Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 112 V 115



112 V 115

19. Urteil vom 21. April 1986 i.S. W. gegen Krankenfürsorge Winterthur
und Versicherungsgericht des Kantons Bern Regeste

    Art. 7 Abs. 1 KUVG: Freizügigkeit.

    - Gesetzliche Aufklärungspflicht der Krankenkasse bei Eintritt eines
Freizügigkeitsgrundes (Erw. 2a).

    - Kommt eine Krankenkasse der Aufklärungspflicht nicht oder nicht
rechtzeitig nach, so dass das Mitglied das Zügerrecht nicht innert der
gesetzlichen Dreimonatsfrist ausüben kann, fällt der Freizügigkeitsanspruch
dahin (Erw. 2b).

    Art. 4 BV: Treu und Glauben.

    - Anspruch auf eine vom materiellen Recht abweichende Behandlung
aufgrund des Vertrauensschutzes, wenn eine gesetzlich gebotene Aufklärung
nicht erfolgt (Erw. 3).

    - Das aus Art. 3 Abs. 3 KUVG fliessende Gebot der Gleichbehandlung der
Kassenmitglieder ist keine unmittelbar und zwingend aus dem Gesetz sich
ergebende Sonderregelung, welche die Berufung auf den Vertrauensschutz
ausschliesst (Erw. 4a-c).

    - Verpflichtungen der Krankenkasse in bezug auf die Prämienbelastung,
wenn sie durch Verletzung ihrer gesetzlichen Aufklärungspflicht dem
Mitglied die Ausübung des Zügerrechts verunmöglicht (Erw. 4d).

Sachverhalt

    A.- Adelheid und Pierre W. waren als Angestellte der
Firma Omega S.A. seit 1979 zusammen mit ihren Kindern dem
Krankenversicherungs-Kollektivvertrag angeschlossen, welchen die
Caisse-maladie des Usines Omega-La Centrale-Aloxyd (nachfolgend:
Krankenkasse Omega) am 23. Februar 1973 mit der Krankenkasse
La Jurassienne abgeschlossen hatte. Der Versicherungsschutz der
Adelheid W. umfasste eine Krankenpflege-Grundversicherung, eine
Spitalbehandlungskosten-Zusatzversicherung im Betrag von Fr. 50'000.--
und ein Krankentaggeld ab dem 91. Tag von Fr. 70.--, wobei ihre
Monatsprämie ab 1. Januar 1982 Fr. 87.70 betrug. Auf Ende 1982 kam
es zur Auflösung und Fusion der Krankenkasse La Jurassienne mit der
Krankenfürsorge Winterthur (KFW). Diese erklärte sich im Sinne einer
Übergangsregelung bereit, den Kollektivversicherungsvertrag mit der
Krankenkasse Omega zu den bisherigen Bedingungen bis Ende März 1983
weiterzuführen. Die eingeleiteten Verhandlungen über den Abschluss eines
neuen Kollektivversicherungsvertrages scheiterten, weil keine Einigung
über die Höhe der Prämien erzielt werden konnte. Daher teilte die KFW
der Krankenkasse Omega am 9. Mai 1983 mit, sie werde deren Mitglieder
mit Wirkung ab 1. April 1983 in die Einzelversicherung umteilen,
um ihnen weiterhin einen Versicherungsschutz gewähren zu können. So
verfuhr die KFW auch mit Pierre W. und dessen Familie. Adelheid W. ist
seither im Rahmen einer solchen Einzelversicherung bei der KFW für
Krankenpflege (Grundleistungen inkl. obligatorischer Spitalzusatz), für
zusätzliche Kosten auf der halbprivaten Spitalabteilung (kombinierte
Spitalzusatzversicherung GK 4) und für ein Taggeld von Fr. 70.-- nach
zwei Monaten versichert; die monatliche Prämie hiefür betrug für sie ab
1. April 1983 Fr. 243.50 und ab anfangs 1984 Fr. 253.90, wobei sich die
Krankenkasse Omega bereit erklärt hatte, die Prämienerhöhungen für die
Monate April bis Juni 1983 noch zu übernehmen.

    Mit Schreiben vom 5. Juli 1983 machte Pierre W. gegenüber der KFW
geltend, mangels Aufklärung über die Fusion der Krankenkasse La Jurassienne
mit der KFW hätten er und seine Familie den dabei entstandenen Anspruch
auf Freizügigkeit nicht ausnützen können. Dies wirke sich nun nachteilig
aus, weil die Prämien der KFW wesentlich über denjenigen anderer Kassen
liegen würden. Er verlange deshalb die Vergütung der entsprechenden
Prämiendifferenz. Dieses Begehren lehnte die KFW mit Brief vom 26. Juli
1983 ab. Pierre W. trat in der Folge mit seinen beiden Kindern aus der KFW
aus, hielt jedoch in bezug auf die aus Gesundheitsgründen bei dieser Kasse
verbliebene Ehefrau an seinem Antrag auf Vergütung der Prämiendifferenz
fest. Da keine Einigung zustande kam, teilte die KFW Pierre W. am 21. Mai
1984 verfügungsweise mit, der Anspruch auf Freizügigkeit sei am 31. März
1983 abgelaufen; auch sei sie nicht bereit, einen Teil der Prämie der
Adelheid W. zu erlassen.

    B.- Das Versicherungsgericht des Kantons Bern wies die hiegegen
erhobene Beschwerde nach Durchführung eines Beweisverfahrens mit Entscheid
vom 20. November 1984 ab.

    C.- Adelheid W. lässt durch ihren Ehemann Verwaltungsgerichtsbeschwerde
führen mit den Anträgen, die KFW sei zu verpflichten, ihr rückwirkend
die monatlichen Prämiendifferenzen von Fr. 147.80 zu Fr. 253.90 (seit
1. Juli 1983 bis Ende 1984) und von Fr. 147.80 zu Fr. 219.80 (ab anfangs
1985) zu erstatten; ferner sei die KFW anzuweisen, ihre Prämie zeitlich
unbeschränkt auf Fr. 147.80 herabzusetzen; schliesslich sei das vorliegende
Urteil allen früheren kollektivversicherten Mitgliedern der Krankenkasse
Omega zu eröffnen.

    Die KFW und das Bundesamt für Sozialversicherung (BSV) beantragen
Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde.

Auszug aus den Erwägungen:

       Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- (Beschränkte Kognition.)

Erwägung 2

    2.- a) Gemäss Art. 5bis Abs. 4 KUVG haben Versicherte bei Dahinfallen
des Kollektivversicherungsvertrages das Recht, in die Einzelversicherung
der Kasse überzutreten, wenn sie in deren Tätigkeitsgebiet wohnen
(Satz 1); die Kassen sind verpflichtet, den Übertretenden im Rahmen der
Einzelversicherung den bisherigen Umfang der Leistungen zu wahren (Satz
2). Zur Gewährleistung der Weiterversicherung bei Dahinfallen eines
Kollektivversicherungsvertrages auferlegt Art. 12 Vo II zum KUVG (SR
832.132 in der bis Ende 1984 gültig gewesenen Fassung) den Krankenkassen
folgende Aufklärungspflicht: Die Kassen haben dafür zu sorgen, dass
die Versicherten bei Ausscheiden aus der Kollektivversicherung oder
bei Dahinfallen des Kollektivversicherungsvertrages über das Recht
zum Übertritt in die Einzelversicherung aufgeklärt werden (Satz 1);
eine entsprechende Aufklärungspflicht obliegt der Kasse gegenüber
Versicherten, die als Züger zu einer andern Kasse übertreten können
(Satz 2). Ein Freizügigkeitsgrund, über den die Kasse im Sinne
dieser Verordnungsbestimmung den Versicherten aufzuklären hat, liegt
insbesondere dann vor, wenn die Krankenkasse sich auflöst (Art. 7 Abs. 1
lit. e KUVG). Tritt ein Freizügigkeitsfall ein, so ist die Kasse nicht
nur verpflichtet, den Versicherten über den Anspruch auf Freizügigkeit
aufzuklären; sie hat ihm auch anhand des amtlichen Kassenverzeichnisses die
Namen der anerkannten Krankenkassen bekanntzugeben, die für den Übertritt
in Betracht fallen können (Art. 12 Abs. 1 Vo III, SR 832.140). Des
weitern hat die Krankenkasse unaufgefordert den für die Geltendmachung der
Freizügigkeit erforderlichen Mitgliedschaftsausweis auszustellen (Art. 6
in Verbindung mit Art. 7 Abs. 1 Vo III). Gelangt ein Versicherter infolge
Verschuldens seiner Kasse länger als drei Monate nicht in den Besitz
des Mitgliedschaftsausweises, so dass der Freizügigkeitsanspruch gemäss
Art. 10 Abs. 1 KUVG erloschen ist, so hat die Kasse die Mitgliedschaft
weiterzuführen, bis ein anderer statutarischer Grund wie Ausschluss,
Austritt usw. zu deren Erlöschen führt (Art. 10 Abs. 1 Vo III).

    b) Das kantonale Gericht hat aufgrund des anlässlich der
Parteiverhandlung vom 6. August 1984 durchgeführten Beweisverfahrens in für
das Eidg. Versicherungsgericht verbindlicher Weise (Art. 105 Abs. 2 OG)
festgestellt, dass die Beschwerdeführerin erst am 30. März 1983 über die
Möglichkeit der Freizügigkeit orientiert wurde; daher habe sie von ihrem
Recht, während drei Monaten nach Auflösung der Krankenkasse La Jurassienne
und deren Fusion mit der KFW (31. Dezember 1982) zu erleichterten
Bedingungen in eine andere Kasse überzutreten, nicht Gebrauch machen
können. Damit steht fest, dass die Beschwerdeführerin wegen der Verletzung
der gesetzlichen Aufklärungspflicht durch die Krankenkasse La Jurassienne
bzw. durch die sie übernehmende KFW den Freizügigkeitsanspruch verlor,
wie er in Art. 9 KUVG umschrieben ist. Die herzkranke Beschwerdeführerin
büsste somit insbesondere das Recht ein, ohne Versicherungsvorbehalt zu
einer andern Krankenkasse ziehen zu können (Art. 9 Abs. 1 in Verbindung
mit Art. 5 Abs. 3 KUVG). Bezüglich der Mitgliederbeiträge kann sie sich
sodann zufolge Verlusts des Zügerrechtes nicht mehr auf Art. 9 Abs. 3
KUVG berufen. Fehlt dem Begehren auf Übernahme der Prämiendifferenzen
somit die gesetzliche Grundlage, ist zu prüfen, ob der Anspruch sich auf
Treu und Glauben stützen lässt.

Erwägung 3

    3.- a) Der Grundsatz von Treu und Glauben schützt den Bürger in
seinem berechtigten Vertrauen auf behördliches Verhalten und bedeutet
u.a., dass falsche Auskünfte von Verwaltungsbehörden unter bestimmten
Voraussetzungen eine vom materiellen Recht abweichende Behandlung des
Rechtsuchenden gebieten. Gemäss Rechtsprechung und Doktrin ist eine
falsche Auskunft bindend,

    1. wenn die Behörde in einer konkreten Situation mit Bezug auf
bestimmte Personen gehandelt hat;

    2. wenn sie für die Erteilung der betreffenden Auskunft zuständig war
oder wenn der Bürger die Behörde aus zureichenden Gründen als zuständig
betrachten durfte;

    3. wenn der Bürger die Unrichtigkeit der Auskunft nicht ohne weiteres
erkennen konnte;

    4. wenn er im Vertrauen auf die Richtigkeit der Auskunft Dispositionen
getroffen hat, die nicht ohne Nachteil rückgängig gemacht werden können;

    5. wenn die gesetzliche Ordnung seit der Auskunfterteilung keine
Änderung erfahren hat (BGE 110 V 155 Erw. 4b mit Hinweis).

    b) In sinngemässer Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden
Tatbestand einer - entgegen gesetzlicher Verpflichtung (Erw. 2a) - nicht
erteilten Auskunft ergibt sich, dass die fünf Voraussetzungen erfüllt
sind: Die KFW, welche sich das Verhalten der aufgelösten und mit ihr
fusionierten Krankenkasse La Jurassienne anrechnen lassen muss, hat
die Beschwerdeführerin entgegen der klaren gesetzlichen Verpflichtung
nicht rechtzeitig über den Freizügigkeitsgrund und die daraus sich
ergebenden Ansprüche orientiert (Ziff. 1 und 2). Sodann konnte die
Beschwerdeführerin im massgeblichen Zeitraum den Freizügigkeitsgrund
und die damit verbundenen Rechte nicht erkennen, weil sie aufgrund des
Zirkularschreibens vom 5. Januar 1983 - für welches noch die Krankenkasse
La Jurassienne verantwortlich zeichnete - auf eine Fortsetzung
des Kollektivversicherungsvertrages mit der KFW vertrauen durfte
(Ziff. 3). Ferner steht nach der Aktenlage fest und wird von der KFW nicht
bestritten, dass die Beschwerdeführerin bei rechtzeitiger Ausübung des
Zügerrechts in die Christlichsoziale Kranken- und Unfallkasse der Schweiz
(CKUS) hätte eintreten können, wo ihr während längerer Zeit eine erheblich
tiefere Prämienbelastung entstanden wäre (ab 1. Juli 1983 Fr. 155.60;
ab 1. Januar 1984 Fr. 178.40; ab 1. Juli 1984 Fr. 200.40). Unter diesen
Umständen hätte die Beschwerdeführerin wahrscheinlich bei rechtzeitiger
Aufklärung von ihrem Freizügigkeitsrecht Gebrauch gemacht, weil ihr
andernfalls wegen ihres Herzleidens bei der Bewerbung um Aufnahme in eine
andere Krankenkasse ein Versicherungsvorbehalt drohte (Art. 5 Abs. 3 KUVG)
und weil sie die erheblich höheren Prämien in der Einzelversicherung bei
der KFW nicht akzeptiert hätte, wenn ihr das Zügerrecht offengestanden wäre
(Ziff. 4). Die letzte Voraussetzung (Ziff. 5) ist ebenfalls erfüllt.

Erwägung 4

    4.- a) Die Vorinstanz hat erwogen, selbst wenn die KFW wider Treu und
Glauben gehandelt haben sollte, könne die Beschwerdeführerin aus diesem
Verhalten keinen Anspruch auf eine Prämienreduktion ableiten. Denn das
Vertrauensprinzip als allgemeiner Rechtsgrundsatz trete gegenüber einer
Sonderregelung, die sich unmittelbar und zwingend aus dem Gesetz selber
ergebe, zurück. Dies treffe in bezug auf das Gebot der rechtsgleichen
Behandlung aller Versicherten zu, weil dieser Grundsatz unmittelbar aus
Art. 3 Abs. 3 KUVG hervorgehe.

    b) Im Schreiben vom 26. Juli 1983 erläuterte die KFW gegenüber dem
Ehemann der Beschwerdeführerin die Höhe der für die Einzelversicherten
geltenden Prämien. Die Kasse führte dort unter Bezugnahme auf den
Fusionsvertrag aus, die bei ihr nun einzelversicherten Mitglieder
der ehemaligen Krankenkasse La Jurassienne müssten "als geschlossene
Prämieneinheit" behandelt werden; die "Prämienpolitik" sei in der Weise zu
betreiben, "dass voraussichtlich keine oder nur geringe Reservemittel von
den bisherigen KFW-Versicherten aufgebracht werden müssen"; vor diesem
Hintergrund sei es nicht zu verantworten, Versicherte aus Kassen, die
mangels Aktiven zur Fusion gezwungen worden seien, "uneingeschränkt vom
Vermögen des alten versicherten Bestandes profitieren zu lassen"; korrekt
sei, "eine Sanierung soweit als möglich in jenem Bestand vorzunehmen,
der auch jahrelang durch sachlich unbegründet tiefe Prämien profitiert"
habe. Die Beschwerdeführerin bezahlte dementsprechend in der Folge
höhere Prämien als die andern bei der KFW zu den gleichen Leistungen
Versicherten. Erst im Dezember 1984 informierte die KFW die ehemals bei
der Krankenkasse La Jurassienne versicherten und nun der gleichnamigen
KFW-Agentur angeschlossenen Mitglieder, sie werde nach zwei Übergangsjahren
("après deux années de transition") den normalen Tarif der KFW ("le tarif
normal de la KFW") anwenden, was im Falle der Beschwerdeführerin eine
Ermässigung der Monatsprämie von Fr. 253.90 auf Fr. 219.80 zur Folge
hatte. Von einer Gleichbehandlung der Beschwerdeführerin mit den andern
Kassenmitgliedern, wie das kantonale Gericht meint, kann bei dieser
Sachlage von vornherein nicht die Rede sein.

    c) Im weitern trifft es zwar zu, dass das Eidg. Versicherungsgericht
den Voraussetzungen, unter denen die Berufung auf den Vertrauensschutz
begründet ist (BGE 110 V 155 Erw. 4b), beigefügt hat, dass keine
unmittelbar und zwingend aus dem Gesetz sich ergebende Sonderregelung
vorliegen darf, vor welcher das Vertrauensprinzip als allgemeiner
Rechtsgrundsatz zurücktreten muss (BGE 106 V 143 Erw. 3 in fine
mit Hinweisen; ZAK 1983 S. 389 Erw. 1 in fine). Doch kann der
Gleichheitsgrundsatz keinesfalls als unmittelbar und zwingend aus dem
Gesetz sich ergebende Sonderregelung im Sinne dieser Rechtsprechung
betrachtet werden, dies auch dann nicht, wenn das Gleichbehandlungsgebot
in einer gesetzlichen Bestimmung konkretisiert ist bzw. - wie im Falle
des Art. 3 Abs. 3 KUVG - sich aus dieser ableiten lässt (BGE 109 V 148,
108 V 258 Erw. 3a mit Hinweisen). Die gegenteilige Betrachtungsweise
der Vorinstanz hätte zur Folge, dass der Grundsatz von Treu und Glauben
in der Krankenversicherung nicht angerufen werden könnte, was jedoch
nach ständiger Rechtsprechung nicht zutrifft (BGE 110 V 322 Erw. 5, 108
V 250 Erw. 4; RKUV 1984 Nr. K 564 S. 22 und Nr. K 593 S. 227 Erw. 3;
RSKV 1983 Nr. 538 S. 138 und Nr. 554 S. 246 Erw. 2a, 1982 Nr. 514 S.
271 Erw. 3a). Auch in der Lehre ist die Geltung von Treu und Glauben
im Anwendungsbereich des Art. 3 Abs. 3 KUVG anerkannt (DUCOMMUN,
Légalité et bonne foi dans la jurisprudence du Tribunal fédéral des
assurances, in: Mélanges Henri Zwahlen, Lausanne 1977, S. 252/3;
VIRET, Le principe de la mutualité dans l'assurance-maladie sociale,
in: Mélanges André Grisel, Neuchâtel 1983, S. 619). Der Grundsatz
der rechtsgleichen Gesetzesanwendung verkörpert vielmehr ein Prinzip,
das mit dem gleichrangigen Grundsatz von Treu und Glauben in ein
Spannungsverhältnis treten kann (DUCOMMUN, aaO, S. 251; IMBODEN/RHINOW,
Schweizerische Verwaltungsrechtsprechung, 5. Aufl., Bd. I, S. 461 f.;
WEBER-DÜRLER, Vertrauensschutz im öffentlichen Recht, S. 51 f., S. 55
und S. 116 f.). Dieser Konflikt zwischen den beiden Verfassungsprinzipien
ist im konkreten Fall durch eine wertende Abwägung der im Spiele stehenden
Interessen zu lösen (IMBODEN/RHINOW, aaO, S. 461 unten; WEBER-DÜRLER, aaO,
S. 117). Im Rahmen dieser Interessenabwägung kommt der einheitlichen,
für alle Versicherten rechtsgleichen Gesetzesanwendung nach der erwähnten
Rechtsprechung des Eidg. Versicherungsgerichts der Vorrang zu, sofern eine
unmittelbar und zwingend aus dem Gesetz sich ergebende Sonderregelung
dies erheischt. Daher kann der Widerstreit zwischen Legalitätsprinzip
und Vertrauensschutz nicht durch die blosse Berufung auf das Gebot der
rechtsgleichen Gesetzesanwendung behoben werden.

    d) Nach dem Gesagten bleibt zu prüfen, ob eine besondere
formellgesetzliche Bestimmung des Krankenversicherungsrechts vorliegend
die Berufung auf Treu und Glauben ausschliesst.

    Gemäss Art. 9 Abs. 3 KUVG haben Züger höchstens diejenigen
Mitgliederbeiträge zu bezahlen, welche die Kasse von Neueintretenden des
gleichen Alters erhebt (Satz 1); für Züger, welche das Höchsteintrittsalter
der übernehmenden Kasse überschritten haben, ist bei der Festsetzung
der Mitgliederbeiträge das dem Höchsteintrittsalter folgende Altersjahr
massgebend (Satz 2). Unter Hinweis auf diese Bestimmung wendet das
BSV ein, kein Mitglied einer Kasse habe einen Rechtsanspruch auf
unveränderte Mitgliederbeiträge bzw. auf gleich hohe Mitgliederbeiträge
bei einem Kassenwechsel. Diese Auffassung trifft zwar an sich zu und
bedeutet im vorliegenden Fall, dass die Beschwerdeführerin, wenn sie
von ihrem Zügerrecht fristgemäss Gebrauch gemacht hätte, von der andern
Krankenkasse nicht hätte beanspruchen können, weiterhin nur Beiträge
in der Höhe der bei der aufgelösten Krankenkasse La Jurassienne
bezahlten (Fr. 87.70 monatlich) zu entrichten. Das BSV übersieht
jedoch, dass die Beschwerdeführerin bei Ausübung des Zügerrechts von
der neuen Krankenkasse hätte verlangen können, höchstens diejenigen
Mitgliederbeiträge zu bezahlen, welche diese Kasse von Neueintretenden
des gleichen Alters erhebt. Diesen gesetzlichen Anspruch als Zügerin hat
die Beschwerdeführerin, wie erwähnt, zufolge der nicht rechtzeitigen
Aufklärung durch die KFW eingebüsst. Der Verlust des Zügerrechts in
bezug auf die Mitgliederbeiträge wird, entgegen der Auffassung des BSV,
nicht dadurch ausgeglichen, dass die KFW der anderen Pflicht nachkam, die
Weiterversicherung der Beschwerdeführerin durch Gewährung der bisherigen
Leistungen gemäss dem dahingefallenen Kollektivversicherungsvertrag im
Rahmen einer Einzelmitgliedschaft sicherzustellen. Eine Krankenkasse,
welche bei Eintritt eines Freizügigkeitsgrundes ihrer gesetzlichen
Aufklärungspflicht mit der Wirkung nicht nachkommt, dass der Versicherte
seine Freizügigkeitsrechte verliert, hat nicht nur hinsichtlich der
Leistungen im bisherigen Umfang einzustehen, sondern auch in bezug auf die
Prämienbelastung jenen gesetzlichen Anforderungen zu genügen, welche eine
andere Krankenkasse kraft des Gesetzes (Art. 9 Abs. 3 KUVG) bei Ausübung
des Zügerrechts hätte beachten müssen. Bei dieser Rechtslage kann von einer
gesetzlichen Sonderregelung, welche die Berufung auf den Vertrauensschutz
im Sinne der Rechtsprechung ausschliesst, nicht gesprochen werden.

Erwägung 5

    5.- Wie bereits dargelegt, hätte die Beschwerdeführerin bei
rechtzeitiger Ausübung des Zügerrechts in die CKUS eintreten können, wo
sie ab 1. Juli 1983 Fr. 155.60, ab anfangs Januar 1984 Fr. 178.40 und ab
1. Juli 1984 Fr. 200.40 an Prämien für entsprechende Leistungen bezahlt
hätte. Die Differenzen zu den in der KFW bezahlten Beiträgen hat diese
nach dem Gesagten zu übernehmen. Was die Dauer dieser Vergütung anbelangt,
trifft der Einwand der KFW zu, dass ihr eine solche Verpflichtung höchstens
so lange auferlegt werden darf, als der Beschwerdeführerin beim Eintritt
in die CKUS mangels Freizügigkeit während der Vorbehaltsdauer von fünf
Jahren (Art. 5 Abs. 3 Satz 3 KUVG) ein Nachteil erwachsen wäre. Da
jedoch die Prämie, welche die Beschwerdeführerin im Freizügigkeitsfalle
bei der CKUS zu entrichten gehabt hätte, sich ab anfangs 1985 praktisch
dem Mitgliederbeitrag in der Einzelversicherung der KFW angeglichen hat
(Fr. 217.60 gegenüber Fr. 219.80) und weil ihr danach bis zum Ablauf der
fünfjährigen Vorbehaltsdauer wahrscheinlich keine erhebliche Mehrbelastung
entstehen wird, rechtfertigt es sich, die Pflicht der KFW zum Ausgleich
der Prämiendifferenzen auf Ende 1984 zu begrenzen, was einen Betrag
von Fr. 1'301.40 ergibt (Fr. 527.40 für 2. Semester 1983, Fr. 453.--
für 1. Semester 1984, Fr. 321.-- für 2. Semester 1984).

Erwägung 6

    6.- Da es im vorliegenden Prozess nicht um Versicherungsleistungen
geht, ist das Verfahren nicht kostenfrei (Art. 134 OG e contrario).

    Die Beschwerdeführerin ist mit ihrem Antrag insoweit durchgedrungen,
als sie die grundsätzliche Verpflichtung der KFW zur Prämienvergütung
erreicht hat (Erw. 4). In masslicher Hinsicht hat die Versicherte
dagegen nur teilweise obsiegt (Erw. 5). Daher rechtfertigt es sich,
die Gerichtskosten zu drei Vierteln der KFW und zu einem Viertel der
Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 156 Abs. 3 in Verbindung mit
Art. 135 OG).

Erwägung 7

    7.- Die Urteile des Eidg. Versicherungsgerichts sind der Vorinstanz,
den Parteien und allfälligen anderen Beteiligten (Art. 110 Abs. 1 OG) zu
eröffnen (Art. 135 in Verbindung mit Art. 37 OG). Daher kann dem Antrag
auf Eröffnung des vorliegenden Urteils an "alle früheren Mitglieder
des Omega-Kollektiv" nicht entsprochen werden, weil diese Personen im
vorliegenden Verfahren weder Partei noch sonstwie beteiligt sind.

Entscheid:

       Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

    I. In teilweiser Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde
      werden der Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons Bern
      vom 20.  November 1984 und die Kassenverfügung vom 21. Mai 1984
      aufgehoben, und es wird die Krankenfürsorge Winterthur verpflichtet,
      der Beschwerdeführerin den Betrag von Fr. 1'301.40 zu bezahlen.
II. Die Gerichtskosten werden der Beschwerdeführerin zu einem
       Viertel und der KFW zu drei Vierteln auferlegt.