Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 113 IB 363



113 Ib 363

57. Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 11. Dezember 1987
i.S. Zentralverband Schweizerischer Milchproduzenten gegen Mifa AG und
Eidgenössisches Departement des Innern und i.S. Butyra gegen Mifa AG und
Eidgenössisches Departement des Innern (Verwaltungsgerichtsbeschwerden)
Regeste

    Lebensmittelverordnung; Legitimation zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde
(Art. 103 lit. a OG).

    Legitimation des Dritten zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen die
lebensmittelpolizeiliche Zulassung eines Produktes (E. 2 und 3).

Sachverhalt

    A.- Die Mifa AG, Frenkendorf, eine Tochtergesellschaft des
Migros-Genossenschaftsbundes, hat ein Verfahren entwickelt, um aus einem
Gemisch von Wasser (60%), eingesottener Butter (35,9%) und Sonnenblumenöl
(3%) eine Wasserbutterfett-Emulsion herzustellen, die sich insbesondere
als Brotaufstrich eignet, aber im Vergleich zu Butter und Margarine
weniger als die Hälfte an Kalorien enthält. Insofern entspricht sie nach
Herstellungsart (Emulgieren) und Kalorienarmut der Minarine (Art. 104 der
Verordnung über Lebensmittel und Gebrauchsgegenstände vom 26. Mai 1936,
Lebensmittelverordnung; SR 817.02), die eine im Fettstoff reduzierte
Margarine (Art. 102 Lebensmittelverordnung) darstellt, herkömmlicherweise
aber nicht im überwiegenden Fettanteil aus Butterfett gewonnen wird.

    Am 7. Juni 1985 verfügte das Bundesamt für Gesundheitswesen, dass das
neu angemeldete Produkt "Valflora Minarine" weder unter dieser noch unter
den Bezeichnungen "Valflora minical" oder "Brotaufstrich auf Butterbasis"
bzw. "Brotaufstrich auf Milchfettbasis" zum Verkehr zugelassen werde.

    Eine Verwaltungsbeschwerde der Mifa AG hiess das Eidgenössische
Departement des Innern mit Entscheid vom 23. Oktober 1986 gut, hob
die angefochtene Verfügung auf und wies die Sache an das Bundesamt für
Gesundheitswesen zurück zur Neubeurteilung im Sinne der Erwägungen.

    Das Departement führte aus, über die Zulassung und die Sachbezeichnung
neuartiger, in der Lebensmittelverordnung nicht vorgesehener Produkte sei
nach den Kriterien der Gesundheitsgefährdung und der Täuschungsgefahr zu
entscheiden. Eine Gesundheitsgefährdung stehe vorliegend ausser Diskussion
und unter dem Aspekt der Täuschungsgefahr erscheine die Bezeichnung
"Valflora minical; Brotaufstrich aus eingesottener Butter mit 3 Prozent
Sonnenblumenöl, Fettgehalt 40 Prozent" als zulässig. Allfällige weitere
Einzelheiten der Bewilligung (wie Verpackungsgestaltung) seien Sache des
Bundesamtes für Gesundheitswesen.

    Gegen diesen Entscheid erheben unabhängig voneinander der
Zentralverband Schweizerischer Milchproduzenten und die Butyra
Verwaltungsgerichtsbeschwerde.

Auszug aus den Erwägungen:

             Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Der Zentralverband Schweizerischer Milchproduzenten begründet
seine Legitimation vorerst mit seiner ihm durch Art. 1 Abs. 2 lit. c des
Milchwirtschaftsbeschlusses vom 7. Oktober 1977 (MWB 1977; SR 916.350.1)
übertragenen öffentlichen Aufgabe zur Förderung des Absatzes und der
Qualität der Verkehrsmilch und der Milchprodukte. Daraus allein kann die
Legitimation indessen nicht abgeleitet werden. Die Beschwerdebefugnis
von Trägern öffentlicher Verwaltung in dieser Eigenschaft richtet sich
abschliessend nach Art. 103 lit. b und c OG. Diese Bestimmungen sehen weder
die Legitimation des Zentralverbandes Schweizerischer Milchproduzenten
noch der Butyra vor. Für ihre Legitimation genügt daher das allgemeine
öffentliche Interesse an der richtigen Durchsetzung und einheitlichen
Anwendung des Bundesrechts nicht (BGE 110 Ib 153/4 E. 1c, 107 Ib 173/4
E. 2a, 105 Ib 359 E. 5a).

Erwägung 2

    2.- a) Gemäss Art. 103 lit. a OG ist zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde
berechtigt, wer durch die angefochtene Verfügung berührt ist und ein
schutzwürdiges Interesse an deren Aufhebung oder Änderung hat. Dieses
allgemeine Beschwerderecht ist grundsätzlich auf Privatpersonen
zugeschnitten. Gemeinwesen und mit öffentlichen Aufgaben betrauten
Organisationen steht das Beschwerderecht ebenfalls zu, wenn sie durch
die angefochtene Verfügung gleich oder ähnlich wie Private betroffen
werden (BGE 112 Ib 130 mit Hinweisen). Ein Verband kann sodann unter
Umständen neben den eigenen Interessen die Interessen seiner Mitglieder
vertreten. Diesbezüglich ist er zur Beschwerde berechtigt, wenn es sich
um Interessen handelt, die er nach seinen Statuten zu wahren hat, die
der Mehrheit oder doch einer grossen Anzahl seiner Mitglieder gemeinsam
sind und zu deren Geltendmachung durch Beschwerde jedes dieser Mitglieder
befugt wäre (BGE 104 Ib 384 mit Hinweisen).

    b) Die Butyra ist als "Schweizerische Zentralstelle für
Butterversorgung" eine Genossenschaft des öffentlichen Rechts, die
aus den Organisationen und Firmen gebildet wird, zu deren dauerndem
Geschäftszweck der Buttergrosshandel gehört (Art. 15 Abs. 2 des
Beschlusses der Bundesversammlung über Milch, Milchprodukte und
Speisefette (Milchbeschluss) vom 29. September 1953; SR 916.350). Sie
macht geltend, in ihrer - vom öffentlichen Recht geregelten - Tätigkeit
durch die lebensmittelpolizeiliche Zulassung des streitigen Produktes
wie ein Privater in ihren eigenen wirtschaftlichen Interessen berührt
zu sein. Sie hat nicht den Zweck, die wirtschaftlichen Interessen
ihrer Grossistenmitglieder zu vertreten, sondern die öffentliche
Aufgabe, Butter einzuführen und ihren Mitgliedern abzugeben bzw. die
nichtverkäufliche Inland-Butter zu übernehmen und zu verwerten (Art. 16
Abs. 1 Milchbeschluss). Daraus darf sie keinen Gewinn erzielen. Vielmehr
muss sie ihre Einnahmen dem Bund abliefern (Art. 9 Abs. 1 der Verordnung
über die Butyra, Schweizerische Zentralstelle für Butterversorgung,
vom 25. Oktober 1960; SR 916.357.1). Schon von daher erscheint fraglich,
inwiefern sie wie ein Privater von einer allfälligen Umsatzeinbusse bei
Butter betroffen sein kann. Die Frage braucht allerdings nicht weiter
erörtert zu werden, wenn sich erweist, dass ein schutzwürdiges Interesse
von Konkurrenten aus einer möglichen Konkurrenzsituation zwischen Butter
und "Valflora minical" nicht besteht.

    Aus einer möglichen Umsatzeinbusse von Butter durch die
Zulassung des Produktes "Valflora minical" leitet neben der Butyra
auch der privatrechtlich organisierte Zentralverband Schweizerischer
Milchproduzenten seine Legitimation zur Verbandsbeschwerde her, stelle
doch die überwiegende Mehrzahl seiner Mitglieder Butter her und wären
daher als Konkurrenten selbständig beschwerdelegitimiert.

Erwägung 3

    3.- a) Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung kann das für die
Legitimation nach Art. 103 lit. a OG erforderliche Interesse rechtlicher
oder auch bloss tatsächlicher Natur sein und braucht mit der Schutzrichtung
der als verletzt gerügten Norm nicht übereinzustimmen (grundlegend BGE
104 Ib 245 ff.). Doch wird verlangt, dass der Beschwerdeführer durch die
angefochtene Verfügung stärker als jedermann betroffen sei und in einer
besonderen, beachtenswerten, nahen Beziehung zur Streitsache stehe. Diese
Anforderungen sollen die Popularbeschwerde ausschliessen (BGE 112 Ib 41
E. 1a, 158; je mit Hinweisen).

    b) In BGE 100 Ib 337/8 wurde anlässlich einer Verbandsbeschwerde
des Zentralverbandes Schweizerischer Milchproduzenten gegen die
gesundheitspolizeiliche Zulassung eines Pulvers zur Herstellung von
Schlagrahmersatz festgestellt, dass den Milchproduzenten - obwohl an sich
Konkurrenten - die erforderliche Beziehungsnähe zum Streitgegenstand fehlt.
Dieser Entscheid wurde von einem Teil der Lehre kritisiert (FRITZ GYGI,
Bundesverwaltungsrechtspflege, 2. Aufl., Bern 1983, S. 158/9; FRITZ GYGI,
Vom Beschwerderecht in der Bundesverwaltungsrechtspflege, in recht 1986,
S. 12, Anm. 44; JACQUES MEYLAN, La jurisprudence administrative du Tribunal
fédéral en 1974, in RDAF 32/1976, S. 21/22; ANDREAS JOST, Zum Rechtsschutz
in Wirtschaftsverwaltungssachen, in ZSR 101/1982 II S. 546; zustimmend
demgegenüber AUGUSTIN MACHERET, La qualité pour recourir, in ZSR 94/1975
II S. 172; GEROLD STEINMANN, Fragen der Beschwerdebefugnis im Bereiche
der Preisüberwachung - Konsumenten-Beschwerde?, in ZBl 80/1979 S. 294/5).
Insbesondere JOST weist mit ausführlicher Begründung darauf hin, dass
zwischen einem natürlichen Erzeugnis und seinem direkten künstlichen
Ersatzgut auf dem Markt eine so enge Beziehung bestehe, dass der Hersteller
des natürlichen Produktes ein schutzwürdiges Interesse daran habe, durch
die Rechtsmittelinstanz überprüfen zu lassen, ob nicht sein Konkurrent
einen Wettbewerbsvorteil dadurch erlange, dass die Behörde ihm gegenüber
die Lebensmittelverordnung unrichtig anwendet.

    c) Die Anforderungen des Bundesgerichts an die Beziehungsnähe
des Beschwerdeführers zum Streitgegenstand haben zum Zweck, die
Popularbeschwerde auszuschliessen und eine kaum mehr zu begrenzende
Öffnung des Beschwerderechts zu vermeiden. Eine rechtslogisch
stringente, begrifflich fassbare Eingrenzung gibt es nicht, sondern
nur eine praktisch vernünftige Begrenzung (GYGI, Vom Beschwerderecht
in der Bundesverwaltungsrechtspflege, aaO, S. 11). Wo diese Grenze
verläuft, ist für jedes Rechtsgebiet gesondert zu beurteilen. Bei der
gesundheitspolizeilichen Zulassung von Produkten ist nicht zu übersehen,
dass zahlreichen Produzenten und Händlern ähnlicher Produkte und auch
Konsumenten ein gewisses faktisches Interesse nicht abgesprochen werden
kann. Soll die Popularbeschwerde ausgeschlossen werden, sind an die
Beziehungsnähe daher besonders hohe Anforderungen zu stellen, damit der
Kreis der Beschwerdeberechtigten nicht überzogen wird.

    Entsprechend ist daran festzuhalten, dass nicht schon
beschwerdelegitimiert ist, wer ein Produkt herstellt oder verbreitet,
das von einem neu zugelassenen Produkt konkurrenziert werden
könnte. Produktekonkurrenz allein genügt nicht. Erforderlich ist
vielmehr eine Beziehung zur Streitsache, die sich von jener der
zahlreichen Produzenten und Händler ähnlicher Produkte, die dasselbe
oder ähnliche Bedürfnisse befriedigen, abhebt. Eine solche aber
fehlt den Milchproduzenten bzw. der für den Buttermarkt zuständigen
Organisation. Wohl haben sie ein Interesse, möglichst viel Butter
abzusetzen. Diese Interessenlage besteht indessen bei jedem Hersteller
irgendeines Produktes, weshalb daraus allein die Beschwerdelegitimation im
Hinblick auf die gesundheitspolizeiliche Zulassung des Konkurrenzproduktes
"Valflora minical" nicht abgeleitet werden kann.

    d) Im Grunde vertreten die Beschwerdeführer allgemeine Interessen
landwirtschaftspolitischer Natur. Dies wird dadurch bestätigt, dass der
einzelne Milchproduzent an der Zulassung des Produktes "Valflora minical"
wirtschaftlich interessiert ist, wenn zu dessen Herstellung seine Butter
verwendet wird. Beschwerdeführer und Beschwerdegegnerin stehen nämlich
nicht in einem direkten Konkurrenzverhältnis. "Valflora minical" besteht
zu einem erheblichen Teil (35,9%) aus Butter selbst. Die Mifa AG ist also
in erster Linie Käuferin von Butter, die sie von den Beschwerdeführern
beziehen muss. Damit liegt ein Verhältnis zwischen Anbietern und Abnehmern
und nicht zwischen Konkurrenten vor.

    Schliesslich erscheint gar fraglich, ob die Butterproduzenten
insgesamt auf der Detailhandelsstufe (welcher Interessengegensatz nach
dem Gesagten ohnehin keine für die Beschwerdelegitimation genügende, enge
Beziehung zum Streitgegenstand begründen könnte) eine Verschlechterung
ihrer wirtschaftlichen Position erleiden. Es steht nämlich nicht zum
vorneherein fest, ob das neue Produkt der Butter oder eher der Margarine
bzw. Minarine den Markt streitig macht. Das zweite läge gerade im Interesse
der Butterproduzenten insgesamt, die davon massgeblich profitieren könnten.

    Stehen damit die Beschwerdeführer nicht in einer besonderen,
beachtenswerten und nahen Beziehung zur Streitsache, ist ihre Legitimation
zu verneinen, und auf die Beschwerden nicht einzutreten.