Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 112 II 384



112 II 384

64. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 17. September
1986 i.S. M. gegen M. (Berufung) Regeste

    Güterrechtliche Auseinandersetzung. Beteiligung des Ehegatten am
Mehrwert des eingebrachten Gutes des anderen (Art. 214 ZGB).

    Die proportionale Beteiligung mehrerer Gütermassen an einem
Vermögenswert ist nur dann zulässig, wenn die Investition einer fremden
Gütermasse bereits beim Erwerb erfolgte und es sich um eine Liegenschaft
handelt (Bestätigung der Rechtsprechung).

    Die variable Ersatzforderung, die im neuen, am 1. Januar 1988 in
Kraft tretenden Eherecht bei der Errungenschaftsbeteiligung und der
Gütergemeinschaft Anwendung finden wird, kann nicht auf das bisherige
Recht der Güterverbindung übertragen werden.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 5

    5.- In die Liegenschaften M. 26 und 30 wurden während der Ehe
wertvermehrende Investitionen getätigt. Dabei handelt es sich um Fr.
1'341'949.-- für einen Neubau und um Fr. 167'307.--, die im wesentlichen
für eine Lageraufstockung verwendet wurden. Gemäss den verbindlichen
Feststellungen der Vorinstanz konnte der Kläger nicht beweisen, dass er
für diese Investitionen Mittel aus dem eingebrachten Gut aufgewendet habe.

    Mit der Vorinstanz ist daher davon auszugehen, dass die investierten
Mittel aus der Errungenschaft stammten. Zu prüfen bleibt, welche Wirkungen
sich daraus für die betroffenen Gütermassen ergeben.

    a) Unbestritten ist, dass rein konjunkturbedingte Mehr- oder
Minderwerte eines Vermögensgegenstandes allein der Vermögensmasse zugute
kommen oder allein von der Vermögensmasse zu tragen sind, welcher der
betreffende Vermögenswert angehört (BGE 96 II 308; 74 II 147 oben;
62 II 339 ff.; BÜHLER/SPÜHLER, N 26 f. zu Art. 154 ZGB; EGGER, N 5 zu
Art. 212/213 ZGB; LEMP, N 44 zu Art. 214 ZGB). Umgekehrt stehen Mehrwerte,
die auf eine über die gewöhnliche Verwaltung hinausgehende Tätigkeit
zurückzuführen sind, der Errungenschaft zu (BGE 96 II 308; 88 II 143 f.;
BÜHLER/SPÜHLER, N 28 zu Art. 154 ZGB, mit weiteren Hinweisen auf Lehre
und Rechtsprechung; LEMP, N 44 zu Art. 214 ZGB). An diesen Mehrwerten
sind die Ehegatten somit gemäss Art. 214 Abs. 1 ZGB im Verhältnis zwei
zu eins beteiligt.

    Besondere Probleme ergeben sich nun aber hinsichtlich der
konjunkturellen Mehrwerte, wenn Mittel aus verschiedenen Gütermassen
in einen bestimmten Vermögensgegenstand geflossen sind. Auszugehen
ist vom Umstand, dass das geltende Recht der Güterverbindung für
die Ersatzforderungen des Frauengutes grundsätzlich am Nominalwert
festhält. Ausdrücklich angeordnet wird die Unveränderlichkeit dieser
Ersatzforderungen zwar in Art. 199 ZGB nur für den Fall, dass das
Frauengut aufgrund eines Ehevertrages zum Schätzungswert ins Eigentum
des Ehemannes übergeht. Wegen der engen Sach-Verwandtschaft mit dieser
Bestimmung sind aber auch die Ersatzforderungen nach Art. 201 Abs. 3
ZGB unveränderlich, die der Ehefrau für in das Eigentum des Ehemannes
übergegangene vertretbare Sachen, namentlich für bares Geld und nur der
Gattung nach bestimmte Inhaberpapiere, zustehen (BGE 96 II 311). Darüber
hinaus gelten auch die Ersatzforderungen nach Art. 209 Abs. 1 ZGB als
unveränderlich (HINDERLING, Wertsteigerungen und Ersatzforderungen bei
der Güterverbindung, in: SJZ 61/1965 S. 17 f., 23; LEMP, N 38 zu Art. 209
ZGB; SCHULER, Die Mehrwertbeteiligung unter Ehegatten, Diss. Zürich
1984, N 124 f. mit weiteren Hinweisen; vgl. auch STEINAUER, A propos
des remplois, des plus- (ou moins-) values et des dettes hypothécaires
dans la liquidation du régime matrimonial légal ordinaire, in: MÉLANGES
GUY FLATTET, S. 387). Nun sah sich aber das Bundesgericht immer wieder
veranlasst, die Härten des Nominalwertprinzips zu mildern, da dieses bei
langer Ehedauer allein schon aufgrund der Geldentwertung zu stossenden
Ergebnissen führen kann. Dabei wurden verschiedene Wege beschritten
(vgl. zuletzt HAUSHEER/GEISER, Güterrechtliche Sonderprobleme in: Vom
alten zum neuen Eherecht, ASR 503, 1986, 80 ff.).

    Unter bestimmten Voraussetzungen hat die bundesgerichtliche
Rechtsprechung die ganzheitliche Zuweisung eines Vermögenswertes bzw. des
entsprechenden Mehrwertes an die Errungenschaft statt an das eingebrachte
Gut oder das Sondergut eines Ehegatten vorgenommen. Eine solche
regelwidrige Umteilung wurde insbesondere vorgenommen, wenn Brautleute im
Hinblick auf die Ehe gemeinsam den Erwerb einer Liegenschaft finanzierten,
diese jedoch nur auf den Namen des Ehemannes im Grundbuch eintragen liessen
(BGE 109 II 94 f.; 96 II 312 f.), oder wenn eingebrachtes Gut des Ehemannes
mit solchem der Ehefrau sowie mit Errungenschaft so sehr vermischt
worden war, dass der den einzelnen Gütermassen zukommende Mehrwert
nicht mehr ermittelt werden konnte (BGE 100 II 87). Eine regelwidrige
Zuweisung an die Errungenschaft erfolgte auch bei Aktien, die aufgrund
von Bezugsrechten alter, zum eingebrachten Gut gehörender Aktien, aber mit
Mitteln der Errungenschaft erworben worden waren (BGE 104 II 158 ff.). In
diesen Fällen wurden beide Ehegatten somit über die Vorschlagsteilung im
Verhältnis zwei zu eins an einem Wertzuwachs beteiligt, das heisst nach
der Bereinigung der einer andern Gütermasse zustehenden unveränderlichen
Ersatzforderung (BGE 109 II 95; 104 II 162; 100 II 87; 96 II 310 f.).

    Eine andere Milderung des Nominalwertprinzips wurde in Analogie zur
Behandlung der Mehrwerte, die durch eine ausserordentliche Tätigkeit
geschaffen wurden, herbeigeführt. Wie diese Mehrwerte wurden in BGE 74
II 148 auch jene der Errungenschaft zugewiesen, die im Zusammenhang mit
einer gemischten Schenkung auf den von der Errungenschaft herrührenden
Betrag zurückzuführen waren. Auf diese Weise ging das Bundesgericht in
BGE 102 II 77 f., BGE 50 II 433 sowie im Entscheid Waltisperger und Gloor
gegen Lüscher, veröffentlicht in ZBGR 35/1954, S. 324, vor. Dies führte
zur proportionalen Aufteilung des betroffenen Vermögensgegenstandes auf
mehrere Gütermassen und zwar im Verhältnis zu deren Beteiligung. Damit
wurde auch ein proportionales Anwachsen der konjunkturellen Mehrwerte im
Rahmen der beteiligten Gütermassen erreicht.

    Die proportionale Beteiligung mehrerer Gütermassen bei einem
Wertzufluss aus einer anderen Gütermasse wurde bisher indessen nur
zugelassen, wenn die mehreren Gütermassen bereits beim Erwerb des
fraglichen Vermögensgegenstandes zusammengewirkt hatten (vgl. auch BGE 91
II 91). Zudem handelte es sich stets um Liegenschaften. Für Aktien wurde
eine proportionale Beteiligung abgelehnt. Statt dessen wurden die aufgrund
eingebrachter Bezugsrechte erworbenen Aktien ganz der Errungenschaft
zugewiesen, und dem eingebrachten Gut wurde für die Bezugsrechte eine
unveränderliche Ersatzforderung zugesprochen (BGE 104 II 162).

    b) Im vorliegenden Fall hat der Kläger während der Ehe mit
Mitteln der Errungenschaft Investitionen in seine eingebrachten
Liegenschaften getätigt. Die Vorinstanz hat der Errungenschaft hiefür eine
veränderliche Ersatzforderung zugesprochen und diese nach der Differenz
des Verkehrswertes berechnet, den die Liegenschaften im Zeitpunkt der
güterrechtlichen Auseinandersetzung aufgrund der fraglichen Investitionen
tatsächlich aufwiesen, und jenem, den sie ohne diese Investitionen
aufgewiesen hätten. Dabei stützte sie sich im wesentlichen auf die
eigene Rechtsprechung (ZR 73/1974 Nr. 88) sowie auf eine Anregung
von HINDERLING. Dieser Autor befürwortet tatsächlich eine variable
Ersatzforderung sowohl für aussergewöhnliche, über die ordentliche
Verwaltung des Frauengutes hinausgehende Tätigkeiten des Ehemannes
(Wertsteigerungen eingebrachter Güter bei der Güterverbindung, in: Festgabe
zum Schweizerischen Juristentag, Basel 1963, S. 107 ff., insbesondere
S. 114 und 122) als auch für Investitionen einer Gütermasse in eine andere
(Wertsteigerungen und Ersatzforderungen bei der Güterverbindung, in:
SJZ 61/1965 S. 17 ff.).

    Die variable Ersatzforderung geht indessen über die bisherige
Rechtsprechung des Bundesgerichts hinaus. Sie bedeutet nicht nur eine
Ergänzung der bisherigen bundesgerichtlichen Rechtsprechung, wie dies
das Obergericht anzunehmen scheint, sondern tritt vielmehr als Ersatz der
Mehrwertzuweisung an die Errungenschaft und der proportionalen Beteiligung,
und zwar auf anderer Grundlage, in Erscheinung. Im Ergebnis würde die
variable Ersatzforderung nur dann der proportionalen Beteiligung mehrerer
Gütermassen entsprechen, wenn in Erweiterung der bisherigen Rechtsprechung
des Bundesgerichts alle Investitionen erfasst würden und nicht nur jene
im Zeitpunkt des Erwerbes eines Vermögensgegenstandes und wenn zudem die
Beschränkung auf Liegenschaften entfallen würde.

    c) Die von verschiedenen Autoren geforderte variable Ersatzforderung
(vgl. auch HAUSHEER, ZBJV 116/1980, 113; STEINAUER, aaO, 387) hat Eingang
in das revidierte, ab 1. Januar 1988 geltende Eherecht gefunden. Art 206
ZGB neue Fassung (nF) sieht sie für den neuen ordentlichen Güterstand der
Errungenschaftsbeteiligung vor. Durch den Verweis in Art. 239 ZGB nF gilt
sie auch für die Gütergemeinschaft des neuen Rechts. Das neue Eherecht
führt die variable Ersatzforderung indessen nicht vorbehaltlos ein. Zwar
ist nach Art. 209 ZGB nF für Forderungen zwischen den Gütermassen eines
Ehegatten ein Mehr- oder Minderwert immer zu berücksichtigen (vgl. aber
die Bemerkung von HAUSHEER/GEISER, aaO, S. 93 f.), gemäss Art. 206
Abs. 1 ZGB nF fallen jedoch für Forderungen zwischen den Gütermassen
der Ehegatten grundsätzlich nur Mehrwerte, hingegen keine Minderwerte
in Betracht. Letztere spielen hier nur im Rahmen einer Globalrechnung
eine Rolle, soweit sie - entgegen dem bundesrätlichen Vorschlag - gegen
Mehrwertanteile aus anderen Vermögensgegenständen aufzurechnen sind
(vgl. HAUSHEER/GEISER, aaO, S. 95 f.). Zudem ist zu beachten, dass die
Ehegatten gemäss Art. 206 Abs. 3 ZGB nF für Forderungen ihrer Gütermassen
gegen diejenigen des Ehepartners den Mehrwertanteil wegbedingen oder
ändern können. Die Regelung des neuen Rechts ist somit dispositiver Natur.

    Für die Güterverbindung des Zivilgesetzbuches von 1907 ist die
variable Ersatzforderung abzulehnen. Im Unterschied zum neuen Recht
hätte die variable Ersatzforderung im noch bis zum 1. Januar 1988
und dann übergangsrechtlich geltenden Recht der Güterverbindung
konsequenterweise immer auch die Berücksichtigung von Minderwerten
zur Folge (vgl. HINDERLING, SJZ 61/1965 S. 19), da ohne besondere
gesetzliche Anordnung bei der variablen Ersatzforderung als Bestandteil
des Güterstandes grundsätzlich von zwingendem Recht auszugehen wäre. Eine
Übernahme der weiteren, im neuen Recht vorgesehenen Besonderheiten
(Ausschluss der Minderwertbeteiligung unter Ehegatten und Gesamtabrechnung
aller Mehr- und Minderwertbeteiligungen) käme nicht ohne weiteres in Frage.
Denn es geht nicht an, eine aufgrund besonderer gesetzlicher Regelungen
modifizierte variable Ersatzforderung unbesehen auf das bisherige Recht
zu übertragen. Dies liefe auf eine Änderung des bisherigen Rechts hinaus,
welche nur dem Gesetzgeber zusteht. Unter solchen Umständen würde die
variable Ersatzforderung in der Güterverbindung aber dazu führen, dass
diese in wesentlichen Punkten über jene des neuen Rechts hinausginge. Die
Rechtsprechung sollte nicht auf dem Wege der Gesetzesauslegung zu einem
Ergebnis gelangen, das vom Reformgesetzgeber teilweise ausdrücklich
abgelehnt worden ist.

    Zudem ist zu beachten, dass die variable Ersatzforderung das Recht der
Güterverbindung keineswegs vereinfachen würde. Dies hat auch HINDERLING
eingestanden, weshalb er die Forderung auf Anerkennung der variablen
Ersatzforderung mit dem Ruf nach einer Gesetzesrevision verband (SJZ
61/1965 S. 25 f.). Im neuen Recht beruht die variable Ersatzforderung
denn auch auf anderen Grundlagen, als dies bei der Güterverbindung
der Fall wäre. Ein bestimmter Vermögensgegenstand gehört immer und
ausschliesslich zum Vermögen des Ehegatten, der rechtlich Eigentümer ist,
und die beiden Ehegatten stehen sich güterrechtlich völlig gleichberechtigt
gegenüber. Damit wurden im neuen Recht die Voraussetzungen geschaffen,
um die Mehr- und Minderwertbeteiligung in einheitlicher Weise anzugehen
(Botschaft des Bundesrates, BBl 1979 II S. 1314; HAUSHEER/GEISER, aaO,
S. 85 f.). Bei der Güterverbindung des geltenden Rechts steht dem Ehemann
demgegenüber die Verwaltung und Nutzung des eingebrachten Guts der Frau zu,
und die Errungenschaft ist sein alleiniges Eigentum. Ein unmodifiziertes
System der variablen Ersatzforderung liesse sich damit nicht vereinbaren
und müsste jedenfalls vor den Ersatzforderungen gemäss Art. 199, Art. 201
Abs. 3 und Art. 209 Abs. 1 ZGB Halt machen.

    d) Ist aber aus all diesen Gründen von der variablen Ersatzforderung
in der Güterverbindung des Zivilgesetzbuches von 1907 entgegen der
Auffassung des Obergerichtes abzusehen, kann es auch nicht angehen,
über eine gegenüber der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichts
erweiterte Anwendung der proportionalen Beteiligung zu dem von der
Vorinstanz erwünschten Ergebnis zu gelangen. Auf dieses Ergebnis, das
über jenes nach neuem Recht hinausginge, kommt es an, nicht auf seine
unterschiedliche rechtliche Begründung.

    Im Ergebnis besteht somit kein Anlass, auf die bisherige Rechtsprechung
zurückzukommen, wonach die proportionale Beteiligung mehrerer Gütermassen
an einem Vermögenswert nur dann zulässig ist, wenn die Investition
einer fremden Gütermasse bereits beim Erwerb einer Liegenschaft erfolgt
ist. An der in BGE 96 II 308 und 85 II 8 f. im Sinne eines obiter dictum
zum Ausdruck gebrachten Auffassung, eine solche Beteiligung sei auch
bei einer späteren Investition einer fremden Gütermasse möglich, kann
dementsprechend nicht festgehalten werden.