Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 112 IV 129



112 IV 129

38. Urteil des Kassationshofes vom 26. September 1986 i.S. H. gegen
Generalprokurator der Kantons Bern (Nichtigkeitsbeschwerde) Regeste

    Art. 84 Bundesgesetz über den Zivilschutz (ZSG).

    Wer vorsätzlich dem Aufgebot zu einem Einführungskurs nicht
Folge leistet (Ziff. 1 lit. a) und erklärt, er werde auch künftigen
Aufgeboten nicht gehorchen, macht sich eines schweren Falles (Ziff. 2)
der Widerhandlung schuldig.

Sachverhalt

    A.- H. gehorchte dem Aufgebot der Zivilschutzorganisation der Stadt
Bern zum Einführungskurs vom 2./3. Mai 1985 nicht; er liess diese wissen,
er werde auch künftigen Aufgeboten keine Folge leisten.

    B.- Das Obergericht des Kantons Bern verurteilte ihn am 3. Juni 1986
auf Appellation der Staatsanwaltschaft wegen Widerhandlung gegen das
Zivilschutzgesetz (schwerer Fall) zu 30 Tagen Gefängnis unbedingt.

    C.- H. führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des
Obergerichts sei aufzuheben und die Sache sei zur Neubeurteilung an
dieses zurückzuweisen.

Auszug aus den Erwägungen:

             Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Gemäss Art. 84 Ziff. 1 Bundesgesetz über den Zivilschutz (ZSG;
SR 520.1) wird mit Haft oder Busse unter anderem bestraft, wer vorsätzlich
oder fahrlässig einem Aufgebot nicht Folge leistet (lit. a); in schweren
Fällen ist die Strafe Gefängnis, womit Busse verbunden werden kann
(Ziff. 2).

    Die Handlungsweise des Beschwerdeführers stellt, wie das
Obergericht zutreffend erkannt hat, eindeutig einen schweren Fall im
Sinne dieser Bestimmung dar. Er hat allerdings bloss einem einzelnen
Aufgebot, nämlich jenem zum Einführungskurs von 2 Tagen, keine Folge
geleistet. Unterscheiden sich Kurse, Übungen und Rapporte, zu denen in
einer Zivilschutzorganisation Eingeteilte aufgeboten werden, in ihrer
Bedeutung und Dauer nicht wesentlich voneinander (Art. 52 bis 54 ZSG),
so zeichnet sich die Widerhandlung des Beschwerdeführers objektiv
durch nichts besonders aus. Er verweigert indessen die Erfüllung der
Schutzdienstpflicht überhaupt, indem er erklärt, auch künftigen Aufgeboten
nicht zu gehorchen. Subjektiv stellt dies die denkbar schwerwiegendste
einmalige Handlung dar. Wie der Beschwerdeführer einzuwenden, er handle
aus Gewissensgründen, und zudem aus der Ordnung von Art. 81 MStG folgern
zu wollen, wer deswegen die Erfüllung der Schutzdienstpflicht dauernd
ablehne, sei zufolge der identischen, gegenüber Art. 81 Ziff. 1 Abs. 1
MStG erheblich geringeren Strafdrohungen von Art. 81 Ziff. 1 Abs. 2
und Art. 81 Ziff. 2 MStG (Gefängnis bis zu 6 Monaten statt Gefängnis)
ausnahmslos nach Art. 84 Ziff. 1 ZSG zu verurteilen, offenbart sich als
verfehlt. Der Beschwerdeführer ist Schutzdienstverweigerer, wäre also,
wenn er einem militärischen Aufgebot nicht gehorcht hätte, gemäss Art. 81
Ziff. 1 Abs. 1 MStG strafbar. Art. 84 ZSG, der allein zwischen einfachen
und schweren Fällen unterscheidet, enthält keinen Art. 81 Ziff. 2 MStG
entsprechenden, privilegierten Tatbestand für Täter, die aus religiösen
oder ethischen Gründen in schwerer Gewissensnot gehandelt zu haben
behaupten; die Weigerung, Schutzdienst zu leisten, ist angesichts des
rein humanitären Zwecks des Zivilschutzes (Art. 1 Abs. 2 und 3 ZSG)
weder religiös noch ethisch zu rechtfertigen, ein Handeln in schwerer
Gewissensnot daher nicht vorstellbar. Der Hinweis des Beschwerdeführers
auf Art. 1 Abs. 1 ZSG, wonach der Zivilschutz Teil der Landesverteidigung
bildet, verfängt nicht. Der Zivilschutz ergänzt zwar die militärische,
wirtschaftliche und geistige Landesverteidigung (BBl. 1961 II S. 698),
hat aber, wie Art. 1 Abs. 2 ZSG hervorhebt, keine Kampfaufgaben, ist selbst
in Zeiten aktiven Dienstes (Art. 7 Abs. 2 ZSG) weder in die militärische
Landesverteidigung eingegliedert noch dieser zugeordnet, sondern stellt
eine nichtmilitärische Organisation dar (BBl. 1961 II S. 709), die zivile,
nicht militärische Aufgaben erfüllt (BBl. 1961 II S. 720); Anordnung und
Durchführung der erforderlichen Massnahmen ist allein Sache der zivilen
Behörden (Art. 6 ZSG); der Bundesrat übt Oberaufsicht und oberste Leitung
aus, überwacht die Durchführung der Vorschriften, stellt sie nötigenfalls
sicher, und auch in Zeiten aktiven Dienstes ordnet er die Vervollständigung
der vorgeschriebenen Massnahmen und Mittel an (Art. 7 ZSG); die aus dem
Bundesgesetz sich ergebenden Aufgaben werden, soweit sie Bundessache
sind, dem eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement übertragen,
dem als Ausführungsorgan ein Bundesamt für Zivilschutz angegliedert wird
(Art. 8 ZSG).

    Der Beschwerdeführer offenbart, wenn er einem einzelnen Aufgebot in der
Absicht nicht Folge geleistet hat, die Erfüllung der Schutzdienstpflicht
überhaupt zu verweigern, einen besonders intensiven deliktischen
Willen sowie eine besonders zu missbilligende Einstellung gegenüber
der Gemeinschaft, die verschärfter Strafe rufen. Der Grundsatz, dass
subjektive Umstände allein einen Fall bereits als schwer im Sinne des
Gesetzes erscheinen lassen können (BGE 73 IV 113; vgl. 101 IV 195 E. c
und 97 IV 123), muss erst recht dort Geltung haben, wo wie vorliegend
eine Differenzierung unter gleichartigen Tatbeständen nach objektiven
Gesichtspunkten nicht möglich ist.

Erwägung 2

    2.- Die Rüge, das Obergericht habe bei Zumessung der Strafe Art. 63
StGB verletzt, erweist sich als haltlos; es hat sie, wie aus seinen
Erwägungen zweifelsfrei hervorgeht, anhand des Verschuldens festgesetzt und
dabei Beweggründe, Vorleben und persönliche Verhältnisse berücksichtigt.

    Dass Verschulden wiegt schwer, da der Beschwerdeführer eine für die
Gemeinschaft notwendige, wiederkehrende Leistung an diese verweigert.
Hinsichtlich der Beweggründe stellt das Obergericht auf nichts anderes als
das ab, was der Beschwerdeführer selber in seinem Schreiben vom 30. April
1985 als für sein Handeln bestimmend vorgebracht hat. Es hält seine
Darlegungen allerdings mit Recht für nicht überzeugend; sie sind in ihrem
Kern offensichtlich auch nicht ethischer, sondern vielmehr politischer
Natur und können daher nicht als achtenswert im Sinne von Art. 64 StGB
gelten (BGE 101 IV 390 E. b mit Hinweisen). Die Dauer der Gefängnisstrafe
ist mit 30 Tagen nicht willkürlich hart ausgemessen, sondern erscheint
mit Rücksicht darauf, dass die Schutzdienstpflicht bis zum zurückgelegten
60. Altersjahr dauert (Art. 34 Abs. 1 ZSG), der Beschwerdeführer in
Friedenszeiten einen Einführungskurs von längstens 3 Tagen zu bestehen hat
(Art. 53 Abs. 1 ZSG) und jedes Jahr zu Dienstleistungen von höchstens 2
Tagen aufgeboten werden kann (Art. 54 Abs. 1 ZSG), sowie in Anbetracht
des von 3 Tagen bis zu 3 Jahren reichenden Strafrahmens vielmehr als eher
milde. Die Feststellung des Obergerichts, der Beschwerdeführer hätte nach
den Gepflogenheiten der Zivilschutzorganisation der Stadt Bern mindestens
70 Diensttage leisten müssen, betrifft tatsächliche Verhältnisse;
sie kann daher mit der Nichtigkeitsbeschwerde nicht angefochten werden
(Art. 277bis Abs. 1 und 273 Abs. 1 lit. b BStP).