Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 112 II 69



112 II 69

13. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 11. Februar 1986 i.S.
Marlis Geiser gegen Geiser AG (Berufung) Regeste

    Ist der Vermieter ein Mietverhältnis auf mindestens fünf Jahre fest
eingegangen, der Mieter jedoch frei, vorher zu kündigen, kann jener
während der Mindestdauer der Vereinbarung den Mietzins nicht erhöhen
(Art. 18 Abs. 1 BMM). Der Mieter indessen kann auf die vorgesehenen
Kündigungstermine hin eine Herabsetzung der Miete verlangen (E. 1 und 2).

    Auch wenn nur der Vermieter während mindestens fünf Jahren an das
Mietverhältnis gebunden ist, können die Parteien gültig vereinbaren,
den Mietzins der Entwicklung eines Indexes anzupassen (Art. 9 BMM) (E. 3).

Sachverhalt

    A.- Am 24. Januar 1974 schloss Hans Geiser mit der Geiser AG
Mietverträge über je ein Metzgereilokal am Bleicherweg 23 sowie an der
Marktgasse 8 in Zürich. Die Parteien vereinbarten eine Mietdauer von
dreissig Jahren mit einer Option auf weitere dreissig Jahre zugunsten der
Aktiengesellschaft. Der Vermieter verzichtete auf ein Kündigungsrecht,
hingegen sollte die Mieterin jeweils auf Ende März kündigen können. In
Zusatzverträgen bestimmten die Parteien am 20. Dezember 1974 einen
jährlichen Mietzins von Fr. 15'000.-- für das Lokal am Bleicherweg bzw. von
Fr. 18'000.-- für den Laden an der Marktgasse, wobei "die Mietzinse an
den Landesindex der Konsumentenpreise gebunden sind".

    Marlis Geiser, welcher die Nutzniessung an den vermieteten
Liegenschaften zusteht, kündigte am 28. September 1983 die Erhöhung der
Mietzinse per 1. Januar 1984 auf jährlich Fr. 19'875.-- bzw. Fr. 23
850.-- an. Hierauf gelangte die Geiser AG an die Schlichtungsstelle;
es konnte keine Einigung erzielt werden.

    B.- Das Mietgericht des Bezirks Zürich, welches Frau Geiser anrief,
hiess ihre Klage teilweise gut und stellte am 21. Mai 1984 fest,
die geforderten erhöhten Mietzinse seien per 1. April 1985 nicht
missbräuchlich.

    Auf Rekurs der Geiser AG hin hob das Obergericht des Kantons Zürich
am 21. Mai 1985 das Urteil des Mietgerichts auf und wies die Klage ab.

    C.- Frau Geiser hat gegen diesen Entscheid Berufung erhoben. Das
Bundesgericht heisst sie teilweise gut, hebt den Beschluss des Obergerichts
auf und weist die Sache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurück.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- Da die Beklagte die Mietverhältnisse jeweils auf Ende März
kündigen kann, erachtet das Obergericht die Klägerin gemäss Art. 18 BMM als
befugt, die Mietzinse in jährlichen Abständen jeweils auf diesen Termin
anzupassen. Sie sei mithin nicht, wie das Art. 9 BMM für die Gültigkeit
von Indexklauseln voraussetze, während mindestens fünf Jahren an den
ursprünglich vereinbarten Mietzins gebunden. Die vorgesehene Möglichkeit,
den Mietzins an den veränderten Index anzupassen, erweise sich daher ebenso
wie die gestützt darauf angekündigte Mietzinserhöhung als unzulässig.

Erwägung 2

    2.- Die Argumentation des Obergerichts offenbart sich in ihrem
Ansatzpunkt als verfehlt. Wünscht der Vermieter den Mietzins zu erhöhen,
so hat er, wie dies Art. 18 Abs. 1 BMM ausdrücklich sagt, die für
die Änderung des Mietvertrages geltende Frist einzuhalten. Ist das
Mietverhältnis während einer bestimmten Zeit für den Mieter, nicht aber
für den Vermieter, kündbar, kann er für die Dauer der festen Vereinbarung
den Mietzins nicht erhöhen.

    Der Mieter indessen kann auf die vorgesehenen Kündigungstermine hin
eine Herabsetzung der Miete verlangen. Der Klägerin steht entgegen der
Auffassung des Obergerichts demnach keine Möglichkeit offen, jeweils auf
Ende März die Mietzinse anzupassen. Dadurch entfällt der Grund, gestützt
auf den die Vorinstanz die vereinbarte Indexklausel als unzulässig
erklärt hat.

Erwägung 3

    3.- Gemäss Art. 9 BMM können Vereinbarungen, wonach die Höhe des
Mietzinses einem Index folgt, gültig nur für Mietverhältnisse getroffen
werden, die auf mindestens fünf Jahre abgeschlossen werden.

    Indexklauseln sind nach unumstrittener Auffassung zulässig, falls
weder Mieter noch Vermieter das Mietverhältnis vor Ablauf von fünf
Jahren auflösen können. Zweck des Bundesbeschlusses ist es, die Mieter
vor missbräuchlichen Mietzinsen und andern missbräuchlichen Forderungen
der Vermieter zu schützen (Art. 1 BMM). Dem widerspricht jedoch nicht,
was bei gegenseitiger, inhaltsgleicher Bindung beider Vertragsparteien
möglich ist, auch dann gelten zu lassen, wenn der Vermieter auf
mindestens fünf Jahre verpflichtet ist, es dem Mieter aber freisteht,
früher zu kündigen. Dem Beschlussestext kann denn auch nicht entnommen
werden, dass notwendigerweise eine beidseitige Verpflichtung auf die
genannte Mindestvertragsdauer erforderlich, eine Disparität zugunsten des
Mieters also ausgeschlossen wäre. Es fehlt an schlüssigen Anhaltspunkten
dafür, dass der Wortlaut den Sinn der Bestimmung nicht richtig oder
nur unvollkommen wiedergäbe. Die Möglichkeit einer Mietzinsindexierung
ist gegen erhebliche Widerstände vorbehalten worden, weil je nach den
Umständen sowohl Vermieter wie Mieter ein grosses Interesse an einem
langfristigen Vertrag haben können, ein Vermieter sich aber im allgemeinen
nicht zum Abschluss eines Mietvertrages mit mehrjähriger fester Dauer
bereit erklärt, wenn während dieser Zeit der Mietzins nicht verändert
werden darf (BGE 108 II 468 E. c mit Hinweisen). Die Mietzinsindexierung
ist mithin der dem Vermieter unter den Voraussetzungen von Art. 9 BMM
zugestandene Ausgleich für eine langdauernde vertragliche Verpflichtung;
als solcher aber ist er einzig von der Dauer der Bindung des Vermieters an
den Vertrag, nicht zugleich und notwendigerweise auch von jener des Mieters
abhängig. Für die Indexierung gemäss Art. 9 BMM genügt es deshalb, wenn nur
der Vermieter sich auf eine feste Verpflichtung einlässt. Die Behauptung,
die vorgeschriebene Mindestvertragsdauer ziele ebenso auf einen Schutz
des Vermieters ab (MÜLLER, Der Bundesbeschluss über Massnahmen gegen
Missbräuche im Mietwesen vom 30. Juni 1972, S. 124), lässt sich durch
nichts belegen und widerspricht sowohl dem Zweck des Bundesbeschlusses
wie auch der Entstehungsgeschichte der fraglichen Bestimmung; sie taugt
daher nicht, um den gezogenen Schluss zu entkräften.

    Art. 9 BMM gehört zu den relativ zwingenden Normen, bei welchen
Abänderungen lediglich zu Ungunsten des Mieters ausgeschlossen sind
(Art. 5 BMM). Um eine solche geht es hier indessen erkennbar nicht, wenn
für die Anwendbarkeit jener Bestimmung eine mindestens fünfjährige Bindung
lediglich des Vermieters und nicht zugleich auch des Mieters verlangt wird,
der Mieter also im Vergleich zu einem auf fünf Jahre festen Mietvertrag
einen zusätzlichen Vorteil geniesst.

    Diese Auslegung steht im Einklang mit Wortlaut und Sinn, der
Entstehungsgeschichte sowie dem Charakter der Norm. Sie wird denn auch von
jenen Autoren, welche die Frage einlässlich behandeln, mit den gleichen
oder ähnlichen Argumenten gestützt (RAISSIG/SCHWANDER, Massnahmen gegen
Missbräuche im Mietwesen, S. 93 f.; BARBEY, L'arrêté fédéral instituant
des mesures contre les abus dans le secteur locatif, S. 106).