Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 113 IB 90



113 Ib 90

17. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung
vom 10. April 1987 i.S. E.G. Portland gegen Kartellkommission
(Verwaltungsgerichtsbeschwerde) Regeste

    Art. 38 Abs. 1 lit. c und Art. 31 Abs. 3 KG.

    1. Verfügungen mit denen den Beteiligten die Einsicht in die
Untersuchungstätigkeit der Kartellkommission verwehrt wird, fallen nicht
unter den Begriff der Beweisanordnung im Sinne von Art. 31 Abs. 3 KG,
weshalb der Beschwerdeweg nach Art. 38 Abs. 1 lit. c KG i.V.m. Art. 98
lit. f OG nicht offensteht (E. 2 a + b).

    2. Mangels einer Verfügung im Sinne von Art. 5 VwVG ist im Rahmen
des Untersuchungsverfahrens der Kartellkommission die Berufung auf die
Vorschriften des VwVG ausgeschlossen, soweit das Gesetz dies nicht
ausdrücklich zulässt. Da das KG selbst den Rahmen des rechtlichen
Gehörs absteckt, ist das Bundesgericht aufgrund von Art. 114bis Abs. 3
BV nicht befugt, den Beteiligten nach Massgabe von Art. 4 BV weitere
Mitwirkungsrechte einzuräumen (E. 2d).

Sachverhalt

    A.- Die Kartellkommission führt über den schweizerischen Zementmarkt
eine Untersuchung im Sinne von Art. 29 des Bundesgesetzes vom 20.
Dezember 1985 über Kartelle und ähnliche Organisationen (Kartellgesetz,
KG; SR 251) durch.

    Mit Schreiben vom 9. April 1986 gelangte die E.G. Portland, eine
Genossenschaft, der die schweizerischen Zementfabriken angehören,
an den Präsidenten der Kartellkommission mit dem Ersuchen, es sei ihr
Einsicht in die Fragebogen zu gewähren, welche an Informanten versandt
worden seien und das Recht einzuräumen, zu den eingegangenen Antworten
Stellung zu nehmen. Ausserdem sei ihr die Liste der Personen zu öffnen,
die mit Fragebogen bedient worden seien.

    Die Kartellkommission wies das Begehren mit Verfügung vom 17. November
1986 ab. Zur Begründung führte sie im wesentlichen aus, dass auf
Untersuchungen nach Art. 29 KG weder das VwVG noch die aus Art. 4 BV
hergeleiteten Verfahrensgrundsätze Anwendung fänden. Den rechtsstaatlichen
Anforderungen an ein Verfahren, das nicht in eine Verfügung ausmünde,
werde Genüge getan durch die Vorschrift von Art. 31 Abs. 4 KG, worin den
Beteiligten das Recht zur Stellungnahme zu den tatsächlichen Feststellungen
des Untersuchungsberichts eingeräumt werde.

    Die E.G. Portland ficht die Verfügung der Kartellkommission mit
Verwaltungsgerichtsbeschwerde an und stellt die folgenden Anträge:

    "1. Die Verfügung der Kartellkommission vom 17. November 1986 sei
   aufzuheben.

    a) Der Beschwerdeführerin sei das Recht zu gewähren, bei der gegen sie
   gerichteten Untersuchung nach jedem Hearing, bzw. jeder Befragung von

    Auskunftspersonen in die bezüglichen Protokolle Einsicht zu nehmen.

    Spätestens aber im Zeitpunkt der Aufforderung zur Stellungnahme zur

    Tatsachenfeststellung der Kartellkommission gemäss Art. 31 Abs. 4 des

    Kartellgesetzes sei ihr das Recht zu gewähren, in die dieser
Darstellung
   zugrundeliegenden Unterlagen Einsicht zu nehmen (Akteneinsicht), unter

    Wahrung berechtigter Geheimhaltungsinteressen.

    b) Eventualiter: Die Verfügung der Kartellkommission vom 17. November

    1986 sei aufzuheben und die Kartellkommission sei anzuweisen, über die

    Anträge der Beschwerdeführerin gemäss lit. a auf Grundlage des

    Bundesgesetzes über das Verwaltungsverfahren bzw. von Art. 4 BV neu zu
   entscheiden.

    ..........."

    Das Bundesgericht tritt nicht ein.

Auszug aus den Erwägungen:

                     Aus den Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- Es gehört zu den Hauptaufgaben der Kartellkommission
zu untersuchen, ob ein Kartell oder eine ähnliche Organisation
volkswirtschaftlich oder sozial schädliche Auswirkungen zeitigt. Derartige
Erhebungen kann die Kommission von sich aus oder im Auftrag des
Eidg. Volkswirtschaftsdepartements anheben (Art. 29 Abs. 1 KG).

    Das Gesetz umschreibt die Form der Untersuchung in Art. 31 wie folgt:

    "Art. 31 Verfahren der Untersuchung

    1 Die Kommission ersucht
   die Personen, die zur Feststellung des Sachverhalts beitragen können,
   um die erforderlichen Auskünfte und Urkunden. Sie kann Sachverständige
   beiziehen.

    2 Kann der Sachverhalt auf diesem Wege nicht abgeklärt werden,
   vernimmt die Kommission die Beteiligten und Dritte als Zeugen und
   verlangt von ihnen die notwendigen Urkunden. Die Artikel 15-19 des

    Verwaltungsverfahrensgesetzes gelten sinngemäss.

    3 Die Kommission erlässt die Beweisanordnung in Form einer Verfügung.

    4 Die Kommission gibt vor Abschluss des Verfahrens den Beteiligten

    Gelegenheit, zu den tatsächlichen Feststellungen ihres Berichtes
Stellung
   zu nehmen. Die Beteiligten haben den Bericht geheimzuhalten, solange das

    Eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement nicht dessen
Veröffentlichung
   bewilligt hat."

Erwägung 2

    2.- Das Eintreten auf die Eingabe der E.G. Portland hängt u.a. davon
ab, ob die Verfügung der Kartellkommission überhaupt angefochten werden
kann. Das Bundesgericht prüft diese Frage von Amtes wegen und ohne Bindung
an die Parteistandpunkte.

    a) Gemäss Art. 98 lit. f OG ist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde
gegen Verfügungen anderer eidgenössischer Kommissionen als der
Rekurs- und Schiedskommissionen nach lit. e nur zulässig, soweit es
das Bundesrecht vorsieht. Art. 38 KG nennt drei Fälle, in denen die
Verwaltungsgerichtsbeschwerde offensteht. Im vorliegenden Zusammenhang
stellt sich einzig die Frage, ob es sich bei der angefochtenen Verfügung
um eine Beweisanordnung im Sinne von Art. 31 Abs. 3 handelt, gegen die
gemäss Art. 38 Abs. 1 lit. c KG binnen zehn Tagen beim Bundesgericht
Beschwerde geführt werden kann.

    b) Art. 31 KG regelt das Untersuchungsverfahren der
Kartellkommission. Danach können Auskunftspersonen befragt sowie
Sachverständige und Urkunden beigezogen werden (Abs. 1). Lässt sich
auf diesem Weg der Sachverhalt nicht klären, hört die Kommission
die Beteiligten und Dritte als Zeugen an. Die Art. 15 bis 19 VwVG,
wo das Beweisverfahren näher geordnet ist, gelten sinngemäss (Abs. 2).
Aus dieser Umschreibung wird klar, was unter dem in Abs. 3 verwendeten
Begriff der Beweisanordnung zu verstehen ist: es handelt sich um Massnahmen
der Beweisadministration. Die Adressaten solcher Anweisungen werden
autoritativ aufgefordert, entweder vor der Kommission auszusagen oder
ihr Urkunden herauszugeben. Weitere Aufgaben fallen solchen Anordnungen
weder nach Wortlaut noch nach Sinn des Gesetzes zu.

    Aus der Besonderheit des Verfahrens nach Art. 31 KG ergibt sich,
dass der Begriff der Beweisanordnung eng auszulegen ist und lediglich
Anweisungen umfasst, die dazu dienen, der Kommission die Informationen zu
verschaffen, deren sie für die Ausarbeitung ihres Berichtes bedarf. Weitere
verfahrensleitende Massnahmen mögen ebenfalls Zwischenverfügungen sein,
als Anordnungen im Sinne des Art. 31 Abs. 3 KG lassen sie sich jedoch
nicht definieren.

    Die vorliegende Verfügung fordert die Beschwerdeführerin weder
auf, sich zu äussern, noch Urkunden herauszugeben. Da es sich
somit nicht um eine Beweisanordnung handelt, kann sie nicht mit
Verwaltungsgerichtsbeschwerde angefochten werden.

    c) Auch ausserhalb des besondern Untersuchungsverfahrens der
Kartellkommission kann eine Verfügung der hier vorliegenden Art nicht
als Beweisanordnung bezeichnet werden. GULDENER (Schweizerisches
Zivilprozessrecht, 3 Aufl., S. 418, Fn. 26) weist darauf hin, dass
sog. Beweisdekrete in der Regel ein Prozessprogramm enthalten: Sie
führen die Beweise auf, welche das Gericht zu erheben gedenkt. Weitere
Formen der Beweisverfügung nennen die Tatsachen, die zu beweisen sind
sowie die beweisbelasteten Parteien. Im Verwaltungsverfahren aber auch im
Verwaltungsprozess, die beide vom Untersuchungsgrundsatz beherrscht werden,
sind solche Verfügungen in der Regel entbehrlich, denn die entscheidende
Instanz ist allein für die Sachverhaltsermittlung verantwortlich. Doch
auch hier kann einer Beweisverfügung - falls eine solche angezeigt
ist - grundsätzlich keine andere Rolle zufallen als im Zivilprozess:
Sie bestimmt das Beweisthema (beweisbedürftige rechtserhebliche
Tatsachen) und sagt ferner, welche Partei mit welchen Mitteln den
Beweis für die einzelnen Tatsachenvorbringen zu leisten hat (vgl. GYGI,
Bundesverwaltungsrechtspflege, 2. Aufl., S. 278).

    Nicht Gegenstand solcher Verfügungen sind dagegen die Massnahmen, deren
es zur Regelung des weiteren Verfahrensablaufs bedarf. Auch der Entscheid,
ob einem Beteiligten oder einem Dritten Akteneinsicht gewährt werden soll,
hat mit der Beweisführung an sich nichts zu tun, geht es doch nur darum
festzulegen, ob und in welchem Umfang ihm die von weiteren Beteiligten
stammenden Informationen zugänglich zu machen sind.

    Da sich damit der Begriff der Beweisverfügung auch nach allgemeiner
Umschreibung von der Art des hier angefochtenen Hoheitsaktes unterscheidet,
kann auch unter diesem Gesichtspunkt nicht auf die Beschwerde eingetreten
werden.

    d) Die Beschwerdeführerin vertritt die Auffassung, es seien im
Untersuchungsverfahren der Kartellkommission die Regeln des VwVG oder
doch zumindest die aus Art. 4 BV hergeleiteten Verfahrensgrundsätze zu
beachten. Sie kann sich indessen weder auf das eine noch auf das andere
berufen:

    aa) Die Vorschriften des VwVG finden nach Art. 1 Abs. 1 dieses
Gesetzes nur Anwendung auf Verwaltungssachen, die durch Verfügungen
von Bundesverwaltungsbehörden in erster Instanz oder auf Beschwerde
zu erledigen sind. Als Verfügungen gelten behördliche Anordnungen
im Einzelfall, durch welche eine konkrete verwaltungsrechtliche
Rechtsbeziehung rechtsgestaltend oder feststellend in verbindlicher und
erzwingbarer Weise geregelt wird (BGE 104 Ia 29 E. d mit Hinweisen). Der
für das Bundesverwaltungsrecht in Art. 5 VwVG definierte Verfügungsbegriff
deckt sich inhaltlich mit dieser Umschreibung.

    Zur Verfügung gehört allemal, dass die Rechte und Pflichten der
Adressaten gestaltet bzw. festgestellt werden. Den Untersuchungen der
Kartellkommission kommt indessen keine solche Wirkung zu, bleibt doch
die rechtliche Stellung der Beteiligten vom Ausgang des Verfahrens
zunächst vollkommen unberührt. Die Kommission hat lediglich im Falle
festgestellter schädlicher Auswirkungen eines Kartells die Möglichkeit,
den Beteiligten neue Verhaltensweisen zu empfehlen (Art. 32 Abs. 1 KG). Die
Adressaten solcher Empfehlungen sind aber frei, ob sie sich danach richten
wollen oder nicht. Nur wenn die Empfehlungen abgelehnt oder nicht befolgt
werden, kann das Eidg. Volkswirtschaftsdepartement zu Massnahmen greifen,
die in der Form von Verfügungen erlassen werden müssen (Art. 37 KG).
Da die Beteiligten erst in diesem Stadium zu einem bestimmten Vorgehen
verpflichtet werden können, ist es durchaus sachgerecht, ihnen
die Verfahrensgarantien des VwVG erst von hier weg zuteil werden zu
lassen. Von dieser Betrachtungsweise hat sich wohl auch der Gesetzgeber
leiten lassen, sieht doch Art. 31 Abs. 2 KG bloss die sinngemässe Anwendung
von Art. 15-19 VwVG (d.h. der Regeln über die Beweiserhebung) vor. Wären
von der Kartellkommission weitere Vorschriften des VwVG zu beachten,
so hätte der Gesetzgeber ausdrücklich darauf verwiesen. Die Annahme
der Beschwerdeführerin, die Kartellkommission sei auch an die übrigen
Vorschriften des VwVG, insbesondere an jene über die Akteneinsicht und
das rechtliche Gehör, gebunden, findet somit im Gesetz keine Stütze.

    bb) Auch die Berufung der Beschwerdeführerin auf die allgemeinen
Grundsätze des Verfassungs- und Verwaltungsrechts geht fehl.

    Nach Art. 31 Abs. 4 KG haben die Beteiligten das Recht, sich vor
Verfahrensabschluss zu den tatsächlichen Feststellungen der Kommission
zu äussern. Damit ist aber der Rahmen des rechtlichen Gehörs durch
das Gesetz selbst abgesteckt. Die Regelung des Art. 31 KG wurde vom
Gesetzgeber offensichtlich im Hinblick auf die besonderen Anforderungen
des kartellgesetzlichen Untersuchungsverfahrens getroffen. Es steht
dem Bundesgericht aufgrund von Art. 114bis Abs. 3 BV nicht zu, diesen
gesetzgeberischen Entscheid im Anwendungsfall zu überprüfen, so dass es
ihm auch aus diesem Grund verwehrt ist, sich materiell mit der Beschwerde
zu befassen.