Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 113 IB 1



113 Ib 1

1. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 3. April 1987
i.S. X. gegen X. und Regierungsrat des Kantons Basel-Landschaft
(Verwaltungsgerichtsbeschwerde) Regeste

    Einbeziehung eines Kindes in die Anerkennung seiner Mutter als
Schweizer Bürgerin (Art. 57 Abs. 8 BüG).

    1. Frage der Legitimation des ausländischen Vaters zur
Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Entscheid der zuständigen Behörde
des Heimatkantons (offengelassen) (Erw. 2).

    2. Voraussetzungen, unter denen das Kind auf Antrag der Mutter und ohne
Zustimmung des ausländischen Vaters zusammen mit jener in das Schweizer
Bürgerrecht aufgenommen werden kann (Erw. 3).

Sachverhalt

    A.- A.X. wurde am 25. März 1982 als Sohn der ägyptischen Eheleute
B. und C.X.-Y. in Stuttgart (Bundesrepublik Deutschland) geboren.
Nachdem B.X. im Dezember 1984 die Ehe für geschieden erklärt und die
zuständige Instanz in Ägypten die Scheidung vollzogen hatte, wurde diese im
Mai 1985 durch das Justizministerium von Baden-Württemberg anerkannt. Ende
Oktober 1984 hatten B. und C.X.-Y. in Stuttgart einen notariellen Vertrag
geschlossen, worin sie unter anderem vereinbarten, dass die elterliche
Sorge für den Sohn auf die Mutter übertragen werden soll.

    Auf ein entsprechendes Gesuch von C.Y. hin beschloss das Amtsgericht
Stuttgart am 20. Dezember 1985, dass die elterliche Sorge für den
Sohn A.X. auf sie als Mutter übertragen werde. Eine von B.X., dem
Vater, hiergegen erhobene Beschwerde schützte der 17. Zivilsenat des
Oberlandesgerichts Stuttgart durch Beschluss vom 10. März 1986 in dem
Sinne, dass er in Anwendung des ägyptisch-islamischen Rechts (hanefitischer
Schule) feststellte, dem Vater stehe die elterliche bzw. väterliche Gewalt
("wilâya") und der Mutter die tatsächliche Personensorge ("hadâna")
zu. Dieser Entscheid erwuchs in Rechtskraft.

    C.Y. hatte als Tochter eines Ägypters seit ihrer Geburt die
ägyptische Staatsangehörigkeit. Da ihre Mutter eine in Liestal
heimatberechtigte Schweizerin ist, suchte sie gestützt auf Art. 57
Abs. 8 des Bürgerrechtsgesetzes (BüG; SR 141.0) am 17. Juli 1985 beim
Schweizerischen Generalkonsulat in Stuttgart um Anerkennung als Schweizer
Bürgerin nach. Mit Verfügung der Justiz-, Polizei- und Militärdirektion
Basel-Landschaft vom 18. März 1986 wurde dem Gesuch stattgegeben, wobei
der Sohn A.X. in die Anerkennung einbezogen wurde. Diese Verfügung focht
B.X. mit Beschwerde beim Regierungsrat des Kantons Basel-Landschaft in dem
Umfange an, als sie den Sohn betraf. Die Beschwerde wurde am 30. September
1986 abgewiesen.

    Hiergegen hat B.X. Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht
erhoben mit dem Antrag, die Entscheide der beiden kantonalen Instanzen
seien aufzuheben.

    C.Y., die heute mit einem deutschen Staatsangehörigen namens
Z. verheiratet ist und nach wie vor in der Bundesrepublik Deutschland
wohnt, beantragt in ihrer Vernehmlassung dem Sinne nach Abweisung der
Beschwerde.

    Der Regierungsrat des Kantons Basel-Landschaft schliesst ebenfalls
auf Abweisung der Beschwerde, und das Eidgenössische Justiz- und
Polizeidepartement stellt sich hinter den angefochtenen Entscheid.

Auszug aus den Erwägungen:

                     Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- Gemäss Art. 103 lit. a OG, der hier hinsichtlich der
Beschwerdebefugnis als einzige Bestimmung in Betracht fällt, ist zur
Verwaltungsgerichtsbeschwerde berechtigt, wer durch den angefochtenen
Entscheid berührt ist und ein schutzwürdiges Interesse an dessen Aufhebung
oder Änderung hat. Der Beschwerdeführer ist durch die Aufnahme des Sohnes
in das Schweizer Bürgerrecht ohne Einholung seiner, des Beschwerdeführers,
Zustimmung bzw. gegen seinen Willen persönlich berührt. Indessen erscheint
es als fraglich, ob er auch ein eigenes schutzwürdiges Interesse an
der Aufhebung des angefochtenen Entscheids habe. Freilich braucht
dieses Interesse nicht rechtlicher Natur zu sein, sondern es kann auch
bloss tatsächlichen Charakter haben. Es wird jedoch verlangt, dass der
Beschwerdeführer durch die von ihm angefochtene Verfügung stärker als
jedermann betroffen ist und in einer besonderen, beachtenswerten, nahen
Beziehung zur Streitsache steht (vgl. BGE 112 Ib 41 E. 1a; 111 Ib 63, mit
Hinweisen). Dies ist dann der Fall, wenn die Gutheissung der Beschwerde
dem Beschwerdeführer einen praktischen Nutzen brächte bzw. geeignet
wäre, ihn vor einem wirtschaftlichen, ideellen, materiellen oder anders
gearteten Nachteil zu bewahren (vgl. BGE 109 V 59 E. 1 mit Hinweisen). Hier
könnte diese Voraussetzung allenfalls dann erfüllt sein, wenn der Sohn
des Beschwerdeführers durch den Erwerb des Schweizer Bürgerrechts die
ägyptische Staatsangehörigkeit verloren hätte. Aus schweizerischer Sicht
trifft das jedoch nicht zu, und im übrigen geht der Beschwerdeführer
selbst von einer doppelten Staatsbürgerschaft seines Sohnes aus. Eine
Beeinträchtigung der Interessen des Beschwerdeführers liegt somit
einzig noch darin, dass er als Inhaber der "wilâya" über seinen Sohn zu
dessen Aufnahme in das Schweizer Bürgerrecht nicht angehört worden ist.
Ob dies für die Legitimation zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde ausreiche,
braucht nicht abschliessend beurteilt zu werden, da diese, wie im folgenden
darzutun sein wird, ohnehin abzuweisen ist.

Erwägung 3

    3.- a) C.Z.-Y. (Mutter) wurde in Anwendung von Art. 57 Abs. 8 BüG in
das Schweizer Bürgerrecht aufgenommen. Diese Bestimmung sieht (am Ende)
vor, dass die Art. 32-34 sinngemäss gelten. Nach Art. 33 BüG werden in der
Regel die unmündigen Kinder des Bewerbers in die Einbürgerung einbezogen,
und Art. 34 Abs. 1 BüG bestimmt, dass Unmündige das Gesuch um Einbürgerung
nur durch ihren gesetzlichen Vertreter einreichen können.

    b) Der Regierungsrat gelangte zum Schluss, C.Z. ... sei
legitimiert gewesen, für den Sohn ... das Gesuch um Aufnahme in das
Schweizer Bürgerrecht einzureichen. Er hat nicht übersehen, dass das
Oberlandesgericht Stuttgart in Anwendung des hanefitischen Rechts
dem Beschwerdeführer die (umfassendere) väterliche Gewalt (wilâya)
zuerkannt hatte und der Mutter einzig die "hadâna" zusteht. Indessen
hält die Vorinstanz dafür, dass es gegen den schweizerischen ordre public
verstosse, bei der Zuweisung der elterlichen Gewalt die Bedürfnisse und
Interessen des Kindes ausser acht zu lassen. Unter Berufung auf Art. 9
Abs. 1 NAG, wonach sich die elterliche Gewalt nach dem Recht des Wohnsitzes
bestimmt, prüfte der Regierungsrat, wie aufgrund der Bestimmungen des
deutschen Bürgerlichen Gesetzbuches, die in den Grundzügen denjenigen des
Schweizerischen Zivilgesetzbuches entsprächen, hätte entschieden werden
müssen. Er gelangte dabei zum Schluss, dass aufgrund der unwidersprochen
gebliebenen Ausführungen des Amtsgerichts Stuttgart im Entscheid vom
20. Dezember 1985, die offensichtlich auf den Abklärungen des Jugendamtes
Stuttgart beruht hätten, namentlich auch in Anbetracht des Alters von
A.X., die elterliche Sorge der Mutter zuzusprechen gewesen wäre. Im
vorliegenden Verfahren sei es deshalb so zu halten, wie wenn sie Inhaberin
der elterlichen Gewalt wäre. Somit sei C.Z. legitimiert gewesen, ohne
Einverständnis des Beschwerdeführers die Einbeziehung des Kindes in das
Schweizer Bürgerrecht zu beantragen.

    c) Gegen die regierungsrätliche Betrachtungsweise wendet der
Beschwerdeführer unter Hinweis auf Art. 3 des Übereinkommens vom 5. Oktober
1961 über die Zuständigkeit der Behörden und das anzuwendende Recht auf
dem Gebiet des Schutzes von Minderjährigen (MSA; SR 0.211.231.01) einzig
ein, dass der Entscheid des Oberlandesgerichts Stuttgart auch für die
schweizerischen Instanzen verbindlich sei. Diesem Vorbringen ist vorab
entgegenzuhalten, dass das vom Beschwerdeführer angerufene Abkommen
hier, wo es darum geht, ob einem Kind ohne Zustimmung des Vaters das
Bürgerrecht der Mutter zuerkannt werden könne, nicht zum Tragen kommt. Die
schweizerischen Instanzen hätten allenfalls aufgrund des Abkommens vom
2. November 1929 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und dem
Deutschen Reich über die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung von
gerichtlichen Entscheidungen und Schiedssprüchen (SR 0.276.191.361) an den
Beschluss des Oberlandesgerichts Stuttgart gebunden sein können. Gemäss
Art. 3 dieses Abkommens werden in nichtvermögensrechtlichen Streitigkeiten
die Entscheidungen der bürgerlichen Gerichte des andern Vertragsstaates
jedoch nur anerkannt, wenn sie Auseinandersetzungen zwischen Angehörigen
eines der beiden Staaten oder beider Staaten zum Gegenstand haben, was
hier gerade nicht zutraf. Dass der Regierungsrat sich von Art. 9 Abs. 1
NAG leiten liess und dementsprechend prüfte, wem nach deutschem Recht die
elterliche Sorge über A.X. hätte zugesprochen werden müssen, ist nach dem
Gesagten nicht zu beanstanden. Das gleiche gilt für die regierungsrätliche
Schlussfolgerung, C.Z. sei als zur Beantragung der Aufnahme ihres Sohnes
in das Schweizer Bürgerrecht berechtigt zu betrachten.

    d) Die Beschwerde wäre auch dann unbegründet, wenn davon auszugehen
wäre, dass die Anwendung des einschlägigen deutschen Rechts zum gleichen
Ergebnis führe wie die Beurteilung nach dem vom Oberlandesgericht
herangezogenen ägyptischen (hanefitischen) Recht, d.h. dass der
Beschwerdeführer Inhaber der elterlichen Gewalt sei. Das heute geltende
Bürgerrechtsgesetz zielt darauf ab, dem Kind einer gebürtigen Schweizerin,
die mit dem Vater ausländischer Staatsangehörigkeit verheiratet ist,
das Schweizer Bürgerrecht von Geburt an einzuräumen (in diesem Sinne
der am 1. Juli 1985 in Kraft getretene Art. 1 Abs. 1 lit. a BüG;
vgl. dazu Botschaft des Bundesrates vom 18. April 1984 zur Änderung des
Bundesgesetzes über Erwerb und Verlust des Schweizer Bürgerrechts, BBl 1984
II S. 218). Dem ausländischen Vater (der Mitinhaber der elterlichen Gewalt
ist) steht kein Einspruchsrecht zu, da nach Auffassung des Gesetzgebers der
Erwerb des Schweizer Bürgerrechts im Interesse des Kindes liegt. Für den
Sachverhalt, wie er hier vorliegt, wird in der erwähnten bundesrätlichen
Botschaft unter Hinweis auf HEGNAUER (Die Vertretung Unmündiger durch die
Eltern beim Erwerb des Schweizer Bürgerrechts, in: ZBl 80/1979, S. 64 ff.)
ausgeführt, dass der Einspruch des ausländischen Vaters unbeachtlich
bleibe, falls dieser bloss seine eigenen Interessen wahrnehme; verfolge er
die Interessen des Kindes, sei diesem ein Beistand zu bestellen (BBl 1984
II S. 224, Fussnote). Das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement
begründet diesen Hinweis in seiner Vernehmlassung mit den praktischen
Erfahrungen, die bei der Revision des Kindesrechts im Jahre 1978 und
der damit verbundenen Möglichkeit für gewisse Kinder einer Schweizerin
und eines Ausländers, das Schweizer Bürgerrecht durch Anerkennung als
Schweizer zu erwerben (Art. 57 Abs. 6 und 7 BüG), gemacht worden seien. In
seinem Kreisschreiben vom 30. Mai 1985 an die Kantone habe es betreffend
Art. 57 Abs. 8 BüG in analoger Weise festgehalten, dass Unmündige ein
Anerkennungsgesuch nur durch ihren gesetzlichen Vertreter stellen lassen
könnten und dass im Falle der Einreichung des Gesuchs durch die Mutter
ein allfälliger Widerstand des Vaters unbeachtlich bleibe, wenn dieser
bloss seine eigenen Interessen wahrnehme...

    Ob diese Verwaltungspraxis sich bei ungetrennter Ehe der Eltern eines
Kindes ohne weiteres anwenden lässt, braucht nicht abschliessend erörtert
zu werden. Von der Zustimmung des Vaters darf jedenfalls dann abgesehen
werden, wenn - wie hier - vor Einreichung des Gesuchs um Anerkennung als
Schweizer Bürger die Ehe der Eltern geschieden worden ist und wenn ferner
das Kind aller Voraussicht nach weiterhin mit der Mutter zusammenleben
wird und der Vater keine einleuchtenden Tatsachen namhaft zu machen
vermag, die aus der Sicht der Interessen des Kindes einer Einbeziehung
in das Schweizer Bürgerrecht entgegenstehen. Unter solchen Umständen ist
letztlich unerheblich, welchem Elternteil die elterliche Gewalt zusteht.

    Inwiefern das Wohl von A.X. gebieten würde, von der Erteilung des
Schweizer Bürgerrechts abzusehen, legt der Beschwerdeführer nicht dar und
ist auch nicht ersichtlich. Mit dem Regierungsrat ist davon auszugehen,
dass die Doppelbürgerschaft keine Nachteile zur Folge haben wird. Dass
der (heute erst fünfjährige) Knabe sich dereinst möglicherweise vor den
Entscheid gestellt sehen wird, wo er seiner Militärdienstpflicht nachkommen
wolle, vermag daran nichts zu ändern. Das Schweizer Bürgerrecht bringt
ihm dagegen vor allem den Vorteil, dass er ohne weiteres in die Schweiz,
den Heimatstaat seiner Mutter, mit welcher er (in einem Nachbarland)
zusammenlebt, wird einreisen können. Dass das Kind nach den Vorbringen
des Beschwerdeführers auch zu ihm enge Beziehungen hat, ist insofern
unerheblich, als - wovon auch der Beschwerdeführer ausgeht - A.X. die
ägyptische Staatsbürgerschaft nicht verlieren wird. Die mit dem Hinweis auf
die engen persönlichen Beziehungen verbundene Rüge des Beschwerdeführers,
er sei zum Bericht des Jugendamtes Stuttgart nie ordentlich angehört
worden, stösst daher von vornherein ins Leere. Abgesehen davon, ist sie
schon deshalb nicht zu hören, weil sie das in Stuttgart durchgeführte
Verfahren betrifft.