Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 113 IB 357



113 Ib 357

56. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 23.
Dezember 1987 i.S. Erbengemeinschaft S. gegen Regierungsrat des Kantons
Zürich (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) Regeste

    Art. 31 FPolG und Art. 1 Abs. 1 und 3 FPolV; Waldfeststellung.

    1. Bei einer Hangbestockung genügt für die Annahme von Wald schon
grundsätzlich deren Eignung, eine Schutzfunktion auszuüben. Es ist daher
unerheblich, ob tatsächlich Rutschungen vorgekommen sind (E. 2c).

    2. Nach 10-15 Jahren wird auch vordringender Waldwuchs, der mit einer
Waldfläche auf dem benachbarten Grundstück zusammenhängt, als Wald im
Rechtssinne betrachtet (E. 2d).

    3. Voraussetzungen für die Annahme einer Garten- oder Parkanlage; im
Rahmen des Gesamtwürdigung sind allenfalls vorhandene Parkbäume weiterhin
als Entscheidungskriterium zu beachten (E. 3).

Sachverhalt

    A.- Die Erbengemeinschaft S. ist Eigentümerin eines Grundstückes in
Opfikon. Am 26. März 1986 ersuchte das Bauamt Opfikon im Zusammenhang
mit der kommunalen Nutzungsplanung das Oberforstamt des Kantons Zürich um
die Feststellung, ob die auf diesem Grundstück vorhandene Bestockung Wald
bilde. Mit Verfügung vom 5. Mai 1986 stellte die Volkswirtschaftsdirektion
des Kantons Zürich fest, die bestockte Fläche im südöstlichen Teil
des erwähnten Grundstückes sei Wald im Sinne der eidgenössischen
Forstgesetzgebung.

    Ein gegen diese Verfügung gerichteter Rekurs wies der Regierungsrat
des Kantons Zürich ab, soweit er darauf eintrat. Er begründete seinen
Entscheid hauptsächlich damit, es handle sich im vorliegenden Fall um
eine Hangbestockung mit einer wesentlichen Schutzfunktion. Sie bestehe
zudem aus typischen einheimischen Waldbäumen.

    Das Bundesgericht weist die gegen diesen Entscheid erhobene
Verwaltungsgerichtsbeschwerde ab.

Auszug aus den Erwägungen:

                         Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- a) Das Waldareal ist Schutzobjekt des eidgenössischen
Forstpolizeirechtes (Art. 31 Abs. 1 des Bundesgesetzes betreffend die
eidgenössische Oberaufsicht über die Forstpolizei vom 11. Oktober 1902).
Art. 1 der Verordnung betreffend die eidgenössische Oberaufsicht über
die Forstpolizei vom 1. Oktober 1965 (FPolV) umschreibt den Begriff
des Waldes. Danach gilt als Wald generell jede mit Waldbäumen oder
-sträuchern bestockte Fläche, die Holz erzeugt oder geeignet ist, Schutz-
oder Wohlfahrtswirkungen auszuüben. Das Bundesgericht hat diese Vorschrift
als gesetzmässig anerkannt (BGE 107 Ib 356 E. 2c). Bei der Beurteilung,
ob eine Bestockung als Wald zu qualifizieren sei, stellen sich Tat-
und Rechtsfragen. In tatsächlicher Hinsicht sind der in einem bestimmten
Zeitpunkt tatsächlich vorhandene Wuchs, dessen Dichte, Alter und Ausmass
sowie der Zusammenhang mit benachbarter Bestockung von entscheidender
Bedeutung. Wie erwähnt, ist zudem erheblich, ob die bestockte Fläche
geeignet ist, Schutz- oder Wohlfahrtswirkungen auszuüben (BGE 107 Ib 355).

    b) Bei der Prüfung, ob eine Bestockung Wald im Sinne der
Forstgesetzgebung darstelle, sind in der Regel der im Zeitpunkt
des Entscheides tatsächliche Wuchs und dessen Funktion massgebend;
ausnahmsweise ist trotz ganzen oder teilweisen Fehlens einer Bestockung
Wald anzunehmen, wenn Flächen ohne Bewilligung gerodet worden sind (BGE
108 Ib 512 E. 6; 104 Ib 235 E. 2a). Anlässlich des Augenscheins konnte
folgende Bestockung ermittelt werden: Eine kleine Tanne (15-20 Jahre alt),
ein Buchsbaum, zwei Haselsträucher (10-20 Jahre alt), zwei grosse Pappeln
(ca. 50 Jahre alt), eine Robinie, eine kleinere Esche, verschiedene
kleinere Buchen, verschiedene Haselsträucher, ein Liguster, ein Holunder
sowie verschiedene Waldsträucher. Im fraglichen Grundstücksabschnitt
befinden sich weiter neun Wurzelstöcke (zwei Silberpappeln, ein wilder
Kirschbaum, zwei Birken, eine Weide, eine Esche, zwei Haselsträucher);
alle diese gefällten Bäume waren offensichtlich älter als 15 Jahre. Zudem
konnte ein gewisser Wuchszusammenhang mit dem westlich anschliessenden
Waldgrundstück festgestellt werden. Allerdings ist die Bestockung auf
dem Grundstück der Beschwerdeführer weniger hoch und dicht als auf der
Nachbarparzelle. Sie war indessen früher offensichtlich dichter als
heute. Jedenfalls zeigen Flugaufnahmen aus den Jahren 1970 und 1981, die
nach bundesgerichtlicher Praxis Beweiswert haben (BGE 108 Ib 511 E. 5),
einen durchgehenden Kronenschluss zwischen den beiden Grundstücken. Der
Umstand aber, dass ein Teil der Bestockung entfernt worden ist, ändert
an einer allfälligen Waldeigenschaft einer Fläche nichts (BGE 111 Ib 302
E. 2 mit Hinweisen).

    c) Die Beschwerdeführer wenden ein, die Bestockung diene nicht der
Hangsicherung; es sei noch nie etwas heruntergerutscht. Nach Art. 1
Abs. 1 FPolV genügt indessen die Eignung der bestockten Fläche, eine
Schutzwirkung auszuüben. Es ist daher unerheblich, ob tatsächlich
Rutschungen vorgekommen sind. Der Augenschein hat zudem gezeigt, dass
der Hang ziemlich steil und teilweise mit nicht sehr festen horizontalen
Nagelfluhbändern durchsetzt ist. Sowohl die heute vorhandenen Bäume
als auch die neun festgestellten Baumstrünke mit ihrem Wurzelwerk sind
durchaus geeignet, den Hang zu sichern.

    d) Weiter machen die Beschwerdeführer geltend, bei ihrer
Bestockung handle es sich bloss um einen Ausläufer des benachbarten
Bubenholzwäldchens. Die Rechtsprechung betrachtet indessen auch
vordringenden Waldwuchs nach 10 bis 15 Jahren als Wald im Rechtssinne (BGE
111 Ib 305 E. 4 mit Hinweisen). Wie die erwähnten Flugaufnahmen zeigen, war
die Bestockung schon im Jahre 1970 ansehnlich gross, was darauf hindeutet,
dass die Beschwerdeführer nicht alles getan haben, was von ihnen zur
Verhinderung des vordringenden Waldwuchses erwartet werden könnte.

    e) Die Beschwerdeführer sind der Ansicht, die Böschung sei lediglich
mit Gras und Blütensträuchern bepflanzt. Halbwüchsige Birken, wilde
Kirschen, Haselstauden etc. seien noch lange keine Waldbäume. Dem ist
entgegenzuhalten, dass auch Kirschbäume unter den Begriff der Waldbäume
im Sinne von Art. 1 Abs. 1 FPolV fallen. Gemäss Art. 1 Abs. 1 der
Verfügung Nr. 1 des Eidgenössischen Departementes des Innern betreffend
den forstlichen Pflanzenschutz an der Grenze (SR 921.541.1) gelten nämlich
alle im Anhang I der Verfügung aufgeführten Pflanzengattungen, so auch
Kirschbäume, als Forstpflanzen. Lediglich beim kleinen Buchsbaum könnte
der Waldbaumcharakter fraglich sein; angesichts des eindeutigen Charakters
der übrigen Bestockung kann diese Frage jedoch offen bleiben. Art. 1 Abs. 1
FPolV erwähnt überdies die Waldsträucher ausdrücklich und stellt sie
den Waldbäumen gleich. In diesem Sinne verlangt die bundesgerichtliche
Rechtsprechung, dass zur Bestimmung der Mindestfläche auch die
Waldsträucher miteinzubeziehen sind (BGE 107 Ib 52 E. 4a).

    f) Schliesslich bringen die Beschwerdeführer vor, unterhalb des Hanges,
an der Unteren Bubenholzstrasse, befinde sich eine ebene, fünf Meter breite
Wiese. Die Böschung betrage daher nur 216 m2 (9 x 24 m gegenüber 17 x 24
m gemäss Regierungsratsentscheid). Angesichts der Tatsache des - heutigen
und früheren - Wuchszusammenhanges der Bestockung auf dem Grundstück der
Beschwerdeführer mit dem angrenzenden öffentlichen Wald ist die Frage der
hinreichenden Grösse der Bestockung ohne Bedeutung, kommt es doch in einem
solchen Fall auf den genauen Flächeninhalt nicht an (BGE 108 Ib 511; 107
Ib 53 E. 4a). Immerhin sei beigefügt, dass die am Augenschein ermittelte
Bestockungsfläche von 317 m2 (275 m2 unterhalb der Stützmauer bis zum
Hangfuss, zuzüglich 42 m2 Wald, der in die kleine Wiese längs der Unteren
Bubenholzstrasse hinausragt) genügend gross ist, um selbständig als Wald
zu gelten. So betrachten der Kanton Aargau eine Mindestfläche von 100 m2,
der Kanton Zürich eine solche von 160 m2 (früher 150 m2) und der Kanton
Graubünden eine solche von 250 m2 als Wald (BGE 110 Ib 382 f.).

    g) Die umstrittene Bestockung erfüllt daher die nach
bundesgerichtlicher Praxis an Wald im Sinne von Art. 1 Abs. 1 FPolV
gestellten Anforderungen in bezug auf die Art der vorhandenen Bäume, die
Schutzfunktion, die flächenmässige Ausdehnung sowie den Wuchszusammenhang
mit dem benachbarten öffentlichen Wald.

Erwägung 3

    3.- Im vorliegenden Fall stellt sich allerdings die Frage, ob es sich
bei der Bestockung um eine blosse Gartenanlage im Sinne von Art. 1 Abs.
3 FPolV handeln könnte.

    Früher sprach das Bundesgericht von einer Garten- oder Parkanlage
im Sinne von Art. 1 Abs. 3 FPolV nur, wenn typische Parkbäume, die sich
vom einheimischen regionalen Waldwuchs unterscheiden, gepflanzt und
wenn andere für Gärten und Pärke typische Anlagen wie Wege, Mäuerchen,
Bänke usw. geschaffen wurden (BGE 105 Ib 210 mit Hinweisen; bestätigt im
nicht publizierten Bundesgerichtsentscheid vom 29. Juli 1982 i.S. K.). Im
Entscheid 105 Ib 210 liess das Bundesgericht allerdings offen, ob die
beiden Voraussetzungen - besondere Baumarten und eigentliche Anlagen des
Gartenbaus - kumulativ erfüllt sein müssen. Diese Kriterien sind von der
Lehre übernommen und dadurch ergänzt worden, dass Park- bzw. Gartenanlagen
ausschliesslich Erholungszweck hätten (GOTTHARD BLOETZER/ROBERT MUNZ,
Walderhaltung und Rodungsbewilligung, in: ZBl 73/1972 S. 428 ff.;
AEMISEGGER/WETZEL, Wald und Raumplanung, Schriftenfolge Nr. 38 VLP
S. 12). Keine Rolle spielt, ob ein Grundeigentümer tatsächlich die Absicht
hatte, eine baumbestandene Gartenanlage, nicht aber Wald zu schaffen
(BGE 107 Ib 357 f.). Im Hinblick auf die Entwicklungen und Tendenzen des
modernen Gartenbaus, zur Schaffung naturnaher Anlagen auf die Anpflanzung
typischer Garten- und Parkbäume zu verzichten, kann für die Annahme
einer Gartenanlage nicht mehr länger kumulativ verlangt werden, dass
Parkbäume und typische bauliche Anlagen vorhanden sind. Vielmehr muss
in jedem Einzelfall eine Gesamtwürdigung der Verhältnisse vorgenommen
werden (BGE 113 Ib 356 E. 4c), in deren Rahmen allenfalls vorhandene
Parkbäume weiterhin als Entscheidungskriterien zu beachten sind. Diese
Gesamtwürdigung ergibt hier, wie dargelegt, dass angesichts der
Waldbäume, der Schutzfunktion und der Grösse der bestockten Fläche sowie
des Wuchszusammenhanges mit dem benachbarten Wald vom Waldcharakter
der Bestockung auf dem Grundstück der Beschwerdeführer auszugehen
ist. Entscheidend ist zudem, dass keine für Gärten typischen baulichen
Anlagen, welche wichtiges Merkmal für eine Garten- bzw. Parkanlage bilden,
vorhanden sind. Nebst einer Stützmauer am oberen Rand der Bestockung führt
durch diese lediglich ein schmaler Weg von der Unteren Bubenholzstrasse
zum Einfamilienhaus oberhalb der Waldfläche. Im unteren Teil gleicht er
einem natürlichen Waldweg, im oberen Teil wurden angesichts der Steilheit
des Geländes Betontritte angebracht. Der Weg samt Treppe gehört hingegen
funktionell nicht zum Garten, sondern bildet ausschliesslich einen
Zugang zum Haus. Unter diesen Umständen kann die Bestockung nicht als
eine Garten- bzw. Parkanlage betrachtet werden.