Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 112 IV 79



112 IV 79

24. Urteil des Kassationshofes vom 27. August 1986 i.S. Staatsanwaltschaft
des Kantons Zürich gegen G. (Nichtigkeitsbeschwerde) Regeste

    Art. 148 StGB; missbräuchliche Verwendung einer Kreditkarte,
Irrtum. Wer - ohne über ausreichende Deckung zu verfügen - seine
Kreditkarte behält und weiterhin davon Gebrauch macht, versetzt die
Kartenannehmer (Hotels etc.) nicht in einen Irrtum i.S. von Art. 148 StGB,
da seine Solvenz und die Deckung nicht Gegenstand der Prüfung durch die
genannten Vertragsunternehmen darstellen.

Sachverhalt

    A.- Für seine Geschäfte in der Schweiz unterhielt G. Konten bei der
Gewerbebank Zürich, welche er am 30. Juli 1980 mit einem Antragsformular
der EUROCARD (Switzerland) SA beauftragte, für die Ausstellung einer
EUROCARD (samt Zusatzkarte) für sich und seine Ehefrau besorgt zu sein.
Im Zeitpunkt des Antrags bzw. der Ausstellung der Karten betrug der Stand
seiner Bankkonten ca. US § 53'000.-- und Fr. 30'000.--, der sich durch
Rückzüge bis Ende September 1980 auf insgesamt Fr. 2'000.-- und bis Ende
Dezember 1980 auf Fr. 1'300.-- reduzierte.

    Dennoch bezogen die Karteninhaber zwischen Oktober 1980 und Mai
1981 bei einer grossen Anzahl von Vertragsunternehmungen der EUROCARD in
Spanien, England, den Vereinigten Staaten und der Dominikanischen Republik
Waren und Dienstleistungen im Umfang von Fr. 76'527.54.

    Aufgrund dieses Vorgehens entstand der EUROCARD (Switzerland) SA, die
für von G. und dessen Ehefrau vermittels der Kreditkarten eingegangenen
Verbindlichkeiten einzustehen hatte, ein Schaden von Total Fr. 76'527.54.

    Die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich erhob gegen G. Anklage wegen
gewerbsmässigen Betruges im Sinne von Art. 148 Abs. 1 in Verbindung mit
Abs. 2 StGB im Deliktsbetrag von Fr. 76'527.54.

    Mit Urteil vom 23. Oktober 1985 wurde der Angeschuldigte vom
Obergericht des Kantons Zürich des eingeklagten Deliktes nicht schuldig
befunden und freigesprochen.

    Gegen diesen Entscheid führt die Staatsanwaltschaft des Kantons
Zürich eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das
angefochtene Urteil sei aufzuheben und die Sache sei zur Verurteilung
des Angeklagten wegen gewerbsmässigen Betruges im Sinne von Art. 148
Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 2 StGB im Betrage von Fr. 76'527.54 an die
Vorinstanz zurückzuweisen.

Auszug aus den Erwägungen:

             Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Das Obergericht vertrat zunächst die Auffassung, der
Beschwerdegegner habe die Ausstellung der EUROCARD nicht betrügerisch
erwirkt. Insoweit wird das kantonale Urteil nicht angefochten. Die
Staatsanwaltschaft richtet sich nur gegen die Annahme der Vorinstanz, der
Beschwerdegegner habe den Betrugstatbestand überdies nicht erfüllt, als
er die Karte später verwendete, ohne über ausreichende Deckung zu verfügen.

Erwägung 2

    2.- Das Obergericht kam hinsichtlich der Verwendung der Karte
zum Schluss, der Beschwerdegegner habe die Vertragsunternehmen nicht
irregeführt, da Solvenz und Deckung nicht Gegenstand der Prüfung durch
diese Gesellschaften dargestellt hätten.

    a) Als gegen Sinn und Zweck von Art. 148 StGB verstossend
rügt die Staatsanwaltschaft die von der Vorinstanz vertretene
Rechtsauffassung, wonach die Verwendung der Kreditkarte zum Nachteil
der Kartenorganisation deshalb nicht als Betrug zu qualifizieren sei,
"weil die Kreditkartenorganisation bedingungslos für Verluste des
Vertragsunternehmens einzustehen habe" und die vom Vertragsunternehmen
vorgenommene Überprüfung von Karte und Inhaber "bloss formaler Art"
sei. Nach Ansicht der Beschwerdeführerin übersieht das Obergericht damit,
dass der gesamte Kreditkartenverkehr und mithin "das Dreiecksverhältnis
Kreditkartenorganisation/Karteninhaber/Vertragsunternehmer" auf dem
Grundsatz von Treu und Glauben beruhen. Auch das Vertragsunternehmen
gehe trotz Zahlungsgarantie seitens der Kartenausstellerin davon aus, die
Kreditkarte werde nur bei Zahlungsfähigkeit und Zahlungswille verwendet,
was zur Folge habe, "dass sich die durch Verschweigen fehlender Deckung
und mangelnder Deckungsbereitschaft begangene Täuschung, mit deren
Überprüfung der Täter zum vorneherein nicht zu rechnen hat, als für die
Vermögensdisposition kausal und damit arglistig erweist".

    b) Das Obergericht begründet seine Rechtsauffassung nicht damit,
die Kreditkartenorganisation habe bedingungslos für "Verluste des
Vertragsunternehmens" einzustehen, sondern zutreffend damit, die
Kreditkartenorganisation habe für die "vom Karteninhaber begründete
Schuld beim Vertragsunternehmer" einzustehen, d.h. diese Schuld mit für
den Karteninhaber befreiender Wirkung zu übernehmen (Art. 175 Abs. 1
OR; H. GIGER, Kreditkartensysteme, Zürich 1985, S. 194). Das Risiko der
Insolvenz des Kreditkarteninhabers trägt die Kartenorganisation, die dafür
gemäss der mit dem Vertragsunternehmen getroffenen Vereinbarung entschädigt
wird (GIGER, aaO, S. 199). Gemäss dem Kreditkartenannahmevertrag, der
die Rechtsbeziehungen zwischen Kartenherausgeber und Kartenannehmer
(Vertragsunternehmen) regelt, erfolgt die Entschädigung aufgrund
eines prozentualen Abzuges (Kommission) vom Endbetrag der Abrechnung
über die von der Kartenorganisation geleisteten Zahlungen an das
Vertragsunternehmen. Dieses verpflichtet sich, die Kreditkarte an
Zahlungsstatt entgegenzunehmen, sofern eine "rein formale" Prüfung
ergibt, dass die Karte innerhalb der aufgedruckten Gültigkeitsdauer
vorgewiesen wird, dass sie unterschrieben ist und dass sie nicht auf der
von EUROCARD herausgegebenen Sperrliste figuriert, welche jedoch wegen
des administrativen Aufwandes nicht an alle Vertragspartner versandt wird
(vgl. EUROCARD-Vertrag, in GIGER, aaO S. 417-419).

    c) Sind nach dem Gesagten Solvenz und Deckung nicht Gegenstand einer
vom Vertragsunternehmen bei der Kreditkartenannahme vorzunehmenden
Überprüfung, entfällt notwendigerweise eine Irreführung des
Vertragsunternehmens durch Vorspiegelung oder Unterdrückung von
Tatsachen, die für die Vermögensverfügung kausal und motivierend sein
könnte. Das Vertragsunternehmen leistet gegen Vorweisung der bloss formal
zu prüfenden Karte, weil es sich vertraglich dazu verpflichtet hat und
ihm die Tilgung der übernommenen Schuld zugesichert ist, nicht aber weil
es durch arglistige Täuschung zur Leistung an den Karteninhaber bewogen
worden wäre. Es fehlen demnach die Tatbestandsmerkmale der Täuschung sowie
des Kausal- und Motivationszusammenhanges, weshalb der Betrugstatbestand
im Sinne von Art. 148 StGB nicht erfüllt ist (BGE 110 IV 20 ff. mit
Hinweisen; SCHUBARTH, SJZ 1979 S. 187; SCHMID, ZSR, NF 104 II S. 214 und
249; STRATENWERTH, BT I, 3. Aufl., 1983 S. 244).

    d) Die Beschwerdeführerin vertritt nebenbei die Ansicht, wegen des
erheblichen Unrechtsgehaltes der zu beurteilenden Verhaltensweise dränge
sich eine weite Gesetzesinterpretation auf. Dies darf jedoch nicht dazu
führen, dass die Auslegung des strafrechtlich erfassten Tatbestandes
dem Grundsatz "Keine Strafe ohne Gesetz" widerspricht; es ist Sache des
Gesetzgebers, den "Check- und Kreditkartenmissbrauch" allenfalls allgemein
unter Strafe zu stellen (s. dazu SCHMID, aaO S. 250).

Entscheid:

              Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft wird abgewiesen.