Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 113 IB 242



113 Ib 242

40. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung
vom 2. Oktober 1987 i.S. Matthias Schwyter und Schweizerischer
Bäcker-Konditorenmeister-Verband gegen Bundesamt für Industrie, Gewerbe
und Arbeit (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) Regeste

    Art. 5 Abs. 2 lit. a ArG. Begriff des industriellen Betriebes;
Anwendung auf einen Bäckereibetrieb.

    Unterstellung einer Bäckerei mit insgesamt 36 Arbeitnehmern, wovon acht
Teilzeitbeschäftigte (mit weniger als elf Arbeitsstunden pro Woche), unter
die besonderen Bestimmungen des Arbeitsgesetzes für industrielle Betriebe.

    Bei 12 bis 13 Arbeitnehmern werden Arbeitsweise und Arbeitsorganisation
vor allem durch serienmässige Verrichtungen, aber auch durch Maschinen
und andere technische Einrichtungen (zwei Gross-Backöfen) bestimmt.

Sachverhalt

    A.- Art. 5 des Bundesgesetzes vom 13. März 1964 über die Arbeit in
Industrie, Gewerbe und Handel (Arbeitsgesetz, ArG; SR 822.11) behält für
industrielle Betriebe Sondervorschriften vor und lautet wie folgt:

    1 Die besonderen Vorschriften des Gesetzes für industrielle Betriebe
sind
   auf den einzelnen Betrieb oder auf einzelne Betriebsteile nur anwendbar
   auf Grund einer Unterstellungsverfügung des Bundesamtes für Industrie,

    Gewerbe und Arbeit (im folgenden Bundesamt genannt).

    2 Als industrielle Betriebe im Sinne des Gesetzes gelten Betriebe mit
   fester Anlage von dauerndem Charakter für die Herstellung, Verarbeitung
   oder Behandlung von Gütern oder für die Erzeugung, Umwandlung oder
   Übertragung von Energie, sofern

    a. die Arbeitsweise oder die Arbeitsorganisation durch Maschinen oder
   andere technische Einrichtungen oder durch serienmässige Verrichtungen
   bestimmt werden und für die Herstellung, Verarbeitung oder Behandlung
   von

    Gütern oder für die Erzeugung, Umwandlung oder Übertragung von Energie
   wenigstens sechs Arbeitnehmer beschäftigt werden, oder

    b. die Arbeitsweise oder die Arbeitsorganisation wesentlich durch
   automatisierte Verfahren bestimmt werden, oder

    c. Leben oder Gesundheit der Arbeitnehmer besonderen Gefahren
ausgesetzt
   sind.

    Matthias Schwyter ist Inhaber der "Feinbäckerei Schwyter" in St. Gallen
und beschäftigt insgesamt 36 Arbeitnehmer (wovon acht Teilzeitbeschäftigte
im Verkaufsgeschäft mit weniger als elf Arbeitsstunden wöchentlich); für
die Unterstellung gemäss Art. 5 ArG sind 13 voll beschäftigte Arbeitnehmer
zu berücksichtigen.

    Mit Verfügung vom 26. März 1987 unterstellte das Bundesamt
für Industrie, Gewerbe und Arbeit (im folgenden: Bundesamt) die
Feinbäckerei Schwyter gestützt auf Art. 5 Abs. 1 und Abs. 2 lit. a ArG
den Sondervorschriften für industrielle Betriebe. Die Unterstellung
wurde damit begründet, dass in der Bäckerei die Arbeitsweise und die
Arbeitsorganisation durch serienmässige Verrichtungen, Maschinen und
andere technische Einrichtungen bestimmt und mehr als sechs Arbeitnehmer
beschäftigt würden.

    Gegen die Unterstellungsverfügung erhoben Matthias Schwyter und der
Schweizerische Bäcker-Konditorenmeisterverband mit Eingabe vom 25. Februar
1987 rechtzeitig Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Bundesgericht mit
dem Antrag, die angefochtene Unterstellungsverfügung aufzuheben.

    In seiner Vernehmlassung vom 31. März 1987 beantragt das Bundesamt,
die Beschwerde abzuweisen.

    Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab aus folgenden

Auszug aus den Erwägungen:

                         Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- Die Beschwerdeführer rügen, die Vorinstanz habe Art. 5 ArG
schematisch, begriffsjuristisch ausgelegt und sich dabei zu stark durch
die Entwicklungsgeschichte und die bisherigen Bundesgerichtsentscheide
einschränken lassen; die schematische Anwendung der gesetzlichen
Kriterien führe dazu, dass die Unterstellungsfrage allein von der Zahl
der Mitarbeiter abhänge, was nicht der Sinn von Art. 5 ArG sein könne,
denn das Gesetzt verlange "ausdrücklich mindestens sechs Arbeitnehmer
und Arbeitsbestimmung durch serienmässige Verrichtung/Maschinen und
Einrichtungen"; Bäckereibetriebe, die ihre Produktion dem täglichen
Bedarf des Endverbrauchers im eigenen Verkaufsgeschäft anpassten und
in denen demzufolge ein grosser Bedarf an freier Führung durch den
Betriebsinhaber bestehe, sowie Betriebe, in denen aufgrund der Vielfalt
des Produkteangebotes und der gewählten Arbeitsorganisation für den
einzelnen Mitarbeiter trotz phasenweise serieller Arbeitsabläufe und
trotz Maschineneinsatzes die Arbeit abwechslungsreich und handwerklich
anspruchsvoll bleibe, dürften den Vorschriften für industrielle Betriebe
nicht unterstellt werden.

Erwägung 3

    3.- a) Die Feinbäckerei Schwyter ist unbestrittenermassen ein Betrieb
mit fester Anlage von dauerndem Charakter für die Herstellung, Verarbeitung
oder Behandlung von Gütern und erfüllt insofern die Voraussetzungen für
eine Unterstellung nach Art. 5 Abs. 2 ArG.

    Umstritten ist hingegen, ob im fraglichen Betrieb Arbeitsweise oder
Arbeitsorganisation durch Maschinen oder andere technische Einrichtungen
oder durch serienmässige Verrichtungen bestimmt werden (Art. 5 Abs. 2
lit. a ArG) und damit ein Betrieb mit industriellem Charakter gegeben ist,
der zum Schutz der Gesundheit der Arbeitnehmer besonderen (strengeren)
Bestimmungen unterliegt.

    b) Eine industrielle Arbeitsweise oder -organisation im Sinne von
Art. 5 Abs. 2 lit. a ArG liegt dann vor, wenn der Arbeitseinsatz durch
Maschinen oder andere technische Einrichtungen, die eine weitgehend
selbsttätige Arbeitsleistung erbringen beziehungsweise anstelle des
Menschen die Arbeit leisten - und nicht nur die Rolle von Hilfsmitteln
spielen -, oder durch serienmässige Verrichtungen bestimmt wird (vgl. auch
WALTHER HUG, Kommentar zum Arbeitsgesetz, Bern 1971, Art. 5 N. 17;
MANFRED REHBINDER, Arbeitsgesetz, Zürich 1982, Art. 5 N. 8). Zusätzlich
verlangt das Gesetz, dass auf diese Weise mindestens sechs Arbeitnehmer
beschäftigt werden.

    c) Die Verkaufsorganisation ist - entgegen der Auffassung der
Beschwerdeführer - unerheblich, denn die industrielle Tätigkeit ist
abgeschlossen, sobald der eigentliche Produktionsvorgang - allenfalls
einschliesslich Verpacken - beendet ist; ob die Güter für den eigenen
Detailverkauf (gemäss Beschwerdeschrift "kundennah") oder für den
Wiederverkauf hergestellt werden, spielt in diesem Zusammenhang keine
Rolle. Dasselbe gilt für das von den Beschwerdeführern angerufene
Hilfskriterium der internen Arbeitsorganisation, d.h. die räumliche
und personelle Aufgliederung. Art. 5 Abs. 2 lit. a ArG versteht unter
Arbeitsorganisation nicht die Betriebs- oder Unternehmensorganisation,
sondern bezieht sich auf die Zerlegung der Arbeit auf eine Mehrzahl von
Arbeitnehmern. Deshalb ist auch die Annahme der Beschwerdeführer falsch,
die serienmässige Arbeit müsse auf einem Unternehmensentscheid beruhen;
massgebend ist einzig, dass solche serienmässigen Verrichtungen die
Arbeitsweise oder -organisation bestimmen. Die Vielfalt der Produktion,
das heisst eine grosse Abwechslung im täglichen Arbeitsablauf, schafft
dabei, für sich allein genommen, noch keinen Beweis für das Fehlen
serienmässiger Verrichtungen.

Erwägung 4

    4.- a) Nach der angefochtenen Verfügung haben hauptsächlich die
serienmässigen Verrichtungen zur Unterstellung der Feinbäckerei Schwyter
als industrieller Betrieb geführt.

    Die Verfügung stützt sich dabei auf die eigenen Angaben des
Betriebsinhabers im "Fragebogen für die Ermittlung industrieller Betriebe
und Betriebsteile", wonach die Tatsache der "Chargen-Produktion" mit
der Teigwarenbearbeitung schlechthin gegeben sei und die Verarbeitung
mehrerer gleicher Artikel "in Serie" zur logischen Folge habe. In
der Beschwerdeschrift wird bestätigt, dass es sich bei der Bäckerei
Schwyter um einen Betrieb mit einer grösseren Zahl von Mitarbeitern
handle, der überwiegend arbeitsteilig produziere, und dass sich als
notwendige Folge der Teigverarbeitung die "serienmässige Verarbeitung"
ergebe, "die Arbeitsteilung schon sehr hoch entwickelt" sei. Weil in der
Bäckerei Schwyter, wie die Beschwerdeführer selber einräumen, überwiegend
arbeitsteilig und damit serienmässig produziert wird, erfolgte die
Unterstellung grundsätzlich im Einklang mit Art. 5 Abs. 2 lit. a ArG.

    b) Die Unterstellungsverfügung geht weiter von 13 (von insgesamt
36) vollbeschäftigten Arbeitnehmern aus, so dass auch diese weitere
Voraussetzung von Art. 5 Abs. 2 lit. a ArG an sich erfüllt ist.