschuss leistet. Nach dem Grundgedanken von
Art. 230 Abs. 3 SchKG, dem Gläubiger eine zusätzliche Waffe in die Hand zu
geben, wenn das Konkursverfahren mangels Aktiven nicht durchgeführt werden
kann und der Gläubiger die Kosten nicht vorschiessen oder sicherstellen
will, wäre eine analoge Anwendung auf den Fall von Art. 169 Abs. 2 SchKG
grundsätzlich denkbar.

    c) Anderseits unterscheiden sich die beiden Fälle insbesondere vom
Stand des Betreibungsverfahrens her so stark, dass es gerechtfertigt ist,
sie in bezug auf die Möglichkeit, die Betreibung auch auf dem Wege der
Pfändung fortzusetzen, unterschiedlich zu behandeln. Zu berücksichtigen
ist dabei vornehmlich der Umstand, dass im Falle von Art. 169 Abs. 2
SchKG das Konkursverfahren noch nicht eröffnet worden ist. Sämtliche
Wirkungen, die das Gesetz an die Eröffnung des Konkurses knüpft, sind
hier im Unterschied zur Einstellung des Konkurses nach Art. 230 Abs. 1
und 2 SchKG noch nicht eingetreten.

    Dies gilt auch für registermässige Wirkungen, die an die Eröffnung des
Konkurses geknüpft werden. Fällt der Inhaber einer Einzelfirma in Konkurs
oder wird eine Gesellschaft durch Konkurs aufgelöst, so führt dies zunächst
gestützt auf die Mitteilung des Konkursrichters zur Eintragung einer
entsprechenden Änderung (Art. 64 Abs. 1 HRegV). Kommt es alsdann zu einer
Einstellung des Konkursverfahrens, so wird dies dem Handelsregisterführer
vom Konkursgericht oder dem Konkursamt ebenfalls mitgeteilt (vgl. hierzu
Kreisschreiben des Bundesgerichts Nr. 33 vom 7. Dezember 1955 = BGE 81 III
129 f). Handelt es sich um eine Gesellschaft, so wird diese anschliessend
vom Handelsregisterführer gemäss Art. 66 Abs. 2 HRegV im Handelsregister
gelöscht, wenn nicht deren Vertreter gegen die Ankündigung der Löschung
eine begründete Einsprache erheben. Die Löschung ist aber unter allen
Umständen nach durchgeführter Liquidation vorzunehmen. Auf diese Weise
können vor der Löschung noch allfällige Aktiven verwertet werden, die
nach der Schätzung des Konkursamtes zur Deckung der Konkurskosten nicht
ausreichen, die es aber doch verdienen, liquidiert zu werden (BGE 102
III 59).

    Dies zeigt, dass das Vermögen einer Gesellschaft vollständig zu
liquidieren und die Gesellschaft am Schluss des Verfahrens zu löschen ist,
wenn der Konkurs über sie einmal - allenfalls nach der Leistung eines
Kostenvorschusses nach Art. 169 SchKG - eröffnet worden ist. Leistet
der Gläubiger hingegen den allfällig vor der Konkurseröffnung verlangten
Kostenvorschuss nicht, so fällt die schuldnerische Gesellschaft nicht in
Konkurs. Konsequenterweise findet daher keine zwangsweise Liquidation des
Vermögens statt, und die Gesellschaft selbst wird nicht gelöscht. Daraus
erhellt, dass sich die unterschiedliche gesetzliche Regelung aus dem
jeweils unterschiedlichen Stand des Betreibungsverfahrens ohne weiteres
ergibt. Es ist denn auch zu beachten, dass das Gesetz die Möglichkeit,
den der Konkursbetreibung unterliegenden Schuldner während zwei Jahren
auch auf Pfändung zu betreiben, in Art. 230 Abs. 3 SchKG nicht an die
Nichtleistung des Kostenvorschusses, sondern an die Einstellung des
Konkursverfahrens knüpft.

    d) Anzufügen bleibt, dass bei der Einstellung des Konkurses
nach Art. 230 SchKG auch eine grössere Klarheit darüber besteht,
wieviel verwertbares Vermögen tatsächlich vorhanden ist, als vor der
Konkurseröffnung. Zudem erwächst dem Gläubiger in aller Regel kein
schwerwiegender Nachteil, wenn er den Schuldner im Falle der Nichteröffnung
des Konkurses mangels Aktiven nicht auch auf Pfändung betreiben kann,
hat er es doch in der Hand, die Konkurseröffnung durch Leistung eines
Kostenvorschusses zu erwirken. Nachdem das Gesetz die beiden Fälle
nicht gleich behandelt, besteht somit kein Anlass, dies auf dem Wege
der Rechtsprechung herbeizuführen. Bezeichnenderweise hat denn auch die
mit der Revision des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts beauftragte
Expertenkommission keinen Grund für eine diesbezügliche Änderung, Ergänzung
oder Klarstellung des bestehenden Gesetzes gesehen.