Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 113 IB 195



113 Ib 195

34. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung
vom 10. Juli 1987 i.S. X. AG gegen Eidgenössische Steuerverwaltung
(Verwaltungsgerichtsbeschwerde) Regeste

    Bundesratsbeschluss betreffend Massnahmen gegen die ungerechtfertigte
Inanspruchnahme von Doppelbesteuerungsabkommen des Bundes
(Missbrauchsbeschluss).

    1. Berechtigung der Eidgenössischen Steuerverwaltung, im Zusammenhang
mit der Weiterleitung eines Rückerstattungsantrags an eine ausländische
Steuerbehörde die in Art. 4 Missbrauchsbeschluss umschriebenen Massnahmen
zu ergreifen (E. 2).

    2. Voraussetzungen, unter denen eine Steuerentlastung als
missbräuchliche Inanspruchnahme eines Doppelbesteuerungsabkommens im Sinne
von Art. 2 Abs. 2 lit. b Missbrauchsbeschluss anzusehen ist (E. 3 und 4).

    3. Eine missbräuchliche Inanspruchnahme von Doppelbesteuerungsabkommen
im Sinne von Art. 2 Abs. 2 lit. b Missbrauchsbeschluss liegt auch
vor, wenn die Entlastung der Einkünfte aus Dividenden ausländischer
Tochtergesellschaften von einer schweizerischen Holding-Aktiengesellschaft
verlangt wird, welche keine angemessenen Gewinnausschüttungen vornimmt
(Speichergesellschaft) und von einer schweizerischen Kollektivgesellschaft,
deren Teilhaber ihren Wohnsitz im Ausland haben, beherrscht wird. Aus der
Abkommensberechtigung der schweizerischen Kollektivgesellschaft ergibt
sich nicht zwangsläufig auch die Abkommensberechtigung ihrer Teilhaber
(E. 5 und 6).

Sachverhalt

    A.- Die X. AG ist eine Holdinggesellschaft einer in zahlreichen
Ländern tätigen Unternehmensgruppe und hält Beteiligungen in Belgien,
Dänemark, Grossbritannien, Finnland, Frankreich, Griechenland, den
Niederlanden, Italien, Österreich, Portugal, Schweden, Spanien und der
Schweiz. Die Aktien der X. AG befinden sich ausschliesslich in der Hand
einer schweizerischen Kollektivgesellschaft. Die an dieser Gesellschaft
beteiligten Kollektivgesellschafter sind ausländische Staatsangehörige
mit Wohnsitz im Ausland.

    Die X. AG verlangte gestützt auf das Abkommen zwischen der Schweiz
und Portugal zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete
der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen vom 26. September 1974
(SR 0.672.965.41) die Rückerstattung von portugiesischen Steuern auf
den ihr von ihrer Tochtergesellschaft ausgerichteten Dividenden. Die
Eidgenössische Steuerverwaltung leitete den Rückerstattungsantrag nicht
weiter. Sie stellte sich auf den Standpunkt, an der X. AG seien nicht
abkommensberechtigte Personen zu einem wesentlichen Teil direkt oder
indirekt durch Beteiligung interessiert; die Antragstellerin habe von
ihr angerufene Doppelbesteuerungsabkommen missbräuchlich in Anspruch
genommen, da sie die in Art. 2 Abs. 2 lit. b des Bundesratsbeschlusses
betreffend Massnahmen gegen die ungerechtfertigte Inanspruchnahme
von Doppelbesteuerungsabkommen des Bundes vom 14. Dezember 1962
(Missbrauchsbeschluss; SR 672.202) genannte Bedingung der angemessenen
Gewinnausschüttung nicht eingehalten habe; sie habe seit dem Geschäftsjahr
1982 keine Gewinnausschüttungen mehr vorgenommen. Die X. AG bestritt
diesen Standpunkt. Die Eidgenössische Steuerverwaltung erliess deshalb
einen förmlichen Entscheid. Sie forderte die Aktiengesellschaft auf, die
seit dem Jahre 1982 aufgrund von Doppelbesteuerungsabkommen erwirkten
Steuerentlastungen den betreffenden Staaten zurückzuvergüten. Sie
verweigerte zudem die Weiterleitung von hängigen oder künftigen Anträgen
auf Rückerstattung oder Befreiung von ausländischen Quellensteuern an
die zuständigen ausländischen Steuerbehörden.

    Eine dagegen erhobene Einsprache der X. AG hiess die Eidgenössische
Steuerverwaltung teilweise gut. Sie nahm die zukünftigen
Rückerstattungsanträge vom Verbot der Weiterleitung aus; in der
Hauptsache wies sie die Einsprache jedoch ab. Die im angefochtenen
Entscheid angeordnete Rückvergütung von Steuerentlastungen wurde
indessen sistiert, um der X. AG im Sinne einer Billigkeitslösung bei
einer rechtskräftigen Unterstellung unter den Missbrauchsbeschluss eine
nachträgliche Ausschüttung zu ermöglichen.

    Eine gegen den Einspracheentscheid gerichtete
Verwaltungsgerichtsbeschwerde weist das Bundesgericht ab.

Auszug aus den Erwägungen:

                     Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- a) Gemäss Art. 17 Abs. 3 der Verordnung über die pauschale
Steueranrechnung vom 22. August 1967 (SR 672.201) kann die Eidgenössische
Steuerverwaltung einen auf ein Doppelbesteuerungsabkommen gestützten
Anspruch auf pauschale Steueranrechnung auch noch nach der Festsetzung
durch die zuständige kantonale Amtsstelle (vgl. Art. 15 der Verordnung
über die pauschale Steueranrechnung) überprüfen. Aufgrund dieser Bestimmung
kann die Eidgenössische Steuerverwaltung als berechtigt angesehen werden,
im Zusammenhang mit der Weiterleitung eines bei einer kantonalen Amtsstelle
eingereichten Rückerstattungsantrags an eine ausländische Steuerbehörde
gegenüber der Gesuchstellerin die in Art. 4 Missbrauchsbeschluss
umschriebenen Massnahmen zu ergreifen.

    b) Der angefochtene Entscheid hat einerseits die Weiterleitung
des am 28. März 1985 eingereichten Antrags auf Rückerstattung der in
Portugal erhobenen Quellensteuern auf den Dividenden der portugiesischen
Tochtergesellschaft der Beschwerdeführerin, aber auch weitere im
Zeitpunkt des Entscheids der Eidgenössischen Steuerverwaltung vom
23. Januar 1986 hängige Anträge auf Weiterleitung von Rückerstattungs- oder
Befreiungsgesuchen an nicht genannte Vertragsstaaten zum Gegenstand. Dabei
kann es sich um alle bereits erwähnten europäischen Staaten handeln,
in denen die Beschwerdeführerin Beteiligungen hält und mit denen die
Schweiz Doppelbesteuerungsabkommen abgeschlossen hat.

    Andrerseits enthält der Einspracheentscheid auch die Verpflichtung,
die seit 1982 erwirkten Quellensteuerentlastungen an die entsprechenden
Vertragsstaaten zurückzuvergüten. Dabei handelt es sich nach Ziff. 1
des Dispositivs des angefochtenen Entscheids und nach der Beilage zum
Entscheid vom 23. Januar 1986 um Frankreich, Grossbritannien, Portugal,
Italien und Österreich. Die Eidgenössische Steuerverwaltung hält in den
Ziff. 2 und 3 des Dispositivs des angefochtenen Einspracheentscheids
an dieser Verpflichtung fest. Sie hat sie lediglich sistiert, damit die
Beschwerdeführerin die Rückerstattung noch vermeiden kann, indem sie die
verlangten Ausschüttungen für die betreffenden Jahre nachholt.

    Der angefochtene Einspracheentscheid ist folglich nicht nur eine blosse
Auskunft oder eine Feststellung der Rechtslage. Vielmehr handelt es sich um
eine gemäss Art. 97 Abs. 1 OG mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde anfechtbare
Verfügung im Sinne von Art. 5 VwVG, welche für die Beschwerdeführerin
hinsichtlich der von ihr eingereichten Rückerstattungsanträge und der
bereits weitergeleiteten früheren Anträge konkrete Rechtswirkungen
entfaltet.

Erwägung 3

    3.- a) Nach der Kompetenzzuweisung in Art. 1 Durchführungsbeschluss
werden die Ausführungsbestimmungen für die Durchführung eines von
der Schweizerischen Eidgenossenschaft mit einem fremden Staate
abgeschlossenen Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung vom
Bundesrat aufgestellt. Der Bundesrat ist gemäss Art. 2 Abs. 1 lit. b
Durchführungsbeschluss insbesondere zuständig, Massnahmen zu treffen, um zu
verhindern, dass die vom anderen Vertragsstaat zugesicherte Herabsetzung
von an der Quelle erhobenen Steuern Personen zugute kommt, die darauf
nach dem Abkommen keinen Anspruch haben. Gestützt auf diese Bestimmung
hat der Bundesrat den Missbrauchsbeschluss erlassen.

    b) Nach dem Missbrauchsbeschluss wird eine Steuerentlastung von
einer natürlichen oder juristischen Person oder Personengesellschaft mit
Wohnsitz oder Sitz in der Schweiz missbräuchlich beansprucht, wenn die
Inanspruchnahme dazu führen würde, dass die Steuerentlastung zu einem
wesentlichen Teil direkt oder indirekt nicht abkommensberechtigten
Personen zugute kommt (Art. 2 Abs. 1 Missbrauchsbeschluss). Diese
allgemeine Umschreibung der missbräuchlichen Inanspruchnahme einer
Steuerentlastung wird in Art. 2 Abs. 2 Missbrauchsbeschluss durch vier
typische Tatbestände konkretisiert:

    "2 Eine Steuerentlastung wird insbesondere dann missbräuchlich
   beansprucht, wenn sie Einkünfte betrifft;

    a. die zu einem wesentlichen

    Teil direkt oder indirekt zur Erfüllung von Ansprüchen nicht
   abkommensberechtigter Personen verwendet werden; der Erfüllung von

    Ansprüchen ist in der Regel gleichgestellt die Verwendung der Einkünfte
   zur Abschreibung von Vermögenswerten, deren Gegenwert direkt oder
   indirekt nicht abkommensberechtigten Personen zugekommen ist oder
   zukommt;

    b. die
   einer juristischen Person mit Sitz in der Schweiz zugute kommen, an der
   nicht abkommensberechtigte Personen zu einem wesentlichen Teil direkt
   oder indirekt durch Beteiligung oder in anderer Weise interessiert
   sind und die keine angemessenen Gewinnausschüttungen vornimmt;

    c. die auf Grund eines Treuhandverhältnisses einem nicht
   abkommensberechtigten Treugeber zugute kommen;

    d. die einer Familienstiftung mit Sitz in der Schweiz oder einer

    Personengesellschaft mit Sitz aber ohne geschäftlichen Betrieb in der

    Schweiz zugute kommen, an denen nicht abkommensberechtigte Personen zu
   einem wesentlichen Teil interessiert sind."

    c) Die Eidgenössische Steuerverwaltung geht in ihrem
Einspracheentscheid davon aus, dass auf die Beschwerdeführerin Art. 2
Abs. 2 lit. b Missbrauchsbeschluss anwendbar sei. Wie das Bundesgericht
bereits in BGE 94 I 659 entschieden hat, hält sich diese Bestimmung im
Rahmen des Missbrauchsbeschlusses und läuft auch dem Sinn und Zweck der
Doppelbesteuerungsabkommen nicht zuwider.

Erwägung 4

    4.- Für die Anwendung von Art. 2 Abs. 2 lit. b Missbrauchsbeschluss
müssen im einzelnen die folgenden Voraussetzungen erfüllt sein:

    a) Eine juristische Person mit Sitz in der Schweiz erzielt im Ausland
mit Quellensteuern belastete Einkünfte, und sie kann in bezug auf diese
Einkünfte grundsätzlich eine Steuerentlastung durch die Inanspruchnahme
eines Doppelbesteuerungsabkommens verlangen.

    Diese Voraussetzung ist für die Beschwerdeführerin erfüllt. Als
juristische Person mit Sitz in der Schweiz erzielt sie in der Form von
Dividenden ihrer Tochtergesellschaften quellensteuerbelastete Einkünfte
aus Staaten, mit denen die Schweiz Doppelbesteuerungsabkommen abgeschlossen
hat.

    b) Bei der juristischen Person mit Sitz in der Schweiz muss es sich um
eine sogenannte Speichergesellschaft handeln, d.h. um eine Gesellschaft,
welche die ihr zufliessenden ausländischen Einkünfte thesauriert und auf
absehbare Zeit keine angemessenen Gewinnausschüttungen vornimmt. Bei
derartigen Gesellschaften, welche aufgrund des Holdingprivilegs sowie
eventuell aufgrund des Domizilprivilegs von den ihnen zufliessenden
ausländischen Dividenden in der Schweiz keine oder nur unbedeutende Steuern
zu entrichten haben, besteht die Gefahr, dass die aufgespeicherten Gewinne
auf absehbare Zeit nie ausgeschüttet, dagegen von den Interessierten
früher oder später in irgendeiner Form steuerfrei an sich gezogen
werden. Die ausländischen Dividendenerträge, für welche die Entlastung von
ausländischen Quellensteuern gestützt auf ein Doppelbesteuerungsabkommen
verlangt wird, könnten so ohne wesentliche Besteuerung in der Schweiz nicht
abkommensberechtigten, in Drittländern ansässigen Personen zufliessen. In
einem derartigen Fall wäre es missbräuchlich, wenn die Speichergesellschaft
die im Hinblick auf die schweizerische Besteuerung gewährte Entlastung
von der ausländischen Quellensteuer verlangen könnte.

    Mit dem Ausschüttungsgebot soll ein derartiger Missbrauch verhindert
werden; durch die Belastung der Ausschüttungen mit der Verrechnungssteuer
wird eine angemessene Besteuerung der abkommensbegünstigten Einkünfte
in der Schweiz sichergestellt (vgl. dazu das Kreisschreiben der
Eidgenössischen Steuerverwaltung vom 31. Dezember 1962, Ziff. II/2, in:
ASA 31, S. 249).

    c) An der fraglichen juristischen Person müssen schliesslich zu einem
wesentlichen Teil direkt oder indirekt durch Beteiligung oder in anderer
Weise nicht abkommensberechtigte Personen interessiert sein.

    Damit von einem Missbrauch gesprochen werden kann,
muss die ausländische Quellensteuerentlastung einer nicht
abkommensberechtigten Person unter Umständen zugute kommen, unter denen die
Staatsvertragsparteien die Entlastung von der ausländischen Quellensteuer
nicht vereinbaren wollten und die Schweiz nach dem Grundsatz von Treu
und Glauben diese Entlastung von ihrem Vertragspartner nicht erwarten darf.

    Derartige Umstände können sich insbesondere aus der Kombination der
Entlastung von ausländischen Quellensteuern mit Steuererleichterungen
für den schweizerischen Empfänger der Einkünfte (Holdingprivileg,
Domizilprivileg) ergeben. Diese Kombination kann unter anderem dazu dienen,
die ordentliche Besteuerung der ausländischen Einkünfte in der Schweiz auf
absehbare Zeit zu vermeiden und es bei der latenten Steuerlast bewenden
zu lassen, um sie später allenfalls auf die eine oder andere Weise gar
endgültig abzuwenden. Ein derartiges Vorgehen erscheint im Verhältnis
zum ausländischen Vertragsstaat an sich missbräuchlich (RIVIER, Le droit
fiscal international, S. 251; WIDMER, Neue Entwicklungen im internationalen
Steuerrecht, in: Steuer Revue 1974, S. 90 ff., insbesondere S. 94 Ziff. 3).

    Was die Speichergesellschaft betrifft, ist ein solcher Missbrauch
nach Art. 2 Abs. 2 lit. b Missbrauchsbeschluss schon allein darin zu
erblicken, dass sie den Vorteil des Doppelbesteuerungsabkommens zur
Thesaurierung der Einkünfte im Interesse nicht abkommensberechtigter
Personen ausnützt (MATTHEY, Les mesures contre l'utilisation sans cause
légitime des conventions conclues par la Confédération en vue d'éviter
les doubles impositions, in: Revue de droit administratif et droit fiscal
1963, S. 59; RIVIER, aaO, S. 251; RYSER, Introduction au droit fiscal
international de la Suisse, S. 186). Bei einer Thesaurierung besteht
immer die Möglichkeit, dass die von der ausländischen Quellensteuer
entlasteten Einkünfte später indirekt oder bei einer Liquidation der
Gesellschaft allenfalls direkt unter Umgehung der Verrechnungssteuer den
Interessierten zugute kommen (Ludwig, Die ungerechtfertigte Inanspruchnahme
von Doppelbesteuerungsabkommen, in: Steuer Revue 1963, S. 57 f.).

Erwägung 5

    5.- a) In bezug auf die zuletzt genannte Voraussetzung
(E. 4 lit. c) bestreitet die Beschwerdeführerin, dass Art. 2
Abs. 2 lit. b Missbrauchsbeschluss auf sie anwendbar sei. Nach
dem Doppelbesteuerungsabkommen mit Portugal und allen anderen in
Frage kommenden Staaten (mit Ausnahme von Österreich) sei ihre
Mutter-Kollektivgesellschaft abkommensberechtigt. Zudem sei in
der Schweiz nicht die Kollektivgesellschaft, sondern seien ihre
Gesellschafter Steuersubjekt. Weder direkt noch indirekt seien daher
nicht abkommensberechtigte Personen an ihr interessiert.

    Die Beschwerdeführerin widerspricht damit der Auffassung der
Eidgenössischen Steuerverwaltung, die im angefochtenen Einspracheentscheid
die vier Teilhaber der Mutter-Kollektivgesellschaft als indirekt
durch Beteiligung an der Beschwerdeführerin interessierte, nicht
abkommensberechtigte Personen bezeichnet hat.

    b) Die Abkommensberechtigung bzw. der persönliche Geltungsbereich der
von der Schweiz abgeschlossenen Doppelbesteuerungsabkommen richtet sich
in den nach dem Muster der OECD gestalteten Doppelbesteuerungsabkommen
regelmässig danach, ob eine Person in einem der Vertragsstaaten
ansässig ist (vgl. Art. 1 Musterabkommen OECD). In den älteren
Doppelbesteuerungsabkommen ist der Wohnsitz oder bei juristischen
Personen der Sitz ausschlaggebendes Kriterium. Grundsätzlich ergeben sich
daraus keine abweichenden Ergebnisse (vgl. VON SIEBENTHAL, Persönlicher
Geltungsbereich von Doppelbesteuerungsabkommen und Ansässigkeit, in:
Höhn, Handbuch des internationalen Steuerrechts der Schweiz 1984, S. 117).

    c) Ob eine Person in einem Vertragsstaat ansässig und
damit abkommensberechtigt ist, hängt mit der Frage zusammen,
wer im Sinne eines Doppelbesteuerungsabkommens als Person
anzusehen ist. Bei Kollektivgesellschaften lässt sich dies
nicht ohne weiteres beantworten. Die nach schweizerischem Recht
begründeten Kollektivgesellschaften sind nur mit einer beschränkten
Rechtspersönlichkeit ausgestattet (vgl. Art. 562 OR). Sie sind als solche
nicht Steuersubjekte, sondern ihr Unternehmungsvermögen und -gewinn wird
anteilmässig bei den einzelnen Teilhabern besteuert.

    d) In den von der Schweiz abgeschlossenen Doppelbesteuerungsabkommen
findet sich keine einheitliche Regelung. Immerhin behandeln die
Doppelbesteuerungsabkommen der Schweiz teilweise die Personengesellschaften
oder zumindest die nach schweizerischem Recht errichteten und organisierten
Personengesellschaften ausdrücklich als Personen. Von den übrigen
Vertragspartnern werden die schweizerischen Personengesellschaften
wenigstens in der Praxis als ansässige Personen im Sinne der Abkommen
angesehen. Eine Ausnahme sind die Vertragsstaaten Bundesrepublik
Deutschland und Österreich, welche aber unter einschränkenden
Voraussetzungen die Entlastung von ihren Quellensteuern in der Schweiz
ansässigen Personengesellschaften ebenfalls zugestehen.

    e) Die von der Beschwerdeführerin angerufenen
Doppelbesteuerungsabkommen sind - mit Ausnahme des Abkommens mit
Finnland - alle nach dem Musterabkommen der OECD gestaltet. Sie
enthalten - ausgenommen das Abkommen mit Spanien - über den Sitz von
Personengesellschaften eine ausdrückliche Regelung. In der Schweiz
ansässige Personengesellschaften werden als im Sinne des Abkommens
ansässige bzw. abkommensberechtigte Personen betrachtet.

    Obwohl die in der Schweiz ansässigen Kollektivgesellschaften als
solche nicht Steuersubjekte sind, sondern ihr Unternehmungsvermögen
und -gewinn anteilig bei den Teilhabern besteuert wird, wird von den
schweizerischen Behörden in den Vertragsverhandlungen die Anerkennung von
schweizerischen Personengesellschaften als abkommensberechtigte Personen
angestrebt. Das von der Schweiz mit einer solchen Abkommensbestimmung
verlangte Zugeständnis bezieht sich sowohl auf die Besteuerung des
Unternehmungsvermögens und -einkommens der Kollektivgesellschaft (in der
Schweiz) als auch im Zusammenhang damit auf die Quellensteuerentlastung
der zu den Unternehmungseinkünften gehörenden Dividenden-, Zins- oder
Lizenzeinkünfte aus dem Vertragsstaat (ALIG, Personengesellschaften
im internationalen Steuerrecht, in: Höhn, aaO, S. 258, 260 und 261;
RIVIER, aaO, S. 118 f.; ALTDORFER, Länderbericht, Personengesellschaften
im internationalen Steuerrecht, in: Cahiers de droit fiscal international
1974 II, S. 262 f.).

    f) Aus der Abkommensberechtigung der Kollektivgesellschaft kann
aber nicht ohne weiteres geschlossen werden, die schweizerische
Kollektivgesellschaft und mit ihr ihre in einem Drittstaat
wohnhaften Teilhaber seien nach dem Willen der Vertragsparteien auch
abkommensberechtigte Personen hinsichtlich der im Vertragsstaat
von der Quellensteuer entlasteten Einkünfte einer schweizerischen
Holdinggesellschaft, deren Aktien zum Unternehmungsvermögen der
Kollektivgesellschaft gehören. Es handelt sich bei der Beherrschung
schweizerischer Kapitalgesellschaften durch eine in Form einer
schweizerischen Kollektivgesellschaft von im Ausland wohnhaften
Personen errichtete Unternehmung um eine äusserst seltene, ungewöhnliche
Situation. Es ist nicht anzunehmen, dass die Vertragsstaaten der Schweiz
auch im Hinblick auf diese Situation auf ihre Quellenbesteuerung von
Dividenden, Zinsen oder Lizenzgebühren verzichten wollten zugunsten
der schweizerischen Steuerhoheit, wenn weder bei der schweizerischen
Holdinggesellschaft noch bei der beherrschenden Unternehmung
(Kollektivgesellschaft) zunächst eine Besteuerung eintritt. Dass
die Vertragsstaaten die in einem Drittstaat wohnhaften Teilhaber der
Kollektivgesellschaft auch für diesen Fall als in der Schweiz ansässig und
damit abkommensberechtigt behandeln wollten, wäre vielmehr ungewöhnlich,
ist doch der Abkommensschutz für die in einem Vertragsstaat nur beschränkt
steuerpflichtigen, in Drittländern ansässigen Personen noch nicht erreicht
(ALIG, aaO, S. 275; ALTDORFER, aaO, S. 261; WIDMER, aaO, S. 93; vgl.
auch RYSER, Les mesures prises par la Suisse contre l'utilisation sans
cause légitime des conventions en vue d'éviter la double imposition,
in: ASA 32, S. 12 f.) und grundsätzlich erst für die in einem der
beiden Vertragsstaaten ansässigen Personen gewährleistet (vgl. Art. 1
Musterabkommen OECD).

    Der Standpunkt der Beschwerdeführerin, nicht nur ihre
Mutter-Kollektivgesellschaft, sondern auch deren Teilhaber seien
abkommensberechtigte Personen im Sinne von Art. 2 Abs. 2 lit. b
Missbrauchsbeschluss, kann daher nicht geschützt werden. Die
Eidgenössische Steuerverwaltung wendet auf die von ausländischen
Quellensteuern entlasteten und von der Beschwerdeführerin gespeicherten
Einkünfte zutreffend Art. 2 Abs. 2 lit. b Missbrauchsbeschluss an, weil
sie schliesslich den an ihr indirekt durch Beteiligung interessierten
Teilhabern zugute kommen, die dafür nicht als abkommensberechtigt zu
halten sind, weder nach dem Doppelbesteuerungsabkommen mit Portugal noch
nach den übrigen, von der Beschwerdeführerin angerufenen Abkommen.

    g) Erst recht könnten weder die im Ausland wohnenden
Kollektivgesellschafter noch die Kollektivgesellschaft als ansässig gelten
im Sinne von Art. 4 Abs. 1 des Abkommens mit der Republik Österreich zur
Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen
und vom Vermögen vom 30. Januar 1974 (SR 0.672.916.31). Sie hätten auch
die Voraussetzungen einer Entlastung von österreichischen Quellensteuern
nach Art. 28 Abs. 6 dieses Abkommens nicht erfüllen können.

Erwägung 6

    6.- a) Die Beschwerdeführerin macht schliesslich geltend, dass ein
Missbrauch der von ihr nach diesen Doppelbesteuerungsabkommen in Anspruch
genommenen Entlastung von ausländischen Quellensteuern im vornherein nicht
vorliegen könne, weil die Teilhaber ihrer Mutter-Kollektivgesellschaft
die bei ihr gespeicherten Einkünfte später als Bestandteil des Gewinns der
Kollektivgesellschaft in der Schweiz würden versteuern müssen. Angemessene
und laufende Gewinnausschüttungen seien nach dem Sinn von Art. 2
Abs. 2 lit. b Missbrauchsbeschluss von einer juristischen Person nicht
zu verlangen, wenn ihre Aktien sich ausschliesslich im Betriebsvermögen
einer schweizerischen Kollektivgesellschaft mit einem Geschäftsbetrieb in
der Schweiz befinden würden, auch wenn ein wesentlicher Teil der Teilhaber
dieser Kollektivgesellschaft nicht in der Schweiz ansässig sei.

    b) Die in Erwägung 5 dargestellte Auslegung von Art. 2 Abs. 2
lit. b Missbrauchsbeschluss hat einmal den Wortlaut dieser Bestimmung
offensichtlich für sich. Die Bestimmung hat sodann den Sinn, das Speichern
der erwähnten Einkünfte in einer schweizerischen Aktiengesellschaft an
sich zu verhindern mit Rücksicht auf das Vertrauen der Vertragsstaaten,
welche die Entlastung von ihren Quellensteuern nicht im Interesse
von in Drittstaaten ansässigen Personen, die davon in Kombination mit
den Steuererleichterungen für schweizerische Holdinggesellschaften zu
profitieren suchen, gewähren wollen. In BGE 94 I 667 (E. 4) wurde zwar noch
nicht entschieden, dass die in Art. 2 Abs. 2 lit. b Missbrauchsbeschluss
vorgesehenen angemessenen Gewinnausschüttungen auch bezwecken, dass es
nicht bei einer latenten Steuerpflicht der im Ausland ansässigen direkt
oder indirekt Interessierten in der Schweiz bleibt. Mit Rücksicht auf
das von den Partnerstaaten gewährte Vertrauen auf eine Besteuerung in
der Schweiz erscheint es jedoch nicht gerechtfertigt, in einer derartigen
Situation der schweizerischen Holdinggesellschaft die Entlastung von den
ausländischen Quellensteuern zu ermöglichen.