Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 112 V 397



112 V 397

68. Urteil vom 31. Oktober 1986 i.S. Pulver gegen Industrie-, Gewerbe-
und Arbeitsamt des Kantons Aargau und Versicherungsgericht des Kantons
Aargau Regeste

    Art. 59 ff. AVIG: Präventivmassnahmen (Sprachkurse im Ausland).

    - Die Beurteilung der Frage, ob die Voraussetzungen zur Ausrichtung von
Leistungen gemäss Art. 61 AVIG gegeben sind, hat prospektiv zu erfolgen,
und zwar im Zeitpunkt, da das Gesuch eingereicht wird (Erw. 1a).

    - Voraussetzungen, unter denen Leistungen bei Besuch von Kursen im
Ausland (in casu Sprachkurs) gewährt werden können (Erw. 1b).

Sachverhalt

    A.- Der 1954 geborene Versicherte war seit 1. Oktober 1983
arbeitslos. Am 18. Mai 1984 stellte er bei der Arbeitslosenkasse des
Kantons Aargau ein Gesuch um Bewilligung eines viermonatigen Spanischkurses
in Malaga, was das Industrie-, Gewerbe- und Arbeitsamt des Kantons Aargau
(KIGA) ablehnte.

    B.- Der Versicherte beschwerte sich beim Versicherungsgericht
des Kantons Aargau mit dem Antrag, es seien ihm 62 Taggelder (total
Fr. 8'525.--) auszurichten. Auf die Bezahlung der eigentlichen Kurskosten
verzichte er.

    Das kantonale Gericht wies die Beschwerde am 7. Mai 1985
ab mit der Begründung, dass der Sprachkurs höchstens eine
allgemeine berufliche Weiterbildung und nicht eine Weiterbildung
im arbeitslosenversicherungsrechtlichen Sinne darstelle. Die
Vermittlungsfähigkeit sei durch den Sprachkurs nicht spezifisch verbessert
worden.

    C.- Der Versicherte führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde und wiederholt
den vorinstanzlich gestellten Antrag.

    Das KIGA und das Bundesamt für Industrie, Gewerbe und Arbeit schliessen
auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde.

Auszug aus den Erwägungen:

      Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- a) Gemäss Art. 1 Abs. 2 AVIG gehört zu den Zielen des Gesetzes,
drohende Arbeitslosigkeit zu verhüten und bestehende zu bekämpfen.
Diesem Zwecke dienen die sog. Präventivmassnahmen (Art. 59 bis 75
AVIG). Die Arbeitslosenversicherung fördert durch finanzielle Leistungen
die Umschulung, Weiterbildung oder Eingliederung von Versicherten,
deren Vermittlung aus Gründen des Arbeitsmarktes unmöglich oder stark
erschwert ist (Art. 59 Abs. 1 AVIG). Die Umschulung, Weiterbildung oder
Eingliederung muss die Vermittlungsfähigkeit verbessern (Art. 59 Abs. 3
AVIG). Die Grundausbildung und die allgemeine Förderung der beruflichen
Weiterbildung sind dagegen nicht Sache der Arbeitslosenversicherung
(BGE 111 V 274 und 400 f. mit Hinweisen; ARV 1986 Nr. 17 S. 65 Erw. 2).

    Die Beurteilung der Frage, ob die Voraussetzungen zur Ausrichtung von
Leistungen gegeben sind, hat prospektiv zu erfolgen, und zwar im Zeitpunkt,
da das Gesuch eingereicht wird.

    Anspruchsberechtigte Kursteilnehmer können Taggelder erhalten. Die
Kasse ersetzt die nachgewiesenen notwendigen Auslagen für Kursbeiträge und
Lehrmittel sowie für Reisekosten. Ferner gewährt sie einen angemessenen
Beitrag an die Auslagen für Unterkunft und Verpflegung am Kursort
(Art. 61 AVIG).

    b) Öffentliches Recht gilt grundsätzlich nur in dem Staate, der
es erlässt. Es untersteht somit dem Territorialprinzip. Ausserhalb
seiner Grenzen kann es im Sinne von Ausnahmen gelten. Diese Überlegungen
treffen auch auf das Sozialversicherungsrecht zu; denn es ist als
Verwaltungsrecht dem öffentlichen Recht zugeordnet (vgl. MAURER,
Schweizerisches Sozialversicherungsrecht, Bd. I, S. 202).

    Im unveröffentlichten Urteil Parzani vom 19. März 1986 nahm das Eidg.
Versicherungsgericht eine solche Ausnahme bezüglich der Ausrichtung
von Leistungen gemäss Art. 61 AVIG bei Besuch von Kursen im Ausland
an. Jedoch müssen für die ausnahmsweise Gewährung solcher Leistungen
triftige Gründe gegeben sein. Eine zurückhaltende Praxis ist nach dem
erwähnten Urteil Parzani schon deshalb angebracht, weil die erforderlichen
Kontrollmöglichkeiten im Ausland erschwert sind, sowohl bezüglich Qualität
und Geeignetheit des in Frage stehenden Weiterbildungsinstituts als auch
bezüglich des effektiven Besuchs des Kurses durch den Versicherten. Sodann
bringt ein im Ausland besuchter Kurs mit sich, dass die Stellensuche in
der Regel insofern erschwert wird, als der Versicherte vom heimischen
Arbeitsmarkt fern ist. Zudem ist darauf hinzuweisen, dass der Versicherte
nur Anspruch auf die dem jeweiligen Umschulungs-, Weiterbildungs- und
Eingliederungszweck angemessenen, notwendigen Massnahmen hat, nicht aber
auf die nach den gegebenen Umständen bestmöglichen Vorkehren. Denn nach
einem bei Eingliederungsmassnahmen der Invalidenversicherung geltenden und
auch hier anwendbaren Grundsatz sind die Massnahmen lediglich insoweit
zu gewähren, als dies im Einzelfall notwendig, aber auch genügend ist
(vgl. BGE 110 V 102, 103 V 16 Erw. 1b mit Hinweisen; vgl. auch BGE 107
V 88). Es ist auch nicht Sache der Arbeitslosenversicherung, kulturelle
Bedürfnisse abzudecken. Ferner muss der voraussichtliche Erfolg einer
Massnahme in einem vernünftigen Verhältnis zu ihren Kosten stehen (vgl.
oben zitierte Urteile; erwähntes Urteil Parzani).

    Nach dem Gesagten muss demnach ein Anspruch auf Leistungen bei
Besuch eines Sprachkurses im Ausland verneint werden, wenn Zweifel
an der Zweckmässigkeit des Kurses bzw. Eignung des Schulbetriebes
bestehen, die Überprüfbarkeit nicht bejaht werden kann oder wenn
zwischen Ziel und aufzuwendenden Mitteln ein vernünftiges Verhältnis
verneint werden muss. Sprachkurse im Ausland sind nur dann zu Lasten
der Arbeitslosenversicherung zu bewilligen, wenn in der Schweiz keine
Möglichkeit besteht, auf geeignete und zweckmässige Weise das angestrebte
Ziel zu erreichen, was angesichts der auf diesem Gebiet heute vorhandenen
neuen didaktischen und technischen Methoden eher die Ausnahme darstellen
dürfte. Ist jedoch ein solcher Ausnahmefall zu bejahen, muss zusätzlich die
Wahrscheinlichkeit dargetan sein, dass die Vermittlungsfähigkeit durch eine
im Hinblick auf ein konkretes berufliches Ziel absolvierte Weiterbildung
im konkreten Fall tatsächlich und in erheblichem Masse gefördert wird
(ARV 1986 Nr. 17 S. 66 Erw. 2b, 1985 Nr. 23 S. 176 Erw. 4b und S. 179
Erw. 2b)...

Erwägung 2

    2.- Es ist allgemein bekannt, dass man in der Schweiz an
zahlreichen Instituten Spanisch lernen kann. Eine Notwendigkeit, dass
der Beschwerdeführer den Kurs in Malaga besuchte, bestand nicht. Zwar
hatte er dort die Möglichkeit, sich täglich auch ausserhalb der Schule in
der spanischen Sprache zu üben, doch bestand im vorliegenden Fall kein
triftiger Grund, im entsprechenden Sprachraum zu studieren. Wie bereits
ausgeführt, gewährt die Sozialversicherung nicht das Bestmögliche,
sondern das zur Erreichung des angestrebten Ziels Erforderliche und
Notwendige. Aus diesen Gründen besitzt der Beschwerdeführer keinen
Anspruch aus Art. 59 ff. AVIG für den Spanischkurs in Malaga, ohne dass
geprüft werden müsste, ob die Leistungsvoraussetzungen von Abs. 1 und 3
des Art. 59 AVIG erfüllt sind.

Entscheid:

       Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

    Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.