Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 112 II 38



112 II 38

8. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 11. Februar 1986 i.S.
Anlagebank Zürich in Liq. und Personalfürsorgestiftung der Anlagebank
Zürich gegen Frau G. (Berufung) Regeste

    Arbeitsvertrag; Anspruch der Witwe des Arbeitnehmers gegenüber der
Personalfürsorgestiftung.

    Sieht das Reglement der Personalfürsorgestiftung Leistungen nur
für den Fall des Todes bei bestehendem Arbeitsverhältnis vor, stirbt
der Arbeitnehmer jedoch nach Beendigung desselben, bevor die Stiftung
Leistungen erbracht hat, so kommt dem Arbeitnehmer im Zeitpunkt seines
Todes ein gesetzlicher Anspruch auf Vorsorgeleistungen aufgrund von
Art. 331c OR zu (E. 4), der kraft Vertrags zugunsten Dritter und damit
trotz Ausschlagung der Erbschaft auf die begünstigte Witwe übergeht
und nicht mit Forderungen der Stifterfirma gegenüber dem verstorbenen
Arbeitnehmer verrechnet werden darf (Art. 122 OR) (E. 3).

Sachverhalt

    A.- G. beendigte nach 24 Dienstjahren auf Ende Juli 1978 seine
Tätigkeit als Direktor der Anlagebank Zürich, die sich seit 15. August
1978 in Liquidation befindet und der gegenüber G. am 25. Juli 1978 eine
Schuldanerkennung über Fr. 21'368'700.-- ausgestellt hatte. Im Dezember
1978 forderte er die Personalfürsorgestiftung der Anlagebank auf, sein
Guthaben an die Providentia Lebensversicherungsgesellschaft zu überweisen,
bei der er eine Rente erwerben wollte. Die Personalfürsorgestiftung
lehnte dieses Begehren ab; zur Begründung berief sie sich auf Art. 5
ihres Reglements, wonach begünstigte Personen Leistungen der Stiftung
nur insoweit beanspruchen können, als diese allfällige Gegenforderungen
der Stiftung selbst oder der Stifterfirma übersteigen. G. starb am
31. Dezember 1979, ohne dass mit der Personalfürsorgestiftung eine Regelung
getroffen worden wäre. Die Witwe, Frau G., schlug die Erbschaft aus.

    B.- Am 5. Juni 1981 klagte Frau G. beim Bezirksgericht Zürich gegen
die Personalfürsorgestiftung auf Zahlung von Fr. 378'422.-- nebst Zins. Die
Beklagte verkündete der Anlagebank Zürich in Liquidation den Streit, worauf
die Litisdenunziatin den Prozess als Nebenintervenientin weiterführte. Das
Bezirksgericht und das Obergericht des Kantons Zürich hiessen die
Klage gut. Mit Berufung verlangt die Nebenintervenientin Aufhebung des
Urteils des Obergerichts und Abweisung der Klage, insbesondere weil
das Stiftungsreglement Leistungen ausschliesse. Insoweit weist das
Bundesgericht die Berufung ab.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 3

    3.- Zu untersuchen ist, ob die Beklagte die Zahlung gestützt auf den
ausschliesslich als Verrechnungsregel aufzufassenden Art. 5 des Reglements
verweigern durfte.

    Mit der Berufung ist davon auszugehen, dass G. als Promissar mit
der Beklagten als Promittentin einen echten Vertrag zugunsten Dritter
gemäss Art. 112 Abs. 2 OR, vorliegend zugunsten der Klägerin als
Begünstigter, abgeschlossen hat (Urteil des Bundesgerichts i.S. Brown
c. Caisse de retraite Golay-Buchel & Cie S.A. vom 18. Mai 1981, E. 1a,
veröffentlicht in SZS 27 (1983) S. 39 f. mit zahlreichen Hinweisen). Als
Arbeitnehmer liess sich G. für den Fall seines Ablebens Leistungen an
die Hinterbliebenen versprechen. Dadurch entstand ein selbständiger,
von der Erbenstellung der Klägerin unabhängiger Anspruch, der nicht in
die Erbmasse fiel und von der Ausschlagung durch die Klägerin unberührt
blieb (vgl. neben dem zitierten Urteil REYMOND, Les prestations des fonds
de prévoyance en cas de décès prématuré, SZS 26 (1982) S. 178 f. sowie
RIEMER, Das Recht der beruflichen Vorsorge in der Schweiz, 1985, S. 121,
N. 36). Aus dem Vertrag zugunsten Dritter ergibt sich nicht nur die
Unerheblichkeit der Ausschlagung für die Ansprüche der Klägerin gegenüber
der Beklagten, sondern auch die Unzulässigkeit, gestützt auf Art. 5
des Reglements eine Gegenforderung zur Verrechnung zu stellen. Wer sich
wie die Beklagte zugunsten eines Dritten verpflichtet hat, kann diese
Verbindlichkeit nicht mit Forderungen gegen den Promissar verrechnen
(Art. 122 OR; siehe auch BGE 111 II 168 E. 2a).

Erwägung 4

    4.- Die Nebenintervenientin macht geltend, der Vertrag zugunsten
Dritter ändere nichts daran, dass die Ansprüche der Hinterlassenen das
Schicksal derjenigen des Vorsorgenehmers teilten. Vorliegend enthalte das
Reglement keine Regel darüber, was auszuzahlen sei, wenn ein Versicherter
nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses sterbe, bevor die Beklagte die
Freizügigkeitsleistung erbracht habe. Art. 11 des Reglements erfasse nur
den Fall des Todes bei bestehendem Arbeitsverhältnis; G. sei jedoch nach
Beendigung desselben gestorben. Fehle es aber an einer Grundlage für die
Leistung im Reglement, bleibe das Geld in der Stiftung.

    a) Diese Überlegungen können schon deshalb nicht zutreffen, weil es der
Beklagten so ermöglicht würde, ihrer Leistungspflicht dadurch zu entgehen,
dass sie die Zahlungen nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses möglichst
bis zum Tod des Arbeitnehmers hinauszögert. Eine solche Ordnung liefe
dem Grundanliegen des Gesetzgebers, die Versorgung des Arbeitnehmers
und seiner Angehörigen sicherzustellen und die Zweckentfremdung der
dafür geäufneten Mittel zu verhindern, stracks zuwider (vgl. dazu schon
Botschaft des Bundesrates über die Revision des Arbeitsvertragsrechts
vom 25. August 1967, BBl 1967 II S. 241 ff., insbesondere S. 359 f.).

    b) Dass die Klägerin einen Vorsorgeanspruch aus Vertrag zugunsten
Dritter bis zur Auflösung des Arbeitsvertrags des G. besass, steht
fest. Wäre G. vor seinem Ausscheiden aus den Diensten der Anlagebank
Zürich gestorben, so hätte sich die Klägerin auf Art. 11 des Reglements
berufen können. Unabhängig vom Wortlaut dieses Reglements konnte
aber auch die Beendigung des Arbeitsvertrags nicht zum Untergang des
Vorsorgeanspruchs der Klägerin führen. Nach Art. 331c OR konnte die
Beklagte ihre Verpflichtungen gegenüber G. und der Klägerin nämlich
nur dadurch erfüllen, dass sie zugunsten der Anspruchsberechtigten eine
Forderung auf künftige Vorsorgeleistungen sei es gegen sie selbst, sei
es gegenüber einer andern Einrichtung (Abs. 1 und 3) begründete. Ein
Ausnahmefall, der die Barauszahlung gestattet hätte (Abs. 4), lag nicht
vor; aus BGE 106 II 157, wo das Bundesgericht die Verrechnung in einem
Fall, in dem die Destinatäre in bar abgefunden worden sind, als zulässig
erachtet hat, kann die Nebenintervenientin deshalb nichts zu ihren Gunsten
ableiten. Art. 331c OR gehört zu den Bestimmungen, von denen nicht zum
Nachteil des Arbeitnehmers abgewichen werden kann (Art. 362 OR). Der
Reglementsnachtrag, in Kraft seit 1. Januar 1977, sieht denn auch in
einem neuen Art. 13 einen Anspruch auf Freizügigkeitsleistungen vor,
der mit Auflösung des Arbeitsvertrags vor Erreichen des Rücktrittsalters
entsteht (Abs. 1) und nur unter einschränkenden, hier nicht gegebenen
Voraussetzungen durch Barzahlung erfüllt werden kann (Abs. 5). Mit
seinem vorzeitigen Rücktritt hat G. Anspruch auf diese Leistungen
erworben, deren Höhe sich nach Art. 13 Abs. 2 des Reglementsnachtrags
bestimmt. Unerheblich ist, dass G. für keinen andern Arbeitgeber mehr
tätig wurde; der Reglementsnachtrag spricht zwar von einem Anspruch auf
eine Freizügigkeitsleistung, macht diesen jedoch nicht davon abhängig,
dass der Arbeitnehmer eine neue Stelle antritt. Mit dem Tod von G.
ist dieser Vorsorgeanspruch kraft Vertrags zugunsten Dritter auf die
Klägerin übergegangen. Der Einwand der Nebenintervenientin, bei den
Freizügigkeitsleistungen handle es sich gleichsam um höchstpersönliche
Ansprüche, scheitert daran, dass diese Leistungen gemäss Art. 13 Abs. 4
des Reglementsnachtrags unter anderem mit dem Tod des Arbeitnehmers
fällig werden.