Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 113 IA 32



113 Ia 32

6. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung
vom 12. März 1987 i.S. Schindler gegen Einwohnergemeinde Kriens und
Regierungsrat des Kantons Luzern (staatsrechtliche Beschwerde) Regeste

    Zonenplan; Art. 22ter BV, öffentliches Interesse.

    Begriff der Bauzone nach kantonalem und nach Bundesrecht (E. 3b aa).

    Kriterien für den Einbezug einer Parzelle in eine bereits zu grosse
Bauzone (E. 3b bb und cc).

    Einbezug von Land in eine Einfamilienhaus-Zone bei zu grosser Bauzone
(E. 3b dd).

    Art. 16 RPG: auch Land, das nicht zur Fruchtfolgefläche gehört,
kann der Landwirtschaftszone zugeteilt werden (E. 3b ee).

Sachverhalt

    A.- Am 24. März 1983 beschloss der Einwohnerrat von Kriens eine
Totalrevision des Zonenplanes sowie des Bau- und Zonenreglementes
(BZR). Dabei wurde das Arthur Schindler gehörende Grundstück Nr. 1210
der allgemeinen Landwirtschaftszone zugeteilt. Arthur Schindler hatte
eine Zuweisung seiner Parzelle zur zweigeschossigen Wohnzone mit einer
Ausnützung von 0,2 und einer Gebäudelänge von max. 20 m beantragt. Weil ihm
dies nicht gewährt wurde, zog er den genannten Beschluss des Einwohnerrates
mit Beschwerde vom 5. April 1983 an den Regierungsrat weiter. Dieser
wies die Beschwerde mit Entscheid vom 24. Mai 1985 ab und genehmigte die
neue Nutzungsplanung der Gemeinde Kriens mit für den vorliegenden Fall
im wesentlichen unerheblichen Einschränkungen und Vorbehalten.

    Eine dagegen von Arthur Schindler erhobene staatsrechtliche Beschwerde
wegen Verletzung von Art. 4 und 22ter BV weist das Bundesgericht ab,
soweit es darauf eintritt.

Auszug aus den Erwägungen:

                     Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- (Streitig ist, ob für die Zuweisung von Parzelle Nr. 1210 zur
allgemeinen Landwirtschaftszone ein hinlängliches öffentliches Interesse
besteht, das ausserdem die entgegenstehenden privaten Interessen
überwiegt. Das Bundesgericht prüft diese Fragen frei, legt sich aber
Zurückhaltung auf, soweit die Beurteilung von der Würdigung örtlicher
Verhältnisse abhängt, welche die kantonalen Behörden besser kennen und
überblicken, und soweit sich ausgesprochene Ermessensfragen stellen.)

Erwägung 3

    3.- a) Die Gemeinde Kriens und der Regierungsrat berufen sich für die
umstrittene Massnahme u.a. auf die Notwendigkeit, die im früheren Zonenplan
viel zu grosszügig bemessene Bauzone zu verkleinern. Nach unbestritten
gebliebenen Angaben des Regierungsrates reichten die im Zonenplan von 1967
ausgeschiedenen Bauzonen für 34 700 Einwohner aus. Nach dem revidierten
Zonenplan würden die ausgeschiedenen Bauzonen 28 900 Einwohnern Raum
bieten. Dies übersteige immer noch die Prognosen der Regionalplanung,
die für das Jahr 2000 eine Zunahme der Bevölkerung auf 26 800 Einwohner
vorsehe. Diese Bauzone, die im wesentlichen bereits bestanden habe, sei
mit den Anforderungen von Art. 15 des Bundesgesetzes über die Raumplanung
vom 22. Juni 1979 (RPG) kaum vereinbar. Eine Erweiterung in einem Gebiet,
das bisher nicht in der Bauzone gelegen habe, sei daher nicht zulässig. Das
Grundstück Nr. 1210 sei heute nicht überbaut, es werde innert 15 Jahren
auch nicht benötigt.
   b) Der Beschwerdeführer vermag dagegen nichts Stichhaltiges
   vorzubringen.

    aa) Sein Einwand, das Grundstück habe bis vor kurzem der Bauzone
angehört, ist nicht richtig. Das Grundstück Nr. 1210, Obersidhalde, das
eine Fläche von 13 865 m2 aufweist, lag bis zur Ortsplanungsrevision vom
24. März 1983 im übrigen Gemeindegebiet. Dieses war gemäss Art. 21 Ziff. 11
Abs. 1 des Bau- und Zonenreglementes für die Gemeinde Kriens vom 24. April
1972 (BZR 1972) in erster Linie für Bauten bestimmt, die den Bedürfnissen
der Land- und Forstwirtschaft oder des Gartenbaus dienten. Andere Bauten
konnten bewilligt werden, wenn die Gesamtkonzeption der Ortsplanung nicht
gefährdet wurde und die Gemeinde durch Bau, Unterhalt und Betrieb der
für die Erschliessung nötigen Strassen, des Versorgungsnetzes und der
Kanalisation nicht belastet wurde, keine erhebliche Störung der land-
und forstwirtschaftlichen Nutzung des umliegenden Landes zu erwarten
und eine gute Einfügung in das Landschaftsbild gewährleistet war. Der
Gemeinderat war nicht verpflichtet, nichtlandwirtschaftliche Bauten an
die Kanalisation anschliessen zu lassen.

    Für nicht der Land- und Forstwirtschaft oder dem Gartenbau dienende
Bauten galten folgende Bauvorschriften: Es waren max. zwei Vollgeschosse
ohne Dachgeschoss-Ausbau und max. ein Vollgeschoss mit Dachgeschoss-Ausbau
zulässig. Die Ausnützungsziffer betrug max. 0,2 und die Gebäudelänge
max. 20 m. Diese Werte durften durch einen Gestaltungsplan nicht abgeändert
werden.

    Dieses übrige Gemeindegebiet, das in der Gemeinde Kriens nach dem
BZR 1972 auch die Funktion der Landwirtschaftszone zu übernehmen hatte,
stellte im Zeitpunkt des Inkrafttretens der im vorliegenden Verfahren zur
Diskussion stehenden Ortsplanungsrevision am 24. Mai 1985 weder im Sinne
des kantonalen noch im Sinne des Bundesrechtes eine Bauzone dar (Urteil
des Bundesgerichts vom 21. November 1984 i.S. M., in: ZBl 86/1985, S. 211
ff.). Die Vorschrift des übrigen Gemeindegebietes von Art. 21 Ziff. 11
BZR 1972 stützte sich auf § 37 des Baugesetzes des Kantons Luzern vom
15. September 1970 (BauG). Zu dieser kantonalen Vorschrift wurde für die
Zeit zwischen dem Inkrafttreten des Bundesgesetzes über den Schutz der
Gewässer gegen Verunreinigung vom 8. Oktober 1971 (Gewässerschutzgesetz,
GSchG) und dem Inkrafttreten des Bundesgesetzes über die Raumplanung
vom 22. Juni 1979, also für die Zeit zwischen dem 1. Juli 1972 und dem
1. Januar 1980, in zutreffender Weise folgende Anmerkung 16 beigefügt:

    "Nach Art. 20 des Bundesgesetzes über den Schutz der Gewässer gegen

    Verunreinigung vom 8. Oktober 1971 (SR 814.20) und Art. 27 der
Allgemeinen

    Gewässerschutzverordnung des Bundes vom 19. Juni 1972 mit der
Änderung vom

    6. November 1974 (SR 814.201) sind im übrigen

    Gemeindegebiet nur noch Bauten und Anlagen zulässig, wenn deren

    Zweckbestimmung den beanspruchten Standort ausserhalb der Bauzonen
bedingt
   und dem Bauvorhaben keine überwiegenden öffentlichen Interessen
   entgegenstehen (Landwirtschaftsbetriebe, Freilandgärtnereien usw.). Eine

    Baubewilligung darf erst erteilt werden, wenn die Zustimmung des
kantonalen

    Amtes für Gewässerschutz vorliegt. Vgl. ferner die VV des
Regierungsrates
   zum Bundesbeschluss vom 17. März 1972 über dringliche Massnahmen auf dem

    Gebiete der Raumplanung vom 24. November 1972 (V XVII 486), wonach
Bauten
   und Anlagen in den provisorischen Schutzgebieten zusätzlich der
   Zustimmung des kantonalen Baudepartementes bedürfen."

    Nach dem Inkrafttreten des Raumplanungsgesetzes wurde diese Anmerkung
durch die folgende neue Anmerkung 16 b ersetzt:

    "Nach den §§ 2 ff. der Vollzugsverordnung zum Bundesgesetz über die

    Raumplanung vom 14. Januar 1980 (SRL Nr. 700) dürfen andere Bauten
- dazu
   gehören auch nicht dem gewerblichen Gartenbau dienende Bauten - nur
   bewilligt werden, wenn eine rechtskräftige Ausnahmebewilligung des
   kantonalen Raumplanungsamtes vorliegt. Dies gilt auch für alle

    Zweckänderungen."

    Diese vom Kanton Luzern richtig erkannten Wirkungen des Bundesrechts,
die mit der Vollzugsverordnung vom 14. Januar 1980 zum Bundesgesetz
über die Raumplanung vom Regierungsrat ausdrücklich auch ins kantonale
Recht aufgenommen und dort näher ausgeführt worden sind, schliessen die
Annahme des Beschwerdeführers, die Parzelle Nr. 1210 habe bis zu ihrem
Einbezug in die allgemeine Landwirtschaftszone der Bauzone angehört,
aus. Diese Eigenschaft verlor es am 1. Juli 1972 mit dem Inkrafttreten
des Gewässerschutzgesetzes.

    Da es bei den erwähnten Präzisierungen des kommunalen und kantonalen
Baurechts um eine Anpassung an Bundesrecht und nicht um eine Revision
der kommunalen Nutzungsplanung ging, war § 39 Abs. 1 BauG - entgegen der
Meinung des Beschwerdeführers - nicht anwendbar. Von einer Verletzung
des rechtlichen Gehörs kann keine Rede sein.

    bb) Die Gemeinde Kriens hat in der 1983 beschlossenen
Ortsplanungsrevision auch Grundstücke ausgezont, die früher in der
Bauzone lagen. Da der Regierungsrat, wie erwähnt, die Bauzone des ihm
unterbreiteten Zonenplanes immer noch als erheblich zu gross erachtete,
nahm er u.a. neun von der Gemeinde zur Bauzone geschlagene Gebiete von
der Genehmigung vorläufig aus. Bei dieser Sachlage kann die Einzonung
von früher ausserhalb der Bauzone gelegenem Land - wie das bei der
Parzelle Nr. 1210 seit dem 1. Juli 1972 zutrifft - nur in Frage kommen,
wenn besonders gewichtige Gründe dafür sprechen. Solche besonders
schwerwiegenden Interessen vermag der Beschwerdeführer im vorliegenden
Verfahren nicht geltend zu machen.

    cc) Nach Auffassung der Regierung eignet sich das Grundstück des
Beschwerdeführers zudem nicht als Bauzonenland. Es befinde sich an
einem steilen Hang in überhöhter und landschaftlich empfindlicher
Lage. Aufgrund der Immissionen der Nationalstrasse N 2 und der eher
schattigen, gegen Nordosten abfallenden Hanglage sei eine Wohnüberbauung
schon aus wohnhygienischen Gründen fragwürdig. Schliesslich würde die
steile Hanglage einen aufwendigen Ausbau der Strasse bedingen.

    Der Beschwerdeführer vermag diese Würdigung der Regierung nicht
einleuchtend zu widerlegen. Wenn er erklärt, andere, bereits überbaute und
näher bei der Nationalstrasse gelegene Grundstücke seien den Immissionen
dieser Strasse auch und mehr ausgesetzt, so spricht das noch nicht für
die Bauland-Qualität seines Landes. Er räumt immerhin ein, dass sein
Land in einer Entfernung von 450 m bis 600 m zur N 2 liege. Zudem
bestreitet er nicht, dass sein Grundstück strassenmässig nicht als
erschlossen betrachtet werden könne, dass der Ausbau der bestehenden,
zu schmalen Strasse mit einem erheblichen Aufwand verbunden wäre und
dass ein solcher Ausbau angesichts der Hanglage negative Auswirkungen
auf das Landschaftsbild hätte. Der Umstand, dass das Land wasser- und
abwassertechnisch weitgehend groberschlossen ist, spricht zwar für einen
Einbezug der fraglichen Parzelle in die Bauzone. Gleich verhält es sich
mit dem genehmigten Überbauungsplan, der allerdings bereits im Juni 1963
erarbeitet worden ist. Diese und die weiteren, vom Beschwerdeführer für
die Einzonung angeführten Gründe unterliegen in der Interessenabwägung
aber gegenüber denjenigen, die eine Belassung der Parzelle Nr. 1210 in
einer Nichtbauzone nahelegen. Was speziell den Vorteil der Aussichtslage
betrifft, so ist zu beachten, dass diesem der Nachteil der landschaftlich
empfindlichen Lage gegenübersteht.

    dd) Dass in Kriens das Angebot an Einfamilienhaus-Zonen langsam
knapp werde, verlangt die Einzonung der relativ weit vom Ortszentrum
entfernten, an einer Randlage zwischen zwei Waldtraversen gelegenen,
noch nicht baureifen Parzelle Nr. 1210 nicht. Wie der Gemeinderat Kriens
einleuchtend geltend macht, wäre vorher die Umzonung bereits eingezonten
Landes zu prüfen. Seines Erachtens wären zudem bei Bedarf andere, besser
gelegene Gebiete einzuzonen. Er verweist dabei auf das von ihm vorgesehene
Bauzonenland, welches der Regierungsrat am 24. Mai 1985 jedoch vorläufig
von der Genehmigung ausgeschlossen hat. Diese planerische Beurteilung,
die dem bei den Akten liegenden Zonenplan 1983 zugrunde liegt, ist
unter Berücksichtigung der erwähnten Zurückhaltung, welche sich das
Bundesgericht bei der Beurteilung solcher Fragen auferlegt (BGE 109 Ia
259 E. 4, 270 E. 5c, je mit Hinweisen), nicht zu beanstanden.

    ee) Der Beschwerdeführer erklärt im weiteren, die Zuweisung
seines Grundstückes zur Landwirtschaftszone verstosse gegen das
Raumplanungsgesetz. Im staatsrechtlichen Beschwerdeverfahren kann dies nur
als Argument gegen das öffentliche Interesse der Eigentumsbeschränkung,
d.h. nur als Unterstützung der Rüge der Verletzung des verfassungsmässigen
Rechts der Eigentumsgarantie vorgebracht werden.

    Selbst wenn die Parzelle Nr. 1210 des Beschwerdeführers
kein Fruchtfolgeflächen-Land darstellen sollte, hiesse dies,
entgegen der Meinung des Beschwerdeführers, nicht, dass sie nicht der
Landwirtschaftszone zugeteilt werden dürfte. Die Landwirtschaft benötigt
u.a. auch Rauhfutter-Flächen. Ausserdem umfassen Landwirtschaftszonen
gemäss Art. 16 Abs. 1 lit. b RPG auch dasjenige Land, das im
Gesamtinteresse landwirtschaftlich genutzt werden soll. Zudem kann
der Grundsatz, man solle eher Hanglagen überbauen und ebene Flächen der
landwirtschaftlichen Nutzung überlassen, nicht bedeuten, dass alle für
die Überbauung geeigneten Hanglagen Bauzonen zuzuweisen wären.