Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 112 IV 82



112 IV 82

25. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 12. Dezember
1986 i.S. Frau J. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau
(Nichtigkeitsbeschwerde) Regeste

    Art. 282 Ziff. 1 Abs. 2 StGB. Wahlfälschung.

    Wer in die Liste eines Initiativbegehrens (zusätzlich zur eigenen
Unterschrift) die Namen anderer einträgt, macht sich der unbefugten
Teilnahme an jenem Begehren schuldig.

Sachverhalt

    A.- Als im Frühling/Sommer 1984 im Ladenlokal der Firma Denner in
Wettingen ein Unterschriftenbogen der eidgenössischen Volksinitiative
"für ein naturnahes Bauern - gegen Tierfabriken (Kleinbauern-Initiative)"
auflag, trug Frau J. darauf ihren eigenen Namen und überdies die
Namen ihres Ehemannes und ihres Sohnes ein. Die drei sich unmittelbar
folgenden, das gleiche Schriftbild aufweisenden Unterschriften fielen der
Gemeindebehörde von Wettingen anlässlich der von ihr am 8. Oktober 1984
durchgeführten Kontrolle auf, worauf gegen Frau J. ein Strafverfahren
wegen Wahlfälschung eingeleitet wurde.

    B.- Am 14. Oktober 1986 verurteilte das Obergericht des Kantons
Aargau Frau J. in Präzisierung eines Urteils des Bezirksgerichtes Baden
wegen Wahlfälschung gemäss Art. 282 Ziff. 1 Abs. 3 StGB zu einer bedingt
vorzeitig löschbaren Busse von Fr. 50.--.

    C.- Frau J. führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das
Urteil des Obergerichts sei aufzuheben und es sei die Sache zu ihrer
Freisprechung, eventuell zur Anwendung von Art. 20 StGB und zum Absehen
von Strafe, subeventuell zur Ergänzung des Sachverhalts an die Vorinstanz
zurückzuweisen.

    Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab, soweit es darauf eintritt.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- Die Beschwerdeführerin macht geltend, der Tatbestand des Art. 282
StGB sei objektiv erst erfüllt, wenn der Täter eine Vorkehr getroffen
habe, die an sich geeignet sei, das Ergebnis der Unterschriftensammlung
zu fälschen. Das tue nicht, wer mit gleicher Schrift den eigenen
Namen und die Namen von Angehörigen, die im gleichen Haushalt wohnten,
ohne Schriftverstellung auf den Sammelbogen setze. Der überprüfenden
Amtsstelle sei es bei dieser Vorgehensweise ohne weiteres möglich,
die Namen nach den Vorschriften der eidgenössischen Gesetzgebung zu
streichen; im Grunde verhalte es sich nicht anders, als wenn jemand den
Abstimmungszettel z.B. mit Schreibmaschine ausfülle. Derartige politische
Vorkehren führten einfach zur Ungültigkeit, ohne dass damit zugleich
ein Straftatbestand erfüllt wäre. Selbst wenn man aber davon ausgehen
wollte, das Moment der Arglist oder eines vergleichbaren Verhaltens sei
zur Erfüllung des Tatbestandes nicht nötig, so müsste doch stets das
Element der Fälschung gegeben sein. Das wäre jedoch richtig betrachtet
nur der Fall, wenn vorliegend Ehemann und Sohn der Beschwerdeführerin
das politische Anliegen, für welches Unterschriften gesammelt worden
seien, nicht geteilt hätten. Das treffe hier nicht zu. Das Moment der
Fälschung müsse sich auf den Inhalt, nicht auf die Form seines Ausdrucks
beziehen. Nicht einmal in diesem letzteren Sinn liege aber eine Fälschung
vor, da die Beschwerdeführerin nicht den Eindruck erweckt habe, Ehemann
und Sohn hätten selber ihre Namen auf den Sammelbogen gesetzt.

    a) Das Stimmrecht des Art. 74 BV umfasst nach der Vorschrift des
Art. 1 des Bundesgesetzes über die politischen Rechte vom 17. Dezember
1976 (PRG/SR 161.1) auch das Recht, eidgenössische Volksinitiativen zu
unterzeichnen. Von diesem Recht kann der Stimmberechtigte nach Art. 70
in Verbindung mit Art. 61 PRG nur in der Weise Gebrauch machen, dass er
seinen Namen handschriftlich und leserlich auf die Unterschriftenliste
schreibt. Dabei macht es keinen Unterschied aus, ob die "Unterschrift"
in Blockschrift oder in einem charakteristischen Schriftzug gehalten
ist; es genügt die leserliche Niederschrift des Namens (Botschaft des
Bundesrates, BBl 1975 I 1344). Indes ist die persönliche Unterzeichnung
Gültigkeitserfordernis (Botschaft, loc. cit.), und eine Vertretung in der
Erklärung des politischen Willens gibt es dabei nicht. Wer den Namen eines
andern in die Liste einträgt, handelt dem zuwider, unbekümmert darum, ob
der Dritte, für den unterzeichnet wird, mit dem Volksbegehren einverstanden
ist oder nicht; das Zustandekommen einer Volksinitiative hängt nämlich
einzig von der vorgeschriebenen Zahl der gültigen Unterschriften ab
(Art. 72 PRG). Wer den Namen eines andern in die Liste schreibt, trägt eine
ungültige Unterschrift ein und legt damit eine Verhaltensweise an den Tag,
die geeignet ist, das korrekte Zustandekommen des mit dem Initiativbegehren
geäusserten Volkswillens zu beeinträchtigen.

    b) Art. 282 StGB, der solchen Machenschaften entgegenwirken will
(Botschaft S. 1345 oben), stellt namentlich unter Strafe, wer unbefugt an
einem Initiativbegehren teilnimmt (Ziff. 1 Abs. 2) oder wer das Ergebnis
einer Unterschriftensammlung zur Ausübung der Initiative insbesondere
durch Hinzufügen, Ändern, Weglassen oder Streichen von Unterschriften,
durch unrichtiges Auszählen oder unwahre Beurkundung des Ergebnisses
fälscht (Ziff. 1 Abs. 3).

    Unter den erstgenannten Tatbestand fällt unzweifelhaft, wer das für
die gültige Unterzeichnung einer Initiative erforderliche Stimmrecht
nicht oder nicht mehr besitzt und dennoch unterschreibt, oder wer ein
Initiativbegehren mehrfach unterzeichnet (ZR 76/1977 Nr. 19). Auch trifft
nach herrschender Lehre die Strafdrohung des Art. 282 Ziff. 1 Abs. 2
StGB denjenigen, der bei einer Initiative den Unterschriftenbogen mit
einem anderen als dem eigenen Namen unterzeichnet bzw. in Vertretung
eines andern dessen Namen in die Liste einträgt (HAFTER, Besonderer
Teil, S. 707 Ziff. 2; LOGOZ, Kommentar N. 3 zu Art. 282; STRATENWERTH,
Besonderer Teil II, 3. Aufl., S. 271 N. 28 f.; THORMANN/VON OVERBECK,
Kommentar, N. 3 zu Art. 282). Entsprechend hatte schon das Bundesgesetz
über das Verfahren bei Volksbegehren und Abstimmungen betreffend Revision
der Bundesverfassung vom 27. Januar 1892 in Art. 3 Abs. 2 unter Strafe
gestellt, wer unter eine Eingabe eine andere Unterschrift als die
seinige setzte (BS 1 S. 169). Dabei ist es belanglos, ob durch eine
solche Machenschaft das Ergebnis des Volksentscheides (d.h. Annahme oder
Ablehnung der Initiative) beeinflusst wird (LOGOZ, loc. cit.). Verpönt ist
nach Art. 282 Ziff. 1 Abs. 2 StGB schon die unbefugte Teilnahme an einem
Initiativbegehren, weil dadurch die Zahl der Unterschriften verändert und
die richtige Feststellung des Volkswillens gefährdet wird (s. SCHWANDER,
Das schweizerische StGB, 2. Aufl., Nr. 741; THORMANN/VON OVERBECK,
loc. cit.). Deshalb kommt auch dem Umstand keine Bedeutung zu, dass
Unterschriften der genannten Art an sich ungültig sind und bei Entdeckung
durch die zuständigen Kontrollorgane insoweit die Stimmrechtsbescheinigung
verweigert wird (Art. 70 in Verbindung mit Art. 63 Abs. 1 PRG).

    Anders verhält es sich beim Tatbestand des Art. 282 Ziff. 1 Abs. 3
StGB. Eigentliche Tathandlung ist hier das Fälschen des Ergebnisses
der Unterschriftensammlung, indem das Resultat vermittels Handlungen
manipuliert wird, für welche das Gesetz Beispiele anführt (STRATENWERTH,
op. cit. N. 31).