Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 113 III 104



113 III 104

23. Auszug aus dem Urteil der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer vom 5.
November 1987 i.S. E. AG (Rekurs) Regeste

    Anmeldung der Drittansprache auf arrestierte Vermögensgegenstände.

    Solange gegen den Arrest ein Arrestaufhebungsprozess gemäss Art. 279
Abs. 2 SchKG hängig ist, muss der Dritte noch nicht mit der Realisierung
der betreffenden Gegenstände rechnen. Er ist während dieser Zeitspanne
daher nicht gehalten, seine Drittansprache zu erheben (E. 3).

    Widerspruchsklage nach Art. 109 SchkG.

    In der Fristansetzung des Amtes an den Gläubiger zur Erhebung
der Widerspruchsklage muss genau angegeben werden, bezüglich welcher
Gegenstände Drittansprache erhoben worden ist. Fehlt es daran, so ist
die Fristansetzung von Amtes wegen aufzuheben (E. 4).

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- Der bei der Rekursgegnerin vollzogene Arrest umfasst ein offenes
Wertschriftendepot und den Inhalt des Tresorfaches Nr. 80. Da der Arrest
keine Guthaben des Arrestschuldners gegen die Rekursgegnerin beschlägt,
fällt die von dieser für die Darlehen geltend gemachte Verrechnung an den
arrestierten Gegenständen ausser Betracht. Es kann sich nur fragen, ob
der Rekursgegnerin an diesen Gegenständen ein Pfand- und Retentionsrecht
zustehe. Die Rekurrentin ist der Auffassung, dass die Rekursgegnerin
diese Rechte zu spät angemeldet habe, weshalb kein Widerspruchsverfahren
über deren Bestand zu eröffnen sei.

    a) Gemäss ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichts verwirkt der
Dritte, der mit der Eigentums- oder Pfandansprache auf verarrestierte
Gegenstände ohne beachtlichen Grund längere Zeit zuwartet, obwohl ihm
bewusst sein muss, dass er damit den Gang des Betreibungsverfahrens
hemmt und den Gläubiger zu unnötigen Schritten veranlasst, sein Recht
zur Geltendmachung der Ansprache (BGE 111 III 23 mit Hinweisen).

    b) Im vorliegenden Fall hat das Betreibungsamt den Arrest bei der
Rekursgegnerin am 23. Januar 1987 vollzogen, und die Arrestanzeige
ist am 28. Januar 1987 zugestellt worden. Erst mit Schreiben vom
14. Mai 1987 machte die Rekursgegnerin ihr Pfand- und Retentionsrecht
geltend. Zwischen dem Vollzug des Arrestes und der Anmeldung vergingen
somit mehr als dreieinhalb Monate. Für die Verzögerung dieser Anmeldung
hat die Rekursgegnerin keine Gründe vorgebracht, obwohl es an ihr gelegen
hätte, allfällige Gründe für eine Verspätung geltend zu machen (BGE 104
III 51). Grundsätzlich ist die Anmeldung daher als verspätet anzusehen
(vgl. BGE 111 III 24; 106 III 59 f.; 104 III 51 f.).

Erwägung 3

    3.- Die kantonale Aufsichtsbehörde hat indessen die späte Anmeldung
wegen des hängigen Arrestaufhebungsprozesses als gerade noch tolerierbar
erachtet. Die mit Verwirkungsfolgen bedrohte Pflicht des Dritten
zur Geltendmachung der Ansprüche entstehe erst mit der definitiven
Entscheidung über den Arrestvollzug. Ebenso setze diese Pflicht voraus,
dass über die dem Arrestvollzug vorausgehende Arrestbewilligung definitiv
entschieden sei.

    a) Der Auffassung der kantonalen Aufsichtsbehörde ist
beizupflichten. Die Widerspruchsklage setzt nach der Rechtsprechung des
Bundesgerichts voraus, dass eine gültige Pfändung, bzw. ein gültiger
Arrest vorliegt. Solange der Arrest noch in der Schwebe ist, weil ein
dagegen erhobenes Beschwerdeverfahren noch nicht abgeschlossen ist, muss
der Dritte noch nicht mit der Realisierung der betroffenen Gegenstände
und damit mit dem Verlust seiner Rechte rechnen. Er ist während dieser
Zeitspanne daher nicht gehalten, seine Drittansprache zu erheben (BGE
112 III 62 f.).

    Im vorliegenden Fall hat der Arrestschuldner zwar keine Beschwerde
gegen den Arrestvollzug erhoben, sondern eine Arrestaufhebungsklage
angestrengt. Die Arrestaufhebungsklage ist nichts anderes als die
Fortsetzung des Arrestbewilligungsverfahrens bezüglich des Arrestgrundes
(Art. 279 Abs. 2 SchKG), wobei die Beweislast für das Vorliegen
des Arrestgrundes trotz der vertauschten Parteirollen weiterhin beim
Arrestgläubiger liegt (AMONN, Rz. 71 zu § 51). Im Falle der Gutheissung
der Klage fällt der Arrest dahin. Dieser befindet sich somit während
eines Arrestaufhebungsprozesses vollumfänglich in einem Schwebezustand,
während die Beschwerde gegen den Arrestvollzug eventuell nur einzelne
Arrestgegenstände betrifft. Um so weniger rechtfertigt es sich, bei der
Arrestaufhebungsklage einen strengeren Massstab anzuwenden als bei der
gegen den Arrestvollzug gerichteten Beschwerde.

    Dass sich die Arrestaufhebungsklage im Unterschied zu dieser Beschwerde
nicht gegen das Betreibungsamt sondern gegen den Arrestgläubiger
richtet, ist nicht wesentlich. Wohl könnte der Arrestgläubiger durch
Klageanerkennung das Arrestaufhebungsverfahren vorzeitig beendigen und
dadurch Kosten und Zeit sparen, wenn er bereits in diesem Stadium des
Verfahrens Kenntnis von einer allfälligen Drittansprache besässe, aufgrund
der er den Arrest als nicht mehr zweckmässig erachten würde. In ähnlicher
Weise könnte unter dieser Voraussetzung aber auch das Beschwerdeverfahren
gegen den Arrestvollzug durch Rückzug des Arrestbegehrens indirekt
beendigt werden. Zudem ist zu beachten, dass der Arrestgläubiger zum
vornherein das Risiko für einen nicht einträglichen Arrest trägt. Nachdem
im Arrestaufhebungsprozess lediglich das Arrestbewilligungsverfahren
fortgesetzt wird, bei dem nun auch der Arrestschuldner zu Worte
kommen kann, besteht kein Anlass, den Arrestgläubiger bereits in
diesem Verfahrensstadium bezüglich allfälliger Drittansprachen von
seinem Prozessrisiko zu befreien. Endlich geht die Arrestbewilligung
dem Arrestvollzug grundsätzlich voran. Auch unter diesem Gesichtspunkt
besteht kein Grund, bei der Fortsetzung des Arrestbewilligungsverfahrens
strengere Anforderungen an die Anmeldung von Drittansprachen zu stellen
als beim Arrestvollzug und dem dagegen gerichteten Beschwerdeverfahren.

    b) Die Arrestaufhebungsklage ist am 26. Mai 1987 abgewiesen
worden. Erst in diesem Zeitpunkt bestand somit Gewissheit, dass der
Arrest bestehen bleibt. Nachdem die Rekursgegnerin die Drittansprache am
14. Mai 1987 erhoben hat, liegt keine Verzögerung der Anmeldung vor. Es
kann in keiner Weise gesagt werden, die Rekursgegnerin habe durch das
Zuwarten mit der Anmeldung der Drittansprache Sand ins Getriebe des
Betreibungsverfahrens gestreut (BGE 109 III 26).

    c) Bei dieser Sachlage kann dahingestellt bleiben, ob die Rekurrentin
mit der Erhebung von Drittansprachen hat rechnen müssen und die Anmeldung
der Drittrechte auch unter diesem Gesichtspunkt nicht als verspätet
erscheint (vgl. BGE 112 III 63 E. 3). Ebenso bleibt unerheblich, ob sich
die Rekurrentin bei der Rekursgegnerin über allfällige Drittrechte hätte
erkundigen sollen oder nicht (vgl. BGE 111 III 26; 104 III 52).

Erwägung 4

    4.- Dennoch kann der Entscheid der kantonalen Aufsichtsbehörde nicht
aufrechterhalten werden. Die Rekursgegnerin teilte dem Betreibungsamt am
14. Mai 1987 lediglich mit, der Arrestschuldner unterhalte bei ihr ein
Wertschriftendepot, das am 28. Januar 1987 sofort gesperrt worden sei
und dessen Wert damals Fr. 852'252.-- betragen habe. An diesen Aktiven
mache sie ihr Pfand- und Retentionsrecht geltend.

    a) Diese Drittansprache ist ungenügend. Der Rekurrentin kann nicht
zugemutet werden, gegen eine Drittansprache anzukämpfen, die nicht angibt,
auf welche Gegenstände sie sich im einzelnen bezieht (BGE 65 III 44
f.). Ebenso unzureichend ist aber auch die Fristansetzung zur Klage durch
das Betreibungsamt vom 15. Mai 1987. Ein Hinweis auf das geltend gemachte
Retentionsrecht fehlt in dieser Verfügung sogar ganz. Diese versetzt die
Rekurrentin nicht in die Lage, eine korrekte Widerspruchsklage zu erheben.

    b) Die Verfügung vom 15. Mai 1987 ist von Amtes wegen aufzuheben. Die
Drittansprache der Rekursgegnerin ist hingegen trotz der mangelnden
Bestimmtheit nicht als völlig unbeachtlich zu betrachten. Zwar wäre
die Rekursgegnerin als Drittgewahrsamsinhaberin ohne weiteres in der
Lage gewesen, eine detaillierte Drittansprache zu erheben. Doch ist
ihr zugute zu halten, dass bereits die Arresturkunde, auf die sich ihre
Ansprache stützt, vom Betreibungsamt nicht in gehöriger Form abgefasst
worden ist. Aus dieser Urkunde geht ebenfalls nicht hervor, welche
Titel im einzelnen arrestiert worden sind, obwohl es die Aufgabe des
Betreibungsamtes gewesen wäre, die nötigen Auskünfte einzuholen (BGE
107 III 71, 109 III 25/26). Ebenso fehlt eine Schätzung der einzelnen
arrestierten Gegenstände und ein Hinweis auf das Tresorfach Nr. 80.

    Von einer Wiederholung des gesamten Arrestverfahrens kann abgesehen
werden. Hingegen hat das Betreibungsamt bei der Rekursgegnerin die
erforderlichen Nachforschungen anzustellen und die Arresturkunde so zu
vervollständigen, dass von einem gültigen Arrest ausgegangen werden kann
(BGE 107 III 70 f.). Diese Arresturkunde wird das Betreibungsamt den
Parteien erneut in der vorgeschriebenen Weise mitteilen. Geht alsdann
eine taugliche Drittansprache ein, so ist das Verfahren nach Art. 109
SchKG, nun jedoch unter Angabe der einzelnen angesprochenen Gegenstände,
einzuleiten. Andernfalls ist eine Drittansprache als nicht vorhanden zu
erachten (BGE 65 III 45).