Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 113 IB 39



113 Ib 39

7. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung
vom 1. Juli 1987 i.S. R. gegen Berner Alpenbahn-Gesellschaft
Bern-Lötschberg-Simplon (BLS) und Eidgenössische Schätzungskommission,
Kreis 6 (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) Regeste

    Enteignung; Entschädigung für einen Gasthof.

    Begriff des Verkehrswertes und des subjektiven Schadens;
Möglichkeit, die Enteignungsentschädigung aus objektiven und subjektiven
Schadenselementen zusammenzusetzen, ohne dadurch Schadensposten doppelt
zu vergüten (E. 2a). Wird ein Unternehmen enteignet, ist neben der
Verkehrswert- in der Regel auch eine Inkonvenienzentschädigung zu bezahlen
(E. 2b).

    Bestimmung des Verkehrswertes einer Gasthof-Liegenschaft und des
dazugehörenden Parkplatzes ohne Berücksichtigung einer nur angeblich
möglichen besseren Verwendung im Sinne von Art. 20 Abs. 1 EntG (E. 3,
4). Festsetzung des Kapitalisierungsfaktors für die Ertragswertberechnung
(E. 4b).

    Verliert der Enteignete durch die Expropriation seines Unternehmens
auch seine Arbeitsstelle, so ist der Ausfall des Eigenlohns ausnahmsweise
auch auf längere Zeit zu ersetzen, wenn dem Enteigneten eine andere
Erwerbstätigkeit nicht mehr zugemutet werden oder er nicht mehr das gleiche
Einkommen erzielen kann (E. 2b). Anwendungsfall (E. 5). Berechnung des
als weiterer Nachteil (Art. 19 lit. c EntG) zu vergütenden vermutlichen
Einkommensverlustes (E. 5a). Kontrolle anhand einer Gegenüberstellung
von Verkehrswert- samt Inkonvenienzentschädigung und subjektivem Schaden
(E. 5b).

Sachverhalt

    A.- Auf Ersuchen der Berner Alpenbahn-Gesellschaft
Bern-Lötschberg-Simplon (BLS) leitete der Präsident der Eidgenössischen
Schätzungskommission, Kreis 6, ein Enteignungsverfahren zum Erwerb der in
Spiez gelegenen Grundstücke Nrn. 437 und 442 ein, die für die Erweiterung
des Bahndepots und der Werkstätte benötigt wurden. Eigentümer der beiden
Grundstücke war R., der lange Jahre zusammen mit seiner Familie den auf
Parzelle Nr. 437 stehenden Gasthof "Löwen" führte. Da sich die Parteien
über die Höhe der Enteignungsentschädigung nicht einigen konnten,
sprach die Schätzungskommission dem Enteigneten schliesslich eine
Verkehrswertentschädigung von Fr. 626'000.-- für die beiden Parzellen,
Fr. 100'000.-- für Inkonvenienzen sowie Fr. 26'000.-- für das fest
mit dem Gebäude verbundene Inventar zu. Gegen diesen Entscheid hat R.
Verwaltungsgerichtsbeschwerde erhoben, die vom Bundesgericht teilweise
gutgeheissen wird.

Auszug aus den Erwägungen:

                     Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- a) Die Enteignungsentschädigung für ein Grundstück bemisst sich
in erster Linie am Verkehrswert, das heisst am Wert, den es aufgrund der
bisherigen Nutzung oder einer möglichen besseren Verwendung für einen
beliebigen Käufer aufweist (BGE 106 Ib 228 E. 3a). Dem Enteigneten wird
somit grundsätzlich jene Summe zugesprochen, die er beim Verkauf seiner
Liegenschaft vom Käufer erhalten hätte. Dagegen spielt keine Rolle,
welchen Betrag der Enteignete bezahlen muss oder müsste, um sich ein neues
Grundstück zu beschaffen; die Enteignungsentschädigung ist lediglich
ein Wertausgleich und bemisst sich nicht nach den Beschaffungskosten
für ein Ersatzobjekt (BGE 106 Ib 231 E. 3c, 112 Ib 536 E. 4). Übersteigt
allerdings das finanzielle Interesse des Enteigneten an der Weiternutzung
seiner Liegenschaft deren Verkehrswert, so ist der sog. subjektive Schaden
zu vergüten, der dadurch entsteht, dass die gegenwärtige oder in Aussicht
genommene Verwendung des Grundstücks verunmöglicht oder eingeschränkt wird
(BGE 106 Ib 228 E. 3a, 230 E. 3c). In diesem Fall wird also angenommen,
der Enteignete hätte sein Grundstück weiterhin behalten, und ermittelt,
welcher Nutzen ihm nun entgeht und welche Aufwendungen ihm durch die
Enteignung entstehen (BGE 112 Ib 536 E. 4).

    Liegen demnach der Verkehrswertberechnung und der Bestimmung
des subjektiven Schadens zwei sich dem Grundsatze nach gegenseitig
ausschliessende Annahmen zugrunde - einerseits, das fragliche
Grundstück wäre verkauft, andererseits, es wäre vom bisherigen Eigentümer
weitergenutzt worden -, so dürfen die Bestandteile des objektiven Wertes
und des subjektiven Schadens nicht vermischt und dadurch Schadensposten
doppelt vergütet werden (BGE 109 Ib 38, 106 Ib 228; vgl. HESS/WEIBEL,
Das Enteignungsrecht des Bundes, Bd. I S. 237 ff.). Das heisst allerdings
nicht, dass bei der Ermittlung der Enteignungsentschädigung unter Umständen
nicht auch von differenzierteren Hypothesen ausgegangen werden dürfte,
die sowohl den Verkauf wie auch eine Weiternutzung ins Auge fassen: Das
Enteignungsrecht verbietet die Annahme nicht, der Enteignete hätte nur
einen Teil seines Grundstückes veräussert und den Rest behalten, oder, er
hätte seine Liegenschaft zunächst noch weitergenutzt und erst in einigen
Jahren ganz oder teilweise verkauft. In solchen Fällen kann sich die
Enteignungsentschädigung aus objektiven und subjektiven Schadenselementen
zusammensetzen, ohne dass sich dabei Widersprüche ergeben müssten.

    b) Wird ein Grundstück enteignet, auf dem der Eigentümer ein
Unternehmen betreibt, wird durch Bezahlung des Verkehrswertes der
Betriebsanlagen und -gebäude (aufgrund des Real- oder Ertragswertes)
der entstehende Schaden nicht immer voll gedeckt, da der Unternehmer
nicht nur den aus dem Grundstück fliessenden Ertrag, sondern auch seine
Arbeitsstelle und damit seinen Lohn verliert. In solchen Fällen lassen sich
die Inkonvenienzen (bzw. der den Verkehrswert übersteigenden subjektiven
Schaden) nicht leicht ermitteln. Deren Höhe hängt insbesondere davon ab,
ob der Betrieb verlegbar sei oder, aus objektiven oder in der Person des
Enteigneten liegenden Gründen, nicht mehr an anderer Stelle errichtet
werden könne. Selbst wenn aber ein Unternehmen nicht verlegt werden kann,
fällt eine Entschädigung für den Erwerbs- oder Gewinnausfall in der Regel
nur für eine Übergangszeit und einzig dann für einen längeren Zeitraum
in Betracht, wenn dem Enteigneten eine andere Erwerbstätigkeit nicht mehr
zugemutet werden kann oder wenn er bei dieser aller Voraussicht nach nicht
mehr das gleiche Einkommen erzielt. Diese Einschränkung rechtfertigt
sich einerseits, weil bloss die - ersetzbaren - Produktionsmittel
von der Enteignung betroffen werden, dagegen die Arbeitskraft und der
Unternehmergeist des Enteigneten an sich unberührt bleiben, und findet
ihren Grund andererseits in der auch den Enteigneten treffenden Pflicht
zur Schadensverminderung (vgl. zum Ganzen BGE 109 Ib 36 E. 4a).

Erwägung 3

    3.- Die Schätzungskommission hat die Verkehrswertentschädigung
für die 138 m2 umfassende Parzelle Nr. 422, die als Parkplatz für den
Gasthof "Löwen" diente, gesondert auf Fr. 120.--/m2 festgelegt, ohne
diese Schätzung näher zu erläutern. Der Enteignete bringt hiezu vor,
er hätte die Parkplätze für monatlich je Fr. 25.-- vermieten können,
was bei der Bewertung mitzuberücksichtigen sei. Dagegen wendet die BLS in
der Vernehmlassung ein, sie habe sich in einem 1969 mit R. geschlossenen
Vertrag damit einverstanden erklärt, dass das fragliche Grundstück als
Parkplatz eingerichtet und die bahneigene Wegparzelle Nr. 3455 als Zufahrt
benützt werde; diese Rechte seien jedoch nur auf Zusehen hin erteilt worden
und könnten jederzeit widerrufen werden. Ausserdem stehe dem "Löwen"
nach der kantonalen Bauverordnung und dem Baureglement der Gemeinde
Spiez nicht genügend Parkfläche zur Verfügung, so dass eine Vermietung
auch aus diesem Grunde nicht in Frage gekommen wäre. Die Voraussetzungen
zu einer besseren Nutzung des Grundstücks waren demnach offenbar nicht
gegeben. Es wäre ohnehin unverständlich, dass seit Jahr und Tag auf die
nun vorgeschlagene Verwendung und die damit verbundene Ertragssteigerung
verzichtet worden wäre, wenn die Parzelle Nr. 442 tatsächlich - wie der
Beschwerdeführer behauptet - ohne weiteres an Dritte hätte vermietet
werden können. Die nur angeblich mögliche bessere Verwendung kann daher
bei der Bestimmung des Verkehrswertes keine Rolle spielen. Übrigens
hätte die Schätzungskommission das baulich voll ausgenutzte oder sogar
übernutzte Grundstück Nr. 437 und die ausschliesslich diesem dienende
Parzelle Nr. 442 als wirtschaftliche Einheit betrachten (vgl. BGE 106 Ib
387 E. 3b) und gemeinsam bewerten dürfen. Dies hätte bei Anwendung der
von der Schätzungskommission gewählten Lageklassen-Methode dazu geführt,
dass der Wert der Parzelle Nr. 442 im Land-Anteil von 19% des Gesamtwertes
der Liegenschaft aufgegangen wäre und der Bodenpreis beider Grundstücke
vom hohen Quadratmeterpreis von Fr. 396.-- auf durchaus vertretbare
Fr. 335.--/m2 gesunken wäre. Da jedoch die Parzelle Nr. 442 wohl auch
für sich allein, losgelöst vom Grundstück Nr. 437, einen Käufer gefunden
hätte, ist von einer solchen Korrektur zu Ungunsten des Beschwerdeführers
abzusehen.

Erwägung 4

    4.- a) Der Beschwerdeführer beanstandet zu Recht nicht, dass der
Verkehrswert der Gasthof-Liegenschaft Nr. 437 unter Berücksichtigung
des Real- und des Ertragswertes ermittelt worden ist, und kritisiert
auch die Realwertberechnung nur in einem einzigen Punkte, nämlich in
bezug auf den Kubikmeterpreis für den Speisesaal-Anbau. Nach Meinung
des bundesgerichtlichen Experten wird mit den angenommenen Baukosten
von Fr. 420.--/m3 jedoch - nach den Fotos und weiteren Unterlagen zu
urteilen - den Installationen und dem Ausbaugrad des Saales gebührend
Rechnung getragen und drängt sich eine Erhöhung des Kubikmeterpreises
nicht auf. Im weiteren hat der Gutachter auch die von der Enteignerin
in der Beschwerdeantwort verlangte Änderung der Kubatur abgelehnt.
Da das Bundesgericht in solchen Schätzungs- und Berechnungsfragen an
die Auffassung seiner Experten gebunden ist, sofern ihr Gutachten weder
irrtümliche Feststellungen noch Lücken oder offensichtliche Widersprüche
enthält (BGE 104 Ib 85 E. 4, 101 Ib 408 E. 3b), besteht kein Anlass,
von der Realwertberechnung der Schätzungskommission abzuweichen.

    b) Bei der Festsetzung des Ertragswertes hat sich die
Schätzungskommission weitgehend auf das Gutachten von Architekt Naegeli
gestützt, der von einem Gesamtumsatz von Fr. 291'824.-- und einem Mietwert
(Umsatzzins) von Fr. 29'712.-- ausgegangen ist. Der Beschwerdeführer
macht in diesem Zusammenhang geltend, es sei entweder dem Umstand Rechnung
zu tragen, dass der Enteignete dank des Einsatzes seiner Familie trotz
niedrigem Umsatz einen überdurchschnittlichen Ertrag habe erwirtschaften
können, oder von einem erreichbaren höheren Umsatz auszugehen. Auch dieser
Einwand erweist sich als unbegründet. Im Gutachten Naegeli sind nicht
die tatsächlichen Umsatzzahlen, die dem Experten nicht bekannt waren,
übernommen, sondern Beträge angenommen worden, die "irgend ein tüchtiger
Gastwirt auf diesem Objekt erzielen könnte". Es bestand daher kein Grund,
die besonderen Familienbetriebs-Verhältnisse des Enteigneten irgendwie
wertvermehrend zu berücksichtigen, die ja auch für Kaufsinteressenten
keine Rolle spielen konnten. Im übrigen liegt der angenommene Betrag von
rund Fr. 292'000.-- deutlich über den in den Jahresrechnungen 1977 und
1978 vom Enteigneten ausgewiesenen Umsatzzahlen von rund Fr. 231'000.--
bzw. Fr. 223'000.--. Über den in den nachfolgenden Jahren erreichten Umsatz
ist weder den Akten noch der Beschwerde etwas zu entnehmen. Eine Erhöhung
des auf Fr. 29'712.-- geschätzten Mietwertes fällt daher nicht in Betracht.

    Im weiteren bringt der Beschwerdeführer vor, die Hotelzimmer könnten
ohne weiteres in Wohnungen umgewandelt und als solche mit besserer Rendite
vermietet werden. Wie schon dargelegt, ist jedoch die Möglichkeit einer
besseren Verwendung (Art. 20 Abs. 1 EntG) nur dann zu berücksichtigen,
soweit sie als real erscheint und nicht auf bloss theoretischen
und spekulativen Plänen beruht (vgl. DUBACH, Die Berücksichtigung
der besseren Verwendungsmöglichkeit, ZBl 79/1978, S. 3 f.). Nun ist
äusserst fraglich, ob die vom Enteigneten vorgeschlagene Nutzungsänderung
angesichts der Tatsache, dass das Grundstück Nr. 437 in einer Bauzone mit
Ausnützungsziffer 0,65 lag, die Bruttogeschossfläche des Gasthofes aber
grösser war als die Parzellenfläche, von der Baubehörde überhaupt bewilligt
worden wäre. Bezeichnenderweise hat der Beschwerdeführer einen solchen
Umbau auch nie angestrebt. Übrigens vergisst er bei seiner Berechnung,
vom Mehrertrag der vermieteten Wohnungen die Unkosten abzuziehen, die
ihm und seiner Familie durch den Auszug aus dem "Löwen" und die Miete
einer zweifellos teueren Bleibe entstanden wären. Insgesamt erscheint das
Vermietungs-Projekt als zu wenig realistisch, als dass es den Ertragswert
der Liegenschaft zu beeinflussen vermöchte.

    Hingegen ist die Ertragswertberechnung hinsichtlich des
Kapitalisierungssatzes zu korrigieren. Zunächst stellt sich die Frage, ob
der Schätzungskommission in diesem Punkte nicht ein Versehen unterlaufen
sei. Im Gutachten Naegeli, von dem die Kommission ausgegangen ist,
wird der Kapitalisierungssatz durch Zuschlag vom 3 1/4% zum Zinsfuss
für 1. Hypotheken von 5% auf 8 1/4% festgesetzt. Hiezu führt die
Schätzungskommission aus, sie wende im Gegensatz zu Naegeli "den
Kapitalisierungssatz von 8% an, um dem gegenüber einem verpachteten
Betrieb verminderten Unternehmensrisiko eines Klein-Familienbetriebes
angemessen Rechnung zu tragen (Zuschlag zum Zinssatz für 1. Hypotheken
somit 2%)". Ein Zuschlag von 2% zu dem nach Naegeli massgebenden
Hypothekar-Zinssatz von 5% würde aber zu einem Kapitalisierungssatz von
nur 7% führen; die Schätzungskommission hätte sich somit verrechnet,
falls sie nicht, ohne dies zu sagen, vom im Jahre 1982 allgemein gültigen
Zinssatz von 6% ausgegangen ist. Wie dem auch sei, jedenfalls erscheint
ein Kapitalisierungssatz von 7% im vorliegenden Falle als angemessener
als jener von 8%. Wenn es auch richtig ist, bei der Wahl dieses Faktors
vom üblichen Zinssatz für 1. Hypotheken auszugehen, so kann in Zeiten
stark und in rascher Folge ändernder Hypothekarzinssätze nicht einfach
von dem zufällig am Stichtag geltenden Zinssatz ausgegangen werden,
da die Grundstückspreise den Schwankungen dieses Satzes nicht folgen
und der Ertragswert nicht die Rendite einer Liegenschaft in einem
bestimmten Moment, sondern den durchschnittlichen Ertrag während der
ganzen Lebensdauer oder der Restlebensdauer der auf dem Grundstück
stehenden Bauten widerspiegeln soll. Es rechtfertigt sich hier deshalb,
von einem Mittelwert von 5% auszugehen (gemäss statistischem Jahrbuch
beträgt der Durchschnittswert der Zinssätze für 1. Hypotheken 1962-1982
4,9% und 1972-1982 5,24%), und - ähnlich wie die Schätzungskommission -
dem geringen Risiko einer kleineren Gaststätte mit fester Kundschaft
Rechnung tragend, einen Zuschlag von 2% vorzunehmen. Aus dem Mietwert
von jährlich Fr. 29'712.-- ergibt sich demnach kapitalisiert zu 7% ein
Ertragswert von rund Fr. 425'000.--.

    c) Nach dem bundesgerichtlichen Experten darf zur Ermittlung des
Verkehrswertes der Realwert gegenüber dem nunmehr höheren Ertragswert
etwas stärker gewichtet und die Verkehrswertformel (3 x Ertragswert +
1 x Realwert): 4 gewählt werden. Dies führt zu einem Verkehrswert der
Parzelle Nr. 437 von Fr. 710'000.--, das heisst zu einer um Fr. 100'000.--
erhöhten Entschädigung.

Erwägung 5

    5.- Mit der Vergütung des Verkehrswertes der beiden enteigneten
Parzellen wird der dem Enteigneten entstehende Schaden, wie die
Schätzungskommission zu Recht festgestellt hat, nicht vollständig
abgegolten. Der im Zeitpunkt der Enteignung 56jährige R. hat den Gasthof
"Löwen" seit etwa 25 Jahren allein mit seiner um sieben Jahre älteren
Ehefrau und der nun betagten Schwiegermutter geführt. Durch die Enteignung
wird ihm nicht nur der Realwert seiner Liegenschaften bzw. die Möglichkeit
entzogen, aus diesen einen Ertrag (sog. Eigenmiete) zu erwirtschaften, mit
dem er das Eigen- sowie das Fremdkapital verzinsen, den Gebäudeunterhalt
bestreiten, die Baukosten amortisieren und die Liegenschaftssteuern
begleichen kann, sondern er verliert auch seine Arbeitsstätte und die
Verdienstmöglichkeit der ganzen Familie, somit seine Existenzgrundlage.

    Die Schätzungskommission hat diesem Umstand durch Zusprechung
einer Inkonvenienzentschädigung von Fr. 100'000.-- Rechnung zu tragen
versucht, in der Annahme, dass es dem Enteigneten spätestens nach einem
halben Jahr gelingen werde, ein geeignetes Ersatzobjekt zu finden und
einen neuen Betrieb zu eröffnen. Dem Enteigneten kann jedoch in seinem
Alter wohl noch eine weitere Erwerbstätigkeit, nicht dagegen zugemutet
werden, von Grund auf neu anzufangen und einen fremden Betrieb mit all
seinen Risiken zu übernehmen. Ob ihm dies angesichts seines offenbar
geringen Eigenkapitals überhaupt möglich wäre, kann offenbleiben. Auch
als Pächter haben die Eheleute R. auf dem Arbeitsmarkt keine günstigen
Aussichten mehr und kann ohnehin von der Ehefrau nicht erwartet werden,
dass sie nach ihrem langjährigen Wirken im eigenen Gasthof im Alter von
63 Jahren noch in ein Angestelltenverhältnis trete. Für die Berechnung
der Inkonvenienzentschädigung ist deshalb von der Annahme auszugehen, dass
der Gasthof "Löwen", wäre die Enteignung nicht erfolgt, noch etwa zehn bis
zwölf Jahre in gleicher Weise weitergeführt worden wäre - wobei allerdings
kaum noch auf die Mithilfe der Schwiegermutter hätte gezählt werden können
-, während nun als Folge der Expropriation die Erwerbsmöglichkeit der
Ehefrau des Enteigneten dahinfällt und dessen eigener Lohn geringer wird.

    a) Aus der Expertise Naegeli geht hervor, dass sich die Eheleute
R. für ihre Tätigkeit im Betrieb bei freier Kost und Unterkunft
einen Netto-Lohn von jährlich rund Fr. 90'000.-- gutschreiben
konnten. Nach der Expropriation wird das Einkommen des Enteigneten
aller Voraussicht nach Fr. 55-60'000.-- nicht übersteigen, so dass
sich als weiterer Nachteil ein Verdienstausfall von Fr. 30-35'000.--
pro Jahr ergibt. Bei der Kapitalisierung der gemäss Annahme zehn bis
zwölf Jahre anhaltenden Einbusse kann unter analoger Anwendung der
haftpflichtrechtlichen Entschädigungsgrundsätze von einem Zinssatz von 3
1/2% ausgegangen werden, doch müssen in diesem Fall die das Krankheits-
und Invaliditätsrisiko einschliessenden Kapitalisierungsfaktoren
(Aktivitätstafeln Stauffer/Schaetzle) angewendet werden. Bei Berechnung
einer gewöhnlichen Zeitrente wäre der Zinssatz entsprechend zu erhöhen. Wie
im einzelnen auch gerechnet wird (Barwert einer zehn- bis zwölfjährigen
Rente von Fr. 30-35'000.-- für einen männlichen Aktiven im Alter von 56
Jahren bzw. eine weibliche Aktive im Alter von 63 Jahren, vgl. Tafeln
23 und 24, oder Zeitrente für eine Dauer von zehn bis zwölf Jahren,
Zins 5%-6%, vgl. Tafel 64), ergibt sich ein Durchschnittsbetrag von
rund Fr. 250'000.--, der dem Enteigneten unter dem Titel Inkonvenienzen
zusätzlich zu vergüten ist.

    b) Die Enteignerin wendet gegen die Zusprechung dieser
Inkonvenienzentschädigung ein, wer eine Verkehrswertentschädigung
beanspruche, könne nicht noch die Vergütung eines mittelbaren Schadens
fordern, das heisst verlangen, wertmässig so gestellt zu werden, wie
wenn er nicht veräussert hätte. Würde neben dem objektiven Verkehrswert
noch der Ertragsausfall ersetzt, so führe dies zwangsläufig zu einer
Entschädigungskumulierung. Dass hier jedoch keine Schadensposten doppelt
vergütet werden, zeigt folgende Kontrollrechnung:

    Hätte der Enteignete den Gasthof "Löwen" noch zehn Jahre weitergeführt
und erst dann verkauft, so hätte er am Stichtag über folgende
Vermögenswerte verfügt:

    Umsatzzins während zehn Jahren (Barwert einer

    zehnjährigen Rente von Fr. 29'712.--, Zinssatz

    7%, Kapitalisierungsfaktor* 7.023582)              Fr.   208'685.--

    Lohn der Eheleute während zehn Jahren (Barwert

    einer zehnjährigen Rente von Fr. 90'000.--,

    Kapitalisierungsfaktor gemäss Stauffer/Schaetzle,

    Tabelle 23/24 interpol. 7.56)                            680'400.--

    freie Kost und Logis während zehn Jahren,

    geschätzt auf jährlich Fr. 15'000.--

    (Kapitalisierungsfaktor 7.56)                            113'400.--

    Wert des Gasthofes in zehn Jahren (Zinssatz

    7%, Abzinsungsfaktor* 0.508349)                          369'061.--
                                                        ----------------

    Total                                              Fr. 1'371'546.--

    * gemäss den Tabellen in:

    L'expertise des biens immobiliers, Fédération internationale des

    professions immobilières, FIABC/Suisse

    Diesem subjektiven Schaden sind die dem Beschwerdeführer zuerkannten
Entschädigungen sowie das voraussichtlich noch erzielbare Einkommen
gegenüberzustellen, nämlich:

    Verkehrswertentschädigung                          Fr.   710'000.--

    Inkonvenienzentschädigung                                250'000.--

    vermuteter anderweitiger Verdienst des Enteigneten

    von Fr. 55'000.-- während zehn Jahren

    (Kapitalisierungsfaktor 7.59)                            417'450.--
                                                        ----------------

    Total                                              Fr. 1'377'450.--

    Die geringe Differenz zwischen den beiden Gesamtbeträgen beweist, dass
der Enteignete durch die Inkonvenienzentschädigung nicht bereichert wird.

    c) Wird der Enteignete für den Lohnausfall entschädigt, den er bei
vorläufiger Weiterführung seines Betriebes hätte vermeiden können, so
steht ihm kein Anspruch auf Ersatz von Umzugs-, Liquidations-, höheren
Mietkosten usw. zu, da diese auch bei späterer Aufgabe des Betriebes
angefallen wären (vgl. BGE 106 Ib 230 E. 3c).