Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 112 II 59



112 II 59

11. Urteil der I. Zivilabteilung vom 28. Januar 1986 i.S. Circus
Montis AG gegen Eidgenössisches Amt für das Handelsregister
(Verwaltungsgerichtsbeschwerde) Regeste

    Art. 38 Abs. 1 HRegV und Art. 944 Abs. 1 OR. Firmenwahrheit.

    1. Firmenbildung mit einem Künstlernamen, der sich insbesondere mit
einem weit verbreiteten Familiennamen deckt. Umstände, welche die Aufnahme
des Namens in die Firma einer AG nicht als unzulässig erscheinen lassen
(E. 1).

    2. Privaten Klagen aus Namensrecht vorzubeugen, ist im Normalfall
nicht Aufgabe des Amtes (E. 2).

Sachverhalt

    A.- Die Circus Montis AG, Wohlen, wollte im Juni 1985 ihre Firma in
"Circus Monti AG" abändern und im Handelsregister eintragen lassen.

    Mit Verfügung vom 3. Juli 1985 weigerte sich das Eidgenössische Amt
für das Handelsregister, die Eintragung zu genehmigen; es fand, die neue
Firma müsse als täuschend im Sinne von Art. 944 Abs. 1 OR und Art. 38
Abs. 1 HRegV betrachtet werden, weil kein unmittelbarer Zusammenhang der
Gesellschaft mit einem Träger des Familiennamens "Monti" bestehe.

    B.- Die Circus Montis AG führt gegen diese Verfügung
Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag, sie aufzuheben und das Amt
anzuweisen, die Änderung zu bewilligen.

    Das Amt beantragt, die Beschwerde abzuweisen.

Auszug aus den Erwägungen:

             Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Nach Art. 38 Abs. 1 HRegV müssen alle Eintragungen in das
Handelsregister wahr sein, dürfen zu keinen Täuschungen Anlass geben
und keinem öffentlichen Interesse widersprechen. Das gleiche gilt
gemäss Art. 944 Abs. 1 OR für den Inhalt der Firma, insbesondere für
die nähere Umschreibung der darin erwähnten Personen und für Hinweise
auf die Natur des Unternehmens. In Art. 950 OR wird ergänzend dazu für
Aktiengesellschaften bestimmt, dass sie unter Wahrung der allgemeinen
Grundsätze über die Firmenbildung auch Personennamen in die Firma
aufnehmen dürfen.

    a) Der Hinweis auf das Zirkusunternehmen, das Mitglieder der Familie
Muntwyler-Wülser Mitte Februar 1985 in Form einer Aktiengesellschaft
gegründet haben, wird vom Amt zu Recht nicht beanstandet; es hält einzig
den Namen "Monti" in der Firma der Beschwerdeführerin für unzulässig,
weil es sich dabei um einen alteingesessenen Tessiner Familiennamen
handle, der heute nach dem sechsbändigen "Familiennamenbuch der Schweiz"
(herausgegeben vom Polygraphischen Verlag, Zürich 1968-1971, Bd. IV S. 137)
auch in elf anderen Kantonen vorkomme und daher als allgemein bekannt
gelten müsse. "Monti" sei bloss der Künstlername der Gesellschaftsgründer,
die früher unter diesem Namen aufgetreten seien und in Fachkreisen
wohl einen gewissen Bekanntheitsgrad erlangt hätten. Das rechtfertige
die Zulassung aber nicht; andernfalls könnte jedermann willkürlich
einen anderen Familiennamen wählen und ihn nach einiger Zeit in die
Firma aufnehmen. Vorliegend sei die Täuschungsgefahr zu bejahen, da ein
Zusammenhang mit dem Familiennamen "Monti" hervorgerufen werde. Mit der
Zulassung würden auch die Interessen einer unbestimmten Zahl von Personen
mit diesem Namen und damit das öffentliche Interesse verletzt.

    Die Beschwerdeführerin ist dagegen der Meinung, für die Aufnahme eines
Personennamens in die Firma einer AG genüge irgendein Zusammenhang zwischen
dem Träger des Namens und der Gesellschaft. Das Recht zur Verwendung
des eigenen Namens für solche Firmen werde nur durch das UWG beschränkt
und stehe dem Gründer einer AG, der den Künstlernamen anstelle seines
Familiennamens in die Firma der Gesellschaft aufnehmen wolle, ebenfalls
zu. Diesfalls sei auch der vom Amt verlangte Zusammenhang gegeben,
der ohnehin kein enger sein könne, weil von der Firma nicht auf die
beteiligten Personen geschlossen werden dürfe. Von einem Verstoss gegen
den Grundsatz der Firmenwahrheit könne daher keine Rede sein.

    b) Es geht vorliegend nicht um die Gefahr einer Verwechslung
mit einer älteren Firma im Sinne von Art. 951 Abs. 2 OR, sondern
ausschliesslich darum, ob das Publikum durch den Bestandteil "Monti"
in der Firma der Beschwerdeführerin getäuscht werden kann. Es besteht
daher zum vornherein kein Anlass, Umstände mitzuberücksichtigen, die eine
solche Verwechslungsgefahr zwischen Unternehmen mit ähnlichen Zwecken
begründen oder erhöhen können, oder das gesetzliche Täuschungsverbot bei
der Verwendung von Familiennamen sonstwie nach wettbewerbsrechtlichen
Gesichtspunkten auszurichten, wie das Amt mit seinen Beispielen zu
angeblich naheliegenden Missbräuchen anzunehmen scheint. Ob eine
Täuschungsgefahr besteht, beurteilt sich zudem nicht allgemein,
sondern nach den Umständen des Einzelfalles, wobei grundsätzlich von der
Firmenbezeichnung als Ganzes auszugehen ist, selbst wenn einem einzelnen
Bestandteil eine erhöhte Bedeutung zukommt (BGE 108 II 133 E. 4 mit
Hinweisen).

    An solchen Umständen vermag das Amt hier bloss die Tatsache zu nennen,
dass es sich bei "Monti" um einen alteingesessenen Tessiner Familiennamen
handelt, der bereits vor 1962 in elf weiteren Kantonen verbreitet gewesen,
aber bloss der Künstlername der Gesellschaftsgründer sei; seine Verbreitung
als Familienname sei ein starkes Indiz dafür, dass er dem Publikum
bekannt sei. Dass eine bestimmte Bezeichnung sich als Familienname
schon vor Jahrzehnten oder gar vor Jahrhunderten eingebürgert und in
zahlreichen Kantonen verbreitet hat, taugt für sich allein indes nicht
zur Unterscheidung, ob eine Täuschungsgefahr im Einzelfall zu bejahen oder
zu verneinen sei, lässt sich doch eher sagen, je seltener, aber berühmter
oder aktueller ein Name ist, um so grösser sei diese Gefahr (vgl. BGE 98
Ib 192 E. 4, 77 I 77 ff.). Ohne eine solche, besondere Geltung spricht
ein weit verbreiteter oder häufig vorkommender Name jedenfalls nicht für,
sondern gegen eine Täuschungsgefahr, weshalb er das Amt nicht zur Annahme
einer solchen Gefahr verleiten darf, soll das gesetzliche Kriterium seinem
Sinn und Zweck entsprechend angewendet werden. In seiner ergänzenden
Vernehmlassung zur Beschwerde macht das Amt denn auch selber Vorbehalte.

    Selbst wenn insbesondere das italienischsprachige Publikum die
streitige Firma mit dem weit verbreiteten Familiennamen "Monti" verbinden
und annehmen sollte, die Aktiengesellschaft sei aus einer Familie mit
diesem Namen hervorgegangen, kann vernünftigerweise nicht von einer
Täuschungsgefahr gesprochen werden. Für den unbefangenen Leser steht
der klare Hinweis auf das Zirkusunternehmen im Vordergrund und ist der
Name "Monti" in erster Linie als Bezeichnung dieses Unternehmens zu
verstehen. Zu bedenken ist ferner, dass der streitige Bestandteil als
Mehrzahl des italienischen Wortes "monte" (Berg) auch eine Sachbezeichnung
ist und deshalb, wie das Amt einräumt, ebenfalls als Phantasiename
verstanden werden kann. Schliesslich darf nicht übersehen werden, dass
einem Familiennamen in der Firma einer Aktiengesellschaft im Unterschied
zu anderen Gesellschaftsformen (Art. 945 und 947 f. OR) rechtlich keine
besondere Bedeutung zukommt, weil Aktionäre nicht persönlich haften. Es
besteht daher entgegen der Auffassung des Amtes auch kein Grund, zwischen
dem Träger des Namens und der Gesellschaft einen unmittelbaren oder
besonders engen Zusammenhang zu verlangen, um nach Art. 944 Abs. 1
OR eine Gleichbehandlung aller Gesellschaftsformen zu gewährleisten
(F. VON STEIGER, Schweizerisches Firmenrecht, S. 44; F. VON STEIGER
in ZBJV 74/1938, S. 329; J. HARTMANN, in Sieben Vorträge über das neue
Obligationenrecht, Basel 1937, S. 218; R. PATRY, in Schweiz. Privatrecht,
Bd. VIII/1 S. 162/63).

    c) Abgesehen davon darf vorliegend mitberücksichtigt werden, dass
der Hauptaktionär und -gründer der Beschwerdeführerin in den Jahren
1979/81 zusammen mit seiner Familie in einem Zirkusunternehmen unter dem
Künstlernamen "Monti" als Clown aufgetreten und bekannt geworden ist; das
eine wie das andere darf aus Beilagen zur Beschwerde geschlossen werden. Es
leuchtet daher ein, dass er diesen Namen nicht bloss beibehalten, sondern
auch in die Firma der Gesellschaft aufnehmen wollte, als er im Februar 1985
zusammen mit seiner Familie ein eigenes Zirkusunternehmen gründete. Nach
Auffassung der Beschwerdeführerin sollte mit diesem Vorhaben, dem
das Amt sich bereits mit Schreiben vom 26. Februar 1985 widersetzte,
denn auch bloss der Zusammenhang zwischen der "Zirkusfamilie Monti"
und der Gesellschaft deutlich gemacht werden. Pseudonyme geniessen
grundsätzlich aber den gleichen Schutz wie Familien- und Vornamen
(BGE 92 II 310; PEDRAZZINI/OBERHOLZER, Grundriss des Personenrechts,
2. Aufl. S. 167). Es ist deshalb nicht einzusehen, warum ein Künstlername
in der Firma einer AG nur dann zulässig sein sollte, wenn er aus einer
reinen Phantasiebezeichnung besteht, nicht aber, wenn er mit einem weit
verbreiteten Familiennamen identisch ist, der sich seinerseits mit einer
Sachbezeichnung deckt.

Erwägung 2

    2.- Das Amt verfügt über ein gewisses Ermessen, wenn es eine
Firmenbezeichnung auf ihren Wahrheitsgehalt und auf eine allfällige
Täuschungsgefahr zu prüfen hat. Es hat sich aber auch innerhalb des
ihm zustehenden Ermessens von sachlichen Gesichtspunkten leiten zu
lassen und nach Recht und Billigkeit zu entscheiden (BGE 97 I 75 E. 1
und 92 I 300 E. 4 mit Hinweisen). Vorliegend hat es das ihm erlaubte
Ermessen offensichtlich überschritten. Sein Bestreben, die täuschende
Verwendung alteingesessener und weit verbreiteter Familiennamen in Firmen
zu verhindern, will genau besehen nicht das Publikum vor irreführenden
Angaben schützen; es läuft in Fällen wie dem vorliegenden vielmehr darauf
hinaus, Träger solcher Familiennamen davor zu bewahren, dass Dritte ihre
Namen zur Bildung von Firmen missbrauchen. Das erhellt insbesondere daraus,
dass das Amt seine Prüfung "in erster Linie" nach dem Familiennamenbuch
der Schweiz richtet und in der Zulassung täuschender Künstlernamen
nicht nur die Interessen einer unbestimmten Zahl von Personen mit
dem gleichen Familiennamen, sondern auch das öffentliche Interesse
verletzt sieht. Namensschutz zu treiben, insbesondere privaten Klagen
aus Namensrecht vorzubeugen, ist indes im Normalfall nicht Aufgabe des
Amtes, lässt sich folglich auch nicht anführen, um einer Eintragung ins
Handelsregister die Genehmigung gemäss Art. 115 HRegV wegen Verstosses
gegen ein öffentliches Interesse zu verweigern. Vorbehalten bleiben
allenfalls eindeutige Fälle der Anmassung von Namen ganz bestimmter
Personen.

    Die angefochtene Verfügung, mit der das Amt eine Täuschungsgefahr zu
Unrecht bejaht hat, ist somit aufzuheben und die von der Beschwerdeführerin
beantragte Änderung ihrer Firma zuzulassen.

Entscheid:

              Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird gutgeheissen, die Verfügung des
Eidgenössischen Amtes für das Handelsregister vom 3. Juli 1985 aufgehoben
und das Amt angewiesen, die Änderung der Firma "Circus Montis AG" in
"Circus Monti AG" zu bewilligen.