Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 113 IB 225



113 Ib 225

38. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung
vom 8. Juli 1987 i.S. Peter und Willy Hostettler gegen A. Hug AG und
Zetter AG, Gemeinde Lommiswil und Regierungsrat des Kantons Solothurn
(Verwaltungsgerichtsbeschwerde) Regeste

    Art. 103 lit. a OG; Legitimation Dritter.

    Personen, welche ungefähr einen Kilometer vor der Einfahrt in ein
Kiesgrubengelände wohnen, werden vom Grubenverkehr stärker betroffen als
jedermann, wenn während 40 bis 50 Jahren durchschnittlich mit 120 Hin-
und Rückfahrten pro Tag zu rechnen ist (E. 1c).

    Art. 14 ff. und Art. 24 Abs. 1 RPG.

    Art. 24 Abs. 1 RPG findet keine Anwendung, wenn ein Gestaltungsplan
gemäss Art. 44 ff. des Baugesetzes des Kantons Solothurn vom 3. Dezember
1978 aufgestellt wird. Ein solcher Plan stellt einen Nutzungsplan gemäss
Art. 14 ff. RPG dar (E. 2b). Auch im Rahmen dieses Verfahrens ist eine
umfassende Beurteilung und Abwägung der auf dem Spiel stehenden Interessen
geboten (E. 2c).

    Art. 9 Abs. 1 USG; Umweltverträglichkeitsprüfung; Planung und
Errichtung einer Kiesgrube.

    Eine Kiesgrube mit einem Abbauvolumen von zwei Millionen Kubikmetern
Kies ist eine Anlage im Sinne von Art. 9 USG, welche die Umwelt erheblich
belasten kann (E. 3b). Kriterium zur Bestimmung desjenigen bestehenden
Entscheidverfahrens, in welches die Prüfung der Umweltverträglichkeit zu
integrieren ist (E. 3c).

Sachverhalt

    A.- Die Firmen Hug und Zetter AG beabsichtigen, die Kiesausbeutung
im Bereich der bestehenden Grube in der Gemeinde Lommiswil wesentlich
auszudehnen. Geplant ist ein etappenweiser Abbau von etwa 2 Millionen m
Kies über die nächsten 40 bis 50 Jahre; für die Rekultivierung wird mit
etwa 20 Jahren über die Beendigung des Abbaus hinaus gerechnet. Die Zu-
und Wegfahrten zur Grube sollen über eine bestehende Kiestransportstrasse
nach Norden und Osten, durch einen Teil der Wohngebiete der Gemeinden
Lommiswil, Bellach und Selzach erfolgen.

    Die Firmen Hug und Zetter AG reichten mit Datum vom 12. September 1984
einen "Gestaltungsplan Kiesgrube Lommiswil auf GB Lommiswil Nrn. 261-267
und 293-294" ein. Der Gemeinderat Lommiswil legte diesen zusammen mit den
Sonderbauvorschriften vom 15. Oktober bis zum 15. November 1984 öffentlich
auf und wies die nicht erledigten Einsprachen am 9. April 1985 und am
3. Februar 1986 ab.

    Am 1. Juli 1986 wies der Regierungsrat des Kantons Solothurn die noch
hängigen Beschwerden ebenfalls ab, soweit er darauf eintrat. Teilweise
hiess er die Beschwerden gut. Gleichzeitig genehmigte er den
Gestaltungsplan, bestehend aus einem Abbauplan, einem Endgestaltungsplan
und drei Phasenplänen. Die Sonderbauvorschriften ergänzte er mit folgender
Bestimmung:

    "Der Verkehr von und zum Grubenareal darf sowohl auf der Strasse in

    Richtung Bellach als auch auf der Strasse in Richtung Selzach 60
Fahrzeuge
   pro Tag im Wochenmittel nicht übersteigen. Ferner sind die Tagesspitzen
   auf den genannten Strassen auf 90 Fahrzeuge pro Tag limitiert."

    Der Regierungsrat beruft sich auf § 18 des Baugesetzes vom
3. Dezember 1978 (BauG), wonach er die Nutzungspläne auf ihre Recht-
und Zweckmässigkeit und auf die Übereinstimmung mit den kantonalen und
regionalen Plänen zu überprüfen hat. Gestützt auf diese Bestimmung
stellte er fest, eine Rechtswidrigkeit oder Verletzung übergeordneter
Planungen liege nicht vor. Auch bezüglich des Gewässerschutzes bestünden
keine Bedenken. Betreffend der von den Beschwerdeführern vorgeschlagenen
Erschliessung der Grube direkt nach Süden über eine noch zu erstellende
Strasse bis zur Einmündung in die Jurasüdfussverbindung T 5 kam er
zum Schluss, dass damit zwar die Immissionen des Lastwagenverkehrs
zugunsten der Beschwerdeführer und auch der übrigen betroffenen Anwohner
eliminiert werden könnten, dass aber gewichtige öffentliche Interessen,
insbesondere dasjenige an der Erhaltung der südlich der Grube liegenden
unberührten Landschaft, gegen diese Lösung sprächen. Zudem sei eine solche
Erschliessung völlig unverhältnismässig. Auch der Transport mit der
Bahn sei untauglich. Hingegen erschien es dem Regierungsrat angezeigt,
die maximal zulässigen Fahrten weiter zu beschränken, so dass während
der Arbeitszeit durchschnittlich alle 4,5 Minuten mit einem Fahrzeug zu
rechnen sei.

    Peter und Willy Hostettler reichten gegen diesen
Regierungsratsentscheid Verwaltungsgerichtsbeschwerde ein. Sie verlangen
darin, der Entscheid sei aufzuheben und das Verfahren sei an die Vorinstanz
zurückzuweisen. Sie machen eine Verletzung von Art. 3 Abs. 3 lit. b und
Art. 24 Abs. 1 lit. b des Bundesgesetzes über die Raumplanung vom 22. Juni
1979 (RPG) sowie von Art. 11 f. und Art. 13 ff. des Bundesgesetzes über
den Umweltschutz vom 7. Oktober 1983 (USG) geltend.

    Die Firmen Hug und Zetter legten ein von ihnen in Auftrag gegebenes
Privatgutachten über die Lärmimmissionen aus dem Betrieb der Grube an
der Liegenschaft von Peter und Willy Hostettler ins Recht.

Auszug aus den Erwägungen:

                     Aus den Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- ...

    c) Zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist berechtigt, wer durch die
angefochtene Verfügung berührt ist und ein schutzwürdiges Interesse an
deren Aufhebung oder Änderung hat (Art. 103 lit. a OG). Dieses Interesse
kann rechtlicher oder auch bloss tatsächlicher Natur sein und braucht mit
dem Interesse, das durch die vom Beschwerdeführer als verletzt bezeichneten
Normen geschützt wird, nicht übereinzustimmen. Immerhin wird verlangt,
dass der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Entscheid stärker
als jedermann betroffen sei und in einer besonderen, beachtenswerten,
nahen Beziehung zur Streitsache steht. Diese Anforderungen sollen die
Popularbeschwerde ausschliessen. Ihnen kommt deshalb dann eine ganz
besondere Bedeutung zu, wenn wie hier nicht der Verfügungsadressat im
materiellen Sinn, sondern ein Dritter den Entscheid anficht. Ist auch
in einem solchen Fall ein unmittelbares Berührtsein, eine spezifische
Beziehungsnähe gegeben, so hat der Beschwerdeführer ein ausreichendes
Rechtsschutzinteresse daran, dass der angefochtene Entscheid aufgehoben
oder geändert wird. Dieses Interesse besteht im praktischen Nutzen, den die
erfolgreiche Beschwerde dem Beschwerdeführer eintragen würde, d.h. in der
Abwendung eines materiellen oder ideellen Nachteils, den der angefochtene
Entscheid für ihn zur Folge hätte (BGE 112 Ib 158 E. 3 mit Hinweisen).

    Es ist somit ausgehend von dieser Praxis und unter Berücksichtigung
der Umstände des Einzelfalles zu entscheiden, ob die Legitimation
der Beschwerdeführer nach Art. 103 lit. a OG zu bejahen ist oder
nicht. Dabei ist insbesondere auf die Art und Intensität der Immissionen
abzustellen. Die Beschwerdebefugnis ist dann weit zu ziehen, wenn die
Auswirkungen eines Werkes deutlich als solche wahrnehmbar und ohne
technisch aufwendige und kostspielige Abklärungen festgestellt und von
den allgemeinen Immissionen, wie sie z.B. der Strassenverkehr mit sich
bringt, geschieden werden können.

    Die Beschwerdeführer machen zur Begründung ihrer Legitimation geltend,
sie wohnten an einer kritischen Stelle der als Zu- und Wegfahrt zur
Kiesgrube dienenden Kantonsstrasse Lommiswil - Bellach - Solothurn, nämlich
dort, wo diese in einer engen Doppelkurve die Bahnlinie der Solothurn -
Münster-Bahn überquere. Die beiden Unternehmen entgegnen, im Verhältnis
zu 1985 sei zwar mit Mehrverkehr zu rechnen, dieser lasse sich jedoch
nicht zuverlässig vom übrigen Verkehr unterscheiden. Die Legitimation sei
fraglich. Der Regierungsrat macht zudem darauf aufmerksam, die Distanz
zur Einfahrt in das Grubengelände betrage über einen Kilometer. In seinem
Entscheid hatte er aber die Legitimation der Beschwerdeführer anerkannt.

    Die Beschwerdeführer werden ohne Zweifel durch die Lage ihrer
Liegenschaft an einer der beiden Zufahrtsstrassen durch den Grubenverkehr
beeinträchtigt. Nach Distanz und Art des Lärms entspricht der vorliegende
Fall zwar demjenigen der Multikomponentendeponie in der Gemeinde Obfelden,
wo das Bundesgericht die Legitimation verneint hat (BGE 112 Ib 154
ff.). Er unterscheidet sich aber hinsichtlich der Intensität der Belastung
wesentlich: Der Regierungsrat bewilligte mit seinem Genehmigungsentscheid
120 Hin- und Rückfahrten pro Tag im Wochenmittel sowie Tagesspitzen von
180 Fahrbewegungen. Das ergibt bei einer Arbeitszeit von 9 Stunden alle
4,5 Minuten ein Fahrzeug, und dies auf 40 bis 50 Jahre hinaus. Die damit
verbundenen Immissionen dürften um einiges grösser sein, als diejenigen
einer Multikomponentendeponie. Anders als im Fall Obfelden handelt es
sich bei der Verbindung Lommiswil - Bellach nicht um eine bereits heute
stark befahrene Durchgangsstrasse. Auf jeden Fall ist nicht dargetan,
dass auf dieser Zufahrtsstrasse auch ohne die durch den Grubenbetrieb
verursachten Transporte besonders starker Lastwagenverkehr herrscht. Die
Legitimation der Beschwerdeführer ist deshalb zu bejahen.

Erwägung 2

    2.- Die Beschwerdeführer machen vorerst geltend, Art. 24 RPG hätte
angewendet werden müssen, denn die fragliche Kiesgrube befinde sich
nicht in einer speziell für diesen Nutzungszweck ausgeschiedenen Zone,
sei demzufolge nicht zonenkonform.
   a) ...

    b) Nach solothurnischem Recht ist ein Gestaltungsplan notwendig
für Bauten und Anlagen mit schädlichen und stark störenden Auswirkungen
(Lärm, Rauch, Gestank usw.) oder mit grossem Verkehrsaufkommen, namentlich
für Ausbeutungen und Deponien (§ 46 Abs. 1 lit. a BauG). Er regelt als
Sondernutzungsplan die für jedermann verbindlichen Anordnungen über
die zulässige Nutzung des Bodens (§ 22 BauG). In diesem Sinne stellt
er einen Nutzungsplan gemäss Art. 14 ff. RPG dar (vgl. BGE 111 Ib 14
E. 3b mit Hinweisen). Ist er einmal rechtskräftig erlassen, so bedarf es
zur Ausübung der ihm entsprechenden Rechte bloss einer Baubewilligung
gemäss Art. 22 RPG, denn die dazu notwendigen Bauten und Anlagen sind
zonenkonform im Sinne dieser Bestimmung. Für die Anwendung von Art. 24
RPG bleibt kein Raum (vgl. BGE 111 Ib 86 E. 2).

    c) Die Beschwerdeführer wenden indessen ein, eine umfassende
Interessenabwägung, wie sie die Anwendung von Art. 24 Abs. 1 lit. b RPG
mit sich bringen würde, sei damit ausgeschlossen. Diese Bedenken sind
unbegründet, denn eine solche umfassende Beurteilung ist auch im Rahmen der
Nutzungsplanung und insbesondere anlässlich einer Sondernutzungsplanung wie
im vorliegenden Fall durchzuführen: Inhaltliches Merkmal der Raumplanung
ist die auf die erwünschte Entwicklung ausgerichtete Abstimmung
(Art. 1 Abs. 1 Satz 2 RPG). Dies zu erreichen ist die spezifische
Aufgabe der Planung (Art. 2 Abs. 1 RPG). Der Raumplan erfasst und
stabilisiert so die im Raum nach Lage, Quantität, Entwicklungsrichtung,
Zeitverhältnissen usw. konkret angelegten Zustände und Abläufe und bildet
gleichzeitig die Grundlage für ihre Weiterentwicklung (vgl. dazu Art. 1
der Verordnung über die Raumplanung vom 26. März 1986, RPV). Die Behörden
setzen ihre raumwirksamen Tätigkeiten sowohl als Einzelbeiträge wie
auch in den Wechselbeziehungen mit allen anderen räumlichen Elementen
als Mittel zur Zielerreichung ein (vgl. Art. 2 RPV). In der relativen
Stabilisierung dieser zielgerichteten Mittelkombination liegt die dem
Raumplan zugeordnete typische Funktion (vgl. MAX IMBODEN, Der Plan als
verwaltungsrechtliches Institut, in: Staat und Recht, Basel/Stuttgart
1971, S. 396 f.; WERNER ERNST/WERNER HOPPE, Das öffentliche Bau- und
Bodenrecht, Raumplanungsrecht, 2. Auflage, München 1981, S. 153 ff.;
LEO SCHÜRMANN, Bau- und Planungsrecht, 2. Auflage, Bern 1984, S. 116 ff.).

    Bei der Erfüllung dieses Raumplanungsauftrages haben die
Planungsbehörden die im positiven Recht normierten Ziele und Grundsätze
optimal zu berücksichtigen. Solche ergeben sich nicht nur aus dem
Bundesrecht (insbesondere aus Art. 1 und Art. 3 RPG), sondern auch
aus dem kantonalen Recht (vgl. §§ 1, 9 Abs. 4, 24 ff., 36 ff. und 58
ff. BauG). Auch die Zwecksetzung des Gestaltungsplanes nach §§ 44 ff. BauG
lässt sich in diese Ordnung einfügen. Er soll eine architektonisch
und hygienisch gute, der baulichen und landschaftlichen Umgebung
angepasste Überbauung, Gestaltung und Erschliessung zusammenhängender
Flächen ermöglichen und insbesondere vor schädlichen Einwirkungen
schützen. Das Verfahren zum Erlass eines solchen Sondernutzungsplanes
ist durchaus geeignet, eine umfassende Berücksichtigung und Abwägung
der verschiedenen Interessen vorzunehmen. Insbesondere wird auch der
Gestaltungsplan öffentlich aufgelegt; jedermann, der durch den Plan
berührt ist und an dessen Inhalt ein schutzwürdiges Interesse hat, kann
beim Gemeinderat Einsprache erheben und dessen Entscheid mit Beschwerde an
den Regierungsrat weiterziehen; diesem kommt volle Überprüfungsbefugnis zu
(vgl. §§ 14 Abs. 2 sowie 15 ff. BauG).

    Die raumplanerische Interessenabwägung beschränkt sich nicht auf die
im Raumplanungsgesetz erwähnten Interessen. Wie bereits die Art. 1 Abs. 2
und Art. 3 RPG zeigen, sind bei der Durchführung einer konkreten Planung
alle Interessen, seien es öffentliche oder private, zu beachten, welche
aufgrund der konkreten Umstände und des geltenden Rechts als massgebend
erscheinen. Es ist deshalb zu prüfen, ob auf den vorliegenden Fall auch
das am 1. Januar 1985 in Kraft getretene Bundesgesetz über den Umweltschutz
vom 7. Oktober 1983 (USG) hätte angewendet werden müssen.

Erwägung 3

    3.- Das Eidgenössische Departement des Innern vertritt die Auffassung,
im Zusammenhang mit der Gestaltungsplanung hätte eine zumindest beschränkte
Umweltverträglichkeitsprüfung erfolgen müssen. Die abbauwilligen Firmen
bestreiten dies.

    a) Das Planverfahren nach Baugesetz wurde auf der Ebene
der Gemeinde noch vor dem Inkrafttreten des Umweltschutzgesetzes
eingeleitet. Die Beschlussfassung des Gemeinderates über den Plan und
sein Entscheid über die Einsprachen (§ 16 Abs. 2 BauG) erfolgte aber
nach dem 1. Januar 1985, nämlich am 9. April 1985 und am 3. Februar
1986. Auch der regierungsrätliche Genehmigungsentscheid (§ 18 BauG), der
Gültigkeitserfordernis ist (Art. 26 Abs. 3 RPG), erging erst, nachdem
das Umweltschutzgesetz in Kraft gesetzt worden war. Dieser Erlass des
Bundes war und ist deshalb auf den vorliegenden Fall anwendbar. Hieran
ändert der Umstand nichts, dass verschiedene Verordnungen dazu in diesem
Zeitpunkt noch nicht erlassen worden waren. Das Gesetz ist grundsätzlich
für sich allein anwendbar (BGE 112 Ib 43 E. 1c).

    b) Bevor eine Behörde über die Planung, Errichtung oder Änderung von
Anlagen, welche die Umwelt erheblich belasten können, entscheidet, prüft
sie die Umweltverträglichkeit; der Bundesrat bezeichnet diese Anlagen
(Art. 9 Abs. 1 USG).

    aa) Das Bundesgericht hat bereits verschiedentlich festgestellt,
dass diese Vorschrift über die Umweltverträglichkeitsprüfung auf
Einzelfälle unmittelbar anwendbar ist, obwohl der Bundesrat die Liste
der unter Art. 9 USG fallenden Anlagen noch nicht erlassen hat (BGE
112 Ib 48 E. 4f, 123 E. 4b und 441 E. 7e). Die gesetzlichen Begriffe
sind hinreichend bestimmt (BGE 113 Ib 63 E. 3b). Zudem ergeben sich
wesentliche Hinweise aus den Materialien, wurden dort doch Beispiele
angeführt. Es waren dies National- und Hochleistungsstrassen, Rangier-
und Postbahnhöfe, neue Bahnlinien, Flugplätze, grosse Feuerungsanlagen,
Lager für radioaktive Abfälle, Waffen-, Schiess- und Übungsplätze,
zivile Schiessanlagen, Altautoverwertungsanlagen, Stahlbauwerke und
andere besonders umweltbelastende Industrieanlagen, Gesamtmeliorationen,
Terrainveränderungen, Wasserkraftwerke, Seeuferaufschüttungen, Seilbahnen,
Grossausstellungen mit bleibenden Anlagen, Anlagen für Autorennen und
Motocrossanlagen. Beigefügt wurde, über einige Anlagen wie z.B. Kiesgruben,
Schlittel- und Bobbahnen habe sich der Bundesrat noch nicht definitiv
entschieden (BBl 1979 III 749 ff., 786; Amtliches Bulletin, NR 1982,
S. 370, und SR 1983, S. 262). Das Eidgenössische Departement des Innern
ergänzte in seiner Vernehmlassung, für Kiesgruben sei diese Zurückhaltung
notwendig gewesen, weil zusätzliche Kriterien nötig seien, um Bagatellfälle
von den wirklich UVP-würdigen Anlagen zu trennen. Der Bundesrat sei
vor dem Erlass des Gesetzes noch nicht in der Lage gewesen, sämtliche
Schwellenwerte zu formulieren, da die Verwaltung zuerst entsprechende
Abklärungen habe vornehmen müssen.

    Kiesgruben sind Terrainveränderungen und damit "Anlagen" im Sinne
von Art. 9 Abs. 1 USG (vgl. Art. 7 Abs. 7 USG). Ihrem Zweck entsprechend
können sie die Umwelt belasten. Ihr Betrieb verursacht möglicherweise
direkte und indirekte Einwirkungen auf Menschen, Tiere und Pflanzen,
ihre Lebensgrundlagen und Lebensräume: zudem bringen sie zumindest
temporär eine Verminderung der Fruchtbarkeit des Bodens mit sich (Art. 1
USG). Zu diesen Immissionen gehören auch diejenigen von Lärm und Staub,
die wegen der Transporte von Kies und Auffüllmaterial zu erwarten sind
(vgl. BGE 112 Ib 37 E. 5d, 122 E. 4b). Ob diese Belastungen auch wirklich
auftreten, ist für die Beurteilung der Prüfungspflicht belanglos.

    Der Einwand der abbauwilligen Firmen, die Probleme stammten nicht
vom Betrieb des Kieswerks, sondern vom Verkehr, schlägt daher nicht
durch. Ebensowenig zu überzeugen vermag ihr Argument, der Grubenbetrieb
bringe eine Minderbelastung, denn die Fahrten würden gegenüber der heutigen
Situation eingeschränkt. Dieser Vergleich ist unzulässig. In Lommiswil
soll eine neue Kiesgrube eröffnet werden. Ein solcher Entscheid fällt
klarerweise unter den Geltungsbereich von Art. 9 USG.

    bb) Prüfungspflichtig sind nur Anlagen, welche die Umwelt "erheblich"
belasten können. Das Bundesgericht hat diese Voraussetzung bisher bei
grossen Infrastrukturanlagen bejaht, nämlich bei einem Autobahnzubringer
(BGE 112 Ib 551 E. 2), einem Wasserkraftwerk (BGE 112 Ib 441 E. 7e), einem
Waffenplatz (BGE 112 Ib 306 E. 12e) und einem kommunalen Schiessstand mit
sechs Scheiben auf 300 Meter und vier Scheiben auf 50 Meter (BGE 112 Ib 48
E. 4f). Das waren alles Anlagen, die entsprechend ihrer Funktion stets oder
doch im allgemeinen "erheblich" wirken. Wie schon die erwähnten Materialien
zeigen, liegen die Verhältnisse bei Kiesgruben anders. Es gibt Kiesgruben,
welche die Umwelt erheblich belasten, und solche, welche diese Schwelle
nicht überschreiten. Wo diese Grenze liegt, braucht hier nicht allgemein
bestimmt zu werden. Die vorgesehene Abbaustelle für 2 Millionen m3 Kies auf
40 bis 50 Jahre und zusätzlich 20 Jahre Rekultivierungsdauer ist jedenfalls
im Verhältnis zu ihrer Umwelt von grösserem Gewicht als der kommunale
Schiessstand, bei dem das Bundesgericht die Prüfungspflicht bejaht hat
(BGE 112 Ib 48 E. 4f). Angefügt sei, dass der Entwurf zur Verordnung
über die Umweltverträglichkeitsprüfung die Grenze schon bei 3000 000 m3
Abbauvolumen ziehen will (Entwurf des Eidgenössischen Departements des
Innern vom Mai 1986, S. 27, Bericht dazu S. 33 f.).

    Zusammenfassend ist festzustellen, dass im Gestaltungsplanverfahren
grundsätzlich eine Umweltverträglichkeitsprüfung hätte stattfinden müssen.

    cc) Trotz dieses Ergebnisses ist zu fragen, ob im vorliegenden Fall
das Gebot der Verhältnismässigkeit bzw. das Prinzip von Treu und Glauben
(Art. 4 BV) nicht doch gebietet, auf die Umweltverträglichkeitsprüfung
zu verzichten. Dies ist indessen zu verneinen. Wie das Bundesgericht
bereits in seinem ersten Entscheid zur intertemporalen Anwendung des
Umweltschutzgesetzes festgehalten hat, überwiegt das Interesse am Schutz
und an der Schonung der gefährdeten Lebensgrundlagen das Interesse des
Einzelnen, in seinem Vertrauen auf eine Behandlung nach früherem Recht
geschützt zu werden (BGE 112 Ib 44 E. 1c). Auch die Tatsache, dass die
Planungsarbeiten auf der Ebene der Gemeinde am 1. Januar 1985 weitgehend
abgeschlossen waren, rechtfertigt es nicht, das Umweltschutzgesetz und
insbesondere dessen Art. 9 und Art. 11 ff. auf den vorliegenden Fall
nicht anzuwenden.

    c) aa) Das Umweltschutzgesetz führt kein zusätzliches
Bewilligungsverfahren ein. Die Umweltverträglichkeitsprüfung ist deshalb
in der Regel in die bestehenden Entscheidverfahren zu integrieren
(BGE 112 Ib 441 E. 7e). Da es wenig zweckmässig wäre, die notwendigen
Prüfungsarbeiten auf mehrere parallel ablaufende Verfahren zu verteilen,
muss eine Konzentration auf dasjenige Plangenehmigungs-, Konzessions- oder
Bewilligungsverfahren erfolgen, welches für den betreffenden Anlagetyp
als besonders geeignet erscheint. Dabei ist stets jenes zu wählen,
welches einerseits in einer möglichst frühen Phase der Projektierung
stattfindet und andererseits doch bereits eine umfassende Beurteilung
aller Umweltauswirkungen des Vorhabens erlaubt (BBl 1979 III 786).
Im vorliegenden Fall kann die Umweltverträglichkeitsprüfung sinnvoll
nur im Gestaltungsplanverfahren stattfinden. Hier wird das Projekt zum
ersten Mal im Rahmen einer einheitlichen Konzeption bearbeitet. Seine
raum-zeitlichen Auswirkungen sind aufgrund einer Gesamtbeurteilung
erfassbar; die Verträglichkeit gegenüber der Umwelt bzw. mit den
normierten Grenzwerten kann überprüft und mögliche Alternativen können
erarbeitet und dem ursprünglichen Projekt gegenübergestellt werden. Der
einmal rechtsgültig erlassene Gestaltungsplan wird das eigentliche
Baubewilligungsverfahren derart weit vorbestimmen, dass dannzumal eine
umfassende Beurteilung kaum mehr möglich sein wird. Dementsprechend ist
die Prüfung so früh als möglich anzusetzen. Grundsätzlich obliegt sie, wo
ein einheitliches, aber mehrstufiges Verfahren besteht, der ersten Instanz,
welche die tatsächlichen und persönlichen Verhältnisse normalerweise auch
besonders gut kennt.

    bb) Beim Beschluss über einen Gestaltungsplan nach solothurnischem
Recht lässt sich die Rolle der ersten Instanz nicht allein dem Gemeinderat
zuordnen. Der Regierungsrat amtet zwar als Beschwerdeinstanz (§ 18 Abs. 2
BauG). Im Rahmen dieses Verfahrens prüft er die Pläne umfassend auf ihre
Recht- und Zweckmässigkeit und auf ihre Übereinstimmung mit den kantonalen
und regionalen Plänen (Art. 26 Abs. 1 RPG; § 18 Abs. 2 BauG). Ihm kommen
originäre Funktionen der Koordination mit anderen Gemeinden und mit den
Anliegen des Kantons und des Bundes zu. Dass auf der Ebene der Gemeinde
keine Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt worden ist, obschon
die massgebenden Beschlüsse nach Inkrafttreten des Umweltschutzgesetzes
erfolgten, lässt sich aufgrund der tatsächlichen Verhältnisse des
vorliegenden Falles möglicherweise noch vertreten. Indessen hätte im
Verfahren vor dem Regierungsrat auf jeden Fall eine solche Prüfung
vorgenommen werden müssen. Wohl setzte sich der Regierungsrat im
angefochtenen Entscheid mit dem Immissionsproblem auseinander, nicht
jedoch mit den besonderen Anforderungen des Umweltschutzgesetzes.

    Der Regierungsrat wendet dagegen ein, dass im Zeitpunkt seines
Entscheides am 1. Juli 1986 die Immissionsgrenzwerte und Planungswerte,
welche für die Beurteilung von schädlichen und lästigen Einwirkungen
gelten, durch Verordnung des Bundesrates noch nicht festgelegt
waren. Es sei ihm deshalb nichts anderes übrig geblieben, als die
Probleme des Grubenverkehrs und seiner Immissionen nach den bisherigen
Erfahrungen und den bestehenden Unterlagen zu beurteilen. Er habe die
materiellen Ziele des Umweltschutzgesetzes weitgehend auch ohne förmliche
Umweltverträglichkeitsprüfung eingehalten und erfüllt. Es trifft zu,
dass die Lärmschutzverordnung vom 15. Dezember 1986 (LSV, SR 814.331)
erst am 1. April 1987 in Kraft getreten ist. Dies ändert jedoch nichts an
der bereits festgestellten Tatsache, dass Art. 9 und auch Art. 11 ff. USG
grundsätzlich unmittelbar anwendbar sind. Soweit sich aus ihnen direkte
Handlungsanweisungen ergeben, hätte sich der Regierungsrat deshalb nach
ihnen richten müssen (vgl. E. 3a und 3b sowie BGE 112 Ib 43 E. 1c und
46 E. 4).

    d) Das Bundesgericht stellt fest, dass im Verfahren vor
dem Regierungsrat das Umweltschutzgesetz hätte Anwendung finden
müssen. Die Beschwerde ist deshalb gutzuheissen, und der angefochtene
Entscheid vom 1. Juli 1986 ist aufzuheben. Der Regierungsrat hat die
Umweltverträglichkeit der Lärmimmissionen aus dem Grubenverkehr nach dem
zur Zeit seines neuen Entscheides geltenden Umweltschutzrecht des Bundes
zu prüfen. Dazu gehören insbesondere auch die Vorschriften der am 1. April
1987 in Kraft getretenen Lärmschutzverordnung (LSV), denn der angefochtene
Entscheid ist wegen Verletzung von Bundesrecht aufzuheben, welches im
Zeitpunkt seines Erlasses bereits galt und anzuwenden gewesen wäre. Das
Verfahren erweist sich deshalb als noch nicht abgeschlossen, was dazu
führen muss, dass das seither neu in Kraft getretene Ausführungsrecht
zum Umweltschutzgesetz anzuwenden ist. Dem steht der Grundsatz des
Vertrauensschutzes nicht entgegen, denn es lässt sich nicht sagen, die
Beschwerdeführer hätten in querulatorischer Weise Verfahrensverzögerungen
herbeigeführt, um so die Anwendung strengeren Rechts zu erwirken (vgl. dazu
BGE 112 Ib 43 f. E. 1c).

    Indessen wäre es unverhältnismässig, im vorliegenden Fall
nachträglich ein umfassendes Prüfungsverfahren gemäss Umweltschutzgesetz
zu verlangen. Es muss genügen, wenn materiell, der Sache nach, und
beschränkt auf den strittigen Bereich der verkehrsmässigen Erschliessung
das nachgeholt wird, was notwendig ist, um die Umweltverträglichkeit
sicherzustellen (z.B. Prognose über die Immissionen; Abklärung
möglicher Emissionsbegrenzungen; Prüfung von Alternativen; umfassende
Interessenabwägung). Der Regierungsrat wird zu prüfen haben, inwieweit
das von den Beschwerdegegnerinnen ins Recht gelegte Gutachten über
Lärmimmissionen aus dem Betrieb der Grube an der Liegenschaft der
Beschwerdeführer den einschlägigen Anforderungen genügt und als Teilbericht
zur Umweltverträglichkeitsprüfung anerkannt werden kann. Dasselbe gilt
in bezug auf die von ihm im angefochtenen Entscheid bereits beurteilte
und verworfene Alternative der Erschliessung nach Süden durch den
Mannwil-Hölzliwald in gerader Richtung direkt auf die Jurasüdfussstrasse
T 5.