Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 113 IA 388



113 Ia 388

59. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 30.
September 1987 i.S. Hübscher und Mitbeteiligte gegen Regierungsrat des
Kantons Zürich (staatsrechtliche Beschwerde) Regeste

    Art. 85 lit. a OG; Finanzreferendum; Anfechtungsobjekt der
Stimmrechtsbeschwerde.

    Besteht in einem Kanton das Institut des fakultativen und/oder
des obligatorischen Finanzreferendums, so kann Anfechtungsobjekt der
Stimmrechtsbeschwerde jeder Ausgabenbeschluss des Staates sowie ein
darüber ergangener Rechtsmittelentscheid sein, unabhängig davon, ob jener
von der Exekutive oder der Legislative gefasst worden ist (Präzisierung
der Rechtsprechung).

Sachverhalt

    A.- Der Regierungsrat des Kantons Zürich bewilligte am 26.
November 1986 einen Kredit von 1'300'000 Franken "für die Erneuerung der
Hulfteggstrasse S-2, Steg-Risigrund, Gemeinde Fischenthal". Er betrachtete
diese Ausgaben als gebunden.

    Beat Hübscher und Mitbeteiligte erhoben am 7. Februar 1987 gestützt
auf Art. 85 lit. a OG staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung des
Stimmrechts und stellten unter anderem den Antrag, es sei der Beschluss
des Regierungsrates vom 26. November 1986 betreffend Ausbauprojekt
Hulfteggstrasse, Abschnitt Steg-Risigrund, in der Gemeinde Fischenthal
aufzuheben. Sie machten im wesentlichen geltend, als einmalige Aufwendung
für den Ausbau der Strasse könne der Kredit nicht als gebundene Ausgabe
deklariert werden.

Auszug aus den Erwägungen:

                  Auszug aus den Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- b) Gemäss Art. 85 lit. a OG beurteilt das Bundesgericht Beschwerden
betreffend die politische Stimmberechtigung der Bürger und betreffend
kantonale Wahlen und Abstimmungen. Besteht in einem Kanton das Institut
des fakultativen und/oder des obligatorischen Finanzreferendums, so kann
Anfechtungsobjekt der Stimmrechtsbeschwerde jeder Ausgabenbeschluss
des Staates sowie ein darüber ergangener Rechtsmittelentscheid sein,
unabhängig davon, ob jener von der Exekutive (BGE 105 Ia 385 ff.) oder
der Legislative (BGE 112 Ia 221 ff.) gefasst worden ist. Die Frage,
ob der Kreditbeschluss dem Referendum unterstellt werden muss oder
nicht, ist - genauso wie diejenige, ob die Kreditvorlage vollständig sei
(vgl. BGE 112 Ia 224 E. 1b) - nicht eine solche des Eintretens auf die
Beschwerde, sondern eine der materiellen Beurteilung. In diesem Sinn
ist in Bestätigung des Entscheides i.S. Jacot (BGE 105 Ia 385 ff.) die
seitherige, unklare Praxis des Bundesgerichts zu präzisieren (vgl. dazu
das Urteil vom 7. Juni 1985 i.S. Progressive Organisationen, E. 1, ZBl
87/1986, S. 451 f.). Der Beschluss des Regierungsrates des Kantons Zürich
vom 26. November 1986 stellt somit ein zulässiges Anfechtungsobjekt der
Stimmrechtsbeschwerde dar. Keine Bedeutung hat im vorliegenden Fall die mit
den Urteilen i.S. Escher (BGE 104 Ia 305 ff.) und i.S. Stauffacher (BGE 105
Ia 359 ff.) eingeleitete und in der Literatur kritisierte Rechtsprechung,
wonach dann, wenn eine Verordnung oder ein Einzelakt der Exekutive oder
der Verwaltung Vorschriften enthält, die richtigerweise Gegenstand
eines dem Referendum unterliegenden Gesetzes sein müssten, nicht die
Stimmrechtsbeschwerde, sondern gestützt auf Art. 84 Abs. 1 lit. a OG die
staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung des Gewaltenteilungsprinzips
zu ergreifen ist (vgl. BGE 105 Ia 361 E. 4b).