Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 113 IB 219



113 Ib 219

37. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom
16. September 1987 i.S. Bundesamt für Raumplanung gegen Hugener und
Regierungsrat des Kantons Appenzell A.Rh. (Verwaltungsgerichtsbeschwerde)
Regeste

    Art. 24 RPG; Remisen-Neubau mit drei Garagen und einem Brennholzraum
zu Wohnhaus und Ökonomiegebäude ausserhalb der Bauzonen.

    1. Das Bundesamt für Raumplanung ist auch ohne Nachweis eines
spezifischen öffentlichen Interesses an der Anfechtung einer Bewilligung
gemäss Art. 24 RPG befugt, Verwaltungsgerichtsbeschwerde zu ergreifen
(E. 1b). Zulässigkeit einer reformatio in peius durch das Bundesgericht
(E. 1c).

    2. Die bisherige zonenwidrige Nutzung einer Liegenschaft vermag für
sich die Standortgebundenheit eines Neubauprojektes nicht zu begründen
(E. 3).

    3. Da nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung die Möglichkeit,
zonenwidrige Bauten und Anlagen ausserhalb der Bauzonen in bescheidenem
Umfang zu vergrössern, nur einmal benützt werden kann, schliesst es die
hier früher erfolgte Zweckänderung aus, das vorgesehene Projekt nach
Art. 24 Abs. 2 RPG zu bewilligen (E. 4d).

    4. Offengelassen, ob ein von den bestehenden Gebäuden unabhängiger
Garagenbau unter den Begriff "Erweiterung" i.S. von Art. 24 Abs. 2 RPG
subsumiert werden kann (E. 5).

Sachverhalt

    A.- Johann Jakob Hugener ist Eigentümer des Grundstücks Hagtobel
(Parzelle Nr. 770, Grundbuch Hundwil). Er hat es vom Heimwesen Parzelle
Nr. 17, welches er am 8. Dezember 1976 von seinem Grossvater erworben
hatte, zwecks höherer Belehnung abtrennen lassen. Es liegt ausserhalb
der Bauzone und ist mit einem Wohnhaus und einem daran angebauten
Ökonomiegebäude (Stall, Tenn, Heuraum) überbaut. Das Grundstück Nr. 770
umfasst 21 a 38 m2 und ist heute steuermässig als nichtlandwirtschaftliche
Liegenschaft eingestuft. Im Keller des Wohnhauses wurde in früheren Zeiten
gewoben und gestickt. Nach Aufgabe dieser Tätigkeit in den dreissiger
Jahren wurde der dafür verwendete Raum als Keller benützt. Im April 1978
richtete Johann Jakob Hugener im ehemaligen Webkeller eine Werkstatt für
seinen Spenglerei- und Sanitärbetrieb ein und verwendet seither zudem
einen Teil des ursprünglich landwirtschaftlich genutzten Ökonomieteils
als Lagerraum für den Gewerbebetrieb. Neben dem Geschäftsinhaber arbeitet
ein Angestellter im Betrieb mit. Eine Bewilligung für diese Zweckänderung
liegt nicht vor.

    Am 12. Februar 1985 suchte Johann Jakob Hugener um die Bewilligung
eines Remisen-Neubaus mit 3 Garagen und einem Brennholzraum auf der
Parzelle Nr. 770 nach. Mit Verfügung vom 21. März 1985 bewilligte die
Baudirektion des Kantons Appenzell A.Rh. den Bau von bloss 2 Garagen und
verlangte, dass die Kniestockwand reduziert werde. Gegen diese Verfügung
wandte sich Johann Jakob Hugener mit Rekurs an den Regierungsrat, welcher
diesen am 11. März 1986 guthiess und die Baudirektion anwies, im Sinne
der Erwägungen neu zu entscheiden, d.h. dem Baugesuch zu entsprechen.

    Gegen diesen Entscheid des Regierungsrates vom 11. März 1986 führt das
Bundesamt für Raumplanung Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Bundesgericht.

    Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut.

Auszug aus den Erwägungen:

                     Aus den Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- b) Zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen die Verfügung einer
letzten kantonalen Instanz ist gemäss Art. 103 lit. b OG das in der Sache
zuständige Departement berechtigt oder, soweit das Bundesrecht es vorsieht,
die in der Sache zuständige Dienstabteilung der Bundesverwaltung. Das
Bundesamt für Raumplanung wird in Art. 11 Abs. 3 der Verordnung über
die Raumplanung vom 26. August 1981 sowie in Art. 17 Abs. 3 der
Verordnung über die Raumplanung vom 26. März 1986, welche die eben
erwähnte Verordnung vom 26. August 1981 ersetzt und am 1. Mai 1986 in
Kraft getreten ist, für befugt erklärt, Verwaltungsgerichtsbeschwerde im
Sinne von Art. 34 Abs. 1 RPG zu erheben (BGE vom 15. Juni 1983, teilweise
veröffentlicht in: ZBl 85/1984 S. 77 ff.). Diese Behördenbeschwerde
des Bundes dient als bundesrechtliches Aufsichtsmittel in erster Linie
dem Zweck, die öffentlichen Interessen, insbesondere das Anliegen der
richtigen und rechtsgleichen Anwendung des Bundesrechts, zu wahren (F.
GYGI, Bundesverwaltungsrechtspflege, 2. Aufl., Bern 1983, S. 164; Entscheid
des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich vom 16. Dezember 1981 in: ZBl
83/1982 S. 218/219). Dem Bund steht dabei ein abstraktes Beschwerderecht
zu. Er muss daher kein spezifisches öffentliches Interesse an der
Anfechtung der Verfügung nachweisen. Die Beschwerde ist infolgedessen
auch insoweit zulässig.

    c) In ihrer Verfügung vom 21. März 1985 hat die Baudirektion
entgegen dem Antrag des Beschwerdegegners und Baugesuchstellers statt
einen Remisen-Neubau mit 3 Garagen und Brennholzraum nur 2 Garagen
für das Wohnhaus bewilligt und verlangt, die Kniestockwand sei so weit
zu reduzieren, als die Vordachhöhe auf der Nordseite dies zulasse. Der
Regierungsrat hat hierauf einen vom Beschwerdegegner gegen diese Verfügung
erhobenen Rekurs mit Entscheid vom 11. März 1986 gutgeheissen und die
Akten im Sinne der Erwägungen zum neuen Entscheid, d.h. zur Bewilligung
des projektierten Remisen-Neubaus mit 3 Garagen und der vorgesehenen
Kniestockhöhe, an die Baudirektion zurückgewiesen. Das Bundesamt
für Raumplanung erachtet in seiner Verwaltungsgerichtsbeschwerde das
Bauvorhaben insgesamt für bundesrechtswidrig. Es beantragt deshalb
dem Bundesgericht, die Ausnahmebewilligung für das ganze geplante
Bauvorhaben mit Einschluss der von der Baudirektion bewilligten Elemente zu
verweigern. Damit verlangt es in bezug auf die Verfügung der Baudirektion
vom 21. März 1985, zu Lasten des Beschwerdegegners eine reformatio in
peius vorzunehmen. Begründet wird dies damit, die Behördenbeschwerde
des Bundes würde als Mittel der Bundesaufsicht ihres Gehaltes entleert,
wenn der Streitgegenstand für das Verfahren vor Bundesgericht bereits
im kantonalen Verfahren eingeschränkt würde. Dies ist zutreffend. Eine
reformatio in peius durch das Bundesgericht ist nach der Rechtsprechung
desselben in solchen Fällen denn auch - ungeachtet der entsprechenden
kantonalen Verfahrensvorschriften - möglich (BGE 102 Ib 282 ff.).

Erwägung 3

    3.- Art. 24 Abs. 1 RPG setzt für eine Ausnahmebewilligung voraus, dass
der Zweck der Bauten und Anlagen einen Standort ausserhalb der Bauzonen
erfordert (lit. a) und keine überwiegenden Interessen entgegenstehen
(lit. b).

    Der projektierte Remisen-Neubau ist nicht auf einen Standort
ausserhalb der Bauzonen angewiesen. Das Vorhaben kann insoweit
mangels Standortbedingtheit nicht gestützt auf Art. 24 Abs. 1 RPG
bewilligt werden (BGE 112 Ib 407/408 E. 6a; 110 Ib 265/266 E. 4, je
mit Hinweisen). Insbesondere vermag die heutige zonenwidrige Nutzung der
Liegenschaft Nr. 770 für gewerbliche (Spenglerei- und Sanitärbetrieb) und
Wohnzwecke die Standortgebundenheit des Remisen-Neubaus nicht zu begründen
(BGE 108 Ib 362/363 E. 4b mit Hinweis). Da beide Voraussetzungen von
Art. 24 Abs. 1 RPG kumulativ erfüllt sein müssen, braucht nicht mehr
geprüft zu werden, ob dem Vorhaben auch überwiegende Interessen der
Raumplanung im Sinne von Art. 24 Abs. 1 lit. b RPG entgegenstehen. Dessen
Unzulässigkeit ergibt sich - wie ausgeführt - schon aus Art. 24 Abs. 1
lit. a RPG (BGE 110 Ib 265/266 E. 4 mit Hinweis).

Erwägung 4

    4.- d) Der Beschwerdegegner hat im April 1978 im Keller des
Wohnhauses mit angebauter Scheune auf Parzelle Nr. 770 ein Spenglerei- und
Sanitärgeschäft eingerichtet, ohne dafür eine Bewilligung einzuholen. Nach
Auffassung der Baudirektion war diese Nutzungsänderung aufgrund des
Gewässerschutzgesetzes und der allgemeinen Gewässerschutzverordnung
bewilligungspflichtig, obwohl keine baulichen Veränderungen vorgenommen
werden mussten. Die Baudirektion erhielt von dieser Nutzungsänderung
erst aufgrund des Baugesuches für das vorliegend zu beurteilende
Remisen-Neubau-Projekt Kenntnis. Dabei überprüfte sie auch diese
und gelangte zum Schluss, die Bauten auf Parzelle Nr. 770 seien zur
landwirtschaftlichen Nutzung geschaffen worden. Der Spenglerei- und
Sanitärbetrieb stehe diesem Zweck in seinen Auswirkungen nicht nahe,
weshalb es sich um keine teilweise, sondern um eine vollständige Änderung
handle, die rechtlich nicht zulässig sei. Da der Betrieb seit 7 Jahren
bestanden hatte, ohne dass die Behörden dagegen eingeschritten wären,
betrachtete die Baudirektion einen Räumungsbefehl als gegen den Grundsatz
von Treu und Glauben verstossend und unverhältnismässig. Trotzdem bleibe
- so die Baudirektion weiter - die Zweckänderung widerrechtlich, was zur
Folge habe, dass für den Gewerbebetrieb keine Erweiterungsmöglichkeiten
bewilligt werden könnten.

    Dieser Argumentation widersprach der Regierungsrat im Rekursentscheid
zu Unrecht. Nach der Praxis des Bundesgerichtes und z.B. auch des Berner
Verwaltungsgerichtes zu Art. 22 Abs. 2 lit. a in Verbindung mit Art. 24 RPG
gilt auch die Verwendung einer bestehenden Baute in der Landwirtschaftszone
für einen anderen Nutzungszweck als baubewilligungspflichtig. Dabei
ist es unerheblich, ob mit der Nutzungsänderung bauliche Massnahmen
verbunden sind oder nicht. Eine ohne bauliche Vorkehren auskommende
Zweckänderung unterliegt der Bewilligungspflicht nur dann nicht, wenn
(auch) der neue Verwendungszweck der in der fraglichen Zone zuzulassenden
Nutzung entspricht oder sich die Änderung hinsichtlich ihrer Auswirkungen
auf Umwelt und Planung als ausgesprochen geringfügig erweist (Entscheid
des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern vom 18. Juni 1984, E. 2, in:
KPG-Bulletin 4/84, S. 4; vgl. BGE 110 Ib 264 ff.; vgl. auch den Kommentar
zum zitierten Entscheid des Berner Verwaltungsgerichtes von P. LUDWIG
in: KPG-Bulletin 4/84, S. 10 und 11). Die vom Beschwerdegegner im Jahre
1978 vorgenommene Zweckänderung stützt sich zwar noch auf Art. 20 des
Bundesgesetzes über den Schutz der Gewässer gegen Verunreinigung vom
8. Oktober 1971 (Gewässerschutzgesetz, GSchG). Nachdem Art. 24 RPG die
frühere Ordnung von Art. 20 GSchG im wesentlichen übernommen hat (BGE 112
Ib 279 E. 5), ist auch bereits die vom Beschwerdegegner 1978 vorgenommene
Zweckänderung des ehemals landwirtschaftlichen Wohnhauses mit angebautem
Stallteil durch den Einbau eines Sanitär- und Spenglereibetriebes als
raumplanungsrechtlich relevante Massnahme zu betrachten. Dabei wurde das
auf Parzelle Nr. 770 gestützt auf Art. 20 GSchG in Verbindung mit Art. 24
Abs. 2 RPG zulässige Änderungsmass mit der Einrichtung des Spenglerei-
und Sanitärbetriebes zumindest annähernd erreicht (BGE vom 25. November
1981 in: Raumplanung, Informationshefte des Bundesamtes für Raumplanung
2/82, S. 26).

    Da nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung die Möglichkeit,
zonenwidrige Bauten und Anlagen ausserhalb der Bauzonen in bescheidenem
Umfang zu vergrössern, nur einmal benützt werden darf (BGE 112 Ib
278/279 E. 5 mit Hinweisen), schliesst diese Zweckänderung jedenfalls
aus, das vom Regierungsrat gutgeheissene Projekt zusätzlich nach
Art. 24 Abs. 2 RPG zu bewilligen, da damit das zulässige Änderungsmass
eindeutig überschritten würde. Es ist zwar nicht unzulässig, gestützt auf
Art. 24 Abs. 2 RPG mehrere zeitlich getrennte Änderungen an einem Objekt
vorzunehmen. Diese dürfen indessen insgesamt das unter dem Gesichtspunkt
dieses Gesetzesartikels zulässige Änderungsmass nicht überschreiten.

Erwägung 5

    5.- Zusammenfassend ergibt sich, dass das im vorliegenden Verfahren
zu beurteilende Remisenprojekt, wie es die Vorinstanz bewilligt hat,
gegen Art. 24 Abs. 2 RPG verstösst. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde
ist daher gutzuheissen und der angefochtene Entscheid aufzuheben.

    Ob einem reduzierten Projekt, wie es von der Baudirektion befürwortet
wird, die Bewilligung unter dem Gesichtswinkel von Art. 24 Abs. 2
RPG erteilt werden könnte, ist hier nicht zu entscheiden. Will der
Beschwerdegegner ein solchermassen reduziertes Projekt verwirklichen, so
hat er der Baudirektion ein entsprechend umgestaltetes Baugesuch mit den
dazugehörigen Unterlagen zu unterbreiten. Unter den gegebenen Umständen
braucht auch weder über den vom Beschwerdeführer erhobenen weiteren
Einwand, ein von den bestehenden Gebäuden unabhängiger Annexbau könne
nicht unter den Begriff "Erweiterung" subsumiert werden noch über die
Frage, ob das ursprüngliche oder ein allenfalls reduziertes Projekt mit
den wichtigen Anliegen der Raumplanung vereinbar seien, befunden zu werden.

    Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind die bundesgerichtlichen Kosten
dem Beschwerdegegner als unterliegender Partei aufzuerlegen (Art. 156
Abs. 1 OG).