Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 113 IA 291



113 Ia 291

46. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom
3. Juni 1987 i.S. Dora Geissberger gegen Gemeinderat Kleinandelfingen
und Regierungsrat des Kantons Zürich (staatsrechtliche Beschwerde) Regeste

    Art. 85 lit. a OG; Finanzierung von Wahlinseraten der Parteien durch
das Gemeinwesen.

    1. Aus dem vom Verfassungsrecht des Bundes gewährleisteten politischen
Stimmrecht folgt unter anderem, dass jeder Stimmbürger, welcher die als
verfassungskonform anerkannten Voraussetzungen erfüllt, mit gleichen
Chancen an einer Wahl soll teilnehmen können. Dabei soll er seinen
Entscheid gestützt auf einen möglichst freien und umfassenden Prozess
der Meinungsbildung treffen können.

    Bedeutung der grundrechtlichen Garantien der Kommunikation und der
Vereinigung für diesen Prozess (E. 3a); staatliches Handeln als Bedingung
möglicher Verwirklichung dieses Zieles (E. 3a); verfassungsrechtliche
Voraussetzungen und Anforderungen an eine direkte oder indirekte
Intervention des Staates im Vorfeld von Abstimmungen und Wahlen (E. 3b
und c).

    2. Die Publikation von Wahlinseraten der Parteien ist geeignet,
die Meinungsbildung der Wähler zu beeinflussen (E. 3d). Übernimmt die
Gemeinde die Insertionskosten, so stellt dies eine indirekte Intervention
in den Wahlkampf dar (E. 3e). Diese lässt sich weder mit Hinweis auf
die Notwendigkeit der Partei- und Fraktionsfinanzierung noch mit einer
Berufung auf die im schweizerischen Staatsverständnis verankerte Idee
der Konkordanz rechtfertigen (E. 3f).

    3. Sanktion: Die zu den Sachabstimmungen entwickelten Grundsätze
gelten auch bei behördlichen Eingriffen im Vorfeld von Wahlen (E. 4a); im
vorliegenden Fall ist die Beschwerde wegen der Schwere des festgestellten
Mangels gutzuheissen (E. 4b).

Sachverhalt

    A.- Der Gemeinderat Kleinandelfingen beschloss am 28. März 1973

    "...künftig Wahlinserate für Gemeindewahlen unter folgenden

    Voraussetzungen auf die Gemeindekasse zu übernehmen:

    1. Der Wahlvorschlag muss von organisierten Ortsparteien (BGB/SP/FDP)
   gemeinsam unterstützt sein.

    2. Der Vorschlag ist der Gemeinderatskanzlei schriftlich bis spätestens

    10 Tage vor dem Wahltag einzureichen.

    3. Die Publikation erfolgt durch die Gemeinderatskanzlei in der

    Andelfinger Zeitung und im Weinländer Tagblatt, je in den Ausgaben vom

    Mittwoch und Freitag vor dem Abstimmungstag.

    4. Kampfinserate und Stützungsinserate werden von der Gemeinde nicht
   übernommen."

    Am 16. März 1986 fanden in Kleinandelfingen die Gesamterneuerungswahlen
u.a. für den siebenköpfigen Gemeinderat statt. Aufgrund von Gesprächen
unter den traditionellen Parteien (SVP, SP, FDP) sowie je einer
öffentlichen, für jedermann zugänglichen Wählerversammlung in Alten und
Oerlingen kam ein gemeinsamer Vorschlag von 7 Kandidaten zustande, davon
zwei bisherige und fünf neue Behördemitglieder. Zusätzlich kandidierte
Dora Geissberger allein; sie gehörte keiner Partei an. Sie hatte sich
auf die vom Präsidenten der Sektion Kleinandelfingen der SVP einberufene
öffentliche Wählerversammlung in Alten vom 8. Januar 1986 hin vergeblich
telefonisch bei ihm um die Aufnahme auf die gemeinsame Liste bemüht;
an der Versammlung selber nahm sie nicht teil.

    Die Gemeinde publizierte auf Begehren der drei erwähnten Ortsparteien
und der EVP zulasten der Gemeindekasse die gemeinsamen Wahlvorschläge
für alle Behörden, darunter diejenigen für die sieben Gemeinderatssitze,
dreimal je in der "Andelfinger Zeitung" und im "Weinländer Tagblatt",
nämlich am 7., 12. und 14. März 1986. Die Aufnahme von Dora Geissberger
in die Inserate wurde trotz rechtzeitigen Gesuchs mit der Begründung
abgelehnt, "dies gehe nur über die Parteien". Stützungs- und Kampfinserate
würden nicht unterstützt.

    Die sieben Kandidaten des gemeinsamen Vorschlages wurden bei einem
absoluten Mehr von 258 Stimmen mit 385 bis 567 Stimmen gewählt. Dora
Geissberger erzielte 196 Stimmen.

    Eine Beschwerde wegen Verletzung des Stimmrechts von Dora Geissberger
wies der Bezirksrat Andelfingen am 27. Juni 1986 ab; er gab der
Eingabe auch aufsichtsrechtlich keine Folge. Hierauf gelangte Dora
Geissberger an den Regierungsrat des Kantons Zürich und beantragte,
sowohl den Gemeinderatsbeschluss vom 28. März 1973 wie auch die
Gemeinderatswahlen vom 16. März 1986 zu kassieren. Der Regierungsrat wies
den Rekurs am 15. Oktober 1986 ab. Dora Geissberger beantragt mit einer
staatsrechtlichen Beschwerde im Sinne von Art. 85 lit. a OG, der Entscheid
des Regierungsrates des Kantons Zürich vom 15. Oktober 1986 sei aufzuheben.

Auszug aus den Erwägungen:

                  Auszug aus den Erwägungen:

Erwägung 3

    3.- a) Das politische Stimmrecht ist ein vom Bundesrecht
gewährleistetes verfassungsmässiges Recht. Es gibt dem Stimmbürger unter
anderem Anspruch darauf, dass kein Wahl- oder Abstimmungsergebnis anerkannt
wird, das nicht den freien Willen der Stimmberechtigten zuverlässig
und unverfälscht zum Ausdruck bringt (BGE 112 Ia 211 E. 1b mit Hinweis
sowie BGE 102 Ia 268 E. 3; 97 I 662 E. 3). Daraus folgt, dass jeder
Stimmbürger, der die als verfassungskonform anerkannten Voraussetzungen
erfüllt, mit gleichen Chancen an einer Wahl soll teilnehmen können, sei
es als Wähler oder als Kandidat. Zudem soll er seinen Entscheid gestützt
auf einen möglichst freien und umfassenden Prozess der Meinungsbildung
treffen können. Im Blick auf dieses Ziel demokratischer Willensbildung
und Willensbetätigung erweisen sich die grundrechtlichen Garantien der
Kommunikation und der Vereinigung nicht nur als verfassungsrechtliche
Bedingungen möglicher Verwirklichung aller elementaren Erscheinungen
menschlicher Persönlichkeitsentfaltung, sondern auch als solche einer
lebendigen Demokratie (vgl. dazu BGE 107 Ia 69 E. 3b; 98 Ia 80 E. 3b,
96 I 224 E. 4, 592 E. 6; JÖRG PAUL MÜLLER/STEFAN MÜLLER, Grundrechte,
Besonderer Teil, Bern 1985, S. 75 f.; JÖRG PAUL MÜLLER, Grundrechte
in der Demokratie, EuGRZ 1983, S. 337 ff., 338, und aus der Sicht
der EMRK: MARTIN BULLINGER, Freedom of expression and information: an
essential element of democracy, Human Rights Law Journal, 6/1985, S. 339
ff.). Das Recht freier Meinungsäusserung, die Pressefreiheit sowie die
Versammlungs- und Vereinsfreiheit, um nur die wichtigsten Gewährleistungen
zu nennen, lassen auch Minderheitsmeinungen zum Tragen kommen, fördern
den Pluralismus und eröffnen erst so eine Chance zur demokratischen
Entscheidung (vgl. dazu JÖRG PAUL MÜLLER, aaO, S. 338; RENÉ A. RHINOW,
Grundprobleme der schweizerischen Demokratie, ZSR NF Bd. 103, 1984, II,
S. 111 ff., 255, MARTIN BULLINGER, aaO, S. 342 f.). Im Idealfall soll
der Bürger alle Informationen über alle möglichen Kandidaten bei voller
Chancengleichheit unter ihnen äussern, verbreiten, diskutieren, die Vor-
und Nachteile erwägen können und erst gestützt darauf entscheiden. Das
Wahlrecht kann indessen nicht ausgeübt werden, ohne dass der Staat die
institutionellen Voraussetzungen dazu schafft und angesichts sozialer
Realitäten diejenigen Bedingungen setzt, welche eine möglichst weitgehende
Verwirklichung der Stimmrechtsfreiheit sichern.

    b) Dass der Staat derart tätig werden muss, bedeutet indessen nicht,
dass er dabei frei wäre. Die Freiheit der Meinungsbildung schliesst
grundsätzlich jede direkte Einflussnahme der Behörden aus, welche
geeignet wäre, die freie Willensbildung der Stimmbürger im Vorfeld
von Wahlen und Abstimmungen zu verfälschen (BGE 112 Ia 335 E. 4b mit
Hinweis; vgl. auch Urteil vom 24. November 1982 i.S. Pfenninger, E. 3,
veröffentlicht in BVR 1983, S. 1 ff., S. 4 f.; BGE 108 Ia 157 E. 3b mit
Hinweis; Urteil vom 11. Mai 1979 i.S. Bauert, in der amtlichen Sammlung
(BGE 105 Ia 243 ff.) nicht veröffentlichte E. 3, publiziert im ZBl 81/1980,
S. 21, sowie ANDREAS AUER, L'intervention des collectivités publiques
dans les campagnes référendaires, Revue de droit administratif et de
droit fiscal, 41/1985, S. 185 ff., S. 187 ff., mit weiteren Hinweisen
auf die Literatur). Bei Sachabstimmungen gilt es immerhin als zulässig,
dass eine Behörde ihre Sachvorlagen den Stimmberechtigten zur Annahme
empfiehlt und Erläuterungen oder Berichte dazu beilegt, sofern sie dabei
ihre Pflicht zu objektiver Information nicht verletzt und über den Zweck
und die Tragweite der Vorlage nicht falsch orientiert (BGE 112 Ia 131 E. 1,
335 E. 4b; je mit Hinweisen). Weitergehende direkte Interventionen in den
Abstimmungskampf über eigene Vorlagen, d.h. Stellungnahmen für eine oder
gegen eine andere Alternative, sind nur ausnahmsweise erlaubt. Solches
behördliches Eingreifen muss sich auf Fälle beschränken, in denen triftige
Gründe für ein Tätigwerden der Behörde sprechen. Triftig sind Gründe
für eine zusätzliche Information, Klarstellung usw. nur dann, wenn sie
im Interesse einer unverfälschten Willensbildung und Willensbetätigung
der Stimmbürger als notwendig erscheinen und so gewichtig sind, dass sie
die Interessen an der freien, unbeeinflussten Meinungsbildung überwiegen
(BGE 112 Ia 336 f. E. 4d mit Hinweisen).

    Anders als bei Sachabstimmungen fehlen bei Wahlen meist solche
besonderen Gründe, die einen behördlichen Eingriff in den Prozess der
freien Meinungsbildung rechtfertigen würden. Behördliche Wahlpropaganda
ist grundsätzlich unzulässig (Urteil vom 8. Juli 1964 i.S. Beuttner,
E. 2, veröffentlicht im ZBl 66/1965, S. 245 ff., S. 247 mit Hinweis;
JEAN-FRANÇOIS AUBERT, Traité de droit constitutionnel suisse, Neuchâtel
1967, Nr. 1218, S. 448; ANDREAS AUER, aaO, S. 196; WERNER STAUFFACHER,
Die Stellung der Behörden im Wahl- und Abstimmungskampf, im ZBl 68/1967,
S. 385 ff., S. 386; VITO PICENONI, Die Kassation von Volkswahlen und
Volksabstimmungen in Bund, Kantonen und Gemeinden, Aarau 1945, S. 76
f.). Dies gilt insbesondere dann, wenn es um die (Wieder-)Wahl der
betreffenden Behörde selber geht oder wenn Kampfkandidaten auftreten
(ANDREAS AUER, aaO, S. 196). Bei Wahlen kommt den Behörden keine
Beratungsfunktion zu wie bei Sachentscheiden. Hier haben sie nicht von
Rechts wegen mitzuwirken und ihre Auffassung der öffentlichen Interessen
zu wahren. Es ist zu verhindern, dass sich der Staat im Wahlkampf auch nur
indirekt in den Dienst parteiischer Interessen stellt. Demzufolge haben
sich die Behörden parteipolitisch neutral zu verhalten und dürfen sich
nicht mit einzelnen Gruppen oder Richtungen identifizieren (vgl. dazu auch
BGE 110 Ia 38 E. 3a). Eine Intervention kommt auch hier - wenn überhaupt
- nur in Frage, wenn sie im Interesse der freien und unverfälschten
Willensbildung und Willensbetätigung der Wähler als unerlässlich
erscheint. So kann z.B. eine Richtigstellung offensichtlich falscher
Informationen, die im Verlauf eines Wahlkampfes verbreitet werden, als
zulässig erscheinen. Indessen dürfte eine Behörde bei dieser Gelegenheit
nicht gleichzeitig Wahlpropaganda für sich selbst, für ihre Mitglieder
oder für andere Kandidaten machen oder den politischen Gegner verunglimpfen
(nicht veröffentlichtes Urteil vom 23. März 1979 i.S. Demierre; vgl. auch
VITO PICENONI, aaO, S. 77, sowie WERNER STAUFFACHER, aaO, S. 386).

    c) Die Gemeinde Kleinandelfingen hat nicht durch Wahlpropaganda direkt
interveniert, sondern nur mittelbare Hilfeleistung erbracht, indem sie
öffentliche Gelder zur Verfügung stellte. Solche indirekte Unterstützung
durch eine Behörde ist nicht von vornherein verboten. Im Gegenteil, die
Gemeindeorgane sind bereits aufgrund des kantonalen Rechts verpflichtet,
zur ordnungsgemässen Durchführung der Wahl gewisse Aufgaben wahrzunehmen,
z.B. Wahlvorschläge zu veröffentlichen und Wahlzettel zu drucken und zu
verteilen (vgl. Gesetz über die Wahlen und Abstimmungen (Wahlgesetz) vom
4. September 1983, insbesondere § 55 Abs. 2, § 56 und § 60). Auch kann
es aufgrund von Bundesverfassungsrecht geboten sein, öffentlichen Grund
für die politische Meinungsbildung zur Verfügung zu stellen (BGE 105 Ia
95 E. 4a; 97 I 893 ff.; vgl. auch PETER SALADIN, Grundrechte im Wandel,
3. Auflage, Bern 1982, S. XXI ff.; GIORGIO MALINVERNI, L'exercice des
libertés sur le domaine public, Mélanges André Grisel, Neuchâtel 1983,
S. 145 ff.). Zu Recht verweist der Kanton in seiner Vernehmlassung auf
ein gewisses Bedürfnis nach behördlichen Anstössen auch vor Wahlen hin,
um überhaupt Kandidaten zu gewinnen. Auch verbietet das Verfassungsrecht
des Bundes nicht, Parteien und ihre Fraktionen finanziell oder anderweitig
zu unterstützen, ja solche Massnahmen können sich heute im Interesse einer
lebendigen Demokratie geradezu als notwendig erweisen (vgl. dazu z.B. PETER
HUG, Die verfassungsrechtliche Problematik der Parteienfinanzierung,
Zürich 1970, S. 49 ff.; RENÉ A. RHINOW, Funktionen und Probleme der
politischen Parteien in der Schweiz, recht 1986, S. 105 ff., S. 109 f.;
GERHARD SCHMID, Politische Parteien, Verfassung und Gesetz, Basel/Frankfurt
a. M. 1981, S. 10 ff., S. 81 ff.; GERHARD SCHMID, Parlament und Parteien
in der Schweiz, Jahrbuch des öffentlichen Rechts, NF Bd. 31, 1982, S.
169 ff., S. 185 ff.). Erfolgen solche Hilfeleistungen indessen im Rahmen
eines Wahlkampfes, so sind sie wie direkte Interventionen nur zulässig,
wenn sie sich in bezug auf die Willensbildung und Willensbetätigung der
Wähler als klarerweise neutral erweisen oder, falls dies nicht zutrifft,
wenn sie im Interesse eines unverfälschten Wahlergebnisses notwendig
sind. Zudem dürfen solche Massnahmen auch sonst nicht unverhältnismässig
oder rechtsungleich und willkürlich sein.

    d) Die Publikation von Wahlinseraten ist nicht nur geeignet, die
Meinungsbildung der Wähler zu beeinflussen, sondern es ist geradezu ihr
Zweck, diese Wirkung zu entfalten. Die Übernahme der Insertionskosten
durch die Gemeinde Kleinandelfingen kann deshalb keinesfalls als eine
gegenüber dem Wahlkampf neutrale Massnahme bezeichnet werden. Daran
ändert auch der Einwand der Gemeinde nichts, ihre Hilfe sei mit lediglich
Fr. 470.-- pro Gemeinderatskandidat, bzw. Fr. 58.75 bei Umrechnung auf alle
Kandidaten, die damals in der Gemeinde zur Wahl standen, unbedeutend. Es
ist gerichtsnotorisch, dass die Parteien zur Finanzierung ihrer Wahlkämpfe
nur über beschränkte Mittel verfügen. Unter diesen Umständen kann bereits
eine geringe Unterstützung wesentlich sein, können doch die dadurch frei
werdenden Mittel für andere Aktionen eingesetzt werden.

    e) Der Kanton bestreitet, dass man von einer Intervention durch eine
Behörde sprechen dürfe. Es sei für den Bürger ja erkennbar gewesen, dass es
sich um Inserate der Parteien handle. Nur diese hätten unterschrieben. Dem
kann nicht zugestimmt werden. Richtig ist, dass die Wahlvorschläge
nur von den Ortsparteien unterzeichnet waren und dass aus den Inseraten
selbst nicht ersichtlich war, dass die Gemeinde ihre Bezahlung übernommen
hatte. Indessen bleibt eben gerade diese Tatsache bestehen. Es handelt
sich somit im vorliegenden Fall klarerweise um eine indirekte Intervention
einer Behörde im eigenen Wahlkampf. Dabei spielt keine Rolle, ob sie den
Wählern allgemein bekannt war oder nicht. Sowohl im einen wie im anderen
Fall war sie geeignet, die freie Meinungsbildung zu beeinflussen. Da die
fraglichen Inserate den Anschein erweckten, die dafür verantwortlich
zeichnenden Parteien hätten sie auf eigene Kosten erscheinen lassen,
muss in der Nichtinformation über die tatsächlichen Verhältnisse eine für
den Wahlausgang relevante Falschinformation gesehen werden. Andererseits
hätte bei Bekanntgabe der Finanzierung der Eindruck entstehen können, die
Gemeinde identifiziere sich mit einzelnen Gruppierungen, was im Blick auf
das politische Stimmrecht des Bürgers, wie es durch die Bundesverfassung
gewährleistet wird, auch als unzulässig zu betrachten

    f) Der Kanton und die Gemeinde Kleinandelfingen beurteilen die
Finanzierung von Wahlempfehlungen der Parteien als einen Sonderfall
der Partei- und Fraktionsfinanzierung. Eine solche sei grundsätzlich
zulässig. Dass die Beschwerdeführerin als parteiunabhängige Person
nicht unterstützt worden sei, lasse sich vertreten. Es liege im Wesen
der Parteifinanzierung, dass nur formierte Gruppen auf sie Anspruch
erheben könnten, nicht aber der einzelne Bürger. Die Finanzierung würde
sonst uferlos. Auch liege der Sinn der Parteifinanzierung nicht zuletzt
darin, die politisch interessierten Bürger anzuhalten, sich zu Gruppen
zusammenzuschliessen, denen ein gewisses politisches Gewicht zukomme
und die damit in der Lage seien, einen massgebenden Einfluss auf das
politische Geschehen auszuüben. Diese Begründung gibt zu Bedenken Anlass:

    aa) Kanton und Gemeinde verkennen, dass die zu beurteilende
Inseratenfinanzierung im Rahmen eines Wahlkampfes erfolgte. Für solche
Massnahmen aber gelten aufgrund der Verfassung besonders strenge
Bedingungen (vgl. E. 3b und c). Es ist fraglich, ob sich die Übernahme
der Insertionskosten durch die Gemeinde im Blick auf das politische
Stimmrecht der Bürger rechtfertigen lässt. Der Regierungsrat des Kantons
Zürich macht in seiner Vernehmlassung geltend, Anregungen der Gemeinden
erfolgten nicht nur von Alters her, sondern seien auch unerlässlich, um
Kandidaten überhaupt zu gewinnen, sie hinreichend bekannt zu machen und
dem Bürger eine sinnvolle Auswahl unter ihnen zu ermöglichen. Auch wenn
diesem Anliegen durchaus ein gewisses Verständnis entgegengebracht werden
kann, so muss der Entscheid trotzdem davon abhängen, ob und wieweit die
indirekte Unterstützung in ihren materiellen Wirkungen einer verbotenen
inhaltlichen Einflussnahme gleichkommt. Massgebend ist, ob die tatsächlich
bewirkte Bevorzugung oder Benachteiligung einzelner Kandidaten durch
triftige Gründe gerechtfertigt wird, welche die Interessen an einer
freien, von staatlichen Interventionen unbeeinflussten Meinungsbildung
überwiegen. Die eingesetzten Mittel müssen gemessen an diesen Anliegen
verhältnismässig, d.h. insbesondere für die Zielerreichung unerlässlich
sein und dürfen die freie Meinungsbildung nur soweit beeinträchtigen, als
dies unbedingt notwendig erscheint. Zudem müssen sie die Chancengleichheit
des Kandidaten wahren.

    bb) Unzulässig ist die Beschränkung auf organisierte Ortsparteien. Der
Hinweis auf die Fraktionsfinanzierung stimmt sachlich nicht. Die
Gemeinde Kleinandelfingen ist nicht in der Form der repräsentativen
Demokratie organisiert. Sie verfügt weder über ein Gemeindeparlament
noch über Fraktionen, die für die Erfüllung bestimmter Funktionen im
Parlamentsbetrieb zu entschädigen wären.

    cc) Eine finanzielle Unterstützung der Parteien durch den Staat
kann die Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben erleichtern und ihnen
eine gewisse Unabhängigkeit von Spendern sichern (PETER HUG, aaO,
S. 84 ff.; GERHARD SCHMID, Politische Parteien, Verfassung und Gesetz,
Basel/Frankfurt a. M. 1981, S. 117). Indessen sind die Grenzen zu
beachten, welche sich aus dem verfassungsmässigen Recht des Bürgers auf
eine unverfälschte Meinungsbildung einerseits und der Rechtsgleichheit
andererseits ergeben. Die Gemeinde Kleinandelfingen hat den etablierten
Parteien Mittel zur Verfügung gestellt, mit denen für und damit auch
gegen einzelne Kandidaten Stellung bezogen wurde. Die Kandidatur
der Beschwerdeführerin, welche als Nichtparteimitglied von den
Unterstützungsinseraten ausgeschlossen war, wurde dadurch erschwert. Diese
Ausschlusswirkung widerspricht dem Prinzip der Offenheit des Wahlsystems
und ist geeignet, das Wahlergebnis selbst zu beeinflussen. Zudem wird
dadurch die Chancengleichheit aller Kandidaten verletzt, ohne dass dies
durch überwiegende Gründe zu rechtfertigen wäre.

    dd) Der Kanton anerkennt, dass die Auflage, sich auf eine gemeinsame
Liste zu einigen, einen Druck zum Konsens, zur Konkordanz ausübt. Dies
sei gerechtfertigt. Das Konkordanzprinzip sei dem kantonalen Recht nicht
unbekannt, so im Institut der stillen Wahl, die meistens eine ausdrückliche
oder stillschweigende Übereinkunft der Parteien voraussetze. Es könne
nicht als widerrechtlich betrachtet werden, wenn die Gemeinde nur die
Kandidaten unterstütze, welche durch eine breite Übereinkunft getragen
werde. Andernfalls würden öffentliche Mittel dazu dienen, die Austragung
von Meinungsverschiedenheiten zwischen den Parteien zu finanzieren, was
nicht dem Sinn der Parteifinanzierung entspreche. Es bestehe zudem ein
öffentliches Interesse daran zu wissen, welche Kandidaten unbestritten
seien. Im übrigen besitze die Gemeinde bei der Ausgestaltung der
Parteifinanzierung, die im kantonalen Recht nicht geordnet sei, einen
Spielraum eigenen Ermessens.

    Konkordanz meint jenes Konfliktregelungsmuster, das die Entscheidung
durch Verhandlungen und gütliches Einvernehmen unter den politischen
Mächten von einigem Gewicht zustande bringt und damit der Konkurrenz
und dem Mehrheitsentscheid ausweicht (AREND LIJPHART, The politics of
accommodation, Berkeley/Los Angeles 1968, S. 103 ff.; LUZIUS WILDHABER,
Vertrag und Gesetz - Konsensual- und Mehrheitsentscheid im schweizerischen
Staatsrecht, ZSR NF Bd. 94, 1975, II, S. 113 ff., S. 133 ff.; RENÉ
A. RHINOW, Grundprobleme der schweizerischen Demokratie, ZSR NF Bd. 103,
1984, II, S. 117 ff., S. 237 ff.).

    Die Idee der Konkordanz hat im schweizerischen Staatsverständnis
eine gewisse Anerkennung gefunden und in der Form des Proporzsystems,
zum Teil verbunden mit einem Quorum (vgl. z.B. BGE 103 Ia 603 ff.;
ALFRED KÖLZ, Probleme des kantonalen Wahlrechts, ZBl 88/1987,
S. 197 ff.), auch gerade für das Wahlrecht Bedeutung erhalten
(GERHARD LEHMBRUCH, Proporzdemokratie, Tübingen 1967, S. 15 ff., S. 39
ff.). Konkordanzdenken vermag deshalb oft auch vor Wahlen zu privaten
Absprachen sowie gegenseitigen Unterstützungsversprechen insbesondere unter
Parteien führen. Trotzdem darf aber die Problematik dieses staatlichen
Konfliktregelungsmusters und sein Spannungsverhältnis zum Konkurrenzprinzip
nicht übersehen werden. Konkordanz verleiht den Etablierten, Bisherigen
und bereits Organisierten ein Übergewicht und behindert die Opposition
von Aussenseitern. Sie verstärkt die Tendenz der Bürger, sich emotional
mit den traditionellen Trägern des politischen Lebens und den bestehenden
Autoritäten zu identifizieren. Die freie Volkswahl ist indessen nicht
nur rückwärtsgerichtete Bestätigung der bisherigen Machtverteilung,
sondern soll über die künftige Stärke entscheiden. Eine chancengleiche
Kandidatur muss demzufolge allen Bürgern offenstehen, welche die als
verfassungskonform anerkannten Voraussetzungen dazu erfüllen. Eine
behördliche Intervention im Rahmen des Wahlkampfes, welche diese
Ausschlusstendenz noch verstärkt oder sogar direkt zur Folge hat, wo das
positive Recht die offene Konkurrenz vorsieht, ist deshalb unzulässig. Das
an sich berechtigte Anliegen, um der Leistungsfähigkeit des politischen
Systems willen eine gewisse Konzentration der Kräfte zu fördern, wie dies
der Regierungsrat verficht, vermag dagegen nicht aufzukommen.

    g) Der Kern der Problematik des Gemeindebeschlusses von 1973
und der behördlichen Intervention im Rahmen des Wahlkampfes für die
Gemeinderatswahl von 1986 liegt darin, dass er Kandidaten, welche
nicht Mitglied einer der vier Parteien (SVP/FDP/SP/EVP) waren, vor
die Alternative stellte, entweder einer dieser Parteien beizutreten,
bzw. als Parteiloser auf ihren Listen Aufnahme zu finden, oder eine
staatlich bewirkte Benachteiligung in ihren Chancen zu akzeptieren. Zwar
ging es um geringe finanzielle Mittel; die Wirkung dieser Unterstützung
aber reichte weit: Einerseits führte sie tatsächlich zum Ausschluss
einer Aussenseiterin aus dem Unterstützungsinserat, welches von allen
in der Gemeinde tätigen Parteien mit Hilfe der Gemeinde gemeinsam
veröffentlicht wurde. Andererseits war die behördliche Massnahme gerade
wegen dieser Wirkung geeignet, die freie Willensbildung der Wähler
zu beeinträchtigen. Dies muss als schwerwiegender Eingriff in die
Wahlfreiheit beurteilt werden, der sich durch keine triftigen Gründe
rechtfertigen lässt.

    Sowohl der Beschluss des Gemeinderates Kleinandelfingen von 1973
als auch die gestützt darauf erfolgte Finanzierung der Wahlinserate im
Rahmen des Wahlkampfes für die Gemeinderatswahl von 1986 waren daher
verfassungswidrig.

Erwägung 4

    4.- Damit stellt sich die Frage nach der Sanktion.

    a) Über die Auswirkungen des festgestellten Mangels bestimmt das
kantonale Gesetz, dass die Behörde die Wahl aufhebt, wenn glaubhaft ist,
die Unregelmässigkeit könne das Ergebnis der Wahl wesentlich beeinflussen,
Abhilfe aber nicht mehr möglich ist (§ 131 Abs. 2 Wahlgesetz). Im
wesentlichen gelten dieselben Grundsätze von Bundesrechts wegen:

    Wenn sich der Mangel einer ziffernmässigen Ermittlung entzieht, so
ist nach den gesamten Umständen zu beurteilen, ob eine Beeinflussung
des Ergebnisses möglich sei oder nicht. Dabei ist insbesondere auf
die Grösse des Stimmenunterschieds, die Schwere des festgestellten
Mangels und auf dessen Bedeutung im Rahmen der gesamten Abstimmung
abzustellen. Erscheint die Möglichkeit, dass die Abstimmung ohne den
Mangel anders ausgefallen wäre, als derart gering, dass sie nicht mehr
ernsthaft in Betracht kommt, so kann von der Aufhebung des Urnenganges
abgesehen werden. Rechtfertigt sich eine solche Beurteilung jedoch nicht,
so ist der Mangel als erheblich zu erachten und die Abstimmung zu kassieren
(BGE 112 Ia 338 E. 5 mit Hinweis). Diese zur Sachabstimmung entwickelten
Grundsätze gelten auch bei behördlichen Einwirkungen auf Wahlen (vgl. BGE
107 Ia 217 ff.), eingeschlossen die Einwirkungen auf Wahlvorbereitungen
(nicht veröffentlichtes Urteil vom 23. März 1979 i.S. Demierre,
E. 5e). Die vermehrte Zurückhaltung bei rein privaten oder teilweise
privaten Einflussnahmen (BGE 102 Ia 269 E. 3; 98 Ia 83 E. 3c) spielt im
vorliegenden Fall keine Rolle; dies um so mehr, als das kantonale Recht
diese Differenzierung nicht kennt.

    b) Im vorliegenden Fall lässt sich der Mangel zwar nicht quantitativ
ermitteln, aber doch in seiner Bedeutung etwas näher erfassen. Die
Beschwerdeführerin erreichte 196 Stimmen. Bezogen auf das absolute Mehr
fehlten ihr 62 Stimmen. Wichtiger ist, dass sie weitere 190 Stimmen
benötigt hätte, um den letztgewählten Kandidaten, der 385 Stimmen auf
sich vereinigte, zu übertreffen. Das sind bezogen auf die eingegangenen
657 Wahlzettel 28,9%, auf alle 902 Stimmberechtigte 21% und auf die
ferngebliebenen 245 Wähler 77,6%; die Stimmbeteiligung betrug 72,8%. Diese
Differenz von 190 Stimmen ist gross; eine Wahl hätte praktisch eine
Verdoppelung der Stimmen erfordert. Ein Viertel bis ein Drittel der
Urnengänger hätte eine der sieben Stimmen anders abgeben müssen. Da
die Stimmbeteiligung ohnehin bereits hoch war, wäre die Mobilisierung
zusätzlicher Wähler schwer gefallen; zudem hätte dies auch den anderen
Kandidaten genützt.

    Der quantitative Unterschied ist so erheblich, dass die Wahl der
Beschwerdeführerin nicht als wahrscheinlich bezeichnet werden kann. Der
Entscheid hängt damit von einer qualitativen Würdigung der gesamten
Umstände des Falles ab. Die behördliche Intervention wiegt hier -
wie dargelegt - schwer. Dies gilt um so mehr, wenn der Gemeinderat in
die Vorbereitung seiner eigenen Wahl eingreift, in der sogar noch zwei
bisherige Behördemitglieder kandidieren. Die Einwände des Kantons gegen
eine Aufhebung überzeugen nicht. Auf die Überschaubarkeit der Verhältnisse
kann es nicht ankommen; die Inserate konnten durch die Beschränkung auf
einen gemeinsamen Vorschlag der Parteien die Willensbildung der Wähler
verfälschen. Der Regierungsrat selber gesteht der Beschwerdeführerin
zu, sie habe einen bemerkenswerten Achtungserfolg erzielt. Nach der
bundesgerichtlichen Formel genügt es zur Aufhebung, dass eine Beeinflussung
des Ergebnisses als möglich erscheint. Nimmt man diese Formel ernst und
bedenkt man die Grundsätzlichkeit des Fehlers, so ist es nicht zu umgehen,
die Beschwerde gutzuheissen und den Entscheid des Regierungsrates des
Kantons Zürich vom 15. Oktober 1986 aufzuheben.