Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 113 IB 138



113 Ib 138

24. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung
vom 27. Mai 1987 i.S. Oertig gegen Grossmann, Politische Gemeinde
Wangen-Brüttisellen, Regierungsrat und Verwaltungsgericht des Kantons
Zürich (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) Regeste

    Art. 22/24 des Bundesgesetzes über die Raumplanung, RPG; Gärtnerei.

    Eine Gärtnerei, die zur Zeit ausschliesslich mit überdeckter
Produktionsfläche arbeitet und industriell organisiert ist, entspricht
nicht dem Nutzungszweck der Landwirtschaftszone (E. 4c). Wie weit ist eine
mögliche zukünftige Veränderung des Betriebes zu berücksichtigen? (E. 4c).

    Ein Wohnhaus für den Inhaber einer nichtzonenkonformen Gärtnerei in der
Landwirtschaftszone ist nicht standortgebunden, wenn die Überwachung des
Betriebes von der nahen Wohnzone aus bzw. von einem dem Inhaber bereits
gehörenden, nahegelegenen Haus aus möglich ist (E. 5).

Sachverhalt

    A.- Werner Oertig betreibt auf dem Grundstück Nr. 2512 an der
Altwiesenstrasse in Wangen eine gewerbliche Grossgärtnerei, welche auf
die Herstellung von Schnittblumen spezialisiert ist. Zu seinem Betrieb
gehörte bis anhin ein mit rechtskräftiger Baubewilligung erstelltes, fünf
Einheiten umfassendes Gewächshaus. Das Baugrundstück lag damals nach dem
Zonenplan zur Bauordnung der Gemeinde Wangen-Brüttisellen vom 11. November
1969 ausserhalb der Bauzone im übrigen Gemeindegebiet. Heute befindet es
sich in der kantonalen Landwirtschaftszone gemäss § 36 ff. des Zürcher
Planungs- und Baugesetzes vom 7. September 1975/20. Mai 1984 (PBG).

    Mit Beschluss vom 26. September 1983 bewilligte der Gemeinderat
Wangen-Brüttisellen Werner Oertig unter verschiedenen Bedingungen
und Auflagen den Bau eines Einfamilienhauses auf dem gleichen
Grundstück. Dagegen rekurrierte Alfred Grossmann, Eigentümer der
Nachbarparzelle Nr. 3756, an die kantonale Baurekurskommission III,
welche seinen Rekurs am 15. Februar 1984 abwies.

    Eine daraufhin von Alfred Grossmann erhobene Beschwerde hiess
das Zürcher Verwaltungsgericht mit Urteil vom 6. Mai 1986 gut und hob,
mangels Zonenkonformität und Standortgebundenheit des Einfamilienhauses,
die Baubewilligung vom 26. September 1983 auf. Dabei wurde unter
anderem in Betracht gezogen, dass Werner Oertig inzwischen in nur etwas
mehr als 200 m Entfernung zum bestehenden Gewächshaus eine zusätzliche
Parzelle gekauft hatte, auf der sich bereits ein Einfamilienhaus und eine
weitere Wohnbaute befanden. Die dagegen von Werner Oertig eingereichte
Verwaltungsgerichtsbeschwerde wies das Bundesgericht ab.

Auszug aus den Erwägungen:

                     Aus den Erwägungen:

Erwägung 4

    4.- (a) und b): Entscheidend für die Beurteilung der Zonenkonformität
hinsichtlich der Landwirtschaftszone ist, ob der fragliche Gärtnereibetrieb
überwiegend bodenabhängig produziert oder nicht (vgl. BGE 112 Ib 273
f. E. 3).)

    c) Im heutigen Zeitpunkt wird im Gartenbaubetrieb des Beschwerdeführers
in Wangen ausschliesslich mit überdeckter Produktionsfläche gearbeitet;
auch sonst ist seine Gärtnerei kaum landwirtschaftlich, sondern
eher industriell organisiert. Die Schnittblumen wachsen in vollkommen
durchtechnisierten Anlagen. Boden und Luft werden künstlich erwärmt und
letztere mit CO2 angereichert. Dem automatisierten Giesswasser werden
Düngemittellösungen beigegeben und auch die Belichtung/Beschattung
der Kulturen erfolgt selbsttätig. Aufgrund der vorher erwähnten
Abgrenzungskriterien muss der Betrieb des Beschwerdeführers im jetzigen
Zustand - wie dies bereits das Verwaltungsgericht feststellte -
als bodenunabhängig produzierender Gartenbau bezeichnet werden,
den Art. 16 RPG nicht umfasst. Zu prüfen bleibt hingegen, ob für
die Beurteilung der Zonenkonformität allein die heutige Situation
oder zudem die mögliche zukünftige Entwicklung in Betracht zu ziehen
ist. Letztere wäre zu berücksichtigen, wenn sie sich mit erheblicher
Wahrscheinlichkeit abzeichnete. Allerdings ist eine solche anhand
der Akten nicht im erforderlichen Ausmasse ersichtlich und blosse
Beteuerungen des Beschwerdeführers sind hier unbehelflich; umso mehr,
weil er sich widersprüchlich verhalten hat. Vor der Ausfällung eines
Grundsatzentscheides durch den Gemeinderat Wangen-Brüttisellen im
Jahre 1980 erklärte er seine Absicht, auf seinem fast 28 000 m2 grossen
Grundstück ein Gewächshaus von ca. 2 500 m2 und ein Einfamilienhaus zu
erstellen. Inzwischen reichte er aber im Verlaufe des Jahres 1986 beim
Gemeinderat ein neues Baugesuch für die Errichtung einer Reihe weiterer
Gewächshäuser ein. Zu vermerken ist ferner, dass der Beschwerdeführer
das treibhausfreie Land gemäss Akten nur in untergeordenetem Masse
gartenbaulich nutzt, den Grossteil der Restfläche indessen verpachtet
hat und darauf Mais angebaut wird. Für die von ihm zusätzlich erworbene
Parzelle von 2 ha ergeben sich nach Aktenlage ebenfalls keine ausreichend
sicheren Anhaltspunkte hinsichtlich einer künftigen Nutzung als offenes
Land im Rahmen des Gartenbaubetriebes. Gesamthaft betrachtet lässt sich
nicht mit genügender Bestimmtheit davon ausgehen, dass der Beschwerdeführer
seinen heute vorwiegend industriell ausgerichteten Betrieb umstellen
und in naher Zukunft den überwiegenden Teil seines Landes bodenabhängig
bewirtschaften wird. Das Verwaltungsgericht hat daher zu Recht nur die
jetzt vorherrschenden Verhältnisse als massgebend erachtet und demgemäss
die Zonenkonformität des bestehenden Gartenbaubetriebes, mangels einer
der landwirtschaftlichen Nutzung entsprechenden Bodenbewirtschaftung
verneint. Es ist allerdings nicht auszuschliessen, dass anders entschieden
werden müsste, falls klar zu Tage träte, dass der Beschwerdeführer den
Grossteil der Restfläche im wesentlichen bodenabhängig nutzen würde.

    d) Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers handelt es sich bei
seinem Bauvorhaben somit nicht um eine geplante Wohnbaute zu einem
zonenkonformen, sondern zu einem zonenwidrigen Betrieb.

    Wohngebäude sind als zonenkonforme Bauten in der Landwirtschaftszone
nur dann zulässig, wenn sie der objektiven, betrieblichen Notwendigkeit
einer zonenkonformen Bodenbewirtschaftung entsprechen und damit in
erster Linie der landwirtschaftlichen Nutzung selber dienen (EJPD/BRP,
Erläuterungen RPG, N. 18 und N. 20 zu Art. 16 RPG; LEO SCHÜRMANN, Planungs-
und Baurecht, 2. Auflage, Bern 1984, S. 170, Ziff. 5c). Da vorliegend
der als zonenwidrig erkannte Gartenbaubetrieb des Beschwerdeführers auch
keinen zugehörigen zonenkonformen Wohnraum begründen kann, erübrigen
sich weitere Erörterungen hierzu. Es bleibt nur mehr zu prüfen, ob das
Bauvorhaben gestützt auf Art. 24 des Bundesgesetzes über die Raumplanung
vom 22. Juni 1979 (RPG) bewilligt werden kann.

Erwägung 5

    5.- Eine Ausnahmebewilligung nach Art. 24 Abs. 1 RPG kann erteilt
werden, wenn der Zweck der Baute einen Standort ausserhalb der Bauzone
erfordert (lit. a) und wenn dem Vorhaben keine überwiegenden Interessen
entgegenstehen (lit. b). Beide Voraussetzungen müssen kumulativ erfüllt
sein (BGE 112 Ib 102 E. 4; 111 Ib 216 E. 3; jeweils mit Hinweisen).

    a) Gemäss bundesgerichtlicher Praxis darf die Standortgebundenheit
nur dann bejaht werden, wenn eine Baute aus technischen oder
betriebswirtschaftlichen Gründen oder wegen der Bodenbeschaffenheit auf
einen Standort ausserhalb der Bauzone angewiesen ist. Dabei beurteilen
sich die Voraussetzungen nach objektiven Massstäben, und es kann weder
auf die subjektiven Vorstellungen und Wünsche des Einzelnen noch auf
die persönliche Zweckmässigkeit und Bequemlichkeit ankommen (BGE 111
Ib 217 E. 3b, mit Hinweisen; EJPD/BRP, Erläuterungen RPG, N. 20 zu
Art. 24 RPG). An die Erfordernisse der Standortgebundenheit sind strenge
Anforderungen zu stellen. Eigenständiger Wohnraum gilt daher ausserhalb
der Bauzonen als grundsätzlich nicht standortgebunden. Selbst Wohnraum als
"Folge" landwirtschaftlicher Nutzung kann nur dann als standortbedingt
bewilligt werden, wenn für ein ordnungsgemässes Bewirtschaften des Bodens
ein längeres Verweilen am betreffenden Ort erforderlich ist und dieser
von der nächstgelegenen Wohnzone weit entfernt liegt (LEO SCHÜRMANN, aaO,
S. 184/185). Wer allerdings - wie im vorliegenden Fall - schon betrieblich
nicht überwiegend auf Kulturland angewiesen ist, dem darf auch zugemutet
werden, einen Standort zu wählen, der die erforderliche Überwachung von
einer nahegelegenen Wohnzone aus ermöglicht (EJPD/BRP, Erläuterungen RPG,
N. 23 zu Art. 24 RPG, N. 22 zu Art. 16 RPG).

    Dem Beschwerdeführer ist zwar zuzugestehen, dass ein Wohnhaus in
unmittelbarer Nähe die Überwachung seines Betriebes erleichtern würde;
dieser Umstand kann aber nicht allein ausschlaggebend sein. Zu beachten ist
ebenfalls, dass sich eine solche Kontrolle ohne grössere Schwierigkeiten
auch von der nur etwas mehr als 200 m entfernten Zusatzparzelle, auf der
sich zwei Wohnhäuser befinden, aus durchführen liesse. Sie könnte ausserdem
ebenso von der nur einige 100 m entfernten Wohnzone aus erfolgen. Diese
Distanzen sind im weitgehend flachen Gelände jedenfalls kurz genug,
um auch für die teilweise stündlich von Hand vorzunehmende Bedienung
der Beregnungsanlage und Bodenbewässerung zumutbar zu sein. Selbst
bei nahendem Hagelwetter könnten von den dem Beschwerdeführer bereits
gehörenden Wohnbauten oder von einem Gebäude in der Wohnzohne aus die
notwendigen Abwehrmassnahmen noch rechtzeitig getroffen werden. Die
Berufung des Beschwerdeführers auf BGE 112 Ib 270 ff., wo in einem -
seiner Meinung nach - ähnlichen Fall Wohnbauten zu einem Gärtnereibetrieb
bewilligt wurden, ist unbehelflich. Beim erwähnten Entscheid handelt es
sich um einen Grenzfall, der sich nicht verallgemeinern und mit den hier
vorliegenden Verhältnissen vergleichen lässt. Einerseits ging es dabei um
einen überwiegend bodenabhängig produzierenden und somit zonenkonformen
Betrieb, und andererseits standen jenen Betriebsinhabern nicht schon
bestehende Wohnbauten in nur etwas mehr als 200 m Entfernung zur Verfügung.

    Die Verneinung einer betrieblichen Standortgebundenheit für
das vorliegende Bauvorhaben bedeutet, entgegen der Meinung des
Beschwerdeführers, auch keine Benachteiligung des Gartenbaues gegenüber
der konventionellen Landwirtschaft. Das Bundesgericht beurteilt die
Standortgebundenheit von Wohnbauten bei solchen Betrieben nach denselben
Grundsätzen; d.h. eine Wohnbaute muss für die landwirtschaftliche Nutzung
des betreffenden Bodens notwendig sein (BGE 108 Ib 134 E. 2).

    Das Zürcher Verwaltungsgericht hat somit ohne Verletzung von
Bundesrecht die Standortgebundenheit für das geplante Einfamilienhaus
des Beschwerdeführers verneint.

    b) Da schon die Standortgebundenheit des Bauvorhabens verneint werden
muss, braucht nicht mehr geprüft zu werden, ob diesem gemäss Art. 24
Abs. 1 lit. b RPG überwiegende Interessen entgegenstehen.