Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 113 IB 123



113 Ib 123

21. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 10.
April 1987 i.S. Kantonales Steueramt Zürich gegen Baugenossenschaft X.
(Verwaltungsgerichtsbeschwerde) Regeste

    Reinertrag von Wohnbaugenossenschaften; freiwillige Zuwendungen an
Dritte (Art. 49 Abs. 1 lit. b in Verbindung mit Art. 50 WStB).

    1. Zuwendungen an Dritte erbringt eine Baugenossenschaft auch dann,
wenn sie ihren Genossenschaftern freiwillig Liegenschaften unter dem
Marktpreis verkauft (E. 2).

    2. Die Zuwendungen einer Baugenossenschaft an ihre Genossenschafter
in Form verbilligter Liegenschaften stellen nur dann keinen steuerbaren
Reinertrag dar, wenn die Genossenschaft nicht durch ihre Statuten, sondern
durch Subventionsbestimmungen verpflichtet war, die Liegenschaften unter
dem Verkehrswert (Marktwert) zu veräussern (E. 3).

Sachverhalt

    A.- Unter dem Namen Baugenossenschaft X. besteht mit Sitz in R. im
Sinne von Art. 828 ff. OR eine auf unbeschränkte Dauer im Handelsregister
eingetragene Genossenschaft. Sie bezweckt nach den Statuten, "ihren
Mitgliedern gesunde und preiswerte Wohnungen zu verschaffen durch Ankauf
von Land, Erstellung oder Kauf von Einfamilien- und Mehrfamilienhäusern
und Vermietung oder Verkauf an die Genossenschafter".

    In den Jahren 1948 und 1953 erstellte die Genossenschaft unter
Inanspruchnahme von Beiträgen des Bundes, des Kantons und der Gemeinde eine
grössere Anzahl von Einfamilienhäusern sowie zwei Mehrfamilienhäuser,
die anfänglich an die Genossenschafter vermietet wurden. Am 8. Juli
1980 verkaufte sie 17 Einfamilienhäuser an Genossenschafter; bereits
in den sechziger Jahren waren acht solcher Liegenschaften veräussert
worden. Die öffentlich beurkundeten Kaufverträge sehen in Ziff. 7 eine im
Grundbuch vorzumerkende Mitgliedschaft der erwerbenden Genossenschafter
und ihrer Rechtsnachfolger in der Genossenschaft vor und legen in Ziff. 6
ein Vorkaufsrecht zum aktuellen Kaufpreis zugunsten derselben fest,
das durch Nichtausübung im ersten und weiteren Vorkaufsfällen nicht
untergeht, übertragbar ist, nach Ablauf von zehn Jahren erlischt und
für diese Dauer im Grundbuch vorzumerken ist. Der Gesamtkaufspreis der
17 Liegenschaften setzt sich aus den Nettoanlagekosten zuzüglich der von
Bund, Kanton und Gemeinde ausgerichteten Barbeiträge zusammen. Da 14 der
17 Käufer die Subventionsbedingungen nicht erfüllten und zwei weitere
Käufer freiwillig auf eine Subventionierung verzichteten, löste der
Verkauf mit einer einzigen Ausnahme (Liegenschaft Y.) die Rückzahlung der
Barbeiträge von Bund, Kanton und Gemeinde aus. Mit der Rückzahlungen der
Barbeiträge durch die Genossenschaft wurden die im Grundbuch angemerkten
öffentlichrechtlichen Eigentumsbeschränkungen gelöscht.

    Bei der Veranlagung für die Wehrsteuer der 21. Periode (1981/82)
rechnete die Veranlagungsbehörde gegenüber dem ausgewiesenen
durchschnittlichen Reingewinn gemäss Selbstdeklaration die Differenz
zwischen dem Gesamtkaufspreis der Liegenschaften und dem höheren
Verkehrswert als geldwerte Leistung im Sinne von Art. 49 Abs. 1 lit. b
(i.V.m. Art. 50 Abs. 2) WStB auf. Dabei wurde der für die unbelasteten
Liegenschaften geschätzte Verkehrswert mit Rücksicht auf das befristete,
limitierte Vorkaufsrecht der Genossenschaft um 20% reduziert.

    Die von der Steuerpflichtigen gegen diese Veranlagung erhobene
Beschwerde hiess die Bundessteuer-Rekurskommission des Kantons Zürich
am 29. Januar 1986 gut und setzte den steuerbaren Reinertrag gemäss der
Selbstdeklaration der Steuerpflichtigen fest.

    Das Kantonale Steueramt Zürich erhebt Verwaltungsgerichtsbeschwerde,
die das Bundesgericht in dem Sinne teilweise gutheisst, dass bei 16 der
17 veräusserten Liegenschaften eine geldwerte Leistung aufgerechnet wird.

Auszug aus den Erwägungen:

                         Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- Unter die Aufwendungen, die "nicht zur Deckung geschäftsmässig
begründeter Unkosten" dienen und daher nach Art. 49 Abs. 1 lit.
b (i.V.m. Art. 50 Abs. 2) WStB zum steuerbaren Reinertrag der
Genossenschaft hinzuzurechnen sind, fallen nach dieser Bestimmung
namentlich "freiwillige Zuwendungen an Dritte". Als "Dritte" behandeln
Lehre und Rechtsprechung nicht nur genossenschaftsfremde Personen,
sondern auch Inhaber genossenschaftlicher Beteiligungsrechte. Zwar ist die
Genossenschaft frei, irgendwelche zivil- oder handelsrechtliche Verträge
mit ihren Mitgliedern zu schliessen; Leistungen, die die Genossenschaft
aufgrund solcher Verträge erbringt, sind nicht bereits deshalb zum
steuerbaren Reinertrag hinzuzurechnen, weil am Markt für dieselbe Leistung
gewöhnlich ein höherer Gegenwert erbracht wird. Keine geschäftsmässig
begründeten Unkosten und daher zum steuerbaren Reinertrag hinzuzurechnen
sind indessen Leistungen der Genossenschaft an ihre Genossenschafter oder
diesen nahestehende Personen, die einem aussenstehenden Dritten unter
im übrigen gleichen Umständen nicht erbracht worden wären und deren
Grund ausschliesslich in den engen Beziehungen zwischen Genossenschaft
und Leistungsempfänger erblickt werden muss (BGE 107 Ib 329/30 E. 3a,
betreffend die Verrechnungssteuer; für die Wehrsteuer, vgl. ASA 53,
57/8 E. 2).

    Nach der Rechtsprechung erbringt eine Wohnbaugenossenschaft geldwerte
Leistungen namentlich dann, wenn sie ihren Mitgliedern Mietwohnungen
unter den marktüblichen Preisen anbietet. Die Differenz zwischen den
kostendeckenden verbilligten und den marktüblichen höheren Mietzinsen
kann zwar nicht schon deshalb als freiwillige Zuwendung betrachtet werden,
weil auf dem Wohnungsmarkt für gleichwertige Objekte im allgemeinen höhere
Preise bezahlt werden. Von einer geldwerten Leistung ist jedoch dann zu
sprechen, wenn nur die Genossenschaftsmitglieder und nicht beliebige
Dritte in den Genuss der günstigen Mietzinse gelangen. In dieser Lage
befinden sich die meisten Wohnbaugenossenschaften, weil sie aufgrund des
beschränkten Wohnungsangebotes und der grossen Nachfrage nach günstigen
Wohnungen ihren Wohnungsbestand nicht irgendwelchen Dritten anbieten
können. Wie das Bundesgericht daher wiederholt erkannt hat, stellt die
Differenz zwischen dem kostendeckenden verbilligten und dem marktüblichen
höheren Mietzins eine geldwerte Leistung dar; wird sie freiwillig erbracht,
so ist sie gemäss Art. 49 Abs. 1 lit. b in Verbindung mit Art. 50 Abs. 2
WStB aufzurechnen (Urteile vom 16. Januar 1986, in StR 41/1986, 339 ff. =
NStP 40/1986, 65 ff., und vom 26. November 1981, in ASA 51, 540 ff.).

    Die gleichen Erwägungen müssen grundsätzlich auch dann gelten,
wenn eine Genossenschaft ihren Mitgliedern Genossenschaftswohnungen oder
-liegenschaften unter dem Verkehrswert verkauft. Es besteht kein Anlass,
eine Wohnbaugenossenschaft, die ihren Mitgliedern Zuwendungen durch
den Verkauf von Liegenschaften unter dem Verkehrswert macht, steuerlich
anders zu behandeln, als eine solche, die ihren Genossenschaftern billige
Mietwohnungen zur Verfügung stellt. Auch solche Zuwendungen stellen daher
geldwerte Leistungen dar. Sie haben diesen Charakter in dem gleichen Mass
wie etwa Zuwendungen, die eine Aktiengesellschaft ihrem Aktionär durch
den Verkauf von Grundstücken unter dem Verkehrswert macht. Für diese
ist nach der Rechtsprechung anerkannt, dass sie als Teil des steuerbaren
Reinertrages aufzurechnen sind, sofern sie freiwillig erfolgen (BGE 105
Ib 86).

Erwägung 3

    3.- Die Rekurskommission hat die Differenz zwischen dem Verkaufspreis
und dem effektiven Verkehrswert der Liegenschaften nicht als geldwerte
Leistung im Sinne von Art. 49 Abs. 1 lit. b WStB aufgerechnet; sie erwog,
dass die Subventionsbedingungen im Zeitpunkt der Veräusserung (8. Juli
1980) noch in Kraft gestanden hätten und damit die Genossenschaft bei
der Festsetzung der Preise nicht frei gewesen sei. Die Rekurskommission
stellt somit für die Freiwilligkeit der Leistung auf das rein formelle
Kriterium ab, dass die verkauften Liegenschaften bei ihrer Veräusserung
den subventionsrechtlichen Bindungen noch unterlagen. Allein des halb
kann jedoch die Zuwendung der Genossenschaft an ihre Mitglieder nicht als
unfreiwillige betrachtet werden. Voraussetzung für eine solche Annahme
wäre vielmehr, dass die Veräusserung zu den Bruttoanlagekosten gerade
eine Folge der Subventionierung war (vgl. auch ASA 51, 545).

    Von einer Preisbindung in diesem Sinne kann nicht gesprochen werden.

    Der Verkauf der 17 Häuser wurde an der Generalversammlung vom
23. Juni 1979 durch einen Freigabebeschluss ermöglicht. Die öffentliche
Beurkundung der Kaufverträge und der Grundbucheintrag erfolgten am
8. Juli 1980. Bereits am 30. April 1980 teilte das für die Einhaltung
der Subventionsvorschriften zuständige Amt für Wohnbauförderung des
Kantons Zürich der Genossenschaft mit, dass für 16 der 17 zu verkaufenden
Objekte sämtliche Barbeiträge von Bund, Kanton und Gemeinde zurückzuzahlen
seien; damit könnten die öffentlichrechtlichen Eigentumsbeschränkungen im
Grundbuch gelöscht werden. Mit der Rückzahlung der Subventionsbeiträge
durch die Genossenschaft wurden die im Grundbuch angemerkten
öffentlichrechtlichen Eigentumsbeschränkungen denn auch gelöscht.
Damit steht fest, dass die Ablösung der Subventionsauflagen durch die
Genossenschaft schon vor dem Verkauf in die Wege geleitet wurde. Wenn die
Genossenschaft in der Folge die Liegenschaften an ihre Mitglieder zu den
Bruttoanlagekosten veräusserte, so geschah dies nicht deshalb, weil die
Liegenschaften ihrem ursprünglichen Zweck - dem sozialen (subventionierten)
Wohnungsbau - erhalten bleiben sollten, sondern weil die Genossenschaft
die erwerbenden Genossenschafter begünstigen wollte. Von Unfreiwilligkeit
der Leistung kann somit hinsichtlich der aus der Subventionskontrolle
entlassenen 16 Liegenschaften nicht die Rede sein.

    Den strittigen Aufrechnungen kann der Charakter freiwilliger
Zuwendungen auch nicht deswegen abgesprochen werden, weil die erwerbenden
Genossenschafter und ihre Rechtsnachfolger Mitglieder der Genossenschaft
sein müssen und zugunsten der Genossenschaft ein auf zehn Jahre
befristetes Vorkaufsrecht an den Liegenschaften vereinbart wurde. Es
handelt sich um vertraglich vereinbarte Eigentumsbeschränkungen,
die jedoch statutarisch vorgesehen sind, der Genossenschaft also
nicht von dritter Seite vorgeschrieben wurden, und die daher die
Preisgestaltung nicht als unfreiwillige erscheinen lassen. Dem Begehren
des Kantonalen Steueramtes Zürich, die Aufrechnung sei gutzuheissen,
ist daher hinsichtlich der 16 aus der Subventionskontrolle entlassenen
Liegenschaften stattzugeben. Lediglich bei der Liegenschaft des Y., der
die Subventionsbedingungen grundsätzlich erfüllte und auch Anspruch auf
Subventionsbeiträge erhob, war die Genossenschaft nicht frei, den Preis
beliebig festzusetzen; die Veräusserung zu den Anlagekosten war vielmehr
Bedingung dafür, dass diese Liegenschaft weiterhin subventioniert wurde.