Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 112 IV 142



112 IV 142

42. Urteil der Anklagekammer vom 21. April 1986 i.S. Staatsanwaltschaft
des Kantons St. Gallen gegen Verhöramt des Kantons Appenzell A.Rh. Regeste

    Art. 351 StGB, Art. 264 BStP. Formelle Anforderungen an ein Gesuch
um Bestimmung des Gerichtsstandes.

Sachverhalt

         A.- Mit Eingabe vom 3. April 1986 ersucht die
Staatsanwaltschaft des

    Kantons St. Gallen die Anklagekammer des Bundesgerichts, die Behörden
des Kantons Appenzell A.Rh. als berechtigt und verpflichtet zu erklären,
alle A., G. und L. zur Last gelegten strafbaren Handlungen zu verfolgen
und zu beurteilen. Die Gesuchstellerin beruft sich dabei auf das forum
praeventionis und macht überdies geltend, es sei zweckmässig, alle
drei Täter zusammen im Kanton Appenzell A.Rh. zu verfolgen, nachdem die
Untersuchung in diesem Kanton angehoben worden sei.

    Das Verhöramt des Kantons Appenzell A.Rh. beantragt demgegenüber,
den Gerichtsstand im Kanton St. Gallen festzulegen, weil einerseits das
schwerste in Betracht fallende Delikt bandenmässiger Diebstahl und die
erste wegen eines solchen qualifizierten Diebstahls erstattete Anzeige
im Kanton St. Gallen eingereicht worden sei, und weil anderseits keine
Gründe vorlägen, vom gesetzlichen Gerichtsstand abzugehen.

Auszug aus den Erwägungen:

             Die Anklagekammer zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Nach ständiger Rechtsprechung der Anklagekammer des Bundesgerichts
müssen dem Gesuch alle für die Bestimmung des Gerichtsstandes wesentlichen
Tatsachen entnommen werden können, ohne dass das Bundesgericht vorerst
die Akten durchsehen muss. Die ersuchende Behörde hat demnach alle
dem oder den Verfolgten vorgeworfenen Tatbestände in kurzer, aber
vollständiger Übersicht aufzuführen, summarisch rechtlich zu würdigen und
die vorgenommenen Verfolgungshandlungen zu nennen (BGE 79 IV 46, SCHWERI,
Praxis zur interkantonalen Gerichtsstandsbestimmung, ZStR 92/1976 S. 171).

    Aus dem Gesuch der Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen ergibt
sich nur, dass am 26. Januar 1985 im Kanton Appenzell A.Rh. gegen
Unbekannt Anzeige wegen Diebstahls erstattet wurde und dass sich später
herausstellte, dass A. Täter sein könnte, dass ferner am 25. November
1985, 08.00 Uhr, in St. Gallen und gleichentags, um 08.20 Uhr, bei der
Kantonspolizei von Appenzell A.Rh. Strafanzeigen wegen Diebstählen
eingingen, die - wie sich später herausstellte - von A., G. und L. als
Mittäter verübt worden sein sollen. Diese Angaben genügen zur Bestimmung
des Gerichtsstandes nicht, zumal die Vernehmlassung des Verhörrichters
von Appenzell A.Rh. erkennen lässt, dass den Beschuldigten noch
zahlreiche andere Diebstähle zur Last gelegt werden. Es ist deshalb
nicht möglich, aufgrund des Gesuches festzustellen, welche strafbaren
Handlungen beispielsweise A. allein und welche er zusammen mit G. und
L. begangen haben soll, in welchem zeitlichen Verhältnis die ersten zu
den zweiten stehen und ob diese letzteren qualifizierte Delikte waren
oder nicht. Das alles aber ist nach der gesetzlichen Ordnung des Art. 350
Ziff. 1 StGB, derzufolge der Gerichtsstand in Fällen wie dem vorliegenden
primär nach dem mit der schwersten Strafe bedrohten Delikt (Abs. 1) und
erst subsidiär nach dem Ort der ersten Untersuchungshandlung (Abs. 2)
zu bestimmen ist, von entscheidender Bedeutung. Wo beispielsweise eine
Mehrzahl von Diebstählen in Frage steht, ist daher zunächst zu prüfen, ob
nicht ein Teil derselben qualifizierte sind, und - falls dies zutrifft -
von dieser Deliktsgruppe auszugehen und danach zu ermitteln, wo bezüglich
dieser Handlungen die Untersuchung zuerst angehoben wurde. Dazu bedarf
es aber entsprechender Angaben, die von der gesuchstellenden Behörde dem
Bundesgericht zu vermitteln sind. Da solche Angaben im vorliegenden Gesuch
fehlen, ist dieses zur Zeit abzuweisen.