Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 113 IB 353



113 Ib 353

55. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung
vom 2. November 1987 i.S. B. gegen Gemeinderat der Einwohnergemeinde
Mönthal, Regierungsrat und Verwaltungsgericht des Kantons Aargau
(Verwaltungsgerichtsbeschwerde) Regeste

    Art. 1 Abs. 3 FPolV, Garten- und Parkanlage.

    Ob eine Garten- oder Parkanlage vorliegt, ist aufgrund einer
Gesamtwürdigung der Verhältnisse zu beurteilen (E. 3, 4). (Änderung der
Rechtsprechung, vgl. BGE 105 Ib 209).

    Art. 159 f. OG, Parteientschädigung.

    Voraussetzungen, unter denen einer nicht durch einen Anwalt vertretenen
Partei ausnahmsweise eine Entschädigung für Auslagen und Umtriebe zusteht
(E. 6b).

Sachverhalt

    A.- B. ist Eigentümer des 5536 m2 grossen Grundstückes Nr. 43 in der
Gemeinde Mönthal. Das Grundstück liegt in der Wohnzone W2 und ist mit einem
in der Nordostecke der Parzelle liegenden Einfamilienhaus überbaut. Der
Westseite des Grundstückes entlang verläuft die Feldstrasse. Im Jahre
1983 wurde B. mit seinem ganzen Grundstück in den Beitragsplan für den
Ausbau der Feldstrasse einbezogen. Er war damit nicht einverstanden,
weil die Böschung seines Grundstückes gegen die Feldstrasse mit Wald
bewachsen sei, was beim Beitragsplan hätte berücksichtigt werden müssen. In
einem in der Folge eingeleiteten Waldfeststellungsverfahren hielten alle
Instanzen übereinstimmend fest, dass es sich bei der U-förmigen Böschung,
die längs der Strasse eine Bestockung mit gepflanzten Waldbäumen und
-sträuchern (Linde, Kirschbaum, Ahorn, Weide, Buche, Fichte, Esche,
Robinie, Haselstrauch, Nussbaum, Erle, Birke, Eiche) auf einer Länge
von ungefähr 35 m und einer Tiefe von 10,4 m aufweist und an den
beiden Schenkeln in eine lockere Bepflanzung mit Haselgebüschen und
Rosen ausläuft, um eine Gartenanlage und nicht um Wald im Sinne der
eidgenössischen Forstgesetzgebung handelt. Die dagegen eingereichte
Verwaltungsgerichtsbeschwerde von B. heisst das Bundesgericht gut
und stellt fest, dass die umstrittene Bestockung Wald im Sinne der
eidgenössischen Forstgesetzgebung ist.

Auszug aus den Erwägungen:

                     Aus den Erwägungen:

Erwägung 3

    3.- Das Waldareal ist Schutzobjekt des eidgenössischen
Forstpolizeirechts (Art. 31 Abs. 1 des Bundesgesetzes betreffend die
eidgenössische Oberaufsicht über die Forstpolizei vom 11. Oktober 1902,
SR 921.0). Art. 1 der Vollziehungsverordnung zum Bundesgesetz betreffend
die Oberaufsicht über die Forstpolizei vom 1. Oktober 1965 (FPolV, SR
921.01) umschreibt den Begriff des Waldes näher. Danach gilt als Wald
generell jede mit Waldbäumen oder -sträuchern bestockte Fläche, die Holz
erzeugt oder geeignet ist, Schutz- und Wohlfahrtswirkungen auszuüben. Das
Bundesgericht hat diese Umschreibung als gesetzeskonform anerkannt
(BGE 107 Ib 356 E. 2c). Nach der Rechtsprechung gilt dieser Waldbegriff
auch für die kantonale Gesetzgebung, wo diese an das Vorliegen von Wald
rechtliche Folgen anknüpft (BGE 110 Ia 92 E. 2b).

    Streitgegenstand ist die ca. 35 m lange und 10,4 m breite Bestockung
auf der Böschung des Grundstückes des Beschwerdeführers gegen die
Feldstrasse hin. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts
bedeutet dies nicht, dass für die Waldfeststellung die umstrittene
Bestockung isoliert zu betrachten ist. Unabhängig davon, aus welchen
Gründen eine Waldfeststellung verlangt wird, kann eine solche in bezug
auf die umstrittene Bestockung nur unter Mitberücksichtigung der Umgebung
vorgenommen werden (BGE 110 Ia 93 E. 2c; 108 Ib 511 E. 5; 107 Ib 53 E. 4a).

    Die umstrittene Bestockung erfüllt die nach der bundesgerichtlichen
Praxis an Wald im Sinne von Art. 1 Abs. 1 FPolV gestellten Anforderungen
in bezug auf Qualität, Wuchs, Mindestfläche und Alter. Dies wird von
keiner Seite in Frage gestellt. Nach Ansicht des Verwaltungsgerichts
handelt es sich aber bei der fraglichen Bestockung um einen Bestandteil
einer Gartenanlage, so dass diese als Gartenanlage im Sinne von Art. 1
Abs. 3 FPolV und nicht als Wald zu gelten habe.

Erwägung 4

    4.- a) Früher sprach das Bundesgericht von einer Garten- und Parkanlage
im Sinne von Art. 1 Abs. 3 FPolV nur, wenn typische Parkbäume, die sich vom
einheimischen regionalen Waldwuchs unterscheiden, gepflanzt und wenn andere
für Gärten und Pärke typische Anlagen wie Wege, Mäuerchen, Bänke usw.
geschaffen wurden (vgl. Hinweise in BGE 105 Ib 210 sowie nicht publizierter
Bundesgerichtsentscheid vom 29. Juli 1982 i.S. K.). Das Bundesgericht
liess im Entscheid 105 Ib 210 offen, ob die beiden Voraussetzungen -
besondere Baumarten und eigentliche Anlagen des Gartenbaus - kumulativ
erfüllt sein müssen. Die Kriterien der Rechtsprechung wurden von der
Lehre übernommen und dadurch ergänzt, dass Park- bzw. Gartenanlagen
ausschliesslich Erholungszweck hätten (Gotthard Bloetzer/Robert Munz,
Walderhaltungsgebot und Rodungsbewilligung, in: ZBl 73/1972 S. 428ff.,
insbes. S. 435; Aemisegger/Wetzel, Wald und Raumplanung, Schriftenfolge
Nr. 38 VLP S. 12).

    b) Das kantonale Verwaltungsgericht findet demgegenüber im
angefochtenen Entscheid, der Begriff der Park- bzw. Gartenanlage sei
extensiver zu interpretieren. Wenn allzu schnell eine Bestockung innerhalb
des Baugebietes als Wald bezeichnet werde, sei infolge des von Gebäuden
einzuhaltenden Waldabstandes die Durchsetzung der in Art. 1 Abs. 1 des
Bundesgesetzes über die Raumplannung vom 22. Juni 1979 (RPG) verankerten
Forderung einer haushälterischen Bodennutzung erschwert. Das Bundesgericht
habe sich zudem bei seiner Begriffsbestimmung von der überholten
Vorstellung eines Ziergartens, in dem auch exotische Pflanzen ein
wichtiges Gestaltungselement bilden, leiten lassen; im Vordergrund stehe
vielmehr heute der naturnahe, auf einheimische Bestockung ausgerichtete
Garten. Entscheidend sei deshalb, ob die zu beurteilende Bestockung in
die Gartenanlage integriert sei, d.h. zur betreffenden Liegenschaft eine
räumliche und funktionelle Beziehung aufweise.

    Werde hievon ausgegangen, so bilde die umstrittene Bestockung Teil
einer Gartenanlage. Weil der beim Hausbau angefallene Aushub gegen die
Feldstrasse hin aufgeschüttet worden sei, um einen ebenen Rasenplatz zu
schaffen, und weil die dadurch entstandene Böschung mit Waldbäumen und
Waldsträuchern bepflanzt worden sei, weise die bestockte Böschungspartie
einen "entstehungsgeschichtlichen" wie auch einen "räumlichen und
funktionalen Bezug zum Haus und zum dieses umgebenden Garten auf". Deshalb
könne die Böschungsbepflanzung selber, obwohl bei ihr die einzelnen
Elemente des Waldbegriffs gegeben seien, nicht als Wald gelten.

    c) Die Argumentation des Verwaltungsgerichtes ist schon im
Ansatzpunkt unrichtig. Das eidgenössische Raumplanungsgesetz hat am
Waldbegriff nichts geändert, indem es auf einen eigenen Begriff des
Waldes verzichtete und hierfür in Art. 18 Abs. 3 ausdrücklich auf die
Forstgesetzgebung verweist (vgl. EJPD/BRP, Erläuterungen RPG, N. 17
zu Art. 18 RPG). Ob eine Bestockung in einer Bauzone liegt oder nicht,
spielt deshalb forstrechtlich und insbesondere für den Begriff des Waldes
keine Rolle (BGE 111 Ib 306 mit Hinweis; EJPD/BRP, aaO N. 18 zu Art. 18
RPG). Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichtes spielt auch die Art
der Entstehung der Bestockung (vgl. Art. 1 Abs. 1 FPolV) sowie die Absicht
des pflanzenden Grundeigentümers keine Rolle (BGE 111 Ib 304).

    Zu überdenken ist einzig, ob für den Begriff der Garten- und
Parkanlagen angesichts der Entwicklung des modernen Gartenbaus in Richtung
naturnaher Anlagen weiterhin auf die Pflanzung von typischen Garten- oder
Parkbäumen, die sich vom einheimischen Waldwuchs unterscheiden, abgestellt
werden kann. In der Tat kann angesichts dieser Tendenzen in Richtung
naturnaher Anlagen für die Annahme einer Gartenanlage nicht mehr länger
verlangt werden, dass Parkbäume und typische bauliche Anlagen kumulativ
vorhanden sind. Vielmehr muss in jedem Einzelfall eine Gesamtwürdigung
der Verhältnisse vorgenommen werden.

    d) Der Gesamtcharakter der Bestockung spricht nicht für eine
Gartenanlage. Entscheidend ist, dass hier unbestrittenermassen für Gärten
und Pärke typische Anlagen wie Wege, Mäuerchen, Bänke usw. gänzlich
fehlen. Wesentlich ist ferner, dass der Erholungszweck der Bestockung
auf der Böschung ganz oder doch weitgehend fehlt. Die Bestockung dient
vielmehr vor allem der Hangsicherung, und sie hat damit hauptsächlich eine
Schutzfunktion. Eine Gesamtwürdigung der fraglichen Bestockung ergibt,
dass es sich dabei um Wald im Sinne von Art. 1 Abs. 1 FPolV handelt. Das
Verwaltungsgericht hat somit in Verletzung von Bundesrecht die umstrittene
Bestockung als Gartenanlage im Sinne von Art. 1 Abs. 3 FPolV beurteilt.

Erwägung 6

    6.- a) Kosten sind in Anwendung von Art. 156 Abs. 2 OG keine zu
erheben.

    b) Der Beschwerdeführer verlangt für das Verfahren vor Bundesgericht
eine Parteientschädigung. Dieses Begehren beurteilt sich nach Art. 159
f. OG in Verbindung mit dem Tarif über die Entschädigung an die
Gegenpartei für das Verfahren vor Bundesgericht vom 9. November 1978 (SR
173.119.1). Ist die obsiegende Partei - wie im vorliegenden Fall - nicht
durch einen Anwalt vertreten, so wird ihr gemäss ständiger Rechtsprechung
des Bundesgerichts in der Regel keine Parteientschädigung zugesprochen
(BGE 110 Ia 6 E. 6; 105 Ia 122; vgl. auch André Grisel, Traité de
droit administratif, vol. II, S. 849). Von vornherein entfällt eine
Entschädigung von Anwaltskosten (Art. 3 des Tarifs). Ausnahmsweise sind
hingegen Auslagen zu ersetzen (Art. 2 Abs. 2 des Tarifs), allerdings
nur dann, wenn sie erheblich und nachgewiesen sind, was vorliegend
nicht zutrifft. Sodann können besondere Verhältnisse es im Ausnahmefall
rechtfertigen, eine Entschädigung für durch den Prozess verursachte
Umtriebe zuzusprechen (Art. 2 Abs. 2 des Tarifs; BGE 110 V 81 E. 7, 132
ff.). Im vorliegenden Fall liegen solche besondere Verhältnisse vor. Der
Beschwerdeführer hat sich in seiner Verwaltungsgerichtsbeschwerde
sehr sorgfältig mit dem angefochtenen Entscheid und der Praxis des
Bundesgerichts auseinandergesetzt. Angesichts der streitigen schwierigen
Abgrenzung zwischen Wald und Gartenanlage war dies für den Beschwerdeführer
als Laien mit einem erheblichen persönlichen Arbeitsaufwand verbunden. Es
rechtfertigt sich deshalb, dem obsiegenden Beschwerdeführer für seine durch
das bundesgerichtliche Verfahren verursachten Umtriebe eine Entschädigung
zuzusprechen.