Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 113 IB 7



113 Ib 7

2. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 10.
April 1987 i.S. Kantonale Verwaltung für die direkte Bundessteuer Schwyz
gegen Welttheatergesellschaft Einsiedeln und Verwaltungsgericht des
Kantons Schwyz (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) Regeste

    Befreiung eines Vereins von der Steuerpflicht für das Vermögen
und Einkommen, das ausschliesslich gemeinnützigen Zwecken dient (Art.
16 Ziff. 3 BdBSt).

    1. Art. 16 Ziff. 3 BdBSt gewährt die Steuerbefreiung nicht schon bei
Gemeinnützigkeit schlechthin, sondern beschränkt sie auf ausschliesslich
gemeinnützige Zwecke (Bestätigung der Rechtsprechung; E. 2).

    2. Nicht jede die Allgemeinheit bereichernde Tätigkeit kultureller oder
künstlerischer Art ist ausschliesslich gemeinnützig. Ausschliesslich
gemeinnützig tätig ist ein Verein jedoch dann, wenn er - ohne
Eigeninteressen für sich oder seine Mitglieder zu verfolgen - künstlerisch
hochstehende Produktionen für eine breite Öffentlichkeit anbietet, die
nicht bloss der Unterhaltung dienen, sondern allgemeinbildenden und das
(geistige) Volkswohl fördernden Charakter haben (E. 3 und 4).

    3. Bei der Beurteilung dieser Fragen steht der kantonalen Instanz
ein gewisser Spielraum zu, in den das Bundesgericht nicht eingreift
(E. 3 und 4).

Sachverhalt

    A.- Unter dem Namen "Welttheatergesellschaft Einsiedeln" besteht ein
Verein mit Sitz in Einsiedeln im Sinne von Art. 60 ff. ZGB. Gemäss ihren
Statuten ist die Gesellschaft Trägerin der Aufführungen des Einsiedler
Grossen Welttheaters; ferner bezweckt sie, das kulturelle Leben in
Einsiedeln zu fördern. Im Falle der Auflösung der Gesellschaft darf
das Vereinsvermögen nicht unter die Mitglieder verteilt werden; es ist
vielmehr als "Stiftung zur Förderung des kulturellen Lebens in Einsiedeln"
dem Bezirk Einsiedeln mit der Auflage in Verwaltung zu geben, es einem
später zu gründenden Verein zu übergeben, welcher den gleichen Zweck wie
die heutige Welttheatergesellschaft verfolgt.

    In den letzten Jahrzehnten inszenierte der Verein in unregelmässigen
Abständen Aufführungen des barocken Sakramentsspiels "Das Grosse
Welttheater" von Don Pedro Calderon de la Barca (1600-1681) auf dem Platz
vor dem Kloster Einsiedeln. Diese Freilichtaufführungen, an denen mehrere
Hundert Personen aus Einsiedeln als Schauspieler, Statisten, Ordnungshüter
usw. beteiligt waren, stiessen jeweils auf grosses Publikumsinteresse. Eine
Neuinszenierung fand unter anderem im Sommer 1981 statt.

    Im Verfahren zur Veranlagung der direkten Bundessteuer 1983/84
(Berechnungsperiode 1981/82) stellte sich die Welttheatergesellschaft auf
den Standpunkt, sie verfolge einen ausschliesslich gemeinnützigen Zweck
und sei daher gestützt auf Art. 16 Ziff. 3 BdBSt von der Steuerpflicht zu
befreien. Die Kantonale Verwaltung für die direkte Bundessteuer Schwyz
wies dieses Begehren ab. Mit Urteil vom 19. September 1985 gewährte das
Verwaltungsgericht des Kantons Schwyz der Welttheatergesellschaft auf
Beschwerde hin die beantragte Steuerbefreiung. Die von der Kantonalen
Verwaltung für die direkte Bundessteuer Schwyz gegen dieses Urteil erhobene
Verwaltungsgerichtsbeschwerde weist das Bundesgericht ab aus den folgenden

Auszug aus den Erwägungen:

                         Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- a) Gemäss Art. 51 Abs. 1 lit. a BdBSt umfasst die direkte
Bundessteuer der Vereine an sich eine Steuer vom Einkommen und eine
Ergänzungssteuer vom Vermögen. Von der Steuerpflicht befreit sind
privatrechtliche Körperschaften wie die Vereine jedoch für das Vermögen
und Einkommen, das Kultus- und Unterrichtszwecken, der Fürsorge für
Arme und Kranke, für Alter und Invalidität oder andern ausschliesslich
gemeinnützigen Zwecken dient (Art. 16 Ziff. 3 BdBSt). Die Frage, ob
eine Körperschaft oder Anstalt gemäss Art. 16 Ziff. 3 BdBSt von der
Steuerpflicht befreit ist, kann ebenso wie bei den Gemeinden sowie
den andern öffentlich-rechtlichen und kirchlichen Körperschaften und
Anstalten im Sinne von Art. 16 Ziff. 2 BdBSt in jeder Veranlagungsperiode
neu geprüft werden (ASA 55, 217 ff. E. 3).

    b) Mit der Frage der Steuerbefreiung privatrechtlicher Körperschaften
und Anstalten wegen Gemeinnützigkeit hat sich das Bundesgericht
in reichhaltiger Rechtsprechung nicht nur zur direkten Bundessteuer
(bzw. früher zur Wehrsteuer), sondern auch zur Stempelabgabe, zur neuen
ausserordentlichen Kriegssteuer, zur Krisenabgabe und zum Wehropfer befasst
(vgl. dazu die Hinweise in BGE 76 I 202 E. 1; 74 I 311 E. 1; 71 I 124/5
E. 1; 66 I 180 ff. E. 1; ASA 16, 351/2; 14, 242 E. 2). Dabei hat es diesen
Steuerbefreiungstatbestand durchwegs in sehr engem Sinne interpretiert und
stets festgehalten, dass Art. 16 Ziff. 3 BdBSt (bzw. die entsprechenden
Bestimmungen in den anderen Bundessteuererlassen) die Steuerbefreiung
den privatrechtlichen Körperschaften nicht schon bei Gemeinnützigkeit
schlechthin gewähre, sondern sie auf ausschliesslich gemeinnützige Zwecke
beschränke. Der Begriff der ausschliesslichen Gemeinnützigkeit wurde
in ständiger Rechtsprechung nicht in dem weiten Sinne verstanden, der
jede Betätigung im Dienste der Allgemeinheit umfasst und der auch alle
Bestrebungen einschliessen würde, welche irgendwie auf wirtschaftliche
oder soziale Förderung einzelner Bevölkerungskreise gerichtet sind (BGE
76 I 202 E. 1; 74 I 311 E. 1; 71 I 124 E. 1; 66 I 180/1 E. 1; 63 I 319
E. 2; ASA 25, 360 E. 1; 20, 247/8 E. 1; 14, 242 E. 2). Als wesentlich
wurde angesehen, dass es sich seitens der Körperschaft, die Anspruch
auf Steuerbefreiung erhebt, und ihrer Mitglieder um eine uneigennützige
Wirksamkeit handelt, bei der zum allgemeinen Besten Opfer gebracht werden
(BGE 76 I 202 E. 1 und die oben zitierten Urteile). Dies ist dann nicht
der Fall, wenn mit einer gemeinnützigen Zielsetzung auch Erwerbszwecke oder
sonst eigene, unmittelbare Interessen der Mitglieder verknüpft sind (BGE 73
I 324 E. 1, mit Hinweisen). Der Tatbestand der Steuerbefreiung nach Art. 16
Ziff. 3 BdBSt ist demnach wesentlich enger gefasst als vergleichbare
Steuerbefreiungen in verschiedenen kantonalen Steuergesetzen, die teilweise
die Verfolgung eines bloss ideellen Zweckes genügen lassen (vgl. z.B. §
5 lit. d des Steuergesetzes des Kantons Schwyz vom 28. Oktober 1958).

    Ein Verein wird - wie das Bundesgericht ebenfalls erkannt hat -
auch nicht ausschliesslich dadurch gemeinnützig, dass er von einem
Gemeinwesen Subventionen erhält. Es liegt kein Widerspruch darin, wenn
einer Unternehmung, die aus öffentlichen Mitteln unterstützt wird, die
Steuerfreiheit versagt wird (BGE 73 I 320, mit Hinweisen).

    An dieser langjährigen und konstanten Praxis zu Art. 16 Ziff. 3 BdBSt
ist grundsätzlich festzuhalten.

Erwägung 3

    3.- a) Die Verfolgung kultureller Zwecke wird gelegentlich generell
als gemeinnützig bezeichnet (vgl. das obiter dictum in BGE 73 I 321 E.
4 sowie KÄNZIG, Wehrsteuer, 2. Aufl., N 15 zu Art. 16 WStB, S. 173). Diese
undifferenzierte Betrachtungsweise geht indessen im Hinblick auf
den engen Wortlaut von Art. 16 Ziff. 3 BdBSt zu weit (vgl. zum enger
verstandenen Begriff der Gemeinnützigkeit auch GEERING, Gemeinnützigkeit
als Befreiungsgrund bei kantonalen und eidgenössischen Steuern, in
Vierteljahresschrift für Schweizerisches Abgaberecht VIII/1927 S. 297/8).

    Nicht jede die Allgemeinheit bereichernde Tätigkeit kultureller
oder künstlerischer Art ist ausschliesslich gemeinnützig, und zwar
selbst dann nicht, wenn sie sich an ein breites Publikum richtet. So
kann etwa bei Veranstaltungen mit bloss unterhaltendem Charakter
nicht von Gemeinnützigkeit gesprochen werden (BGE 63 I 319/320
E. 2). Gemeinnützigkeit dürfte dagegen z.B. vorliegen, wenn von
einem Verein künstlerische Publikumsveranstaltungen zur uneigennützigen
Förderung von Künstlern durchgeführt werden, die einer solchen Förderung
bedürfen (vgl. in diesem Sinne etwa BGE 69 I 27 ff.). Sodann wird
man Gemeinnützigkeit annehmen können, wenn künstlerisch hochstehende
Produktionen für eine breite Öffentlichkeit angeboten werden, die nicht
bloss der Unterhaltung des Publikums dienen, sondern allgemeinbildenden und
das (geistige) Volkswohl fördernden, allenfalls auch religiös erbauenden
Charakter haben. So wurde etwa die Musikpflege, wie sie in Basel von den
grossen Konzertgesellschaften unter Inanspruchnahme der Konzertsäle der
Casino-Gesellschaft betrieben wurde, als gemeinnützig angesehen (BGE 63
I 318/9 E. 1).

    In einem neueren Entscheid zum kantonalen Steuerrecht ist das
Bundesgericht noch weiter gegangen, indem es sogar unter dem beschränkten
Gesichtswinkel der Willkürkognition einen zoologischen Garten - im
weiten Sinne ebenfalls Bestandteil unserer Kultur - als nicht bloss der
Unterhaltung und Zerstreuung der Besucher dienend betrachtete, sondern
einem solchen unter fachkundiger wissenschaftlicher Leitung stehenden
Betrieb eine bedeutende soziale Funktion und deshalb Gemeinnützigkeit
beimass, da er zur Förderung des Verständnisses für Tiere, den Tierschutz
usw. beiträgt (nicht veröffentlichte E. 9a des Urteils vom 18. März 1983
i.S. Zoologischer Garten Basel AG [BGE 109 Ia 335 ff.]).

    b) Es liegt allerdings auf der Hand, dass die Grenzziehung zwischen
bloss unterhaltenden und kulturell wertvollen, dem Allgemeinwohl dienenden
Zwecken heikel ist und es kaum Aufgabe der Steuerbehörde sein kann, über
den Wert oder Unwert kultureller Veranstaltungen zu befinden (vgl. dazu
auch NIGGLI, Gemeinnützigkeit als Steuerbefreiungsgrund, Diss. Zürich
1945, S. 124/5). In der Praxis dürfte sich dieses Abgrenzungsproblem
indessen selten stellen. Denn wesentlich ist ausserdem, dass kulturelle
und künstlerische Tätigkeiten nur dann ausschliesslich gemeinnützig sind,
wenn mit ihnen keine Eigeninteressen des Vereins und seiner Mitglieder
verfolgt werden (vgl. dazu etwa das bei VON MANDACH, Die Gemeinnützigkeit
im schweizerischen Steuerrecht, Diss. Bern 1945, S. 34, erwähnte Beispiel
eines öffentlichen Vortrages kultureller Art, der gleichzeitig Werbezwecken
dient) und wenn vom Verein und seinen Mitgliedern in selbstloser Weise
Opfer erbracht werden (BGE 63 I 319 E. 1).

    Bei der Beurteilung all dieser Fragen im Einzelfall steht den
kantonalen Instanzen und insbesondere den kantonalen Rekurskommissionen und
Verwaltungsgerichten, die der Sache näher stehen und lokale Verhältnisse
besser kennen als das Bundesgericht, ein gewisser Spielraum zu, in den
das Bundesgericht jedenfalls in Grenzfällen nicht eingreift.

Erwägung 4

    4.- a) Es ist unbestritten, dass die von der Beschwerdegegnerin
verfolgten Ziele der Förderung der Kultur in Einsiedeln im allgemeinen und
der Aufführung des religiösen Sakramentsspiels "Das Grosse Welttheater"
im speziellen im Interesse der Allgemeinheit liegen. Unbestritten ist
auch, dass die Aufführungen des Grossen Welttheaters das wiederkehrende
kulturelle Grossereignis im Kanton Schwyz darstellen und dass sie
national, ja international Echo und Anerkennung hervorrufen. Dass
die Beschwerdegegnerin damit das Volkswohl fördert und einem breiten
Publikum religiöse Erbauung sowie einen bedeutsamen Kunstgenuss bietet,
liegt auf der Hand. Möglich wird dies nur durch einen grossen Einsatz der
Hunderten von Mitwirkenden während der Proben und Aufführungen. Tätigkeit
und Zwecksetzung der Beschwerdegegnerin können an sich ohne weiteres als
gemeinnützig bezeichnet werden.

    b) Heikler ist im vorliegenden Fall die Frage, ob die
Beschwerdegegnerin ausschliesslich gemeinnützig wirkt. Die Tatsache, dass
sie von den Zuschauern einen für derartige kulturelle Veranstaltungen
marktüblichen Eintrittspreis verlangt und z.B. die finanzielle
Leistungsfähigkeit des Theaterbesuchers für dessen Bemessung keine Rolle
spielt, spricht eher gegen ausschliessliche Gemeinnützigkeit. Dagegen
fallen die den Mitwirkenden sowie den Mitgliedervereinen und dem Kloster
Einsiedeln ausgerichteten Beiträge im Verhältnis zum Aufwand und zu den
Leistungen, die diese Personen und Vereine sowie das Kloster erbringen,
nicht allzu stark ins Gewicht; die Ausrichtung von geringfügigen
Entschädigungen, die in keinem Verhältnis zu den erbrachten Leistungen
stehen, muss einer Tätigkeit nicht den Charakter ausschliesslicher
Gemeinnützigkeit nehmen (vgl. etwa BGE 76 I 197 ff.). Dass die
Theateraufführungen der Beschwerdegegnerin für den Bezirk Einsiedeln
von grosser volkswirtschaftlicher Bedeutung sind, ist eine Nebenfolge
dieser Tätigkeiten, die nicht mit ihrer Zwecksetzung zusammenhängt
(und in der Vergangenheit wohl nicht von dieser Bedeutung war); sie mag
allerdings für manche Einsiedler Motiv zum Mitwirken an den Aufführungen
der Beschwerdegegnerin sein und könnte allenfalls die ausschliessliche
Gemeinnützigkeit ihrer Tätigkeit in Frage stellen. Das Bundesgericht kann
indessen kaum beurteilen, ob die Fortsetzung einer alten, auf religiösen
Motiven beruhenden Spieltradition heute durch solche und ähnliche nicht
uneigennützige Beweggründe der Vereinsmitglieder (juristischen Personen)
und der Mitwirkenden wesentlich beeinflusst wird.

    c) Im Lichte des engen Wortlautes von Art. 16 Ziff. 3 BdBSt
und der entsprechenden bundesgerichtlichen Praxis handelt es sich um
einen Grenzfall. Es lassen sich gute Gründe für und gegen die Annahme
ausschliesslicher Gemeinnützigkeit anführen. Unter diesen Umständen
besteht für das Bundesgericht kein Anlass, in den dem Verwaltungsgericht
des Kantons Schwyz zustehenden Beurteilungsspielraum einzugreifen und
vom Urteil dieser Instanz abzuweichen.